Wer ein Foto kaufen will, bzw. genauer: Wer ein Foto für etwas lizenzieren will, trifft auf viele Abkürzungen und Begriffe, die Verwirrung stiften können.
Zum Beispiel bedeutet „lizenzfrei“ nicht, dass Fotos kostenlos benutzt werden dürfen und RM bedeutet in der Fotobranche nicht Reichsmark oder Real Media, sondern „rights managed“.
Eine weitere Quelle der Verwirrung will ich heute trockenlegen.
Was ist der Unterschied zwischen „redaktioneller Nutzung“ und „kommerzieller Nutzung“ und warum ist sie so wichtig? Bevor ich diese Frage jedoch beantworte, muss ich darauf hinweisen, dass ich hier keine Rechtsberatung geben kann und darf und deshalb alle Angaben ohne Gewähr sind.

Kommerzielle Nutzung
Wie sich vermuten lässt, ist alles aus dem Bereich „Werbung“ eine kommerzielle Nutzung. Dazu zählen zum Beispiel:
- Werbeanzeigen
- Partyflyer
- Werbeposter
- Email-Werbung
- Bannerwerbung
- Fernsehspots
und so weiter.
Auch der Verkauf von Produkten, bei denen Fotos das Hauptmotiv bzw. der Grund sind, warum das Produkt gekauft wird, ist eine kommerzielle Nutzung. Dazu zählt zum Beispiel:
- Verkauf von T‑Shirts, Stickern, Postern, Postkarten, Buttons, Kalendern, Mousepads, Puzzles etc. mit Bildern
- Nutzung von Bildern in Webseiten-Templates
und so weiter. Für diese Art von kommerzieller Fotonutzung, bei der das Fotomotiv einer der Hauptgründe des Käufer ist, genau dieses Produkt und kein anderes zu erwerben (ein Poster oder Kalender wird schließlich nicht wegen des glatten Papiers gekauft) wird bei den meisten Bildagenturen meist der Kauf einer „Erweiterten Lizenz“ (auch „Merchandising Lizenz“) verlangt.
Redaktionelle Nutzung
Hier steckt im Namen das Wort „Redaktion“ und daran lässt sich schon erkennen, dass wir uns im journalistischen Bereich bewegen. Im englischsprachigen Raum wird meist von „editorial use“ gesprochen. Eine redaktionelle Nutzung ist gegeben, wenn ein Bild im Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung genutzt wird. Das ist überlicherweise der Fall bei:
- Zeitungen
- Zeitschriften
- Schulbücher
- Sachbücher
- Blogs
- Nachrichtensendungen
und so weiter.
Wohlgemerkt jedoch nur im „redaktionellen Teil“ einer Zeitung, nicht als Werbeanzeige in einer Zeitung. Während in traditionellen Medien Redaktionen ihre Texte verfassen und dazu Fotos zur Illustration brauchen, kann heutzutage z.B. auch ein einzelner Blogger Artikel verfassen und die Bebilderung dieser Artikel würde als „redaktionelle Nutzung“ zählen. Die weltweit größte Bildagentur Getty Images definiert die redaktionelle Nutzung in ihren Lizenzbedingungen so: „Redaktionelle Produkte müssen in einer ‚redaktionellen‘ Verwendung eingesetzt werden, d.h. die Verwendung mit Bezug auf Ereignisse, die berichtenswert oder von öffentlichem Interesse sind“. Dieser Bezug auf Ereignisse und das öffentliche Interesse wird von Gerichten mit Blick auf die Pressefreiheit meist sehr weit gedeutet.
Die Getty-Tochter istockphoto definiert „editorial use“ so: „Editorial Use means that the image will be used as a descriptive visual reference“. Übersetzt: Redaktionelle Nutzung bedeutet, dass das Bild als beschreibende visuelle Referenz genutzt wird.
Als Faustregel könnte – zumindest in Deutschland – deshalb gelten: Wer ein Impressum benötigt, nutzt Fotos redaktionell. Eine Grauzone sind Webseiten, welche zwar eine Anbieterkennzeichnung haben müssen, jedoch deshalb nicht automatisch „redaktionell“ sind.
Übliches Missverständnis: Geld verdienen vs. redaktionelle Nutzung
Oft lese ich fälschlicherweise in Internet-Foren, dass sich „kommerzielle“ und „redaktionelle“ Nutzung dadurch unterscheiden würden, dass mit erstgenanntem Geld verdient würde, mit dem zweitgenannten nicht. Das ist jedoch falsch, denn die meisten Zeitschriften kosten Geld und verdienen auch welches, auch wenn sie einen journalistischen Auftrag erfüllen. Im Gegenzug kann auch eine werbliche Nutzung, zum Beispiel für eine Hilfsorganisation eine „kommerzielle Nutzung“ sein, auch wenn der Verein satzungsgemäß kein Geld verdienen darf.
Wer zum Beispiel ein Foto auf einen Flyer drucken will, der zu einer Party einlädt, nutzt das Foto „kommerziell“ egal, ob es eine Flatrate-Sauf-Party ist oder die Einladung für das kostenlose Konzert des Kirchenchors. Beide Male „wirbt“ der Flyer für etwas. Es findet weder eine journalistische Berichterstattung statt noch wird ein Bild als visuelle Referenz genutzt. Letzteres könnte beispielsweise der Fall sein, wenn jemand ein Foto seines Autos nach einem Diebstahl auf Aushänge druckt, um danach zu fahnden.
Zweites Missverständnis: Kommerzielle und redaktionelle Nutzung unterscheidet sich wie RF/RM
RF und RM sind Abkürzungen, die für die Art der Bildlizenzierung stehen: „royalty free“ oder „rights managed“. Diese Begriffe regeln jedoch nur die Art der Bezahlung, aber nicht die der Nutzung.
