Danke für eure zahlreichen Fragen an den Anwalt Sebastian Deubelli, die uns auf verschiedenen Wegen erreicht haben.
Aus den verschiedenen Einsendungen haben wir diese erste Frage von Andreas aus der Mailbox gepickt:
Foto: Alexey Testov
„Ich biete meine Fotos u.a. bei Alamy an. Ich frage mich wieweit deren Rechtsauffassung sich mit deutschem Recht deckt. Man kann Bilder mit Personen ohne MR einstellen, diese Bilder werden dann von Alamy für „editorial use“ angeboten. Kann man das so machen auch wenn die Personen das Hauptmotiv auf dem Bild sind, z.B. ein Ruder-Achter auf dem Fluss, Leute klar erkennbar?
Wäre das in Deutschland legal oder fragwürdig ? Deutschen Agenturen würde ich die Bilder so nicht anbieten, da achte ich darauf, dass Personen nicht erkennbar bzw. in grösserer Zahl auf dem Bild sind, Beiwerk.“
Die Antwort:
Der Vertrieb von Bildern ohne Model Release (MR) mit dem Hinweis, dass die Bilder nur für redaktionelle Zwecke verwendet werden dürfen, ist auch bei deutschen Bildagenturen durchaus verbreitet. Die Ursache hierfür finden wir ausnahmsweise auch wirklich mal im Gesetz, konkret im § 23 KunstUrhG.
Dort lesen wir:
„(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.“
Die Alternative, die Deine Frage beantwortet, ist die Ziffer 1, die es gestattet, Persönlichkeiten der Zeitgeschichte ohne die ansonsten erforderliche Einwilligung – also auch ohne MR – abzubilden.
Hier wird oft missverstanden, dass es irgendwie um prominente Persönlichkeiten gehen müsste, damit Bilder ohne die dazugehörige Einwilligung verwenden können. Das ist allerdings nicht erforderlich.
So hat etwa der BGH 2014 entschieden (wer es ganz genau wissen will, hier das Urteil), dass auch ein kleines Mieterfest ein ausreichend „prominentes“ Ereignis darstellt und Fotos von Teilnehmern auch ohne deren Einwilligung zum Zweck der Berichterstattung über die Veranstaltung verwendet werden dürfen. Auf diese zweckgebundene Verwendung der Bilder zur Berichterstattung über ein konkretes Ereignis stellen die meisten Klauseln der Bildagenturen ab, wenn von „editorial“ oder „redaktioneller Verwendung“ die Rede ist.
Doch selbst wenn die Agentur Deine Bilder ohne MR anbietet und sich nicht innerhalb der Alternative der Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte bewegt, ist das unproblemtisch, solange sie dem Käufer nicht vorgaukelt, die Klärung der Persönlichkeitsrechte sei erfolgt. Genau das schließt etwa Alamy in den Nutzungsbedingungen aus, in denen es hier zur Freigabe heißt:
„Informationen zu Freigaben
Alamy gibt keinerlei Zusicherungen oder Gewährleistungen dafür, dass Freigaben für das Bild-/Videomaterial eingeholt wurden.
(…) Sie müssen sich selbst vergewissern, dass jegliche erforderlichen Freigaben für die Nutzung des Bild-/Videomaterials erteilt wurden. Sie tragen die alleinige Verantwortung für die Einholung dieser Freigaben, und die Nutzungslizenz setzt in jedem Fall die Einholung voraus. Wenn Sie nicht sicher sind, ob Freigaben für die Nutzung des Bild-/Videomaterials erforderlich sind, obliegt es Ihnen, bei den zuständigen Parteien nachzufragen. Sie dürfen sich nicht auf eine von Angestellten oder Vertretern von Alamy gemachte Zusicherung oder Gewährleistung verlassen, soweit sie nicht in dieser Vereinbarung festgehalten sind.“
Alamy erklärt die Bedeutung der Releases übrigens auch recht ausführlich seinen Bildlieferanten/Fotografen auf dieser eigens dafür eingerichteten Unterseite zum MR und PR.
Was natürlich immer funktioniert, ist die Verwendung von Bildern, auf denen die Person nicht erkennbar ist. Dann brauche ich schon die nach § 22 KunstUrhG erforderliche Einwilligung nicht und muss mich nicht mit Ausnahmevorschriften hierzu herumschlagen. Für die Frage der Erkennbarkeit stellt man als eine Art Faustformel übrigens darauf ab, ob ein erweiterter Bekanntenkreis – also etwa Arbeitskollegen – die abgebildete Person erkennen würden.
