Im Mai 2017 hatte Frankreich das Dekret Nummer „2017–738“ erlassen, nachdem darüber ca. acht Jahre lang diskutiert wurde. Das Dekret tritt ab dem 1. Oktober 2017 in Kraft. Es beruft sich auf diesen Gesetzestext im „Code of Public Health“, darin steht (laut Google Translate und von mir sinngemäß gekürzt):
„Artikel L2133‑2 Die Fotografien für die kommerzielle Verwendung von Models […], deren Körperaussehen durch Bildverarbeitungssoftware modifiziert wurde, um die Silhouette zu verfeinern oder zu verdicken, müssen von den Worten begleitet werden: „Foto retuschiert“.“
Im Dekret 738 steht:
„Art. R. 2133–4
Die Verpflichtung nach Artikel L. 2133–2 gilt für Fotografien für die kommerzielle Verwendung von Models, die in Werbebotschaften eingefügt werden, die durch Plakate verteilt werden oder online […], in Presseveröffentlichungen […], Werbe-Korrespondenz für Einzelpersonen und Werbe-Drucksachen.“
[…]
Art. R. 2133–6
Der Werbetreibende stellt die Einhaltung der Verpflichtungen dieses Kodex sicher. […]“
Weiterhin heißt es, dass der ergänzende Text „zugänglich, gut lesbar und klar differenziert in der Werbebotschaft“ angebracht werden muss.
Übrigens gibt es seit kurzem ebenfalls ein Gesetz in Frankreich, welches Models einen ungesunden BMI verbietet.
Was heißt das auf gut deutsch?
Das bedeutet im Klartext, dass Bilder mit Personen, welche in Frankreich für Werbezwecke verwendet werden, egal ob auf Plakaten, Flyern oder im Internet, mit dem Zusatz „Foto retuschiert“ versehen werden müssen.
Was bedeutet das für Stockfotografen?
Gestern gab es einen Rundbrief der weltweit größten Bildagentur Getty Images, dass sie aufgrund dieses französischen Gesetzes ihre Annahme-Bedingungen geändert haben.
Ab dem 1. Oktober 2017 dürfen keine Bilder mehr bei Getty Images oder iStock eingereicht werden, auf denen Models so retuschiert wurden, dass sie dünner oder dicker wirken.
Ausdrücklich erlaubt laut Getty Images sind weiterhin Veränderungen an den Personen wie
– andere Haarfarbe
– Nasenkorrektur
– Retusche der Haut und von „Schönheitsfehlern“ (Leberflecke, Pickel, Sommersprossen).
Sehr vermutlich wird diese Regel auch alle Partneragenturen treffen, welche Getty Images beliefern, zum Beispiel Westend61, EyeEm, F1 Online oder Imagebroker.
Ebenfalls zu vermuten ist, dass andere Bildagenturen nachziehen werden. Möglich wäre es jedoch, dass nicht alle Agenturen pauschal diese Art von Fotos verbieten, sondern zum Beispiel eine Checkbox einführen, bei der der Fotograf angeben kann, ob die Kontur eines Models verändert wurde.
Für mich selbst ändert sich nichts, da ich bisher noch nie die Silhouette eines Models vergrößert oder verkleinert habe.
Wer häufig Menschen fotografiert, wird sich zwangsläufig auch mit Kleidung befassen müssen, sofern er nicht nur Aktfotografie betreibt.
Meist lasse ich die Models eine passende Auswahl an Kleidung für ein Shooting mitbringen, aber oft genug muss ich auf eigene Kleidung zurückgreifen, um bestimmte Shootingideen umsetzen zu können.
Damit meine ich nicht, dass ich immer meinen eigenen Kleiderschrank plündere, um etwas Passendes für meine Models zu finden.
Vielmehr kaufe ich bestimmte Kleidungsstücke als „Requisiten“ nur für Shootings, die ich dann für mehrere Models verwenden kann.
Das Problem: Nicht jedes Model hat die gleiche Größe oder die gleichen Maße.
Ein simpler Trick hat mir hier in der Vergangenheit jedoch schon oft geholfen. Ich kaufe Kleidung im Zweifelsfall lieber etwas größer als kleiner.
Falls dem Model die Kleidung dann zu groß sein sollte, kann ich sie hinter dem Rücken mit einigen wohlplatzierten „Foldback-Klammern“ enger stecken. Auch lockere Ärmel oder Beine kann damit verengt werden (siehe Fotos). Deshalb habe ich immer etliche in Schwarz fast unsichtbar im Studio am Rahmen meines Lastolite-Hintergrunds klemmen.
