Als dritte Station meiner Hamburg-Reise steuere ich das Büro der Bildagentur plainpicture an und treffe mich dort mit deren Creative Director Roman Härer zu einem ausführlichen Gespräch.
Wir reden über die Gründung und Anfangszeit der Agentur, Gründe für Bildablehnungen, Themen-Trends und lasse mir Tipps für die Fotografenbewerbung bei der Agentur geben:
Ab und zu werde ich gefragt, welche Bildagenturen ich empfehlen könne. Oder ob ich eine Bildagentur kennen würde, welche für dieses oder jenes Thema besonders geeignet sei.
Ich komme mir da oft blöd vor bei meiner Antwort, denn: „Es gibt keine geheimen Bildagenturen!“
Was meine ich damit?
Den Bildermarkt teilen sich vor allem eine kleine Handvoll großer Bildagenturen, die jedoch in der Regel selbst den Anfängern schon bekannt sind. Oft beliefern die Neulinge schon 5–6 Agenturen und versuchen, durch die Belieferung weiterer Agenturen noch mehr Geld zu verdienen. Das führt jedoch selten zum Erfolg, weil eben jene 5–6 Agenturen schon mit Abstand den Löwenanteil der Umsätze erwirtschaften, die realistisch zu erwarten sind.
Im Microstock-Bereich sind das: Fotolia, Shutterstock, 123rf und iStock. In zweiter Reihe folgen vielleicht noch Dreamstime, Bigstock und einige andere, die ich nicht ausprobiert habe oder empfehlen würde. Vollständiger ist diese Umsatz-Übersicht.
Im Macrostock-Bereich gibt es Getty Images, vielleicht noch Alamy und dann ganz lange… nichts. Corbis, jahrelang größter Rivale von Getty, existiert praktisch nicht mehr und die vielen kleinen, inhabergeführten Bildagenturen verdienen mittlerweile ihren größten Umsatzanteil ebenfalls über Getty Images und ggf. die Premium-Kollektionen der Microstock-Agenturen wie Offset (Shutterstock) oder Infinite (Fotolia). In diesem Bereich ist es deshalb wichtig, zu wissen, ob diese Vertriebskanäle von der jeweiligen Agentur beliefert werden oder nicht. Ich selbst habe zum Beispiel einige Bilder bei Westend61 und Stockfood, verkauft werden sie vor allem von Getty oder Fotolia.
Die meisten Fotografen scheinen es ähnlich zu sehen: Kürzlich hatte ich hier meine Facebook-Follower gefragt, bei welchen Agenturen sie den meisten Umsatz machen würden und – mit ganz wenigen Ausnahmen – wurden ausschließlich schon im Artikel genannten Agenturen erwähnt.
Die Ausnahmen wie Stocksy oder Pond5 erklären sich so: Stocksy hat zwar durch eine eigene Bildsprache eine profitable Nische in der Branche gefunden, durch die sehr restriktive Fotografenselektion mit Aufnahmebeschränkung bringt es jedoch nichts, diese anderen Fotografen zu empfehlen. Pond5 ist hauptsächlich für Leute profitabel, welche Videos verkaufen und hier soll es heute eher um Fotos gehen.
Auch Empfehlungen für „Spezialagenturen“ fallen mir schwer. Das Thema hat ja zwei Seiten: Welche Agentur interessiert sich für meine Bilder und welche verkauft sie am besten? Die Antwort ist leider nicht immer deckungsgleich. Zwar gibt es für viele sehr spezielle Themen Nischen-Bildagenturen, aber viel Umsatz machen dort noch weniger Fotografen als bei den „Universal-Agenturen“. Das liegt unter anderem auch daran, dass die großen Microstock-Agenturen wie Shutterstock oder Fotolia mit ihren mehr als 50 Millionen Bildern selbst zu den Nischenthemen mittlerweile oft mehr Bilder im Angebot haben als die Nischenagentur selbst.
