Der für Donnerstag, den 25.4.2024 angesetzte Gerichtstermin fällt aus. Grund dafür ist ein kurzfristiger Antrag des gegnerischen Anwalts, welcher an diesem Termin angeblich verhindert sei.
Das Gericht hat diesem Antrag eben stattgegeben. Der Termin wurde verlegt auf: Donnerstag, den 11.07.2024, 13:30 Uhr, Sitzungssaal A 265, 2. Etage, Sievekingplatz 1 (Ziviljustizgebäude) in Hamburg.
Ich bedauere diese Verzögerung und habe irgendwie das Gefühl, dass LAION e.V. vielleicht lieber noch ungestört, ach, lassen wir die Spekulationen…
Den Hintergrund für das Einreichen meiner Klage könnt ihr hier und hier ausführlich in meinen Blogartikeln nachlesen.
Kurz gefasst befinden sich etliche meiner Fotos im Datensatz „LAION 5B“. Anhand eines konkreten Fotos als Beispiel fordere ich Unterlassung und Auskunft über den Nutzungsumfang, da ich der Meinung bin, dass die Verwendung des Fotos für das Trainieren des Datensatzes eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung darstellt. Da LAION auf meine Abmahnung nicht zu unserer Zufriedenheit reagieren wollte, blieb uns nur die Möglichkeit des Klagewegs.
Zeitlicher Ablauf der Klage:
27.04.2023: Klage eingereicht beim Landgericht Hamburg
28.06.2023: Verfügung des Landgericht Hamburg, der Verein kann Verteidigungsbereitschaft anzeigen und Klage erwidern
01.08.2023: LAION e.V. reicht Klageerwiderung ein
20.09.2023: Stellungnahme meines Anwalts zur Klageerwiderung
15.04.2024: Stellungnahme des Gegenanwalts zu unserem Schriftsatz
19.04.2024: Antrag der Gegenseite auf Terminverschiebung (ursprünglich angesetzter Termin war am 25.04.2024)
11.07.2024: Neuer Gerichtstermin vor dem Landgericht Hamburg um 13:30 Uhr
Das Verfahren ist öffentlich.
Andere aktuelle Klagen im KI-Bereich
Ich bin jedoch nicht der einzige, welcher sich daran stört, dass seine urheberrechtlich geschützten Werke ohne Nachfragen oder Entlohnung durch KI-Firmen verwertet werden.
In den USA läuft aktuell diese Sammeklage dreier Künstlerinnen gegen Stability AI, Midjourney und DeviantArt.
Die US-Komikerin Sarah Silverman klagt derzeit zusammen mit zwei anderen Autoren gegen den ChatGPT-Betreiber OpenAI und den Facebook-Mutterkonzern Meta wegen der Verwendung einiger ihrer Bücher in den KI-Trainingsdaten.
Auch gegen Google läuft diese Klage wegen der unerlaubten Verwendung von Daten für das KI-Training.
Schon länger bekannt ist die Klage der Bildagentur Getty Images gegen Stability AI wegen deren Verwendung von Bildern im KI-Trainingsdatensatz.
Vor ziemlich genau zehn Jahren habe ich diesen ausführlichen Artikel über das Problem mit „Copycats“ in der Stockfotografie geschrieben.
Darin beschreibe ich die unfairen Vorteile, welche sich Mitbewerber verschaffen, wenn sie systematisch Besteller-Bilder anderer Fotografen kopieren und wie schwer es ist, dagegen vorzugehen:
„Rechtlich gesehen ist es leider schwer, gegen solche Kopien anzugehen, weil „nachgestellte Fotos“ im Gegensatz zu „identischen Fotos“ nicht automatisch einen Urheberrechtsverstoß bedeuten. Da kommt es darauf an, wie ähnlich sich Kopie und Original sehen und ist meist eine Auslegungssache des Gerichts.“
(Auszug aus dem zitierten Blogartikel)
Die Grenzen zwischen Inspiration und Plagiat sind auch schwer zu greifen, weshalb sich in der Stockfotografie-Szene meist der Gedanke durchgesetzt hat, dass wir alle irgendwo irgendwann von jemandem kopieren und ebenso kopiert werden. Das gehöre irgendwie dazu, vor allem, weil sich die gut verkaufenden Themen kaum ändern und so wenig Spielraum für Ausweichmöglichkeiten bleibt, wenn mensch diese Motive abdecken möchte („Business-Handshake“, anyone?).