Im häufigsten verwende ich diese hier mit 41mm Breite*. Bei ca. 35 Cent pro Stück gibt es kein Argument, nicht immer einige in Reichweite parat legen zu haben. Zusätzlich habe ich einige dieser kleineren mit 19mm Breite* in Verwendung.
Im Gegensatz zu diesen häufig verwendeten Fotoklammern* haben sie den Vorteil, dass sie kürzer und leichter sind und somit besser halten, ohne den Stoff runterzuziehen und sich das Model auch mal etwas drehen kann, ohne dass der Griff sofort ins Bild ragt.
Was macht ihr, wenn euren Models Kleidung zu groß ist?
Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist vor allem eins in Erinnerung geblieben bei meinem letzten großen Shooting: Die brütende Hitze in Köln, bei der ich die Models genötigt hatte, trotzdem langärmelige Hemden zu tragen und in einem unklimatisierten Büro herumzusitzen.
„Großes Shooting“ heißt für mich: Ein Shooting mit mehr als 6 Models, in diesem 7 Models, mit dabei im Hintergrund meine Kollegin Jasmin, welche vor allem Videos gemacht hat sowie ein Assistent.
Die Idee
Uns standen einige Schulungsräume in Köln zur Verfügung, welche leer relativ unspektakulär wirken. Gefüllt mit vielen Models jedoch ergibt das einige glaubwürdige Business-Situationen, die wir darstellen wollten. Die Räume hatten den weiteren Vorteil, dass sie ebenerdig waren, wir konnten also nicht nur innen, sondern auch draußen vor der Tür fotografieren und somit die spiegelnden Glasfassaden nutzen.
Die Models
Geplant waren acht Models, es gab leider eine kurzfristige Absage, was wir bei der Anzahl der gebuchten Models jedoch berücksichtigt hatten. Mit fast allen Models hatte ich schon – oft mehrmals – zusammengearbeitet, ich wusste also, dass ich mich auf sie verlassen konnte.
Die Gruppe sollte bunt gemischt sein, sowohl vom Alter, den Haarfarben und Geschlechtern. Das ist uns ganz gut gelungen, leider ist uns der multikulturelle Touch durch die Absage des afrikanischstämmigen Models verloren gegangen.
Den Models habe ich einige Kleidungsvorschläge mitgegeben, damit deren Kleidung während des Shootings gut zusammenpassen wird.
Das Thema
Das Thema des Shootings war „Business-Team“ und wegen der Hitze haben wir auf die Jackets, Anzüge und Krawatten verzichtet. Das war eine gute Entscheidung, finde ich, weil die Bilder dadurch trotz der Business-Atmosphäre locker und weniger formal wirken.
Die Requisiten
Zur Vorbereitung hat meine fleißige Assistentin unzählige generische Balkendiagramme, Tortendiagramme, Tabellen, Kursverläufe und andere statistische Spielereien erstellt, die jedoch auf echten Daten basieren, damit sie auch realistisch aussehen. Wer genau hinschaut, sieht sogar meine Modelverträge, welche die Models gleich vor laufender Kamera ausfüllen konnten.
Die Models wurden gebeten, wenn vorhanden, ihre Tablet Computer, Aktenmappen etc. mitzubringen und wir haben selbst alle unsere Tablets, Laptops und einen großen Packen neutralisierter Kugelschreiber eingepackt. Neutralisiert heißt, dass wir vorher alle Logos, Markennamen etc. von den Geräten entfernt haben, damit die Bilder später leichter zu retuschieren sind.
Um das Licht noch besser lenken zu können, war mein treuer California Sunbounce in der Größe Mini* in der Silber/Weiß-Bespannung dabei und auch hilfreich. Vor Ort konnten wir auch eine Leiter nutzen für einige Bilder:
Die Aufnahme-Daten
Am häufigsten kam die Brennweite im Bereich 40–50mm zum Einsatz, gefolgt von den beiden Extremen 24mm und 70mm. ISO-Wert war fast immer ISO 200, Belichtungszeit war meist 1/125 Sekunde. Als Blende habe ich meist Blende f/5.0 bis f/7.1 gewählt.
Entgegen meiner Predigt, dass sich Hoch- und Querformat-Bilder die Waage halten sollten, habe ich diesmal fast nur horizontal gearbeitet, was sicher auch daran liegt, dass sich dieses Format bei Gruppen einfach anbietet, wenn ich die Leute nicht übereinander stapeln will.