Kurzes Beispiel: Zum Suchbegriff „Salat“ liefert Fotolia über 900.000 Treffer, Shutterstock über eine Million und die Food-Bildagentur Stockfood nur knapp 35.000. Das heißt, die Universalagenturen haben mehr als 25x so viele Bilder im Angebot.
Hier können sich die Nischenagenturen nur mit einem extremen Service und unglaublichem Detailwissen über Wasser halten, indem die Food-Agenturen beispielsweise neben den Fotos auch die dazu passenden Rezepte liefern können oder Tier-Bildagenturen garantieren können, dass die Fotos der gezeigten Tiere auch in jedem Fall zu den lateinischen Namen passen.
Wie viele Agenturen sollte ich nun beliefern?
Ich bin der Meinung, dass die Belieferung von 6–7 Agenturen vollkommen ausreichend ist. Vor fünf Jahren noch habe ich über 14 Agenturen beliefert, im Laufe der letzten Jahre sind davon sind einige wie Coverpicture oder Digitalstock aufgekauft worden, andere wie Waldhäusl oder Polylooks wurden geschlossen.
Wer nüchtern betrachtet den Zeitaufwand für das Hochladen der Bilder mit den erzielten Erträgen in Relation setzt, wird merken, dass er bei der siebten Agenturen schon meist draufzahlt, wenn er seinen Stundenlohn vernünftig ansetzt. Neben den 6–7 „klassischen“ Agenturen beliefere ich mittlerweile nur noch einige ausgewählte Agenturen wie zum Beispiel Zoonar, weil ich deren 80% Fotografenkommission unterstützenswert finde oder Agenturen wie Canva mit einem neuen, erfolgsversprechenden Geschäftsmodell, deren Mitarbeiter ich persönlich kenne.
Zwar ist der Zeitaufwand für das Hochladen mittels Tools wie Picworkflow o.ä. geringer geworden, aber auch diese Dienste verlangen meist Geld. Dazu kommt, dass mit der sehr breiten Streuung des eigenen Portfolios auch ein Kontrollverlust einhergeht. Die breite Streuung macht es ungleich schwerer, Urheberrechtsverstöße zu kontrollieren. Auch steigt so der Preisdruck, weil irgendeine Agentur die niedrigsten Preise anbieten will und andere Agenturen dann mitziehen wollen oder müssen. Ähnliches gilt für die Kommissionen der Fotografen.
Andererseits bestärkt eine Limitierung auf die ohnehin schon umsatzstärksten Bildagenturen die Konzentration am Markt, was zur Bildung eines Oligopols führen könnte, bei dem die Anbieter ebenfalls einen Nachteil haben. Für mich überwiegen jedoch die Vorteile der limitierten Streuung.
Zum Jahresanfang habe ich mich hingesetzt und meine Zahlen etwas ausführlicher analysiert.
Diesmal ging es vor allem um die Performance der vielen kleinen Bildagenturen, die ich parallel zu den „Big Playern“ im Microstock-Business beliefere. Gibt es eine Veränderung bei den kleinen Agenturen? Ins Positive oder Negative?
Dazu habe ich die umfangreiche Liste meiner eigenen Umsatzzahlen zur Hilfe genommen.
Meine Liste umfasst aktuell 37 Agenturen, die ich im Laufe der Jahre beliefert habe. Dazu zählen auch zwei Agenturen, die ich doppelt mit unterschiedlichem Material zu verschiedenen Preispunkten (Micro/Macro) beliefert habe bzw. hatte sowie mein mittlerweile aufgegebener eigener Bildershop. Außerdem sind da noch einige Agenturen enthalten, welche schon längst nicht mehr auf dem Markt sind, zum Beispiel StockXpert, Polylooks oder Fotocent.
Weggelassen habe ich außerdem Agenturen, welche ich nur mit Videos beliefere (z.B. Pond5, Revostock oder Clipcanvas) sowie Agenturen, welche ich erst seit weniger als fünf Jahren beliefere (z.B. Canva, Mostphotos oder Alamy).
