Seit über einem halben Jahr bangen viele Fotografinnen und Fotografen um ihre Einnahmen, welche noch bei der Bildagentur EyeEm ausstehen. Wie schon Anfang April hier berichtet, hat EyeEm mittlerweile Insolvenz angemeldet und das Gericht hat einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
Zehn Tage nach der Insolvenz von EyeEm gab der größte Vertriebspartner Getty Images bekannt, dass die Zusammenarbeit mit EyeEm gekündigt worden sei.
Nach einer Presseanfrage von mir gibt es nun das – leider etwas dürftige – erste Stellungnahme vom zuständigen Insolvenzverwalter.
Die PR-Agentur Dr. Mignat PR der Anwaltskanzlei GT Restructuring lässt ausrichten:
„EyeEM hat am 4. April beim Amtsgericht Berlin Charlottenburg Insolvenz angemeldet, das mich zum vorläufigen Insolvenzverwalter ernannt hat. Seither bin mit meinem Team und zusammen mit Mitarbeitern des Unternehmens damit befasst, den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren. Seit letzter Woche besteht wieder weitgehend Zugriff auf das IT-System, der es ermöglicht, eine Fortführung des Unternehmens auszuloten. Zu diesem Zweck führe ich auch bereits erste Gespräche mit deutschen und internationalen Interessenten. In dieser frühen Phase der Insolvenz sind zahlreiche drängende und komplexe rechtliche Details zu klären, nicht zuletzt aufgrund der erheblichen Versäumnisse der vergangenen Monate. Deshalb bitten wir um Verständnis, dass wir auf detaillierte Fragen von Robert Kneschke noch nicht antworten können. Wir bemühen uns aber, diese für Fotografen wichtigen Fragen so schnell wie möglich zu klären und zu beantworten“, erklärte der vorläufige Insolvenzverwalter von EyeEM, Rechtsanwalt Jesko Stark von der Berliner Kanzlei GT Restructuring.
Es bleibt also abzuwarten, ob und wann noch ausführlichere Antworten auf die Fragen der betroffenen Fotograf*innen kommen werden. Sollte ich welche erhalten, werde ich diese wieder an dieser Stelle hier veröffentlichen.
Vor wenigen Tagen berichtete ich hier im Blog, dass die Bildagentur EyeEm offiziell Insolvenz angemeldet hatte.
Neben der großen Frage, was nun mit den ausstehenden Honoraren passiert, ist die zweite große Frage, was mit den teils millionengroßen EyeEm-Portfolios bei den Partneragenturen passiert.
Getty Images hat beispielsweise aktuell über 9 Mio. Bilder in deren „EyeEm Collection“ online zum Verkauf, welche als eigenständige Kollektion seit Mitte 2017 besteht.
Bild aus der EyeEm Collection bei Getty Images
Deshalb schrieb ich eine Presseanfrage an Getty Images mit der Frage, ob dort die Insolvenz von EyeEm schon bekannt sei und was mit deren Bildern bei Getty passiert. Nach wenigen Tagen erhielt ich eine Antwort vom „Senior Manager, Communications EMEA & Japan“.
Getty Images antwortete, dass das Unternehmen seinen Lizenzvertrag mit EyeEm gekündigt habe und sie dabei seien, die EyeEm-Kreativkollektionen aus deren Vertrieb zu entfernen. Die Kommissionen würden gemäß der vertraglichen Pflichten weiterhin an EyeEm ausgezahlt.
Die konkrete Antwort im Wortlaut:
„Getty Images can confirm that it has given notice to terminate its licensing agreement with EyeEm and that we are in the process of removing EyeEm creative collections from our distribution. We will continue to pay royalties to EyeEm for any images licensed, in line with our legal obligations.“
Genauere Details, wann die Kündigung stattfand und wie langer der Löschprozess dauern würde, wollte mit Getty Images mit Verweis auf Verschwiegenheitsklauseln im Vertrag nicht mitteilen:
„Details of the agreement with EyeEm are bound by confidentiality so I’m afraid I can’t give any further information.“
Die Befürchtung bleibt leider, dass von den ausgezahlten Kommissionen nichts bei den Fotografen ankommen wird, da es vermutlich nicht mal mehr Personal bei EyeEm gibt, welche die Sales Reports den jeweiligen Fotografen zuordnen könnten.
Die weltgrößte Bildagentur Getty Images hatte wie Shutterstock vor einer Weile untersagt, KI-Bilder in deren Portfolio hochzuladen. Nachdem Shutterstock danach angekündigt hatte, den Kunden selbst die Möglichkeit zu geben, KI-Bilder zu generieren, zog Getty Images nun mit einer ähnlichen Ankündigung nach.
Getty Images wird in Zukunft mit der Firma BRIA kooperieren. BRIA eine junge israelische Firma, welche erst 2020 gegründet und von einigen Finanzinvestoren unterstützt wird.