Einen Tag vor dem Shooting haben Jasmin und ich alle Bilder von den Wänden gehängt und die Tische und Stühle so angeordnet, wie wir sie brauchen. Außerdem haben wir literweise Getränke im hauseigenen Kühlschrank gelagert, damit unsere Models am nächsten Tag bei der Hitze nicht dehydrieren.
Am Shootingtag habe ich die Models begrüßt, sie untereinander vorgestellt, falls sie sich noch nicht kannten und mir deren Kleidung zeigen lassen.
Jedes Model bekam eine Anweisung, welche Kleidung er oder sie anziehen solle sowie eine „Wechselkleidung“, welche sie ca. nach der Hälfte des Shootings auf mein Kommando wechseln sollten.
In der Zwischenzeit haben wir mit dem Assistenten das Licht eingerichtet und die erste Szene mit Requisiten eingerichtet.
Das Shooting beginnt
Zuerst sollten die Models sich an den Tisch setzen und die Verträge unterschreiben. Dabei habe ich das Licht mit den Models getestet und gleich einige verkäufliche Fotos gemacht.
Danach habe ich vor allem Szenen vorgegeben (Vertragsverhandlung, etc.) und die Models untereinander agieren lassen. Zwischendurch habe ich aber manchmal auch ganz konkrete Aufstellungen vorgeben.
Wichtig ist es, immer die Augen offen zu halten. So durfte zum Beispiel ein Teil der Models zwischendurch Pause machen und als diese vor der Tür Smalltalk machten, sah das so gut aus, dass wir das danach gleich als nächste Szene übernommen haben.
Zwischendurch habe ich auch einige Videos probiert, aber das habe ich schnell wieder Jasmin überlassen.
Mittags gab es eine halbe Stunde Pause, in der wir Pizza für alle geordert haben (merke: hungrige Models haben grimmige Gesichter). Danach kam der Kleidungswechsel und weiter ging’s.
An dieser Stelle noch mal einen herzlichen Dank an alle Models und die anderen Beteiligten, die trotz über 35°C standhaft bei der Sache waren und sich die Anstrengung nicht haben anmerken lassen.
Nach dem Shooting
Jetzt beginnt der langweiligere Teil. Die Räume werden wieder hergerichtet, die leeren Flaschen abgegeben und die Daten doppelt gesichert.
Am nächsten Tag mit einer Nacht Schlaf dazwischen werden die Bilder gesichtet, sortiert und für die ausgewählten Bilder entwickelt und von RAW ins TIFF-Format umgewandelt. Meinen Capture-One Workflow dazu findet ihr hier.
Dann folgt die übliche Bildretusche, die Verschlagwortung und das Hochladen. Die Models erhalten alle eine DVD mit den fertigen Bildern sowie einige Abzüge (wie hier beschrieben).
Mittlerweile finden sich die Bilder vom Shooting auf Webseiten und in Werbematerial von Anwälten, Versicherungen, Medien, Unternehmungsberatungen, Weiterbildungsinstituten und so weiter.
Die fertigen Bilder
Die Bilder könnt ihr zum Beispiel bei Fotolia* oder Shutterstock* kaufen, die Videos auch. Zusätzlich habe ich ein einminütiges Showreel mit den besten Ergebnissen erstellt:
Die heutige Folge von „Pimp My Stock!“ ist etwas kürzer.
Ich bekomme auch seit langem mehr Einsendungen als ich Folgen veröffentliche, was zu einem ordentlichen Stau führt. Deshalb werde ich die nächsten Wochen etwas öfter eine Folge veröffentlichen, um meinen Rückstand aufzuholen.
Tristan schrieb mir im Mai 2013 schon folgendes:
„Hallo Robert,
ich würde gerne an Deiner Pimp My Stock Reihe teilnehmen.
Ich fotografiere seit ca. 2003, habe das Hobby dann etwas schleifen lassen und bin dann 2008 auf eine gebrauchte Spiegelreflex umgestiegen. Vorher hatte ich eine Fuji S602Zoom Bridge-Kamera.
Am Anfang habe ich mich auf familiäre Motive beschränkt, aber nach einiger Arbeit mit der Kamera und den Objektiven, sowie Präsentationen im Internet habe ich mich über weitere Techniken (Panorama, HDR, Strobist) weiter entwickelt.