Übrig geblieben ist eine Liste mit 20 Agenturen. Ich habe lange überlegt, ob ich konkrete Namen oder Zahlen nenne, aber mich aus verschiedenen Gründen dagegen entschieden. Die Motivation, meine Umsatzzahlen nicht mehr zu nennen, habe ich hier dargelegt und da die Kurven einiger Agenturen nicht zu positiv aussehen, möchte ich nicht noch mal einen Rechtsstreit vom Zaun brechen.
Ich finde jedoch, dass die Diagramme trotzdem eine gewisse Aussagekraft haben.
Wichtig war mir, langfristige Trends zu erkennen, ohne von saisonalen Ausreißern wie dem Weihnachtsgeschäft oder der Sommerflaute abgelenkt zu werden. Deswegen habe ich von jeder Agentur den Monatsumsatz als Jahresmittelwert genommen, also wie viel Geld ich bei dieser Agentur über das Jahr gerechnet (und durch zwölf geteilt) eingenommen habe.
Insgesamt sieht das dann so aus:
Das Pareto-Prinzip ist hier sofort erkennbar. Zwei der zwanzig Agenturen liefern den größten Teil meiner Umsätze. Da es ohnehin kein großes Geheimnis ist, kann ich die beiden Namen auch nennen: Fotolia* (grün) und Shutterstock* (lila). Leider verzerren die beiden Ausreißer nach oben die Aussagekraft, weshalb ich die beiden Agenturen in der folgenden Grafik weggelassen habe:
Schon besser. Die restlichen 18 Agenturen sind fast alle als Linie zu erkennen. Die beiden Ausreißer nach oben diesmal sind Dreamstime* (türkis) und 123rf* (gelb).
Wenn wir diese weglassen, verteilen sich die restlichen 16 Agenturen so:
Endlich kommt Licht in das, was auf der ersten Grafik noch wie ein dicker bunter Strang aussah. Gut zu erkennen ist, dass fast alle der 16 Agenturen mühsam vor sich hin vegetieren oder ganz klar jedes Jahr weniger Umsatz für mich erwirtschaften. Es gibt nur zwei Ausnahmen: Die hellgraue Linie (wurde vor einigen Jahren von einer großen Agentur aufgekauft) sowie die orangene Linie, die sich mühsam auf den dritten (bzw. insgesamt siebten Platz) hochgearbeitet hat. Auch diese Agentur gehört einer anderen großen Agentur.
Fairerweise muss ich an dieser Stelle einwerfen, dass ich bei einigen dieser Agenturen das Hochladen von Bildern schon eine Weile eingestellt habe, weil der zeitliche Aufwand größer war als der Umsatz auf dieser Seite. Eine gleichbleibende Portfolio-Größe wird in der Microstock-Branche oft als Faktor für einen langfristigen Umsatzrückgang gewertet, weil die Bilder „veralten“ und irgendwann weniger gekauft werden.
Wenn ich diese neun Agenturen ebenfalls entferne, bleiben sieben Agenturen übrig und das Diagramm sieht so aus:
Egal welche der letzten beiden Grafiken ich mir ansehe, sie sehen beide traurig aus. Vor allem, wenn man im Hinterkopf hat, dass sich bei jeder dieser 7 Agenturen mein Bildbestand mindestens verdoppelt, in einigen Fällen sogar mehr als verzehnfacht hat. Wer als Agentur mit einem zehnfachen Bildbestand trotzdem fünf Jahre lang umsatzmäßig stagniert, wird auch in Zukunft keine rosigen Zeiten erwarten können.
Eine der neun nicht mehr belieferten Agenturen, die österreichische Agentur Waldhäusl, hat im April 2014 den Betrieb einstellen müssen und eine andere Agentur dieser neun wurde ebenfalls 2014 von einer anderen Bildagentur aufgekauft und geschlossen. Vor wenigen Wochen wurde bekannt gegeben, dass eine der restlichen sieben Agenturen in den kommenden Monaten das gleiche Schicksal ereilen wird.