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass ich größere Gruppen stets ohne Einwilligung der Abgebildeten fotografieren darf. Hier funktioniert vor allem die weit verbreitete starre Faustformel („ab 5, 7, 11 Leuten brauche ich kein MR“) nicht. Die Rechtsprechung nimmt an der Stelle vielmehr eine Einzelfallbetrachtung vor, die sich eben nicht an solchen absoluten Zahlen festmachen lässt, sodass auch bei größeren Gruppen eher ein MR eingeholt werden sollte als sich auf dieses weit verbreitete Gerücht zu verlassen.
Müsste ich die Ausgangsfrage in einem Satz beantworten, würde dieser lauten:
Solange die Agentur dem Kunden kein MR verkauft, wo keines ist, sehe ich auch nach deutschem Recht kein Problem darin, Bilder ohne MR in die Hände dieser Agentur zu geben.
Über den Autor: Sebastian Deubelli ist Anwalt spezialisiert auf Medien- und Urheberrecht in der Nähe von München.
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Die Nachricht hat schnell die Runde gemacht. Vor paar Tagen stellte Getty Images, die größte Bildagentur der Welt, ihren neuen Service „Getty Embed“ vor. Damit ist es – unter bestimmten Bedingungen – möglich, aktuell knapp 33 Millionen Fotos kostenlos online zu nutzen.
An diesem Zeichen ist erkennbar, ob ein Bild kostenlos eingebettet werden darf.
Was ist „Getty Embed“?
Getty Embed ist ein neuer Streaming-Service, mit dem Blogs, Webseiten und soziale Netzwerke kostenlos Bilder von Getty Images auf ihren Seiten anzeigen dürfen. Die Anzeige des Fotos erfolgt jedoch nicht auf der jeweiligen Seite, sondern wird mittels eines iFrame von Getty Images ausgeliefert (deshalb „Streaming“). Unter dem Bild stehen aktuell die Fotocredits und ein Link zur Bildagentur. Später könnte dort auch Werbung stehen. Dieser untere Teil darf nicht entfernt werden.
Vorschau eines Getty-Embed-Bildes
Der Start dieses Angebots hat aber nicht wegen dieser technischen Neuerung Wellen geschlagen, sondern wegen der Tatsache, dass die Fotos auf diese Art kostenlos genutzt werden dürfen. Kostenlos freilich nur in dem Sinne, dass die Nutzer dafür kein Geld zahlen müssen. Stattdessen müssen sie in Form von Daten zahlen. Aber dazu später mehr.
Die vollständigen Lizenzbedingungen für die Nutzung finden sich hier und der wichtigste Teil sind diese beiden Absätze:
Getty Images (oder von Getty Images beauftragte Dritte) sind berechtigt, Daten im Zusammenhang mit der Nutzung des eingebetteten Viewers und eingebetteter Getty Images-Inhalte zu erfassen, und behält sich das Recht vor, im eingebetteten Viewer Werbung anzuzeigen oder seine Nutzung anderweitig kommerziell auszuwerten, ohne Sie hierfür zu entschädigen. […]“ (Hervorhebung von mir)
Die wichtigste Einschränkung ist, dass das Angebot nur für redaktionelle Zwecke gilt. Wer also seine gewerblich genutzte Webseite mit diesen Bildern aufhübschen will, auf der er seine Produkte und Dienstleistungen verkauft, darf Getty Embed nicht nutzen. Stattdessen dürften aber viele Online-Angebote von Verlagen wie Spiegel Online oder heise.de den Dienst nutzen. Den Unterschied zwischen redaktioneller und kommerzieller Nutzung habe ich hier ausführlich erklärt.
Soweit die Fakten. Jetzt kommen die ganzen Fragen:
Wie werden die Fotografen der Bilder bezahlt?
Das ist unklar. Einige Seiten behaupten, die Fotografen werden gar nicht bezahlt, andere meinen, die Fotografen bekämen vielleicht paar Cent pro Tausend Klicks ab. Beide Seiten haben valide Argumente. Fangen wir mit der „nicht bezahlen“-Seite an: Kürzlich hatte Getty Images einen Deal mit Pinterest ausgehandelt, bei dem Getty für die Lieferung von Metadaten bezahlt wird, nicht für die Bilder selbst. Da Fotografen nur für ihre Bilder bezahlt werden, nicht aber für eventuelle Metadaten, gehen sie bei dem Deal leer aus. Ähnlich könnte Getty Images hier argumentieren. Weil Getty Images Geld mit Werbung oder Nutzerdaten verdienen könnten, bräuchten die Fotografen davon nichts zu bekommen.
