In der vierten Folge von „Frag den Anwalt“ widmet sich der Anwalt folgender Frage von Frank:
„Ich habe von der Seebrücke im Ostseebad Heiligendamm dasGrand Hotel Heiligendamm aus fotografiert und bei Fotolia hochgeladen. Fotolia hat das Foto jedoch abgelehnt. Der Grund für die Ablehnung lautet: Urheberrechtsverletzung.
Das Foto wurde doch aber von der Seebrücke aus fotografiert. Dabei handelt es sich doch um einen öffentlichen Weg oder Platz. Kann ich mich also auf die Panoramafreiheit berufen oder handelt es sich wirklich um eine Urheberrechtsverletzung?“
Hier stellt sich zunächst die Frage, ob die Fassade des Grand Hotel überhaupt urheberrechtlich geschützt ist oder nicht. Wäre es nicht der Fall, würde die Panoramafreiheit schon keine Rolle spielen, da schon grundsätzlich keine Urheberrechtsverletzung vorliegen kann.
Nach einer kurzen Netzrecherche stellen wir fest, dass aufgrund der Errichtung der abgebildeten Architektur gut 200 Jahre zurückliegt. Daher dürfte das Urheberrecht des Architekten, welches nach deutschem Urheberrecht 70 Jahre nach dessen Tod erlischt, kaum mehr ein Problem sein.
Dennoch stellt sich die Frage, was wäre wenn…
Bezüglich des Platzes vor dem Grand Hotel besteht meiner Meinung nach wenig Zweifel daran, dass die Panoramafreiheit anwendbar und daher der Vertrieb von Bildern des Grandhotels, die von dort aus erstellt wurden, auch dann erlaubt ist, wenn die Architektur noch urheberrechtlich geschützt wäre. Also – keine Urheberrechtsverletzung.
Ob das auch für die Seebrücke gilt, kann allerdings nicht auf den ersten Blick durchgewunken werden. Derartige Brücken gehören in der Regel eher zum Hafengebiet und fallen – wie auch die Seebrücke Heiligendamm – unter die Hafenverordnung. Glücklicherweise gibt es hier eine Gruppe von Menschen, die sich hiermit noch genauer befasst, als Fotografen. Angler. Daher finden wir etwa hier ein Foto des Schildes, das an der Seebrücke hängt und die Benutzung regelt:
Sieht man sich das Schild mal in Ruhe an, erkenne ich nur ein temporäres Angelverbot, aber keine Zugangsbeschränkung, sodass die Panoramafreiheit hier einschlägig sein sollte, da für die Anwendbarkeit der Panoramafreiheit ausweislich der Kommentierung „allein die Widmung zum Gemeingebrauch und die sich daraus ergebende Zugänglichkeit für jedermann“ maßgeblich ist.
Wieso wurde die Aufnahme dennoch abgelehnt?
Niemand und gerade keine weltweit operierende Agentur mit Hauptsitz in San Jose wie Adobe wird eingehende Bilder nur danach beurteilen, ob diese nach dem deutschen Urheberrecht unbedenklich sind oder nicht. Und das völlig zurecht.
Meiner Erfahrung nach ist es gerade bei international aktiven Bildagenturen üblich und auch absolut angezeigt, dass man sich zunächst ein Bild davon macht, wie die einzelnen Themen des Fotorechts in den Ländern gehandhabt wird, in die man die Bilder nachher verkaufen möchte. Hiernach sollten man für die Standards zur Aufnahme von neuen Bildern in den eigenen Stock jeweils die Rechtsordnung des Landes heranziehen, die die höchsten Anforderungen hat.
Dies liegt daran, dass Fotolia beispielsweise auch us-amerikanischen Kunden eine ausreichende Rechtegarantie geben können muss. Wenn nun ein Kunde in USA ein Bild kauft und es beispielsweise für das Cover eines Buches verwendet, das dort erscheint, erfolgt die Klärung von rechtlichen Fragen hinsichtlich der Bildverwendung nach amerikanischem Recht. Gerade hinsichtlich Persönlichkeits- und Urheberrechten bestehen in den USA andere Kriterien als in Deutschland.