Was sagt mir das?
Für mich sind die Zeichen eindeutig: Die kleinen Bildagenturen sterben weg!
Die vier großen Agenturen haben alle über 30 Millionen Bilder im Portfolio, die weiteren Agenturen mit einem positiven Trend haben alle eine andere große Agentur im Rücken. Der Rest erwirtschaftet nur niedrige drei- oder sogar nur zweistellige Beträge im Monat mit meinen teils über 10.000 Fotos. Da ich weiß, dass ich damit in der Regel zu den oberen 10% der Bildlieferanten gehöre, kann ich über den Daumen gepeilt vermuten, dass die Gesamtumsätze der jeweiligen Bildagenturen bescheiden sind. Da wundere ich mich manchmal, wie die Agenturen teilweise zwei Geschäftsführer oder Eigentümer bezahlen können.
Teilweise finde ich die mäßige Performance schade, weil ich weiß, wie viel Herzblut die Agenturinhaber in ihre Agenturen stecken. Nüchtern betrachtet erleichtert es mir aber meine Arbeit, meine Bilder nicht mehr bei 15 oder 20 Agenturen zu streuen, sondern sich auf die zehn umsatzstärksten zu konzentrieren.
Ich vermute stark, dann in diesem und dem nächsten Jahr noch einige der Agenturen aus den letzten beiden Grafiken den Betrieb einstellen werden oder von anderen Agenturen übernommen werden. Erst gestern kam zum Beispiel die Info rein, dass Mauritius Images, vormals eine der großen deutschen Agenturen, vom in der Szene eher unbekannten Stefan Ploghaus aufgekauft wurde.
Zwar habe ich in der Vergangenheit viel Zeit (und damit auch Geld) in den Aufbau meines Portfolios bei kleinen Agenturen gesteckt, aber mittlerweile ist es mir lieber, wenn weniger Agenturen meine Bilder vertreiben, weil es neben der Zeitersparnis auch das Risiko von unseriösen Partneragenturen oder undurchsichtigen Deals mit anderen Agenturen verringert. Deshalb werde ich in den nächsten Monaten beginnen, meine Bilder aus einigen Agenturen abzuziehen und die Accounts schließen zu lassen.
Was sind eure Erfahrungen? Wie schätzt ihr die Entwicklung ein?
Bei dieser Frage per Email habe ich kurz überlegt, ob ich sie einfach löschen solle. Dann aber dachte ich daran, dass ich mir noch vor fünf Jahren fast das Gleiche gedacht habe und deshalb will ich die Frage ernsthaft beantworten.
„Hallo Robert,
ich beschäftige mich erst seit kurzem mit der Stockfotografie. Was ich mich die ganze Zeit frage ist: Wie soll man denn einen Gewinn erzielen, wenn man pro gekauften Foto nur wenige Cent verdient, aber einem Model beispielsweise 70€ bezahlt?
Hoffe Du kannst mir helfen?
Beste Grüße,
Dominik“
Zunächst einmal: Die „wenigen Cent“ sind oft eher ein Argument von Microstock-Hassern, welche selbst kaum Fotos anbieten. Ich habe hier meine durchschnittlichen Umsätze pro Fotoverkauf aufgelistet. Die fünf größten Microstock-Agenturen zusammen (Shutterstock, Fotolia, iStockphoto, Dreamstime, 123rf) bringen im Schnitt 0,81 Euro pro Bildverkauf. Das liegt zwar immer noch im Centbereich. aber „wenige Cent“ sind das für mich nicht.
Doch selbst wenn wir annehmen, Dominik hätte gefragt, wie man Gewinn erzielt, wenn man pro Fotoverkauf nur einen Euro bekommt, bleibt seine Frage berechtigt.
Kann man mit Stockfotos Geld verdienen? Ja, das habe ich regelmäßig gezeigt, auch wenn das einige anzweifeln.