So muss ich als durch meinen Blog und meine Publikationen besonders in der Öffentlichkeit stehender Stockproduzent meist zähneknirschend hinnehmen, wenn sich andere aus meinem großen Bilderfundus mehr oder weniger detailgenau bedienen als Inspirationsquelle.
Das Bild und die Kopie
Manchmal gibt es aber Motive, auf die unser Team besonders stolz ist, weil sie eben noch nicht hundertfach vorhanden sind, vor allem, wenn diese sich dann auch noch sehr gut verkaufen.
Als Beispiel hier dieses 3D-Rendering meines 3D-Grafikers von einem schwebenden Sofa, seit November 2015 im Adobe Stock Portfolio (damals noch Fotolia):
Ich rieb mir nicht schlecht die Augen, als ich im Februar 2020 im Adobe Stock Portfolio des Fotografen Rafael Classen dieses Bild sah:
Es ist das gleiche Sofa, die gleiche Topfpflanze, der gleiche Beistelltisch, und die gleiche Korkenlampe. Selbst die Kissen, welche beim Sofa (ein 3D-Modell der Firma Evermotion, u.a. aus diesem Set) brav auf dem Sofa platziert waren, wurden in fast identischer Kombination genutzt. Auch die Farbwahl ist sehr ähnlich, die Gemeinsamkeiten beider Bilder sind auf den ersten Blick größer als die Unterschiede.
Das Bild von Classen unterscheidet sich in marginalen Details: Der Fußboden ist zum Beispiel dunkler mit anderem Muster, die Fernbedienung ist ein anderes Modell und das Bild hat weniger Vignettierung und ein anderes Seitenverhältnis.
Herr Classen hatte schon vorher einige Bilder in seinem Portfolio, welche meinen Bildern (und denen anderer Kollegen) meiner Ansicht nach auffällig ähnlich sahen, aber hier wollte ich doch eine Grenze ziehen.
Ich meldete die Kopie via DMCA-Formular an Adobe Stock, welche diese daraufhin sperrte, bis der Anbieter Widerspruch einlegte. Nach den Regeln von Adobe müsste ich nun nachweisen, dass meine Meldung rechtlich nachvollziehbar sei, sonst würde die Kopie wieder in den Verkauf kommen.
Also forderte ich durch meinen Anwalt in einer Abmahnung die Abgabe einer Unterlassungserklärung, was Classen ablehnte. Daraufhin reichten wir im April 2020 Klage wegen Urheberrechtsverletzung ein.
Kurz darauf reichte Classen eine Widerklage gegen mich wegen Urheberrechtsverletzung ein, weil er der Ansicht war, ich hätte fünf seiner Bilder kopiert.