Die andere Seite wäre: Vor einem Jahr wurde bekannt, dass Getty Images mittels deren Programms „Getty Connect“ Fotografen für eingeblendete Bilder per Klick bezahlt. In der Praxis waren das viele, sehr niedrige Cent-Beträge, die teilweise so niedrig waren, dass sie gerundet immer noch „0,00 USD“ ergaben und damit die Fotografen nicht ausgezahlt wurden.
Unter den angebotenen Bildern befinden sich auf viele „Rights Managed“-Bilder (RM), die gerne deshalb gekauft werden, weil die Nutzung lückenlos kontrolliert werden kann und in der Regel die Bilder nicht so breit gestreut werden. Das wird durch Getty Embed unterminiert. Warum sollte ein Bildkäufer die Exklusivrechte an einem RM-Bild kaufen wollen, wenn es schon tausendfach auf mehr oder minder qualitativen Webseiten zu sehen war? Und entfernt Getty im Falle eines solchen Exklusivverkaufs dann einfach aus dem Embed-Pool und lässt damit die nutzenden Webseiten ohne Bild zurück?
So oder so also keine rosigen Aussichten für die Fotografen.
Warum verschenkt Getty Images offiziell Millionen von Bildern?
Zuerst einmal: Die verschenkten Bilder sind nur ein Teil des riesigen Getty-Bildarchivs. Die prestigeträchtigen Kollektionen wie Getty Contour oder Reportage mit preisgekrönten Bildern sind beispielsweise nicht dabei. Aber trotzdem: 33 (laut deren Webseite) bis 35 Millionen (offizielle Angabe) Bilder sind schon eine Menge.
Einer der offiziell angegebenen Gründe ist, dass viele Leute aktuell sowieso schon überall Bilder von Getty Images nutzen, allerdings illegal per „rechtem Mausklick“ kopiert von Getty-Kunden und ohne Quellenangaben oder Verweis auf Getty Images. Da die Rechteverfolgung vor allem bei nicht-exklusiven Bildern sehr aufwändig und teuer ist und zudem den Ärger auf Kundenseite geradezu herbeisehnt, ist verständlich, dass Getty Images da einen anderen Weg gehen will. Ich denke aber, dass das nur ein kleiner Teil des Puzzles ist, denn Die Bilderdiebe wissen oft nicht einmal, dass es Bildagenturen gibt oder würden wegen kommerzieller Ausrichtung sowieso nicht in den Genuss der kostenlosen Embed-Bilder kommen.
Warum verschenkt Getty Images wirklich die Bilder?
Getty Images behält sich offiziell das Recht vor, die angezeigten Bilder zu verändern und die durch das Einbetten gewonnenen Daten auszuwerten. Technologiekenner wissen, dass das die Schlüsselbegriffe für zwei sehr lukrative Bereiche sind: Einmal die Online-Werbung und einmal die Datenanalyse. Kombiniert ergibt es die Möglichkeit, sehr spezifische und individualisierte Werbung anzubieten.
Beispiele? Getty Images könnte Werbetreibenden anbieten, auf welchen Seiten genau deren Werbung zu sehen sein soll oder dass die Werbung auf die gezeigten Bilder zugeschnitten wird. Außerdem reicht der Arm von Getty durch die Platzierung der Bilder direkt in die redaktionelle Seite rein. Während beispielsweise in der Presse das strikte Gebot gilt, dass Werbung kenntlich gemacht und vom „redaktionellen Inhalt“ getrennt werden muss, kann Getty jetzt Werbekunden anbieten, über diesen „geschützten Zaun“ zu springen und ihre Werbung direkt und im direkten Sinne des Wortes „zwischen den Zeilen“ anzubieten. Google und Facebook verdienen mit einem ähnlichen Prinzip (bezahlte Werbung zwischen neutralen Treffern oder Posts) richtig viel Geld, deutlich mehr, als Getty Images durch die Bildlizenzierung verdienen kann. Und das ist der springende Punkt:
Wie hier gut analysiert wurde, gehört Getty Images seit August 2012 der privaten Investorengruppe Carlyle , die den Kaufpreis von 3,3 Milliarden USD mit hohen Krediten aufgebracht haben, für welche die Firma Getty Images selbst belastet wurde. Diese Kredite in Höhe von 1,2 Milliarden USD werden spätestens 2016 fällig. Bis dahin muss Getty Images gefälligst Geld einbringen. Getty Images hat 2011 ca. 945 Millionen USD Umsatz gemacht. Shutterstock gab an, 2013 knapp 12% Gewinn gemacht zu haben. Wenn wir beide Zahlen als Ausgangsbasis für eine grobe Schätzung nehmen, verdient Getty Images jetzt ca. 120 Millionen USD im Jahr. Das ist relativ wenig, um den Milliarden-Kaufpreis schnell wieder einzuspielen und angesichts sinkender Preise im Macrostock-Bereich kaum zu steigern.