Wenn man einem Model 70 Euro zahlt, hängt es natürlich auch davon ab, welche Motive man mit diesem Model umsetzt und wie viele Bilder man online stellen kann. Wer aus einem Model-Shooting nur 10 Bilder hochladen kann, braucht pro Bild 8–9 Verkäufe, nur um die Modelkosten zu decken. Wer aus dem Shooting jedoch 50 Bilder holen kann, braucht nur knapp 2 Verkäufe pro Bild.
Ich selbst nehme aus einem Model-Shooting im Schnitt ca. 100 Bilder mit, die ich verkaufen kann. Da brauche ich dann weniger als einen Verkauf pro Bild, um die Modelkosten zu decken. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass eines der 100 Bilder zu seinem Bestseller wird, der sich einige hundert Mal verkauft. Diese Chance ist bei 100 hochgeladenen Bildern natürlich höher als bei 10 Bildern aus dem Shooting.
Es geht aber auch andersrum. Ich habe letzten Monat bei einer Makrostockagentur ein Foto von einem Bauern bei der Ernte an eine Fernsehzeitschrift verkauft. Dafür habe ich 307 Euro Honorar bekommen. Dieser Verkauf allein hat die Modelkosten locker gedeckt. Und bei diesem Shooting habe 40 Bilder im Verkauf.
Gerne nehme ich bei solchen Fragen auch einen anderen Vergleich: Ein Kilo Zucker kostet im Handel ca. einen Euro. Daran verdienen mindestens der Hersteller und der Händler. Ich selbst wäre bei weitem nicht in der Lage, für einen Euro Zuckerrüben anzupflanzen, diese zu gießen, düngen, dann zu ernten, reinigen, zerkleinern, verdampfen, kristallisieren und raffinieren. Selbst ohne Verpackung und Transport würde mich all das deutlich mehr als den einen Euro kosten.
Aber wieso verdienen dann zwei Firmen (Hersteller und Händler) trotzdem daran. Die Masse macht’s. Durch Automatisierung und große Mengen wird selbst die Produktion von „Centartikeln“ lukrativ. Da unterscheidet sich der Microstock-Markt kaum von anderen Massenmärkten. Der größte Unterschied ist vielleicht, dass es bei Microstock-Agenturen einfach ist, auch als Anfänger wenige Fotos unterzubringen. Solange aus den wenigen Bildern aber keine „Masse“ wird, kann der Fotograf durch seine Fixkosten (Kamera, Computer, etc.) daran nichts verdienen.
Was sagt ihr? Wie erklärt ihr jemanden, dass sich auch der Verkauf zu Centbeträgen lohnen kann?
Es war wieder ganz schön was los: Vor paar Tagen hat sich der bekannteste Microstock-Fotograf Yuri Arcurs der Welt in seinem Blog über die Hintergründe zu seiner kürzlich bekannt gewordenen „Exklusivität“ mit Getty Images geäußert. Außerdem verriet er Details zu seiner ebenfalls kürzlich bekannt gewordenen Millionen-Investition in eine Start-Up-Firma im Bereich der Smartphone-Fotografie.
Blogeintrag von Yuri Arcurs
Yuris Artikel wurde – auch wegen seiner arroganten und zynischen Schreibweise – in der Microstock-Szene heftig diskutiert.
In den Diskussionen stand jedoch stark die Person Yuri im Vordergrund und zwei inhaltliche Themen gingen dabei etwas unter. Beide Themen will ich in zwei Artikeln näher beleuchten. Zum einen die Gründe, die zu seiner Abkehr von der Microstock-Branche geführt haben und zum anderen seine Vermutungen über die Zukunft des Bildermarkts in Zeiten der Handy- und Smartphone-Kameras.