Und mit steigenden Kosten für das Hobby bin ich dann auch auf Deine Seite gestoßen und hab mir zu Weihnachten dann Dein Buch gekauft.
Inzwischen habe ich bei drei Agenturen Bilder hochgeladen: Fotolia, Pitopia und 123rf.
Wie man aber aus meinem kleinen Blogartikel heraus lesen kann, klappts aber nicht so wirklich. Klar hab ich es etwas schleifen lassen, nachdem die Verkäufe nicht so wirklich gezogen haben. Auch die ersten Verkäufe haben mich nicht weiter motiviert (quasi geklauter Einkauf).
Ich wollte mir nun noch einmal eine Chance geben und Dich fragen, ob ich vielleicht den Sprung in die Peoplefotografie wagen sollte. Ein paar Beispiele findest Du hier.
Ich hab mich bei einer Modelagentur (www.stylished.de) angemeldet, um dort ein paar Modelle zu engagieren. Allerdings bin ich dort erst einmal abgelehnt worden. Wie komm ich denn zu einem initialen Portfolio für Modelshoots, die ich dann auch auf einer eigenen Website präsentieren kann?
Ok, ich weiß, das zielt etwas an Pimp My Stock vorbei, aber vielleicht kriegt dadurch Deine Artikelreihe eine neue Richtung 😉
Vielen Dank für Deine Mühe.
Und hier noch ein paar Bilder, die noch nicht bei den Agenturen gelandet sind…
Liebe Grüße aus Franken,
Tristan“
Schauen wir uns die Bilder an:
Zur Paprika ein klares und kurzes Nein. Das ist kein gutes Stockfoto. Die übliche Regel bei Foodfotos lautet, dass das Essen appetitlich aussehen sollte, wenn das Konzept nicht explizit was anderes verlangt. Foodfotografen verbringen deshalb manchmal mehr Zeit mit der Auswahl der richtigen, sprich: gut aussehenden, Zutaten als dem Fotografieren. Hier wurde einfach die erstbeste Paprika halbiert und vor einem weißen Hintergrund fotografiert. Mitsamt der Kerne und komisch gewachsenem Innenleben. Das stößt eher ab als das es appetitfördernd wäre. Dass der Hintergrund dann nicht sauber freigestellt wurde und die „Ratschen“ am Stiel der Paprika nicht retuschiert wurden, spielt dann schon keine Rolle mehr. Der letzte Punkt ist, an freigestellten roten Paprika in Bildagenturen wahrlich kein Mangel herrscht.
Dier verblühte Tulpenstrauß sieht schon besser aus. Das Unperfekte ist hier Teil des Konzepts und damit erlaubt. Die Einsatzmöglichkeiten sind jedoch begrenzt und damit die Verkaufschancen gering. Gefühlsmäßig würde ich das Bild mehr als RM bei einer Macrostockagentur sehen als bei einer Microstockagentur.
Ähnliches gilt für die verstreuten Blüten. Hier fällt schon etwas mehr negativ auf, dass der Hintergrund oben überstrahlt ist. Auch die Anordnung der Blüten wirkt lieblos. Hier hätte der Fotograf mehr Sorgfalt walten lassen müssen. Den Kundennutzen sehe ich noch weniger als beim ganzen Blumenstrauß, weshalb ich beide Fotos als Agentur ablehnen würde.
Bei diesem Bild kann ich ehrlich gesagt nicht erkennen, was überhaupt zu sehen sein soll. Der Mond? Ein Blitzlicht? Spinnenweben? Unklar. Den Kunden wird es genauso gehen und sie werden das Bild deshalb nicht kaufen.
Wenden wir uns deshalb der zweiten Frage der Mail zu.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich bei der Model-Kartei deutlich mehr Models finden lassen als bei Stylished. Wie man anfangs zu passenden People-Fotos zum Vorzeigen kommt, erkläre ich ausführlich in meinem Buch „Die Arbeit mit Models“*, deshalb hier nur kurz: Wer Probleme hat, Models zu finden, sollte mit Selbstportraits anfangen, dann die Familie und Freunde fragen, bis fremde Leute genug ansehnliches Material sehen können, um sich ebenfalls auf ein Fotoshooting einzulassen.
Im Buch habe ich auch ein Kapitel über Seriosität und die damit verbundene Namenswahl. „fotonbengel“ erscheint mir hier sowohl von der Schreibweise als auch der implizierten Flapsigkeit ungeeignet, um Vertrauen bei potentiellen Models zu wecken.