Müsste ich die Frage also mit einem Satz beantworten, würde dieser lauen:
Zumindest nach deutschem Urheberrecht dürfte hier keine Urheberrechtsverletzung vorliegen, was allerdings für die Entscheidung über die Annahme der Aufnahme keine Rolle spielt, da diese auf Basis einer anderen Rechtsordnung gefällt wird.
Über den Autor: Sebastian Deubelli ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in der Nähe von München.
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Schon die dritte Folge gibt es aus der jetzt schon beliebten Serie „Frag den Anwalt“. Diesmal widmen wir uns einer Frage, die von uns Thomas per Mail erreichte:
„Ich habe vor zwei Jahren die Rakotzbrücke in Kromlau fotografiert und bei Fotolia eingesetzt.
Ab November 2016 ist die Brücke nun markenrechtlich geschützt und darf nicht mehr ohne Genehmigung verbreitet werden. Laut Artikel der heutigen Zeitung (16.11.2016) suchen sie auch einen Abmahnanwalt, der gezielt nach Fotos suchen soll.
Meine Frage: Wissen sie, ob ich das Bild bei Fotolia löschen muss, obwohl es ja vor dem Termin veröffentlicht worden war?
Das Bild wurde auch dreimal als Sonderlizenz verkauft. Könnte der Anwalt diesen Kunden nun verbieten das Bild zu benutzen?“
Diese Frage untergliedert sich in zwei Themengebiete. Einerseits spielt der Markenschutz eine Rolle, dem ich aber keine all zu große Bedeutung beimessen möchte. Schauen wir uns dazu mal die Marke an, die mit Wirkung zum 02.11.2016 (Widerspruchsfrist läuft noch) beim DPMA eingetragen wurde.
Dies ist die einzige Eintragung, die ich finden konnte und diese schützt keineswegs die Brücke markenrechtlich, sondern die dort ersichtliche Wort-Bildmarke. Als Bildbestandteil ist daher nicht die Brücke generell geschützt, sondern die beim DPMA hinterlegte Grafik. Sicherlich enthält diese auch die Brücke als grafisch aufbereitetes Element. Hieraus aber ein Verbot herzuleiten, die Brücke fortan nicht mehr ungefragt fotografieren zu dürfen, halte ich für falsch, da das Markenrecht zunächst einmal nur verbietet, die beim DPMA hinterlegte Wort-Bild-Kombination markenmäßig zu verwenden. Eine solche markenmäßige Beeinträchtigung erkenne ich aber bei der Verwertung eines Fotos der Brücke gerade nicht.
Zudem ist die Marke auch nur auf die Klassen
Klasse(n) Nizza 33: alkoholische Getränke, ausgenommen Biere
Klasse(n) Nizza 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten
Klasse(n) Nizza 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen
eingetragen, was eine weitere Beschränkung darstellt, da der Markenschutz nicht grenzenlos besteht, sondern auf die Verwendung der Marke in den eingetragenen Produkt- und Dienstleistungsklassen beschränkt ist. Fotografische Produkte sind hiervon nicht umfasst, was ebenfalls dagegen spricht, dass das Fotografieren der Brücke und die Verwertung der Bilder generell unterbunden werden kann.
Neben dem Markenrecht spielt aber hier ein anderes rechtliches Thema eine Rolle und wie ich finde, eine deutlich wichtigere. Dieses haben wir in unserem letzten Artikel schon behandelt.
Sollte ich nämlich beim Fotografieren der Brücke nicht auf öffentlichem Grund und Boden stehen, kann mir der Grundeigentümer grundsätzlich aus seinem Hausrecht heraus das Fotografieren verbieten. Eine erste Recherche im Netz legt nahe, dass es weder Öffnungszeiten noch Eintrittsgelder für den Landschaftspark gibt, in dem die Brücke steht. Daher spricht einiges dafür, dass die Brücke von öffentlichem Grund aus und damit erlaubnisfrei fotografiert werden kann. Letzte Sicherheit gibt es hier allerdings nicht.
Urheberrechte an der Brücke dürften übrigens aufgrund der Tatsache, dass die Brücke um 1860 erbaut wurde, ebenfalls schon abgelaufen sein. § 64 UrhG regelt hierzu:
„§ 64 Allgemeines
Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers.“
Alles in allem scheint mir die Möglichkeit, sowohl bestehende Bilder sowie auch die Erstellung und die Verwertung neuer Bilder zu unterbinden, reichlich wackelig.