Die Gerichtsentscheidungen: 1. LG München
Vor dem Landgericht München wurde unsere Klage (und auch die Widerklage) im Dezember 2021 abgewiesen. Hauptsächlich mit der Begründung, alle Werke seien nicht durch das Urheberrecht geschützt, weil es nach §72 UrhG weder ein Lichtbild (aka „Foto) noch ein Werk nach §2 UrhG sei:
„Inwiefern ein lichtbildähnlicher Schutz auch für Computerbilder bzw. Computeranimationen sowie mit Hilfe der Digitaltechnik veränderte oder neukomponierte Bilder gewährt wird, ist umstritten (Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 72, Rn. 7, 8 m.w.N.; verneinend KG, GRUR 2020, 280). Ausgangspunkt der vorzunehmenden Auslegung des § 72 UrhG ist der Wortlaut der Norm, wonach maßgeblich auf den Schaffensvorgang und nicht auf das Ergebnis des Schaffensprozesses abgestellt wird. Dementsprechend kann für die Beantwortung der Frage, was unter „Erzeugnissen, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden“ zu verstehen ist. allein das Ergebnis des Herstellungsverfahrens letztlich nicht maßgeblich sein. Erforderlich ist nach dem Wortlaut der Norm vielmehr, dass ein ähnliches Herstellungsverfahren wie bei der Erstellung von Lichtbildern angewandt wird. Insoweit kommt es jedoch nicht entscheidend auf den Schaffensvorgang aus Sicht des Anwenders der Technik, sondern auf die Vergleichbarkeit der technischen Prozesse an. Für die Ähnlichkeit der Prozesse spricht, dass bei der Erstellung einer Computergrafik auch Gegenstände zunächst räumlich in ganz bestimmter Weise zueinander angeordnet, eine bestimmte Farbwahl getroffen und sodann gegebenenfalls über Art, Anzahl und Position der Lichtquellen entschieden wird. Dies genügt jedoch nicht, um von einem lichtbildähnlichen Erzeugnis auszugehen. Zentrales Argument für die Privilegierung der Lichtbilder war der Einsatz der Technik der Fotografie. Im Fokus steht dabei die technische und nicht die schöpferische Leistung. Charakteristische Merkmale der Fotografie sind aber zum einen der Einsatz von strahlender Energie und zum anderen die Abbildung eines im Moment der Bilderschaffung vorhandenen, körperlichen Gegenstands (OLG Köln, GRUR-RR 2010, 141, 142; KG, GRUR 2020, 280, 284; BeckOK UrhR/Lauber-Rönsberg, 32. Ed. 15.9.2021 , UrhG, § 72, Rn. 33).
Beide Merkmale erfüllt das streitgegenständliche Rendering indes nicht. Es handelt sich hierbei gerade nicht um eine unter Einsatz strahlender Energie erzeugte selbstständige Abbildung der Wirklichkeit, sondern vielmehr um eine mittels elektronischer Befehle erzeugte Abbildung von virtuellen Gegenständen.“
aus dem Urteil des LG München vom 3.12.2021
Angesichts der modernen Technik, die schon jahrzehntelang Einzug in die Bildproduktion gehalten hatte, wollten wir nicht so recht glauben, dass wir keine Urheberrechte an unserem Bild hätten, nur weil es kein Foto, sondern ein 3D-Rendering sei.
Deshalb legten wir Berufung gegen das Urteil ein. Auch Rafael Classen legte Berufung wegen seiner abgewiesenen Widerklage ein.
2. OLG München
Wie wir gehofft hatten, betrachtete das Oberlandgericht München den Fall differenzierter und fällte am 29.6.2023 ein Urteil zu unseren Gunsten (OLG München, Aktenzeichen 29 U 256/22).
Erstens wurde anerkannt, dass auch 3D-Renderings Urheberschutz genießen können, wenn sie eine gewisse künstlerische Leistung erkennen lassen. Ausführlicher wird dieser Aspekt in diesem Blogpost auf der Webseite meines Anwalts zitiert.
