Danke für eure zahlreichen Fragen an den Anwalt Sebastian Deubelli, die uns auf verschiedenen Wegen erreicht haben.
Aus den verschiedenen Einsendungen haben wir diese erste Frage von Andreas aus der Mailbox gepickt:

„Ich biete meine Fotos u.a. bei Alamy an. Ich frage mich wieweit deren Rechtsauffassung sich mit deutschem Recht deckt. Man kann Bilder mit Personen ohne MR einstellen, diese Bilder werden dann von Alamy für „editorial use“ angeboten. Kann man das so machen auch wenn die Personen das Hauptmotiv auf dem Bild sind, z.B. ein Ruder-Achter auf dem Fluss, Leute klar erkennbar?
Wäre das in Deutschland legal oder fragwürdig ? Deutschen Agenturen würde ich die Bilder so nicht anbieten, da achte ich darauf, dass Personen nicht erkennbar bzw. in grösserer Zahl auf dem Bild sind, Beiwerk.“
Die Antwort:
Der Vertrieb von Bildern ohne Model Release (MR) mit dem Hinweis, dass die Bilder nur für redaktionelle Zwecke verwendet werden dürfen, ist auch bei deutschen Bildagenturen durchaus verbreitet. Die Ursache hierfür finden wir ausnahmsweise auch wirklich mal im Gesetz, konkret im § 23 KunstUrhG.
Dort lesen wir:
„(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.“
Die Alternative, die Deine Frage beantwortet, ist die Ziffer 1, die es gestattet, Persönlichkeiten der Zeitgeschichte ohne die ansonsten erforderliche Einwilligung – also auch ohne MR – abzubilden.
Hier wird oft missverstanden, dass es irgendwie um prominente Persönlichkeiten gehen müsste, damit Bilder ohne die dazugehörige Einwilligung verwenden können. Das ist allerdings nicht erforderlich.
So hat etwa der BGH 2014 entschieden (wer es ganz genau wissen will, hier das Urteil), dass auch ein kleines Mieterfest ein ausreichend „prominentes“ Ereignis darstellt und Fotos von Teilnehmern auch ohne deren Einwilligung zum Zweck der Berichterstattung über die Veranstaltung verwendet werden dürfen. Auf diese zweckgebundene Verwendung der Bilder zur Berichterstattung über ein konkretes Ereignis stellen die meisten Klauseln der Bildagenturen ab, wenn von „editorial“ oder „redaktioneller Verwendung“ die Rede ist.
Doch selbst wenn die Agentur Deine Bilder ohne MR anbietet und sich nicht innerhalb der Alternative der Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte bewegt, ist das unproblemtisch, solange sie dem Käufer nicht vorgaukelt, die Klärung der Persönlichkeitsrechte sei erfolgt. Genau das schließt etwa Alamy in den Nutzungsbedingungen aus, in denen es hier zur Freigabe heißt:
„Informationen zu Freigaben
Alamy gibt keinerlei Zusicherungen oder Gewährleistungen dafür, dass Freigaben für das Bild-/Videomaterial eingeholt wurden.
(…) Sie müssen sich selbst vergewissern, dass jegliche erforderlichen Freigaben für die Nutzung des Bild-/Videomaterials erteilt wurden. Sie tragen die alleinige Verantwortung für die Einholung dieser Freigaben, und die Nutzungslizenz setzt in jedem Fall die Einholung voraus. Wenn Sie nicht sicher sind, ob Freigaben für die Nutzung des Bild-/Videomaterials erforderlich sind, obliegt es Ihnen, bei den zuständigen Parteien nachzufragen. Sie dürfen sich nicht auf eine von Angestellten oder Vertretern von Alamy gemachte Zusicherung oder Gewährleistung verlassen, soweit sie nicht in dieser Vereinbarung festgehalten sind.“
Alamy erklärt die Bedeutung der Releases übrigens auch recht ausführlich seinen Bildlieferanten/Fotografen auf dieser eigens dafür eingerichteten Unterseite zum MR und PR.
Was natürlich immer funktioniert, ist die Verwendung von Bildern, auf denen die Person nicht erkennbar ist. Dann brauche ich schon die nach § 22 KunstUrhG erforderliche Einwilligung nicht und muss mich nicht mit Ausnahmevorschriften hierzu herumschlagen. Für die Frage der Erkennbarkeit stellt man als eine Art Faustformel übrigens darauf ab, ob ein erweiterter Bekanntenkreis – also etwa Arbeitskollegen – die abgebildete Person erkennen würden.
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass ich größere Gruppen stets ohne Einwilligung der Abgebildeten fotografieren darf. Hier funktioniert vor allem die weit verbreitete starre Faustformel („ab 5, 7, 11 Leuten brauche ich kein MR“) nicht. Die Rechtsprechung nimmt an der Stelle vielmehr eine Einzelfallbetrachtung vor, die sich eben nicht an solchen absoluten Zahlen festmachen lässt, sodass auch bei größeren Gruppen eher ein MR eingeholt werden sollte als sich auf dieses weit verbreitete Gerücht zu verlassen.
Müsste ich die Ausgangsfrage in einem Satz beantworten, würde dieser lauten:
Solange die Agentur dem Kunden kein MR verkauft, wo keines ist, sehe ich auch nach deutschem Recht kein Problem darin, Bilder ohne MR in die Hände dieser Agentur zu geben.
Über den Autor:
Sebastian Deubelli ist Anwalt spezialisiert auf Medien- und Urheberrecht in der Nähe von München.
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