Müsste ich die Frage in einem Satz beantworten:
Ich würde aufgrund meiner rechtlichen Einschätzung dankend ablehnen, würde diese Gemeinde sich bei mir mit der Frage melden, ob ich der Anwalt sein möchte, der gegen die Erstellung und den Vertrieb von Fotos der Brücke vorgehen möchte.
Über den Autor: Sebastian Deubelli ist Anwalt spezialisiert auf Medien- und Urheberrecht in der Nähe von München.
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Danke für eure zahlreichen Fragen an den Anwalt Sebastian Deubelli, die uns auf verschiedenen Wegen erreicht haben.
Aus den verschiedenen Einsendungen haben wir diese erste Frage von Andreas aus der Mailbox gepickt:
„Ich biete meine Fotos u.a. bei Alamy an. Ich frage mich wieweit deren Rechtsauffassung sich mit deutschem Recht deckt. Man kann Bilder mit Personen ohne MR einstellen, diese Bilder werden dann von Alamy für „editorial use“ angeboten. Kann man das so machen auch wenn die Personen das Hauptmotiv auf dem Bild sind, z.B. ein Ruder-Achter auf dem Fluss, Leute klar erkennbar?
Wäre das in Deutschland legal oder fragwürdig ? Deutschen Agenturen würde ich die Bilder so nicht anbieten, da achte ich darauf, dass Personen nicht erkennbar bzw. in grösserer Zahl auf dem Bild sind, Beiwerk.“
Die Antwort:
Der Vertrieb von Bildern ohne Model Release (MR) mit dem Hinweis, dass die Bilder nur für redaktionelle Zwecke verwendet werden dürfen, ist auch bei deutschen Bildagenturen durchaus verbreitet. Die Ursache hierfür finden wir ausnahmsweise auch wirklich mal im Gesetz, konkret im § 23 KunstUrhG.
Dort lesen wir:
„(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.“
Die Alternative, die Deine Frage beantwortet, ist die Ziffer 1, die es gestattet, Persönlichkeiten der Zeitgeschichte ohne die ansonsten erforderliche Einwilligung – also auch ohne MR – abzubilden.
Hier wird oft missverstanden, dass es irgendwie um prominente Persönlichkeiten gehen müsste, damit Bilder ohne die dazugehörige Einwilligung verwenden können. Das ist allerdings nicht erforderlich.
So hat etwa der BGH 2014 entschieden (wer es ganz genau wissen will, hier das Urteil), dass auch ein kleines Mieterfest ein ausreichend „prominentes“ Ereignis darstellt und Fotos von Teilnehmern auch ohne deren Einwilligung zum Zweck der Berichterstattung über die Veranstaltung verwendet werden dürfen. Auf diese zweckgebundene Verwendung der Bilder zur Berichterstattung über ein konkretes Ereignis stellen die meisten Klauseln der Bildagenturen ab, wenn von „editorial“ oder „redaktioneller Verwendung“ die Rede ist.
Doch selbst wenn die Agentur Deine Bilder ohne MR anbietet und sich nicht innerhalb der Alternative der Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte bewegt, ist das unproblemtisch, solange sie dem Käufer nicht vorgaukelt, die Klärung der Persönlichkeitsrechte sei erfolgt. Genau das schließt etwa Alamy in den Nutzungsbedingungen aus, in denen es hier zur Freigabe heißt:
„Informationen zu Freigaben
Alamy gibt keinerlei Zusicherungen oder Gewährleistungen dafür, dass Freigaben für das Bild-/Videomaterial eingeholt wurden.
(…) Sie müssen sich selbst vergewissern, dass jegliche erforderlichen Freigaben für die Nutzung des Bild-/Videomaterials erteilt wurden. Sie tragen die alleinige Verantwortung für die Einholung dieser Freigaben, und die Nutzungslizenz setzt in jedem Fall die Einholung voraus. Wenn Sie nicht sicher sind, ob Freigaben für die Nutzung des Bild-/Videomaterials erforderlich sind, obliegt es Ihnen, bei den zuständigen Parteien nachzufragen. Sie dürfen sich nicht auf eine von Angestellten oder Vertretern von Alamy gemachte Zusicherung oder Gewährleistung verlassen, soweit sie nicht in dieser Vereinbarung festgehalten sind.“
Alamy erklärt die Bedeutung der Releases übrigens auch recht ausführlich seinen Bildlieferanten/Fotografen auf dieser eigens dafür eingerichteten Unterseite zum MR und PR.