Wie habt ihr eure ersten Models von Fotos überzeugen können?
Kurz nachdem ich mich entschieden hatte, mehr Leserfragen öffentlich im Blog zu beantworten, trudelten fast zeitgleich zwei Mails ein, die eine sehr ähnliche Frage enthielten. Deshalb möchte ich beide Emails heute zusammen beantworten.
Dagmar schrieb in ihrer Mail:
„…bevor ich loslege, grüße ich dich aus dem sehr sommerlichen Hilden bei Düsseldorf.
Dieses Jahr bin ich in die Stockfotografie eingestiegen, verfolge regelmäßig deinen Blog, lese gerade dein Buch und ziehe absolut den Hut davor, was du für dich auf die Beine gestellt hast. Du bist ein absolutes Vorbild für mich. Gratuliere von Herzen!
Jetzt hab ich als Anfängerin aber mal zwei Fragen an dich:
Buchst du immer deine Models und machst dann deine Fotos? Oder siehst du auch spontan eine Situation/ Motiv und sprichst die Personen an ob sie mit der Veröffentlichung und dem Verkauf von dem eben gemachten Foto einverstanden sind?
Letztens habe ich auf einem Damm mehrere Rentner nebeneinander auf einer Bank sitzen sehen. Vorne eine gepflegte grüne Wiese, dahinter Himmel. Das Bild wäre genial gewesen! Habe mich nicht getraut sie anzusprechen…
Wie um Himmels Willen machst du das dann? Hältst du denen den Vertrag unter die Nase und sagst so was wie
„Sind Sie einverstanden, dass ihr Bild veröffentlicht und verkauft wird? Ich kann Ihnen zwar nicht sagen mit welchen Überschriften und für was Sie dann Werbung machen – da hab ich keinen Einfluss drauf?“
Wenn ich mich in deren Lage versetze – ganz ehrlich – „mehr wie sonderbar“ – würde ich denken…!
Wenn sie spontan dann doch damit einverstanden wären, würden Sie von mir Geld bekommen? Wenn ja wieviel? Man weiß ja vorher gar nicht ob das Foto sich dann überhaupt verkauft.“
Lars schrieb mir folgendes aus einer anderen Ecke Deutschlands:
„Hallo Herr Kneschke,
ich habe ihren Blog schon sehr oft gelesen und mir auch ihr Buch (3.Auflage) gekauft. Leider konnte ich in den Informationsquellen keine Infos dazu finden, wie sie den „Models“ oder sagen wir einfach mal Bekannten oder Freunden sagen, dass sie die Bilder im Internet verkaufen wollen.
Ich denke wenn ich das meine Leute fragen werde, wird die Antwort sofort ein Nein sein, da es sich komisch anhört und man ja selber gar keine Kontrolle mehr über den weiteren Verlauf der Bilder hat.
Mich würde es riesig interessieren wie sie das ansprechen. Gibt es irgendwelche Tipps damit sich das ganze nicht so abschreckend anhört? Vor allem wirkt auch das Ausfüllen eines Vertrages ebenfalls abschreckend.
Ich wäre ihnen zu riesigem Dank verpflichtet und würde mich sehr über eine Antwort zu dem Thema freuen 🙂
Zu meiner Person: Ich heiße Lars, bin 24 Jahre alt und seit 2 Monaten alles am fotografieren was geht. Mir bereitet die Fotografie Unmengen Spaß und ich bin sehr interessiert an dem Thema. Damit jetzt auch noch Geld verdienen zu können, wäre ein riesen Traum von mir. Selbst wenn es nur 10€ im Monat sind, würde mir das eine große Freude machen. Leider traue ich mich nicht wirklich meine Freunde/Bekannten zu fragen ob ich sie fotografieren darf, um die Fotos im Internet zu verkaufen und das bremst mich erheblich aus.“
Die Hauptfrage beider Mails ist: Wie erkläre ich meinen Models, dass ich sie fotografieren will und was mit den Fotos geschieht? Auf die Nebenfragen will ich zwischendurch eingehen.
Zunächst einmal: Ich fotografiere so gut wie nicht spontan für Bildagenturen. Ich habe in meinen Anfängen die Erfahrung gemacht, dass eine sorgfältige Planung deutlich lukrativere Ergebnisse bringt als ein zufälliges „Drauflos“-Fotografieren. Außerdem lege ich eben Wert darauf, dass meine Models wissen, was sie zu erwarten haben und das ist etwas, was sich nicht zwischen Tür und Angel erklären lässt.