Der Anfang
Werfen wir – stark verkürzt – einen Blick in die Vergangenheit. Bis ungefähr zur Jahrtausendwende war der Handel mit Bildrechten und Fotolizenzen fest in der Hand großer Bildagenturen, allen voran Getty Images, Corbis und Jupiter Images. Diese verkauften die Bildechte üblicherweise für drei- bis vierstellige Summen. Bei Interesse ist das hier ausführlicher nachlesbar. Innerhalb von nur zehn Jahren gelang es einer kleinen Gruppe von neuen Bildagenturen, diesen Markt komplett aufzumischen und einen großen Marktanteil zu gewinnen. Das geschah hauptsächlich über den Preis, hatte aber auch andere Gründe.
Die beiden Hauptfaktoren für den schnellen Aufstieg der neuen, „Microstock“ genannten, Agenturen waren die zunehmende Verbreitung und Verbesserung des Internets und der Umstieg auf die Digitalfotografie.
Früher mussten die Fotografen der alten Agenturen, jetzt im Kontrast „Macrostock“ genannt, ihre Fotos richtig auf Filmmaterial belichten, dann wurden Dias erstellt, Agenturen machten teure Kopien diese Dias, druckten dicke (ebenfalls teure) Kataloge mit ihren Bildern, verschickten diese gratis an ihre Kunden, lieferten bei Motivwünschen der Bildkäufer die Dia-Kopien per Postexpress, die Rechnung wurde als Brief versendet und so weiter. kurz: Es war ein zeitaufwändiges, arbeitsintensives, aber auch lukratives Geschäft.
Als Fotograf war es nicht leicht, in diese Bildagenturen aufgenommen zu werden. einerseits war die notwendige Kameraausrüstung vor einigen Jahren deutlich teurer und sie erforderte Auch mehr Fachwissen, weil Belichtungsfehler nicht nachträglich digital korrigiert werden konnten. Für die Agenturen war auch de Betreuungsaufwand groß, weshalb am liebsten Fotografen genommen wurden, die technisch gute Bilder regelmäßig liefern konnte – nahezu ein K.O.-Kriterium für Hobbyfotografen.
Als Kunde musste man damals mit den hohen Preisen der Bildagenturen zurechtkommen. Es gab nur die Alternative, einen Auftrag an einen professionellen Fotografen zu vergeben, was ebenfalls schnell Kosten im vierstelligen Bereich oder sogar mehr verursacht hätte. Dadurch wurden vor allem kleine Web-Designer und so weiter von der Nutzung der Agenturbilder ausgeschlossen.
Der Wandel
Die neuen Microstock-Agenturen profitierten von einem neu entstehenden Dreiklang: Immer mehr Leute besaßen erstens Digitalkameras, die das Fotografieren deutlich erleichterten. Immerhin sah man sofort auf dem Bildschirm, ob ein Foto gelungen war oder nicht und weitere Versuche kosteten auch kein Geld durch Filme und Filmentwicklung. Zweitens konnten diese digitalen Daten durch ein schnelleres Internet (DSL-Ausbau etc.) und Flatrates schnell und günstig um die Welt geschickt werden. Drittens waren auch viele Bildkäufer bereit, Abstriche bei der Bildqualität zu machen, um einige hundert Euro beim Fotokauf sparen zu können.
Das Internet sorgte ja nicht nur für den Vertrieb der Bilder, sondern all die neuen Blogs, Webseiten, Foren und so weiter brauchten ja auch Bilder, für die kaum jemand bereit war, dreistellige Summen auszugeben, wenn die Fotos in Briefmarkengröße einen kurzlebigen Artikel illustrieren sollen. Damit hätten sogar viele Macrostock-Agenturen leben können. Womit Microstock den Bildermarkt in die Knie gezwungen hat, waren auch die (zu) billigen Print-Lizenzen für Druckgrößen. Das habe ich auch schon hier und hier vor über drei Jahren geschrieben.