Zweitens legt das OLG München ausführlich dar, unter welchen Bedingungen nicht nur direkte Kopien eines Originals, sondern auch Varianten davon schutzfähig sein können:
„[…] Ist die Veränderung der benutzten Vorlage indessen so weitreichend, dass die Nachbildung über eine eigene schöpferische Ausdruckskraft verfügt und die entlehnten eigenpersönlichen Züge des Originals angesichts der Eigenart der Nachbildung verblassen, liegt keine Bearbeitung oder andere Umgestaltung i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG […], sondern ein selbstständiges Werk vor, das in freier Benutzung des Werks eines anderen geschaffen worden ist und das […] ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden darf.“
Genau diese Bedingung sei in unserem Fall aber nicht erfüllt worden:
„Bei einem Vergleich des Gesamteindrucks der beiden Gestaltungen zeigt sich, dass dieser auch im Rendering des Beklagten durch ebendiese Elemente, das impulsbedingte Abheben, die Wellenform, den Hintergrundkontrast und – in etwas geringerem Maße – durch den Schattenwurf bestimmt werden. Gerade die wellenförmige Ausrichtung der Einzelelemente mit ihren einzelnen Drehrichtungen und Neigungswinkeln ist praktisch identisch zum klägerischen Rendering und erzeugt in gleicher Weise den Eindruck eines kurz nach dem Abheben der Dinge erfolgten Schnappschusses, wobei auch der Kontrast der größtenteils hellen Elemente vor einem ähnlichen Blauton im Hintergrund die Wirkung verstärkt. Die Unterschiede der Gestaltungen, die vor allem durch einen dunkleren Boden mit stärkerer Zeichnung der Bohlen sowie den sich stärker auf der Wand als auf dem Boden abzeichnenden Schattenwurf bestimmt werden, prägen den Gesamteindruck beim Rendering der Beklagten dagegen nicht so nachdrücklich, dass die sich aufdrängenden und ins Auge stechenden Übereinstimmungen in ihrer Gesamtwirkung verblassen würden. Da durch den stark übereinstimmenden Gesamteindruck beider Renderings die ursprüngliche klägerische Gestaltung beim Rendering des Beklagten deutlich wiederzuerkennen ist, greift dessen Gestaltung in den Schutzbereich des älteren klägerischen Werkes ein.“
3. Die Widerklage
Rafael Classen behauptet in seiner Widerklage, ich hätte mit diesen fünf Werken seine Urheberrechte verletzt, weil er fast identische Bilder vorher erstellt hätte:
Bei den beiden gelben 3D-Renderings mit den Icons an der Wand lehnte das Oberlandgericht München die Berufung der Widerklage mit Verweis auf die zu geringe Schöpfungshöhe ab:
„Bezüglich der Renderings des Beklagten […] ist dem Landgericht darin zu folgen, dass diese nicht die nötige Gestaltungshöhe im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG aufweisen und daher keinen Werkschutz im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 UrhG genießen.
Es handelt sich jeweils um im Schriftverkehr übliche Zeichen in einer üblichen Schrifttype, die im weitesten Sinne mit Kommunikation zu tun haben, wofür wiederum die Wahl der Farbe Gelb und des konkreten Farbtons wegen der Assoziation zu Postdienstleistungen besonders naheliegend erscheint. Der durch das Anlehnen an einer Wand, den Schattenwurf und die Spiegelung auf dem Boden entstehende räumliche Eindruck ist ebenfalls im Bereich von Logos und in der Werbegrafik hinlänglich geläufig und hebt die beiden Gestaltungen nicht vom Alltäglichen und handwerklich Üblichen ab.“
Bei den drei Fotos der Kölner Messe sei zwar die Schöpfungshöhe erreicht, aber unberechtigte Kopien seien meine Fotos nicht:
„Auch sofern man in den Aufnahmen des Beklagten bloße Lichtbilder nach § 72 UrhG erblicken würde, fehlte es an einer Verletzung, da diese nach dem oben Gesagten keinen Motivschutz gegen nichtidentische oder nicht nahezu identische Gestaltungen genießen, so dass es sogar jedermann freisteht, das gleiche vorgegebene Motiv vom selben Standort und unter denselben Lichtverhältnissen noch einmal aufzunehmen.“
Richtungsweisende Entscheidung
Mit dem Urteil des OLG München haben wir nun die erste Entscheidung seit langem, die sich ausführlich mit dem Motivschutz von 3D-Renderings und Fotos befasst.
Ob Motive nachgestellt werden dürfen, hängt demnach von vielen Faktoren ab, die im Einzelfall geprüft werden müssen. Eine Urheberrechtsverletzung liegt in der Regel dann vor, wenn die den Gesamteindruck prägenden Gestaltungselemente des Originals auch in der Kopie vorliegen.