Der neue kostenlose Streaming-Service ist sehr wahrscheinlich der Versuch, die Ausrichtung von Getty Images weg von einer klassischen Bildagentur hin zu einem Werbelieferanten und Datenanbieter zu machen, der nur zufällig Bilder und Videos als „Content“ anbietet. Letzteres ist deutlich attraktiver für andere Technologiefirmen, die zielgenaue Werbung anbieten und verkaufen als pure Bilder.
Was bedeutet Getty Embed für Fotografen und andere Bildagenturen?
Auf den ersten und auch den zweiten Blick sind die Aussichten düster. Fotografen werden für die neue Nutzung ihrer Bilder entweder gar nicht oder nur minimal bezahlt. Wenn sie überhaupt bezahlt werden, hängt ihr Einkommen nicht mehr von der Qualität der Bilder ab, sondern von der Qualität (bzw. Klickrate) der Inhalte, in welche die Bilder eingebunden werden, ähnlich, wie ich es schon im Streaming-Artikel kritisiert habe.
Stockfotografen könnten Umsatzeinbußen haben, weil ein Teil der bisherigen preissensiblen Käufer von Microstock-Bildern auf das kostenlose Getty-Angebot ausweichen könnte. Auch Getty- und iStock-Fotografen sind direkt nachteilig betroffen, weil auch exklusive iStock-Bilder bei Embed angeboten werden, die vorher nur bei iStock oder Getty hätten gekauft werden können.
Ironischerweise können die anderen Bildagenturen sogar noch stärker betroffen sein als die Fotografen, weil viele Microstock-Agenturen weniger als 50% an ihre Fotografen auszahlen und daher beim Verlust eines Bildkaufs insgesamt mehr Geld verlieren als der Fotograf.
Was bedeutet Getty Embed für die Nutzer?
Online- (und auch Offline-)Medien leben hauptsächlich von Werbeeinnahmen. Paywalls oder andere Einnahmequellen scheinen bisher nicht auszureichen. Getty Embed ist ein relativ offensichtlicher Versuch, den Onlinemedien lukrative Werbekunden abzuluchsen im Austausch gegen kostenlose Bilder. Außerdem würden Webseiten, welche das Angebot nutzen, einen Teil ihrer Selbständigkeit aufgeben. Sie wären abhängig von Getty Images, die jederzeit entscheiden können, die Bilder zu löschen oder Werbung zu schalten.
Außerdem ist unklar, was Getty Images alles für Nutzerdaten sammelt. Technisch möglich wären zum Beispiel die Anzahl der Seitenaufrufe, die Dauer des Seitenaufrufs, grober geografischer Standort des Nutzers, IP-Adresse, benutzter Browser, Betriebssystem sowie gesamte Bewegungsprofile, wenn der Nutzer auf vielen Seiten mit Getty Embed-Bildern unterwegs ist. Im Prinzip könnte Getty Images dann alles rausfinden, was ein Webseitenbetreiber mittels Google Analytics rausfinden kann. Aus rechtlicher Sicht müssten zumindest deutsche Anbieter auch ihre Datenschutzbestimmungen für Getty Images erweitern, weil eben Nutzerinformationen ausgelesen werden können. Das gleiche gilt ggf. für die dort eingebundenen Twitter- und Tumblr-Icons.