Was natürlich immer funktioniert, ist die Verwendung von Bildern, auf denen die Person nicht erkennbar ist. Dann brauche ich schon die nach § 22 KunstUrhG erforderliche Einwilligung nicht und muss mich nicht mit Ausnahmevorschriften hierzu herumschlagen. Für die Frage der Erkennbarkeit stellt man als eine Art Faustformel übrigens darauf ab, ob ein erweiterter Bekanntenkreis – also etwa Arbeitskollegen – die abgebildete Person erkennen würden.
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass ich größere Gruppen stets ohne Einwilligung der Abgebildeten fotografieren darf. Hier funktioniert vor allem die weit verbreitete starre Faustformel („ab 5, 7, 11 Leuten brauche ich kein MR“) nicht. Die Rechtsprechung nimmt an der Stelle vielmehr eine Einzelfallbetrachtung vor, die sich eben nicht an solchen absoluten Zahlen festmachen lässt, sodass auch bei größeren Gruppen eher ein MR eingeholt werden sollte als sich auf dieses weit verbreitete Gerücht zu verlassen.
Müsste ich die Ausgangsfrage in einem Satz beantworten, würde dieser lauten:
Solange die Agentur dem Kunden kein MR verkauft, wo keines ist, sehe ich auch nach deutschem Recht kein Problem darin, Bilder ohne MR in die Hände dieser Agentur zu geben.
Über den Autor: Sebastian Deubelli ist Anwalt spezialisiert auf Medien- und Urheberrecht in der Nähe von München.
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Auf der Photokina habe ich mit unzähligen Leuten Gedanken ausgetauscht. Darunter auch mit dem Rechtsanwalt Sebastian Deubelli, der sich auf die Themen Medienrecht und Urheberrecht spezialisiert hat.
Hier im Blog habe ich die Serie „Frag den Fotograf“ habe, wo ich Leserfragen beantworte, die mir geschickt werden. Leider kann ich nicht alle Fragen beantworten, vor allem wenn es um rechtliche Themen geht, weil mir da das Fachwissen fehlt.
An dieser Stelle kommt Sebastian Deubelli ins Spiel.
Wir haben uns zusammen überlegt, die Serie „Frag den Anwalt“ ins Leben zu rufen.
Da könnt ihr uns eure Fragen rund um die Themen Urheberrecht, Medienrecht, Bildrechte, Markenrecht, Designschutz und so weiter schicken und er wird versuchen, diese hier im Blog zu beantworten.
Damit wir bald mit der ersten Folge beginnen können, freuen wir uns auf eure Zuschriften:
Eure Fragen könnt ihr einfach hier als Kommentar hinterlassen oder mir eine Nachricht auf Facebook oder per Email schreiben.
Selbstverständlich könnt ihr dabei auch anonym bleiben bzw. die Fragen können auf Wunsch im Blog anonymisiert veröffentlicht werden.
Microstock-Bildagenturen haben die Stockfotografie in den letzten zehn Jahren massiv umgekrempelt.
Das betrifft aber nicht nur die Preise, sondern auch die Bildsprache und die Arbeitsweise. Die Technikaffinität der Microstock-Agenturen brachten sie auch einige Errungenschaften ins Spiel: Noch nie zuvor war es Fotografen so einfach möglich, zu sehen, welche ihrer Bilder sich am besten verkauften, sie konnten Trends erkennen, darauf reagieren, diese wiederum analysieren und so weiter.
Leider gibt es eine sehr dunkle Schattenseite dieser Errungenschaft: Da die Downloadzahlen lange nicht nur dem jeweiligen Fotografen vorlagen, sondern öffentlich auf der Webseite von allen anderen Leuten, sowie Kunden als auch anderen Fotografen, eingesehen werden können, entwickelten sich die „Copycats“. So nenne ich die Leute, die schamlos die Bilder anderer Fotografen kopieren und damit Geld verdienen.