Ich habe den Absatz „developing tools that harness the power of AI and democratize the creative process“ aus der Pressemitteilung genommen und einer KI übergeben, welche daraus obiges Bild generiert hat
BRIA ist eine Firma, welche sich auf die Entwicklung von generativen KI-Tools spezialisiert hat. Die Firma arbeitet an einer Plattform, welche sich auf die Anpassung von Bildersuchen und Generierung von Bildern und Videos konzentriert.
Die Pressemitteilung selbst strotzt nur so vor leeren Worthülsen. Beispiele gefällig?
„Ziel ist es, Kreativen die Möglichkeit zu geben, ihre Bilder mithilfe intuitiver KI-Tools auf der Plattform von Getty Images an ihre spezifischen Bedürfnisse anzupassen.“
oder:
„Getty Images wird Funktionen einführen, die den Nutzern Zugang zu hochmodernen, ethischen, generativen KI-gesteuerten Tools geben, die ihre Kreativität erweitern und ihre Effizienz verbessern.“
So geht das eine ganze Seite lang, wer will, kann die Mitteilung hier im Original lesen.
Das Demo-Video von BRIA bei YouTube zeigt immerhin etwas mehr, was deren KI leisten können soll:
Auf der Bria.ia-Webseite gibt es weitere Promo-Videos, welche zeigen, wie bei einem Foto Hintergründe ausgetauscht werden, der Gesichtsausdruck oder die Haare eines Models verändert werden und dann das ganze Bild animiert wird. Auch wird aus einem Bild ein animiertes Video generiert und so weiter.
Es ist jetzt nur eine reine Vermutung meinerseits, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Getty Images den Kunden genau solche Features anbieten will. Natürlich gegen einen Aufpreis, den sich Getty komplett in die eigene Tasche stecken wird. Bzw. mit BRIA teilen wird, aber vermutlich nicht mit den Fotografen. Hoffen wir, dass ich mich irre, denn in der oben zitierten Pressemitteilung wird auch betont, wie wichtig „ethische Standard“ sind und wie sehr die Firmen „geistiges Eigentum respektieren“.
Kurz hintereinander haben sowohl Shutterstock als auch Getty Images mit deren Tochter-Agentur iStock angekündigt, keine KI-Bilder mehr annehmen zu wollen.
Ki-Bild (Dall‑E 2) von einem Roboter, der ein Bild malt
Angesichts der steigenden Popularität von KI-Software zur Bild-Generierung wie Dall‑E 2, Stable Diffusion, Midjourney und Konsorten sowie der verbesserten Bildqualität dieser Tools gab es in den letzten Monaten einen starken Anstieg von KI-Bildern im Portfolio von Bildagenturen.
Email, die an iStock/Getty-Fotografen ging
Nun haben zumindest die beiden großen Platzhirsche Shutterstock und Getty Images die Reißleine gezogen und angekündigt, keine KI-Bilder mehr annehmen zu wollen.
Als Grund werden in einer Email von Getty Images „unadressierte rechtliche Fragen mit Hinblick auf die zugrunde liegenden Bilder und Metadaten, die zum Training der KI genutzt worden sind“ angegeben.
Auch Shutterstock formuliert in einer Email an ausgewählte Kontributoren ähnliche Bedenken:
Email von Shutterstock an einige Kontributoren
Hier werden „rechtliche Implikationen“ als Grund dafür genannt, dass etliche KI-Bilder der angeschriebenen Personen gelöscht wurden und es wird geschrieben, dass Shutterstock „keine maschinengenerierten Inhalte akzeptieren“ würde gemäß Sektion 13.d/f ihrer Nutzungsbedingungen.
Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, ob sie da wirklich die richtigen Absätze rausgesucht haben, aber grundsätzlich steht es Shutterstock natürlich frei, solche Regeln aufzustellen, wenn sie der Meinung sind, dass sie hilfreich seien.
Zeitgleich experimentiert Shutterstock aber selbst schon mit künstlicher Intelligenz. So bietet deren neues Projekt „Predict“ Kunden die Möglichkeit, mittels KI erkennen zu können, welche Bilder für welche Zwecke am passendsten sein sollen. Shutterstock schreibt:
„Was performt besser? Diese wiederkehrende Frage ist mit Predict viel einfacher zu beantworten. Die App nutzt KI, um die Stärken und Schwächen individueller Assets speziell für Ihre Anforderungen zu analysieren. Predict sagt Ihnen, WARUM ein empfohlener Inhalt voraussichtlich gut performt, damit Sie selbstbewusst kreativ werden können.“
Nach einer kostenlosen Testphase wollen sie sich diese Informationen natürlich bezahlen lassen.