Weitere Termine
Auch wenn diese Klage erledigt ist, gibt es weitere Gerichtstermine mit Herr Classen. Am Mittwoch, den 8.5.2024 findet vor dem Landgericht Düsseldorf der Gütetermin und Verhandlungstermin wegen „Folgeansprüchen aus Wettbewerbsrechtsverletzung durch Veröffentlichungen eines Mitbewerbers und datenschutzrechtlicher Auskunft“. Die Einstweilige Verfügung in diesem Zusammenhang hat er bisher größtenteils verloren, insofern bin ich auch da zuversichtlich.
Was passiert eigentlich, wenn Urheber ihre Bilder aus den Trainingsdaten für die großen KI-Systeme entfernen wollen? Ich habe es ausprobiert und das Ergebnis gleicht einem Kafka-Roman.
Der deutsche Verein LAION e.V. hat verschiedene KI-Trainingssätze kostenlos ins Internet gestellt mit Links und Bildbeschreibungen und anderen Informationen zu teilweise über 5.8 Milliarden (größtenteils urheberrechtlich geschützten) Bildern.
Diese Trainingsdaten wurden u.a. von kommerziell agierenden Firmen wie Stability AI genutzt, um ihre Bildgenerierende KI „Stable Diffusion“ zu trainieren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass zufällig einer der Gründungsmitglieder des Vereins, Richard Vencu, bei der Firma Stability AI arbeitet. Das übrigens genau seit Februar 2022, also dem Zeitpunkt, als der Verein gegründet wurde.
Im Februar hatte ich hier berichtet, dass ich LAION e.V. darum gebeten hatte, meine urheberrechtlich geschützten Bilder aus den Trainingsdaten zu entfernen. Als Antwort kam ein arroganter Brief, der mit der Drohung endete, dass ich mit Schadensersatzansprüchen zu rechnen habe, sollte ich auf meiner angeblich unbegründeten Forderung bestehen.
Davon lasse ich mich natürlich nicht abschrecken und verschickte mit Hilfe meines Anwalts Ende März eine Unterlassungsforderung sowie eine Auskunftsanfrage, welche mit nach §§101 UrhG, 242 BGB zusteht.
Also im Klartext: Ich habe den Verein ausgefordert, meine Bilder aus dem Trainingssatz zu nehmen und mir Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang genau meine Werke verwendet wurden, wie lange, woher sie die Inhalte hatten und so weiter.
Das fand der Verein gar nicht lustig und antwortete am 11. April 2023:
„Eine Urheberrechtsverletzung liegt nicht vor. Die einzige Vervielfältigungshandlung die unsere Mandantin vorgenommen haben könnte, war vorübergehender Natur und ist von den Schrankenregelungen sowohl des § 44b UrhG als auch des noch weitergehenden § 60d UrhG gedeckt. Wie bereits gegenüber Ihrem Mandanten ausgeführt, speichert unsere Mandantin keine Vervielfältigungsstücke der Werke Ihres Mandanten, die gelöscht werden könnten oder über die Auskunft erteilt werden könnte. Unsere Mandantin hat lediglich zum initialen Trainieren eines selbstlernenden Algorithmus, unter Einsatz sog. Crawler, Bilddateien im Internet ausfindig gemacht und zur Informationsgewinnung kurzzeitig erfasst und ausgewertet.“
Interessant ist, dass hier ausdrücklich der Einsatz von Crawlern erwähnt wird, welcher in den Nutzungsbedingungen der meisten Bildagenturen ausdrücklich verboten ist. So auch bei den Bildern, welche ich beanstandet hatte.
Mal ganz abgesehen, dass wir auch sehr gespannt sind, wie LAION e.V. erklären will, woher der Verein Links zu Bild-Thumbnails haben will, deren Bilder schon vor der Vereinsgründung bei den Bildagenturen gelöscht worden waren.
Weiter heißt es dann im Text:
„Unsere Mandantin wird daher insbesondere keine Unterlassungserklärung gegenüber Ihrem Mandanten abgeben. Daneben hat Ihr Mandat selbstredend auch keinen Anspruch auf Auskunft durch unsere Mandantin. Selbst bei Bejahung einer rechtsverletzenden Vervielfältigungshandlung bestünde mangels eines Handelns im gewerblichen Ausmaß kein Auskunftsanspruch.“
Das heißt, salopp verkürzt formuliert: Wir werden die urheberrechtlich geschützten Werke weiterhin nutzen, auch wenn der Urheber dagegen ist. Außerdem verweigern wir die Auskunft, wo wir die Bilder genau herhaben und was wir damit gemacht haben und wie lange genau wir sie gespeichert haben. So selbstverständlich finden wir das nicht.