Ich rede hier nicht von der einen oder anderen Bildidee, die wahrscheinlich die meisten Fotografen im Portfolio haben, die sie irgendwo anders mal gesehen und nachgeahmt haben. Das liegt in der Natur der Sache, weil Microstock-Motive nun mal sehr generisch und austauschbar sind.
Nein, Copycats sind für mich Leute, die systematisch Portfolios fremder Fotografen durchstöbern, nach Downloads sortieren und versuchen, die fremden Bestseller so identisch wie möglich nachzumachen, bis hin zur Kleidung der Models oder der Anordnung im Bild. Copycats sind Leute, die nicht ein Bild eines Fotografen kopieren, sondern gleich das komplette Shooting. Copycats sind Leute, bei denen der Großteil des Portofolios aus geklauten Bildideen besteht. Eine besonders radikale Gruppe von Copycats kopiert bei einigen Fotografen nicht nur die Bestseller, sondern vorsorglich die meisten der neuen Bilder mit dem Wissen, dass der beklaute Fotograf ein sehr gutes Gespür für Trends, Motive und Bestseller hat.
Ich bin nicht frei von Schuld und es lassen sich bei mir einige Motive finden, die andere vor mir sehr ähnlich umgesetzt haben. Andersrum bin ich als öffentlich bekannte Person auch davon betroffen, dass Fotografen oder Fotografinnen meine erfolgreichsten Shootings als Blaupause für ihre eigenen Shootings nehmen, inklusive Keywords und allem. Die betreffenden Leute wissen meist sehr gut, dass sie gemeint sind. Ich hatte mich vor paar Jahren mal via Twitter beschwert, dass ein von mir nicht genannter Fotograf bei einem Motiv meine Keywords 1:1 übernommen habe. Von meinen über tausend Followern meldete sich ausgerechnet genau der betroffene Fotograf und fragte via Privatnachricht: „Du meinst nicht etwa mich, oder?“
Was bedeuten die Copycats nun für die Stockfotografie?
Die Sicht der beklauten Fotografen
Meist haben die beklauten Fotografen einen unschätzbaren Vorteil: Sie haben das Original und sie sind die ersten mit diesem Motiv. Wenn sich ein Bild erst mal zum Besteller entwickelt hat, ist es schwer, das Original „vom Thron zu stoßen“. Besonders ärgerlich sind die Kopien aber, wenn sich aus irgendwelchen Gründen die Kopien besser verkaufen als das Original und bei den Suchergebnissen vor dem Original angezeigt werden.Das passiert immer öfter, weil die Suchalgorithmen vieler Bildagenturen mittlerweile neue Werke bevorzugen und die späteren Kopien deshalb gegenüber dem Original bevorzugt angezeigt werden. Noch ärgerlicher ist es, dass die Copycats einen Bestseller mit einem originellen Konzept nicht nur 1x kopieren, sondern gleich 10–20 ähnliche Varianten auf den Markt schmeißen (auch hier war ich kurz versucht, Beispiele zu zeigen…). Das führt dann dazu, dass das Original in dem Meer der ähnlichen Kopien visuell untergeht.
Einige Fotografen, die regelmäßig von den gleichen Leuten beklaut werden, haben es sich „aus Rache“ angewöhnt, neue Motive von den Copycats, welche noch nicht im eigenen Portfolio sind, zu kopieren. Das biblische Prinzip von „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ verfehlt jedoch öfters das Ziel, weil die neu kopierten Bilder dann meist auf Kopien anderer Fotografen beruhen.
Zu kompliziert? Ein anonymisiertes Beispiel aus der Praxis: Fotograf A macht Bild 1. Fotograf C(opycat) kopiert das Bild. Fotograf A kopiert aus Rache das Bild 2 aus dem Portfolio des Fotografen C. Fotograf B beschwert sich, dass Fotograf A sein Motiv kopiert habe. Daraufhin stellt sich heraus, dass auch Bild 2 eine Kopie war aus dem Portfolio von Fotograf B.