Weitere Nachteile aktuell sind, dass die kostenlosen Bilder nicht skaliert werden können, um sie einem Layout oder einem „Mobile Theme“ anzupassen. Auch „kleben“ die Bilder dann nicht am Artikel, was zum Beispiel dazu führt, dass das Bild nicht als Vorschaubild angezeigt wird, wenn ein Artikel in sozialen Netzwerken geteilt wird. Auch vor dem Hintergrund der Suchmaschinenoptimierung ist es nachteilig, wenn das Foto nicht auf dem eigenen Server liegt.
Ich denke, dass bisherige Bildkäufer eher Nachteile als Vorteile vom Modell haben werden und bisherige Bilderdiebe von der Illegalität ihres Handelns bisher auch nicht abgeschreckt wurden. Warum sollte sich das nun ändern?
Langfristig sehe ich etwas die Gefahr, dass sich die „Bilder im Netz sind doch kostenlos“-Mentalität wieder durchsetzt, wenn selbst die größte Bildagentur der Welt suggeriert, dass alle ihre Fotos gratis einfach so zu haben seien. Ich weiß, da stimmt weder das „alle“ noch das „einfach so“, aber ich habe mit genug Leuten außerhalb der Branche geredet, um zu wissen, dass diese feinen Unterscheidungen als erstes unter den Tisch fallen: „Ey, geh doch einfach auf die Getty-Webseite, du darfst dir da jetzt legal die Bilder runterladen, hab ich neulich in der Zeitung gelesen…“
Unter dem Strich ist Getty Embed ein Projekt, was Getty Images Chancen auf mehr Einnahmen in neuen Gebieten liefert. Aber: „Das Risiko für den Mut tragen die Fotografen“, wie die FAZ gut zusammengefasst hat. Ob die Fotografen neben dem Risiko überhaupt Aussicht auf irgendeinen Vorteil haben, ist offen bis unwahrscheinlich.
Wer ein Foto kaufen will, bzw. genauer: Wer ein Foto für etwas lizenzieren will, trifft auf viele Abkürzungen und Begriffe, die Verwirrung stiften können.
Zum Beispiel bedeutet „lizenzfrei“ nicht, dass Fotos kostenlos benutzt werden dürfen und RM bedeutet in der Fotobranche nicht Reichsmark oder Real Media, sondern „rights managed“.
Eine weitere Quelle der Verwirrung will ich heute trockenlegen.
Was ist der Unterschied zwischen „redaktioneller Nutzung“ und „kommerzieller Nutzung“ und warum ist sie so wichtig? Bevor ich diese Frage jedoch beantworte, muss ich darauf hinweisen, dass ich hier keine Rechtsberatung geben kann und darf und deshalb alle Angaben ohne Gewähr sind.
Dieses Bild dient zur Illustration eines journalistischen Beitrags und fällt deshalb unter die „redaktionelle Nutzung“
Kommerzielle Nutzung
Wie sich vermuten lässt, ist alles aus dem Bereich „Werbung“ eine kommerzielle Nutzung. Dazu zählen zum Beispiel:
Werbeanzeigen
Partyflyer
Werbeposter
Email-Werbung
Bannerwerbung
Fernsehspots
und so weiter.
Auch der Verkauf von Produkten, bei denen Fotos das Hauptmotiv bzw. der Grund sind, warum das Produkt gekauft wird, ist eine kommerzielle Nutzung. Dazu zählt zum Beispiel:
Verkauf von T‑Shirts, Stickern, Postern, Postkarten, Buttons, Kalendern, Mousepads, Puzzles etc. mit Bildern
Nutzung von Bildern in Webseiten-Templates
und so weiter. Für diese Art von kommerzieller Fotonutzung, bei der das Fotomotiv einer der Hauptgründe des Käufer ist, genau dieses Produkt und kein anderes zu erwerben (ein Poster oder Kalender wird schließlich nicht wegen des glatten Papiers gekauft) wird bei den meisten Bildagenturen meist der Kauf einer „Erweiterten Lizenz“ (auch „Merchandising Lizenz“) verlangt.
Redaktionelle Nutzung
Hier steckt im Namen das Wort „Redaktion“ und daran lässt sich schon erkennen, dass wir uns im journalistischen Bereich bewegen. Im englischsprachigen Raum wird meist von „editorial use“ gesprochen. Eine redaktionelle Nutzung ist gegeben, wenn ein Bild im Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung genutzt wird. Das ist überlicherweise der Fall bei:
Zeitungen
Zeitschriften
Schulbücher
Sachbücher
Blogs
Nachrichtensendungen
und so weiter.