Getty Images versucht ebenfalls seit Januar 2022, die Vorteile der KI für sich auf eine andere Weise zu nutzen. So veröffentlichte die Agentur einen neuen Modelvertrag, der jetzt unter anderem einen neuen Passus enthält, mit dem sich das Model bereit erklärt, dass die Bilder zum Trainieren von Künstlicher Intelligenz genutzt werden dürfen:
„Ich erkläre mich ferner damit einverstanden, dass der Inhalt mit anderen Bildern, Texten, Grafiken, Filmen, Audio- und audiovisuellen Werken kombiniert und zur Entwicklung und Verbesserung von maschinellen Lernalgorithmen, künstlicher Intelligenz und anderen Technologien bearbeitet und genutzt werden darf.“
Auch bei der deutschen Bildagentur Westend61 werden die KI-Bilder als hoch problematisch angesehen und aus rechtlichen Gründen sollten diese momentan nicht akzeptiert werden. Mehr Informationen dazu sollen folgen.
Einige Online-Kunst-Communities wie Newgrounds, Inkblot Art und Fur Affinity haben ebenfalls das Hochladen von KI-Werken untersagt oder eingeschränkt.
Diese Bildlöschungen folgen einige Wochen nach der Veröffentlichung eines Teils des KI-Trainings-Datensatzes mit rund 12 Mio. Bildern von den insgesamt über 2,3 Milliarden Trainingsbildern. Dieser Trainingsdatensatz der Organisation LAION wurde zum Beispiel für das Anlernen der KI von NightCafe, Midjourney und Stable Diffusion genutzt.
In der Veröffentlichung wurde unter anderem deutlich, dass zum Lernen auch große Bildbestände der Bildagenturen benutzt wurden. So waren von den ausgewerteten 12 Mio. Bildern mindestens 497.000 von 123rf, 171.000 von Adobe Stock/Fotolia, 117.000 von PhotoShelter, 35.000 von Dreamstime, 23.000 von iStock, 22.000 von Unsplash, 15.000 von Getty Images, 10.000 von VectorStock, 10.000 von Shutterstock und so weiter. Die Dunkelziffer dürfte hier weit höher sein, da viele dort gekaufte Bilder auf Kundenwebseiten nicht immer als von einer Agentur kommend erkennbar sind.
Ich bin unsicher, ob diese Entscheidung so klug ist. Denn solche Verbote könnten dazu führen, dass sich die KI-Szene andere „Ökosysteme“ aufbaut. So gibt es beispielsweise mit PromptBase schon eine Webseite, wo Anbieter auf einem Marktplatz „Prompts“ für KI-Systeme verkaufen können. Prompts sind die Texteingaben, die zur Bilderstellung (noch) nötig sind und die Anbieter garantieren mit ihren Prompts ähnliche Ergebnisse wie die, die sie im Marktplatz vorzeigen. Im Kern ist das schon eine Art neuer Bildagentur, bei der die Leute nicht die Bilder direkt kaufen, sondern die Option, sich sehr ähnliche Bilder selbst gratis generieren zu können.
Außerdem erhöhen solche Einschränkungen wie das Verbot von KI-Bildern in den bestehenden Bildagenturen nur die Wahrscheinlichkeit, dass ein neues Start-Up eine neue Bildagentur aufmacht, welche offensiv einfach nur noch KI-generiertes Material verkauft.
Mit der Webseite Lexica gibt es auch schon eine Art „Open Source“-Community für KI-Bilder, wo Nutzer sich mehrere Millionen mit Stable Diffusion erstellte Bilder anschauen, durchsuchen und sehen können, welche Prompts zur Erstellung genutzt wurden. Von der Möglichkeit, diese Bilder direkt zur Lizenzierung anzubieten, ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.
Während die großen Bildagenturen einen Abwehrkampf gegen die KI-Bilder beginnen, fangen andere Start-Ups längst an, mittels KI aus Text-Prompts ganze Video-Sequenzen zu erstellen.
Was diese KI-Entwicklung für die (Stock-)Fotografen selbst bedeutet, werde ich hoffentlich bald in einem eigenen Artikel beleuchten.
Wie seht ihr das? Bringen Verbote von KI-Bildern etwas?
Nach einer langen corona- und umzugsbedingten Pause starten wir wieder frisch durch mit einer neuen Folge vom „Podcast eines Fotoproduzenten“.
Mein aktueller Gast ist der gebürtige New Yorker Willie B. Thomas, der seit vielen Jahren exklusiv erst für iStock und dann für Getty Images arbeitet.
Wir reden ausführlich über seinen Anfang als Inhaber mehrerer Portraitstudios, seine Herangehensweise an Stock-Shootings, was für ihn ein gutes Model ausmacht, die Idee hinter der Produktionsfirma Hinterhaus Productions und warum er glaubt, dass analoge Fotografie ein Revival erleben wird.