Dann heißt es:
„Unsere Mandantin hat grundsätzlich Verständnis dafür, dass Ihr Mandant ggf. auch eine vorübergehende Vervielfältigung seiner Werke nicht gern sieht. Nur ist diese eben ausdrücklich vom europäischen Gesetzgeber gestattet worden. Daher müssen wir Ihren Mandanten dazu auffordern, dass er erklärt, von den mit Schreiben vom 29.03.2023 geltend gemachten Ansprüchen Abstand zu nehmen.“
Um dem Ganzen dann die Krone aufzusetzen, fordert LAION e.V. dann Geld von mir:
„Mit Schreiben vom 14.02.2023 hatten wir Ihren Mandanten bereits darauf aufmerksam gemacht, dass unserer Mandantin im Falle einer unberechtigten Inanspruchnahme Schadenersatzansprüche gemäß § 97a Abs. 4 UrhG zustehen. Unsere Mandantin hatte seinerzeit noch davon abgesehen diesen Anspruch durchzusetzen, sieht sich nun aber außer Stande hier weiter Nachsicht walten zu lassen. Für die Verteidigung gegen die durch Sie ausgesprochene, offenkundig unberechtigte Abmahnung sind ihr Rechtsanwaltskosten entstanden, die unsere Mandantin nicht selbst tragen wird.“
Den Gegenstandswert beziffert die gegnerische Anwaltskanzlei auf 9.000 Euro, der geforderte Betrag beläuft sich auf 887,03 € (Aufschlüsselung siehe Bild oben).
Also noch mal das Ganze runtergebrochen: Der Verein nutzt massenhaft urheberrechtlich geschützte Werke, damit kommerziell agierende Firmen damit Profit machen können und wenn ich als Urheber darum bitte, meine Bilder aus den Trainingsdaten zu entfernen sowie mir den rechtlich zustehenden Auskunftsanspruch zu erfüllen, soll ich dem Verein Schadensersatz zahlen.
Da passt es ganz gut, dass die Kanzlei schon mal androht, dass sie „geneigt seien, die Angelegenheit einer gerichtlichen Klärung zuzuführen“. Wir sind genauso „geneigt“ und arbeiten schon an der Anspruchsbegründung für das Gericht.
Update 27.04.2023, 16:25 Uhr: Wir haben eben die Klage gegen LAION e.V. vor dem Landgericht Hamburg eingereicht.
Der Versuch des Fotografen Rafael Classen, mich wegen meiner Berichterstattung über seine Aktivitäten „mundtot“ zu machen, ist glücklicherweise größtenteils gescheitert.
Sein Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen mich vor dem Landgericht Berlin wurde überwiegend zurückgewiesen (Aktenzeichen 15 O 342/22).
Der Kern des Urteils ist wohl dieser Satz:
„Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass dem Blogeintrag des Antragsgegners in der Gesamtschau die verfahrensgegenständlichen Aussagen zu entnehmen sind. Der Hauptantrag zu 1 scheitert – wie soeben ausgeführt – vielmehr daran, dass diese Aussagen als wahr anzusehen sind.“
Ich übersetze mal salopp: Es stimmt halt, was ich in diesem Blogartikel geschrieben hatte, daher darf ich es schreiben.
Konkreter schreibt das Gericht:
„Die Aussage, „der Antragssteller behaupte, Adobe habe keine Berechtigung zur Vergabe von Nutzungsrechten des Antragsstellers, obwohl er über Wirestock Adobe die Berechtigung mittelbar einräume und obwohl seine Bilder bei Adobe online seien“, kann der Antragssteller dem Antragsgegner unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verbieten.“
Antragsteller ist hier übrigens Herr Classen, Antragsgegner bin ich.