Rechtlich gesehen ist es leider schwer, gegen solche Kopien anzugehen, weil „nachgestellte Fotos“ im Gegensatz zu „identischen Fotos“ nicht automatisch einen Urheberrechtsverstoß bedeuten. Da kommt es darauf an, wie ähnlich sich Kopie und Original sehen und ist meist eine Auslegungssache des Gerichts. Wenn die Copycats dann noch in einem anderen Land sitzen oder die Kontaktdaten nicht mal bekannt sind, weil die Bildagentur diese nicht preisgeben will, sieht der juristische Weg noch viel steiniger aus.
Manchmal sind die Copycats auch so schnell, dass sie dem Original-Urheber die Chance auf eigene Varianten verbauen. Wenn ein Original-Konzept zum Bestseller wird und es schnell von 4–5 Copycats nicht nur einmal, sondern in zig Varianten kopiert wird, kann es passieren, dass eine Variante des Original-Fotografs wegen „zuviel Ähnlichkeit“ oder „davon haben wir schon genug Motive“ abgelehnt wird.
Die Sicht der Copycats
Trendrecherche ist anstrengend. Außerdem ist Microstock nur lukrativ, wenn genügend Bilder verkauft werden. Warum also das Risiko eingehen, selbst Nische zu suchen, zu finden und zu besetzen? Copycats können das andere Fotografen machen lassen kann und dann bequem jeden Monat deren aktuelle Bestseller kopieren. Ist ja egal, wenn die Kopie nur ein Zehntel Umsatz macht. Wenn der Bestseller sich 1000x verkauft hat, wären das immer noch 100 Verkäufe, welche die Arbeit an einem Bild lohnend machen.
Es ist außerdem enorm zeitsparend: Copycats sparen nicht nur die Zeit, herauszufinden, welche Motive sich gut verkaufen lassen, auch bei der Erstellung der Kopie wird Zeit gespart, weil der Original-Urheber sich schon die Gedanken um effektvolle Farbkombinationen, wirksame Komposition etc. gemacht hat. Die richtig frechen Copycats laden sich – vor allem bei Vektoren – die Originale auf illegalen Warez-Seiten runter und kopieren dann die Farbverläufe oder andere aufwändig erstelle Muster 1:1 in die Kopie rein, um noch mehr Zeit zu sparen. Außerdem ist es bei Vektorgrafiken viel leichter als bei Fotos, herauszufinden, wie das Original „gebaut“ wurde, weil die Elemente in der originalen Vektordatei ja einzeln auseinandergenommen werden können.
Andere Copycats schleimen sich vorher sogar bei den zu kopierenden Fotografen ein, fragen nach dessen Ausrüstung, Technik und Arbeitsweise, bis sie nicht nur die Motive, sondern auch die Art der Umsetzung fast identisch kopieren können. Ja, auch diese Fälle hatte ich schon.
Die Sicht der Kunden
Einige Kunden legen Wert darauf, dass sie Bilder kaufen, die noch nicht zu sehr „verbraucht“ wurden und orientieren sich beim Kauf an niedrigen Downloadzahlen. Wenn sie eine Kopie mit wenigen Downloads kaufen, ärgern sie sich vermutlich, wenn sie das Original entdecken, was schon die hundertfachen Downloads hat. Außerdem verstopfen fast identische Kopien die Suchergebnisse bei den Bildagenturen und führen zur Frust bei der Bildersuche, wenn man sich durch sehr viele, sehr ähnliche Bilder wühlen muss, die vielleicht auch noch unterschiedliche Preise habe, weil einige Leute exklusiv sind und andere nicht – egal, ob jetzt Original-Urheber oder die Copycats.
Rechtlich gesehen ist die Lage auch heikel: Sollte ein Gericht feststellen, dass die Copycat mit einer Kopie das Urheberrecht eines anderen Fotografen verletzt hat, hätte der Bildkunde das Foto unrechtmäßig erworben und dürfte es nicht mehr benutzen.
Die Sicht der Agenturen
Ich habe den Eindruck, dass Agenturen relativ wenig gegen Copycats unternehmen. Das mag an der rechtlichen Problematik liegen, weil die Abgrenzung zwischen „Kopie“ und „Imitation“ schwierig ist, aber liegt vielleicht auch daran, dass ein größeres Gesamtportfolio der Agentur zugute kommt. Welcher Fotograf genau den Download eines Kunden bekommt, ist der Agentur ja meist egal. Außerdem werden es eh immer mehr, auch immer mehr ähnliche Bilder, warum also ein großes Fass aufmachen?