Wohlgemerkt jedoch nur im „redaktionellen Teil“ einer Zeitung, nicht als Werbeanzeige in einer Zeitung. Während in traditionellen Medien Redaktionen ihre Texte verfassen und dazu Fotos zur Illustration brauchen, kann heutzutage z.B. auch ein einzelner Blogger Artikel verfassen und die Bebilderung dieser Artikel würde als „redaktionelle Nutzung“ zählen. Die weltweit größte Bildagentur Getty Images definiert die redaktionelle Nutzung in ihren Lizenzbedingungen so: „Redaktionelle Produkte müssen in einer ‚redaktionellen‘ Verwendung eingesetzt werden, d.h. die Verwendung mit Bezug auf Ereignisse, die berichtenswert oder von öffentlichem Interesse sind“. Dieser Bezug auf Ereignisse und das öffentliche Interesse wird von Gerichten mit Blick auf die Pressefreiheit meist sehr weit gedeutet.
Die Getty-Tochter istockphoto definiert „editorial use“ so: „Editorial Use means that the image will be used as a descriptive visual reference“. Übersetzt: Redaktionelle Nutzung bedeutet, dass das Bild als beschreibende visuelle Referenz genutzt wird.
Als Faustregel könnte – zumindest in Deutschland – deshalb gelten: Wer ein Impressum benötigt, nutzt Fotos redaktionell. Eine Grauzone sind Webseiten, welche zwar eine Anbieterkennzeichnung haben müssen, jedoch deshalb nicht automatisch „redaktionell“ sind.
Übliches Missverständnis: Geld verdienen vs. redaktionelle Nutzung
Oft lese ich fälschlicherweise in Internet-Foren, dass sich „kommerzielle“ und „redaktionelle“ Nutzung dadurch unterscheiden würden, dass mit erstgenanntem Geld verdient würde, mit dem zweitgenannten nicht. Das ist jedoch falsch, denn die meisten Zeitschriften kosten Geld und verdienen auch welches, auch wenn sie einen journalistischen Auftrag erfüllen. Im Gegenzug kann auch eine werbliche Nutzung, zum Beispiel für eine Hilfsorganisation eine „kommerzielle Nutzung“ sein, auch wenn der Verein satzungsgemäß kein Geld verdienen darf.
Wer zum Beispiel ein Foto auf einen Flyer drucken will, der zu einer Party einlädt, nutzt das Foto „kommerziell“ egal, ob es eine Flatrate-Sauf-Party ist oder die Einladung für das kostenlose Konzert des Kirchenchors. Beide Male „wirbt“ der Flyer für etwas. Es findet weder eine journalistische Berichterstattung statt noch wird ein Bild als visuelle Referenz genutzt. Letzteres könnte beispielsweise der Fall sein, wenn jemand ein Foto seines Autos nach einem Diebstahl auf Aushänge druckt, um danach zu fahnden.
Zweites Missverständnis: Kommerzielle und redaktionelle Nutzung unterscheidet sich wie RF/RM
RF und RM sind Abkürzungen, die für die Art der Bildlizenzierung stehen: „royalty free“ oder „rights managed“. Diese Begriffe regeln jedoch nur die Art der Bezahlung, aber nicht die der Nutzung.
Zwar war es lange in der Praxis so, dass RM-Fotos vor allem redaktionell benutzt wurden und RF-Fotos meist kommerziell, aber erstens ändert sich das und zweitens war das auch damals nie in Stein gemeißelt. Zum Beispiel wurden und werden für teure Werbekampagnen (=kommerzielle Nutzung) RM-Fotos gekauft, damit Exklusivität gewährleistet ist und einige Zeitschriften kaufen auch zur Bebilderung ihrer Artikel (=redaktionelle Nutzung) RF-Fotos, weil diese manchmal billiger sind (Microstock) oder vom Motiv einfach besser passen.
Warum ist die Unterscheidung der Nutzung wichtig?
Die genaue Trennung zwischen redaktioneller und kommerzieller Nutzung ist wichtig, weil sie in zwei wichtigen Bereichen sehr unterschiedliche Voraussetzungen erfüllen muss: Rechtlich und moralisch.