Dazu kommt, dass die Microstock-Agenturen sich mehr als Technik-Dienstleister sahen denn als „Bildrechte-Verwerter“. Die jungen Agenturen verschlankten die Arbeitsabläufe sehr stark, indem zum Beispiel Geld im Voraus bezahlt werden musste (das ersparte das Mahnwesen und vereinfachte die Rechnungsstellung). Auch viele andere Prozesse wie die Bildbeschriftung und Verschlagwortung wurde den Fotografen aufgebürdet, was weitere Kosten sparte. Auch der Kunden- und Fotografenkontakt wurde hauptsächlich über Email, Foren und Blogs betrieben. Alle diese Maßnahmen sorgten für eine deutlich günstigere Betriebsführung, die es auch ermöglichte, trotz sehr niedriger Preise Profit zu erwirtschaften.
Anfangs hatten die Microstock-Agenturen nur Fotos mit schlechterer Bildqualität, weil einerseits die Digitalkameras gegenüber Analogkameras noch etwas aufzuholen hatten, aber die DSLR-Technik holte hier schnell auf. Schwieriger war die Motivauswahl und Bildsprache, weil anfangs die Profi-Fotografen bei den Macrostock-Agenturen unter Vertrag waren und nicht einsahen, warum sie ihre Fotos für ein Hundertstel (oder weniger) des bisherigen Preises verkaufen sollten. Deshalb warben die Microstock-Agenturen stark um Amateurfotografen, die oft wenig Kenntnisse von den Wünschen der Bildkunden hatten.
Yuri kommt ins Spiel
2005 fing dann einer dieser Amateurfotografen an, ebenfalls bei den Microstock-Agenturen Bilder zu verkaufen. Der Däne Jacob Wackerhausen, besser bekannt als Yuri Arcurs, lud während seines Psychologie-Studiums die ersten Fotos hoch. Ende 2005 hatte er ca. 500 Bilder von Freunden und sich selbst online und sein Budget pro Fotoshooting war ca. 50 US-Dollar. Er war also einer der vielen Hobby-Fotografen, die jedoch schnell ihr Hobby zum Beruf machten. Yuri lernt anhand der öffentlich einsehbaren Statistiken schnell, welche Motive sich besser verkaufen als andere, welche Models gefragter sind und richtet seine Shootings konsequent darauf aus. Außerdem verbessert er seine Technik. Von einer Canon EOS 350D mit 8 Megapixeln zu einer Canon EOS-1Ds Mark II mit 16,7 Megapixeln.
Yuri steigt (zu) hoch hinaus
Innerhalb von nur acht Jahren steigt sein Portfolio bis 2013 auf knapp 100.000 Bilder an, seine Firma beschäftigt über 100 Mitarbeiter und er verdient deutlich mehr als drei Millionen im Jahr. Als Kamera arbeitet er mit – gesponsorten – H3D-II-39s von Hasselblad und Profoto-Licht. Jetzt fängt aber sein Problem an. Schon 2009 hatte er ca. 10.000 US-Dollar Ausgaben pro Fotoshooting und 2010 gab er über 150.000 US-Dollar allein für Model-Honorare aus. Ein Shooting auf den Malediven kostete ihn 2012 ca. 80.000 US-Dollar, bei dem er ca. 1500 verkäufliche Bilder erhielt. Das macht über 53 Dollar pro Bild. Mit dieser Summe hatte er anfangs ein ganzes Fotoshooting bezahlt.
Microstock kann aber nur lukrativ sein, wenn man es schafft, Bilder günstig zu produzieren, weil sie eben auch billig verkauft werden. Man kann gut Geld mit Microstock-Fotos verdienen, wenn die Motive oft genug verkauft werden. Das ist aber zum Beispiel bei meinen 10.000 Bildern einfacher als mit Yuris 100.000 Fotos, weil man sich irgendwann selbst Konkurrenz macht. Natürlich kaufen die Kunden lieber Premium-Qualität zum Discount-Preis. Oder in Yuris Worten: „Sometimes it felt like having a michelin restaurant inside a burger joint and at the same time having to match the prices. At some point the professional gets tired of selling 12 course testing menues at 0300AM at burger prices.“
Das war die Zwickmühle: Amateure trieben die Preise nach unten. Profis mussten sich anpassen und mitmachen, um überleben zu können, was wiederum die Qualität der Microstock-Bilder schnell steigerte. Die Amateurfotografen, die pfiffig und gut genug waren, wurden ebenfalls schnell zu Profis und lieferten konstant gute Qualität. Das ging eine Weile gut und zeigte, dass einfache Aufnahme wie freigestelltes Obst beispielsweise von den Macrostock-Aufnahmen „etwas überteuert“ angeboten wurde.