Deshalb lade ich die Leute, die von mir fotografiert werden wollen, meist zu einem Vorgespräch ein. Dort zeige ich ihnen Beispielbilder von mir, damit sie merken, welchen Bildstil ich haben will. Helle, bunte, optimistisch wirkende Fotos.
Außerdem habe ich eine dicke Mappe mit bisherigen Veröffentlichen von mir, wo Bilder für Zeitungsartikel, Flyer, Broschüren, Poster, Bücher oder Produkte benutzt wurden. Ich mache den Models klar, dass ich kaum Einfluss darauf habe, wo genau die Bilder eingesetzt werden und auch nur selten von einer konkreten Verwendung erfahre. Nur wenige, bestimmte Verwendungszwecke werden in den Nutzungsbedingungen ausgeschlossen.
Die potentiellen Models bekommen meinen Vertrag in deutsch und englisch ausgehändigt und haben genug Zeit, sich diesen in Ruhe durchzulesen. Außerdem sind beide Versionen jederzeit auf meiner Webseite nachlesbar.
Dazu mache ich paar Testfotos, um zu sehen, wie selbstsicher das Model vor der Kamera ist und ob es auf Kommando fotogen lachen kann.
Spätestens dann ist für beide Seiten klar, ob eine Zusammenarbeit in Frage kommt oder nicht. Wieviel die Models üblicherweise als Bezahlung erhalten, habe ich in einer Umfrage unter Stockfotografen ermittelt und die Ergebnisse in diesem kostenlosen Ebook bereitgestellt. Den Einwand, dass man nicht wisse, ob sich die Fotos auch verkaufen würden, lasse ich nicht gelten. Das Honorar ist – wie hier beschrieben – als Investition zu sehen. Das ist auch ein weiterer Grund gegen Spontan-Shootings: Je besser der Fotograf vorbereitet ist, desto leichter amortisieren sich die Ausgaben für das Model.
In beiden Mails schimmert aber etwas anderes durch: Angst. Die Angst, Menschen anzusprechen. Das is für einen People-Fotografen eine ernstzunehmende Hürde. Ein People-Fotograf muss ja nicht nur fotografieren, er ist auch Entertainer, Motivator, Seelentröster, Stilberater, Pausenfüller, Moderator, Regisseur und so weiter. Wer nur stumm fotografieren will, sollte sich lieber auf Food oder Landschaften spezialisieren.
Ich muss gestehen, dass ich auch eher schüchtern bin und es mir schwer fällt, ungezwungen mit fremden Menschen umzugehen. Aber mit etwas Übung klappt das schon. Anfangs habe ich ja keine Fremden gefragt, ob sie für mich modeln wollen, sondern Freunde. Da sagt man einfach: „Hey, du siehst doch gut aus, wollen wir nicht mal paar Fotos zusammen machen?“ Menschen fühlen sich ja in der Regel geschmeichelt, wenn sie für ihr Äußeres gelobt werden.
Der Vertrag und die Bezahlung zeugt dann von Professionalität. In Model-Foren lese ich immer wieder von windigen Fotografen, die Bilder nicht rausrücken oder die Fotos auf nicht abgesprochene Weise nutzen. Die Standard-Antwort ist dann immer: „Habt ihr denn keinen Vertrag abgeschlossen?“ Bei mir würden deshalb eher die Alarmglocken läuten, wenn ein Fotograf partout ohne Vertrag arbeiten will.
Wer sich nicht sicher ist, ob Leute auf den Modelvertrag eingehen würden, füllt den Vertrag einfach selbst aus und macht einige Selbstportraits, die dann den Bildagenturen angeboten werden. Wenn der Fotograf keine Probleme damit hat, seine Bilder einzustellen, warum sollte das Model welche haben?
Stockfotografie ist ja weder anrüchig noch illegal, sondern höchstens unbekannt. Deshalb helfen Offenheit und Geduld mein Erklären des Geschäftsmodells. Wer als Fotograf jedoch rumdruckst und selbst kein Vertrauen in sein Geschäftsmodell hat, kann das nicht von seinen Models erwarten. Über die hilfreichen Tugenden wie Vertrauen und Zuverlässigkeit habe ich aber in diesem Gastartikel für die fotocommunity mehr geschrieben.
Beantwortet das eure Fragen? Wie meistert ihr die Hürde, Menschen als Models zu gewinnen?