Wenn sich ein Fotograf beschwert, erhält er – wenn überhaupt – eine Antwort wie diese, welche Fotolia zum Beispiel noch im Oktober 2013 standardmäßig rausschickte:
„Sehr geehrtes […],
natürlich haben wir Verständnis für Ihre Reaktion auf das „Kopieren“ einiger Ihrer Dateien. Dass sich daraus jedoch nicht zwingend ein Urheberrechtsverstoß ableiten lässt, möchten wir Ihnen durch nähere Betrachtung des zentralen „Werk“-Begriffs im Urheberrecht verständlich machen. Maßgebend ist insoweit, ob das von Ihnen erstellte Original überhaupt diesen weitgehenden Schutz genießt.
Denn ein urheberrechtlich geschütztes Werk muss eine gewisse Gestaltungshöhe aufweisen. Das Merkmal der Gestaltungshöhe bezieht sich auf den Grad der Individualität, den ein geistiges Erzeugnis besitzen muss, um eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des Urhebergesetzes zu sein. Hierdurch sollen einfache Alltagserzeugnisse ausgesondert werden. Die Rechtsprechung bestimmt den Grad der Individualität durch einen Vergleich zwischen dem zu beurteilenden Original mitsamt seiner prägenden Gestaltungsmerkmale und der Gesamtheit der vorbekannten Gestaltungen.
Grds. können auch Werbegrafiken Urheberrechtsschutz genießen. Künstlerisch individuell gestaltete Werbung in Prospekten oder Anzeigen kann als Werk geschützt sein. Schlichte Alltagswerbegrafik ist allerdings nicht umfasst. Die Schutzfähigkeit fehlt auch dann, wenn es sich lediglich um eine gelungene, originelle Darstellung handelt, die aber den Bereich der Durchschnittsgestaltung nicht übersteigt.
Ohne dabei eine Wertung hinsichtlich Qualität oder künstlerischem Gehalt der betroffenen Bildinhalte vornehmen zu wollen, müssen wir unsere ernstlichen Zweifel zum Ausdruck bringen, ob Ihre Originale tatsächlich den beschriebenen urheberrechtlichen Schutz genießen.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Fotolia in derartigen Zweifelsfällen nicht tätig werden kann. Der Nutzen und die Kurzlebigkeit insbesondere von Werbegrafiken steht außer Verhältnis zu dem erforderlichen Arbeitsaufwand, den eine Prüfung und Verfolgung solcher Entlehnungen erfordern würde.
Wir möchten Ihnen abschließend raten, das „Kopieren“ ihrer Bilder als Kompliment aufzufassen und als Ansporn zu gebrauchen, handwerklich bessere und thematisch vorausschauendere Bildinhalte als die Konkurrenz zu gestalten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Fotolia Team“ (Quelle: Fotolia-Forum)
Besonders der letzte Absatz verdient hier Beachtung.
Langsam scheinen die Microstock-Agenturen aber zu merken, dass das öffentliche Anzeigen von Downloadzahlen kontraproduktiv sein kann. Das Hauptärgernis werden hier sehr wahrscheinlich die Konkurrenten sein, welche fleißig und regelmäßig die Downloadzahlen bestimmter Dateien oder Portfolios notieren, um diese Daten extrapolieren zu lassen und damit Rückschlüsse auf die Umsätze einer Agentur schließen können.
Jedenfalls sind einige Microstock-Agenturen dazu übergegangen, die Downloadzahlen nicht mehr anzuzeigen. iStock hatte die Zahlen vor paar Jahren erst sehr grob gerundet und jetzt im Zuge des Design-Relaunchs komplett von der Suchergebnis-Seite getilgt. Auch Fotolia hatte vor paar Wochen komplett die öffentliche Anzeige der Downloads beendet, worüber sich bei mir ironischerweise mehr Fotografen als Kunden beschwert haben.
Mostphotos hat nach Beschwerde einiger Fotografen im November 2013 ebenfalls die Download-Anzeige abgeschafft und 123rf hatte das schon im Juni 2007 beendet. Andere Agenturen wie Shutterstock hatten diese Informationen noch nie angezeigt.
Was sagt ihr?
Wie geht ihr mit Copycats um? Ignorieren, rächen, melden?