Weiter heißt es:
„Der Antragsstellerin [sic] hat zwar in Abrede gestellt, die Aussage, Adobe habe keine Berechtigung zur Vergabe von Nutzungsrechten des Antragsstellers, getätigt zu haben. Damit hat er aber keinen Erfolg. Die Aussage entstammt seiner E‑Mail vom 14. Juli 2022, und der Antragssteller hat diesen Inhalt auch nicht in Abrede gestellt. Weshalb es an der rechtlichen Beurteilung etwas ändern sollte, dass es sich um eine „Individualkommunikation“ handelt (was zutrifft), sagt der Antragssteller nicht und ist auch nicht ersichtlich. Er beruft sich vor allem darauf, dass sich seine Aussage lediglich auf ein Bild bezogen habe, welches er nicht über Wirestock zur Verfügung gestellt habe, also dass es sich nicht um eine generelle Aussage handele. Eine solche Einschränkung ist seiner Mail vom 14. Juli 2022 aber nicht zu entnehmen; vielmehr verhält sich diese eben allgemein zur Berechtigung von Adobe. Dies ist auch keineswegs unwesentlich: Schon dann, wenn sich die Empfängerin der Mail an die Lizenzierung weiterer Bilder des Antragsstellers denken sollte, wäre sie durch die Aussage des Antragsstellerin [sic] unzutreffend informiert. Und Gleiches gälte für Dritte, an die sie die Mail weitergeleitet oder davon berichtet haben könnte.“
Dem Gericht war es auch nicht ersichtlich, warum ich nicht identifizierend über Herrn Classen berichten können solle. Weiterhin habe ich seine Namensrechte nicht durch die bloße Nennung verletzt und auch eine „Prangerwirkung“ sieht das Gericht nicht:
„Auch unter dem Gesichtspunkt einer „Prangerwirkung“ liegt insoweit keine Rechtsverletzung vor. Zwar stellt die Verbreitung einer rufschädigenden, aber wahren Tatsache einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) dar, wenn sie zu einer Wettbewerbsverzerrung führt, weil aus einer Mehrzahl von Unternehmen, die sämtlich Anlass zu der fraglichen Kritik geben, eines herausgegriffen und an den Pranger gestellt wird (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 392 mwN). Dass mehrere Fotografen unzutreffende Angaben über die Berechtigung von Unternehmen wie Adobe gemacht hätten, behauptet der Antragssteller aber nicht einmal. Gerade damit beschäftigt sich der Blogbeitrag aber und nicht nur, wie der Antragssteller meint, allgemein mit der Durchsetzung von Rechten in der Branche der Fotografen.“
Weiter schreibt das Landgericht Berlin im Urteil:
„Im Übrigen gilt, dass selbst überzogene, herabsetzende, ungerechte und ausfällige Äußerungen hinzunehmen sind, solange die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund steht (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 390). Dies muss nach Auffassung des Gerichts auch für die Form gelten. Vor diesem Hintergrund unterliegt es keinen Bedenken, dass der Name des Antragstellers an den Beginn der Überschrift gestellt ist und im Text 26 mal erscheint sowie dass der Antragsgegner noch in weiteren Beiträgen über den Antragssteller berichtet („fortwährende Berichterstattung“) und diese Beiträge unter einen sog. „Tag“ mit dem Namen des Antragsstellers in einem Archiv vereint.“
Warum nur 75% gewonnen?
Jetzt wird es spannend. Der Antrag wurde nicht komplett abgewiesen, weil Herr Classen neben etlichen von mir nachweisbaren Tatsachen auch zwei Punkte bemängelte, welche ich tatsächlich nicht beweisen konnte.
Ich darf jetzt nicht mehr schreiben, dass Herr Classen fleißig bei Wirestock hochladen würde, weil im Laufe des Verfahren klar wurde, dass Herr Classen schon seit dem 11. Februar 2022 bei Wirestock gesperrt und seit dem 5. Juli 2022 dort gekündigt worden war.