Zwar war es lange in der Praxis so, dass RM-Fotos vor allem redaktionell benutzt wurden und RF-Fotos meist kommerziell, aber erstens ändert sich das und zweitens war das auch damals nie in Stein gemeißelt. Zum Beispiel wurden und werden für teure Werbekampagnen (=kommerzielle Nutzung) RM-Fotos gekauft, damit Exklusivität gewährleistet ist und einige Zeitschriften kaufen auch zur Bebilderung ihrer Artikel (=redaktionelle Nutzung) RF-Fotos, weil diese manchmal billiger sind (Microstock) oder vom Motiv einfach besser passen.
Warum ist die Unterscheidung der Nutzung wichtig?
Die genaue Trennung zwischen redaktioneller und kommerzieller Nutzung ist wichtig, weil sie in zwei wichtigen Bereichen sehr unterschiedliche Voraussetzungen erfüllen muss: Rechtlich und moralisch.
Rechtliche Unterschiede
Für eine kommerzielle Nutzung von Bildern sind zum Beispiel bei Personenfotos immer Model-Verträge notwendig, bei markenrechtlich (oder anderweitig) geschützten Dingen Eigentumsfreigaben. Bei redaktioneller Nutzung von Bildern ist das nicht notwendig. Stellt euch nur das Gedränge vor, wenn die Fotoreporter bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus alle die Unterschrift des Präsidenten unter ihre Model-Verträge haben wollen würden… 🙂 Aber im Ernst: Es wäre ein starker Eingriff in die Pressefreiheit, wenn Personen den Abdruck von Fotos verbieten könnten, auf denen sie zu sehen sind, nur weil beispielsweise eine Zeitung kritisch über diese Person berichtet. Deswegen sind Modelverträge im engen Rahmen der redaktionellen Nutzung nicht nötig. Umgekehrt aber dürfen auch Fotos, bei denen Modelverträge vorliegen, redaktionell genutzt werden.
Diese Freiheit, welche Fotojournalisten haben, wenn sie ohne Model-Verträge oder Eigentumsfreigaben arbeiten können, hat jedoch ihren Preis. Dieser lautet: „Journalistische Sorgfaltspflicht“. Das führt uns zur Moral.
Moralische Unterschiede
Die eben erwähnte Sorgfaltspflicht von Journalisten besagt unter anderem, dass Wahrheit eins der obersten Gebote ist. Das bedeutet bei Fotos unter anderem, dass sie nicht gestellt oder retuschiert werden dürfen. Die Nachrichtenagentur Reuters hat deshalb ausführliche Richtlinien, wie Fotos aufgenommen, mit Photoshop bearbeitet und beschriftet werden dürfen oder müssen. Werden diese nicht eingehalten, gibt es sofort aufgebrachte Diskussionen. Oft drehen sich diese um die Frage, wie stark ein Bild beschnitten werden darf. Jeder Fotograf weiß, dass die Bildwirkung eines Fotos stark durch einen Beschnitt beeinflußt werden kann und ein radikaler Beschnitt oft ein langweiliges Foto retten kann. Deshalb ist das Beschneiden von Fotos bei vielen Bildagenturen nicht per se verboten. Nur wenn der Beschnitt die Bildaussage ändern würde, ist er untersagt. Ähnlich strenge Vorgaben hat auch istockphoto an Fotografen, die redaktionelle Fotos liefern wollen.
Vom rechtlichen Standpunkt aus gesehen, kann jedes kommerziell nutzbare Foto auch redaktionell genutzt werden. Moralisch gesehen ist das jedoch oft viel schwieriger, weil die gestellten Model-Fotos mit wegretuschierten Markennamen und Hautunreinheiten eben nicht die Wahrheit wiederspiegeln, der sich sorgfältig arbeitende Medien verpflichten. Das ist auch einer der Gründe, warum die „klassischen“ Stockfotos eher selten in Zeitungen zu finden sind und die spezialisierten Nachrichtenagenturen weiterhin viele Fotos verkaufen können. Wenn Zeitungen trotzdem ein bearbeitetes Foto abdrucken wollen, markieren sie es entweder als „Symbolbild“ oder durch ein „[M]“ für „Fotomontage“, oft zu sehen auf dem Titelbild der tageszeitung.
Unterschiede bei der Namensnennung von Fotografen
Viele Bildagenturen verlangen von Bildkäufern, dass sie bei redaktioneller Nutzung eines Fotos den Namen des Fotografen in der Form „Fotografenname/Agenturname“ angeben. Rechtliche Grundlage für diese Forderung ist der §13 des deutschen Urheberrechts. Darin steht: „Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.“ Fotolia hat dazu einen erklärenden Blogbeitrag geschrieben.
Da viele Zeitungen aus verschiedenen Gründen (Platzmangel, Bequemlichkeit, Lesbarkeit) immer öfter dazu übergehen, nur die Agentur zu nennen, hatte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) vor kurzem die Aktion „Fotografen haben Namen“ gestartet und die „Welt kompakt“ als Zeitung ausgezeichnet, welche ihre Fotos am übersichtlichsten kennzeichnet.
Bei einer kommerziellen Nutzung verzichten viele Urheber bzw. Agenturen auf diese Namensnennung, weil sie nicht branchenüblich ist. Oder wie oft habt ihr Werbeanzeigen gesehen, in denen klein am Rande die Namen der beteiligten Fotografen stehen?
Habt ihr auch Missverständnisse mit den beiden Begriffen redaktionell und kommerziell erlebt? Was für Unterschiede ergeben sich für euch?