Die richtig aufwändigen Shootings, wie ein Business-Meeting, eine Mehr-Generationen-Familie beim Sonntagsessen oder Behinderten-Sportler beim Wettkampf, waren und sind teuer in der Produktion. Solche Fotoshootings lohnen sich im Microstock nur, wenn die Motive so oft nachgefragt werden, dass auch bei den geringen Preisen die hohen Investitionen wieder reinkommen. Bei Shootings, die mehr als 10.000 Euro kosten, wird es irgendwann jedoch im Microstock-Bereich schwierig, egal, wie gut und nachgefragt die Motive sind.
Yuris Entscheidung
Yuri hat das in den letzten Jahren anscheinend gemerkt. Er hätte die Möglichkeit gehabt, wieder günstiger zu produzieren, was bei seinen aufgeblähten Fixkosten (große Studios, festangestellte Mitarbeiter, etc.) schwierig ist. Selbst seine Kameras behindern ihn da. Zwar darf er stolz darauf sein, dass er von der Firma Hasselblad die teuren Mittelformat-Kameras umsonst bekommt, aber der Workflow hintendran mit teureren Rechnern, mehr Speicherplatz, mehr Upload-Bandbreite etc. wird sicher nicht mit finanziert.
Yuri hat sich für die andere Variante entschieden: Er geht exklusiv zum Marktführer, in der Hoffnung, dass dieser höhere Preise für seine Bilder erzielen kann. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn die Bildqualität und Motive liefert er und Getty Images hat als Macrostock-Agentur Erfahrung mit hohen Verkaufspreisen. Im Grunde ist das der logische Zirkelschluss: Wenn die Microstock-Fotografen so gut werden, dass sie Macrostock-Qualität und ‑Motive liefern, sollten sie zu einer Macrostock-Agentur gehen.
Yuris Entscheidung ist damit mitnichten der Anfang vom Ende der Microstock-Fotografie, wie er selbst kokett andeutet. Es ist nur die Einsicht, dass das eigene Geschäftsmodell zu dem Vertriebsmodell passen muss. Yuri hat in der Vergangenheit seine Bilder an alle Agenturen geliefert, die bei drei nicht auf den Bäumen waren. Weil er auch viele neue, kleine Bildagenturen belieferte, die selbst die billigen Microstock-Agenturen im Preis drücken wollten, trug er mit zum Preisverfall bei. Sein Ausstieg aus diesem Hamsterrad bringt den anderen großen Produktionsfirmen wie WaveBreakMedia oder Monkey Business oder Pressmaster sicher einige Monate Spielraum nach oben, aber auch diese werden sich dann entscheiden müssen, ob sie lieber die Kosten niedrig halten oder die Qualität steigern wollen.
Einige Parallelen
Etwas ängstlich beobachte ich bei mir einige Parallelen. Meine ersten Shootings haben mich ebenfalls jeweils ca. 50 Euro gekostet, aber in den letzten zwei Jahren habe ich mich auch ab und zu erwischt, wie ich einige Male mehr als 1.000 Euro für ein Shooting ausgegeben habe. Bisher haben sich diese Ausgaben gelohnt, aber ich muss aufpassen, dass sich diese Spirale nicht weiter nach oben dreht. Auch meine Technik ist besser und teurer geworden, wobei mittlerweile vielleicht sogar mein Handy ausreichen würde, um verkäufliche Microstock-Bilder zu schießen.
Aber dazu kommen wir im zweiten Teil des Artikels…