Der zweite Punkt ist meine Aussage, dass ich behauptet hatte, Herr Classen wüsste, dass sein Name nicht in den Metadaten enthalten sei, wenn Bilder bei Wirestock zu Adobe Stock geschickt würden.
Da ich nicht in seinen Kopf gucken kann, kann ich das nicht beweisen. Ich zitiere hier mal den Anwalt von Herr Classen:
„Richtig ist weiter, dass dem Antragsteller nicht bewusst war, dass bei der Unterlizenziening [sic] durch Wirestock sein Name aus den Metadaten gelöscht werden würde.“
Wie glaubwürdig das ist, muss jeder selbst entscheiden. Aber dann hat selbst er als erfahrener, professioneller Fotograf immerhin was durch meinen Blogartikel gelernt. Ist ja auch was Schönes.
Wo wir gerade dabei sind: Seine Bilder, die er – meist ohne sichtbare Wasserzeichen – auf seinen Account „rcfotostock“ bei Pinterest hochlädt, enthalten nur teilweise seinen Namen in den Metadaten. Auch die Bilder, die er bei der Plattform pexels.com im Account „rcphotostock“ gratis anbietet, sind aktuell nach dem Runterladen nicht mit Metadaten versehen.
Vielleicht überprüft ihr das mal, damit ich ein paar Zeugen habe, falls die Bilder zufällig plötzlich verschwinden sollten?
Jedenfalls: Da das Gericht in den beiden Punkten Herr Classen recht geben musste, soll ich von den Verfahrenskosten 25% tragen, die restlichen 75% muss Herr Classen bezahlen. Das Urteil ist aktuell noch vorläufig, es kann also noch Berufung eingelegt werden.
Ich möchte an dieser Stelle noch mal allen Beteiligten danken, die mir hinter den Kulissen dabei geholfen haben, mich gegen die Abmahnung und Einstweilige Verfügung zu verteidigen. Vielen Dank euch allen!
Wer Journalismus nicht nur als Verlängerung der PR-Abteilung von großen Firmen oder ausgelagerte Marketing-Abteilung sieht, wird über branchenrelevante Themen auch manchmal kritisch berichten müssen.
So versuche ich das auch hier im Blog. Leider führt das logischerweise dazu, dass die Personen, welche kritisch beleuchtet werden, das Licht der Öffentlichkeit scheuen und versuchen, die Berichterstattung zu behindern oder gar zu verhindern.
Einige Wochen nach der Veröffentlichung flatterte mir nun eine Abmahnung der gleichen Anwaltskanzlei im Namen von Herr Classen ins Haus wegen angeblicher „Verletzung des Wettbewerbs- und Persönlichkeitsrechts“.
Die Abmahnung umfasst ganze 24 Seiten mit einem Gegenstandswert von 80.000 Euro und der Forderung nach Abgabe einer Unterlassungserklärung bis zum 30.08.2022 mit etlichen Unterpunkten, auf was ich alles verzichten solle.
Die Verletzung des Wettbewerbsrechts solle entstanden sein, weil ich (als direkter Konkurrent) mit angeblich unwahren Aussagen im Blogbeitrag die Tätigkeiten und persönlichen sowie geschäftlichen Verhältnisse des Mandanten herabsetzen und verunglimpfen würde.
Persönlichkeitsrechte würde ich deshalb verletzen, weil ich den Mandanten angeblich anprangernd in der Überschrift nenne, ihn im Blog fortwährend aufgreife und zum Gegenstand der Berichterstattung mache, obwohl das von mir kritisierte Verhalten branchenüblich und rechtlich zulässig sei.
Ich habe im Rahmen der journalistischen Sorgfaltspflicht sowohl darauf geachtet, alle genannten Fakten zu prüfen sowie dem Betroffenen eine Gelegenheit zur Stellungnahme zu bieten.
Daher sehe ich der Auseinandersetzung gelassen entgegen und bin zuversichtlich, dass ich einem Gericht schlüssig vermitteln kann, warum der Artikel so veröffentlicht wurde.