Rechtliche Unterschiede
Für eine kommerzielle Nutzung von Bildern sind zum Beispiel bei Personenfotos immer Model-Verträge notwendig, bei markenrechtlich (oder anderweitig) geschützten Dingen Eigentumsfreigaben. Bei redaktioneller Nutzung von Bildern ist das nicht notwendig. Stellt euch nur das Gedränge vor, wenn die Fotoreporter bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus alle die Unterschrift des Präsidenten unter ihre Model-Verträge haben wollen würden… 🙂 Aber im Ernst: Es wäre ein starker Eingriff in die Pressefreiheit, wenn Personen den Abdruck von Fotos verbieten könnten, auf denen sie zu sehen sind, nur weil beispielsweise eine Zeitung kritisch über diese Person berichtet. Deswegen sind Modelverträge im engen Rahmen der redaktionellen Nutzung nicht nötig. Umgekehrt aber dürfen auch Fotos, bei denen Modelverträge vorliegen, redaktionell genutzt werden.
Diese Freiheit, welche Fotojournalisten haben, wenn sie ohne Model-Verträge oder Eigentumsfreigaben arbeiten können, hat jedoch ihren Preis. Dieser lautet: „Journalistische Sorgfaltspflicht“. Das führt uns zur Moral.
Moralische Unterschiede
Die eben erwähnte Sorgfaltspflicht von Journalisten besagt unter anderem, dass Wahrheit eins der obersten Gebote ist. Das bedeutet bei Fotos unter anderem, dass sie nicht gestellt oder retuschiert werden dürfen. Die Nachrichtenagentur Reuters hat deshalb ausführliche Richtlinien, wie Fotos aufgenommen, mit Photoshop bearbeitet und beschriftet werden dürfen oder müssen. Werden diese nicht eingehalten, gibt es sofort aufgebrachte Diskussionen. Oft drehen sich diese um die Frage, wie stark ein Bild beschnitten werden darf. Jeder Fotograf weiß, dass die Bildwirkung eines Fotos stark durch einen Beschnitt beeinflußt werden kann und ein radikaler Beschnitt oft ein langweiliges Foto retten kann. Deshalb ist das Beschneiden von Fotos bei vielen Bildagenturen nicht per se verboten. Nur wenn der Beschnitt die Bildaussage ändern würde, ist er untersagt. Ähnlich strenge Vorgaben hat auch istockphoto an Fotografen, die redaktionelle Fotos liefern wollen.
Vom rechtlichen Standpunkt aus gesehen, kann jedes kommerziell nutzbare Foto auch redaktionell genutzt werden. Moralisch gesehen ist das jedoch oft viel schwieriger, weil die gestellten Model-Fotos mit wegretuschierten Markennamen und Hautunreinheiten eben nicht die Wahrheit wiederspiegeln, der sich sorgfältig arbeitende Medien verpflichten. Das ist auch einer der Gründe, warum die „klassischen“ Stockfotos eher selten in Zeitungen zu finden sind und die spezialisierten Nachrichtenagenturen weiterhin viele Fotos verkaufen können. Wenn Zeitungen trotzdem ein bearbeitetes Foto abdrucken wollen, markieren sie es entweder als „Symbolbild“ oder durch ein „[M]“ für „Fotomontage“, oft zu sehen auf dem Titelbild der tageszeitung.
Unterschiede bei der Namensnennung von Fotografen
Viele Bildagenturen verlangen von Bildkäufern, dass sie bei redaktioneller Nutzung eines Fotos den Namen des Fotografen in der Form „Fotografenname/Agenturname“ angeben. Rechtliche Grundlage für diese Forderung ist der §13 des deutschen Urheberrechts. Darin steht: „Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.“ Fotolia hat dazu einen erklärenden Blogbeitrag geschrieben.
Da viele Zeitungen aus verschiedenen Gründen (Platzmangel, Bequemlichkeit, Lesbarkeit) immer öfter dazu übergehen, nur die Agentur zu nennen, hatte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) vor kurzem die Aktion „Fotografen haben Namen“ gestartet und die „Welt kompakt“ als Zeitung ausgezeichnet, welche ihre Fotos am übersichtlichsten kennzeichnet.
Bei einer kommerziellen Nutzung verzichten viele Urheber bzw. Agenturen auf diese Namensnennung, weil sie nicht branchenüblich ist. Oder wie oft habt ihr Werbeanzeigen gesehen, in denen klein am Rande die Namen der beteiligten Fotografen stehen?
Habt ihr auch Missverständnisse mit den beiden Begriffen redaktionell und kommerziell erlebt? Was für Unterschiede ergeben sich für euch?