Es war wieder ganz schön was los: Vor paar Tagen hat sich der bekannteste Microstock-Fotograf Yuri Arcurs der Welt in seinem Blog über die Hintergründe zu seiner kürzlich bekannt gewordenen „Exklusivität“ mit Getty Images geäußert. Außerdem verriet er Details zu seiner ebenfalls kürzlich bekannt gewordenen Millionen-Investition in eine Start-Up-Firma im Bereich der Smartphone-Fotografie.

Yuris Artikel wurde – auch wegen seiner arroganten und zynischen Schreibweise – in der Microstock-Szene heftig diskutiert.
In den Diskussionen stand jedoch stark die Person Yuri im Vordergrund und zwei inhaltliche Themen gingen dabei etwas unter. Beide Themen will ich in zwei Artikeln näher beleuchten. Zum einen die Gründe, die zu seiner Abkehr von der Microstock-Branche geführt haben und zum anderen seine Vermutungen über die Zukunft des Bildermarkts in Zeiten der Handy- und Smartphone-Kameras.
Der Anfang
Werfen wir – stark verkürzt – einen Blick in die Vergangenheit. Bis ungefähr zur Jahrtausendwende war der Handel mit Bildrechten und Fotolizenzen fest in der Hand großer Bildagenturen, allen voran Getty Images, Corbis und Jupiter Images. Diese verkauften die Bildechte üblicherweise für drei- bis vierstellige Summen. Bei Interesse ist das hier ausführlicher nachlesbar. Innerhalb von nur zehn Jahren gelang es einer kleinen Gruppe von neuen Bildagenturen, diesen Markt komplett aufzumischen und einen großen Marktanteil zu gewinnen. Das geschah hauptsächlich über den Preis, hatte aber auch andere Gründe.
Die beiden Hauptfaktoren für den schnellen Aufstieg der neuen, „Microstock“ genannten, Agenturen waren die zunehmende Verbreitung und Verbesserung des Internets und der Umstieg auf die Digitalfotografie.
Früher mussten die Fotografen der alten Agenturen, jetzt im Kontrast „Macrostock“ genannt, ihre Fotos richtig auf Filmmaterial belichten, dann wurden Dias erstellt, Agenturen machten teure Kopien diese Dias, druckten dicke (ebenfalls teure) Kataloge mit ihren Bildern, verschickten diese gratis an ihre Kunden, lieferten bei Motivwünschen der Bildkäufer die Dia-Kopien per Postexpress, die Rechnung wurde als Brief versendet und so weiter. kurz: Es war ein zeitaufwändiges, arbeitsintensives, aber auch lukratives Geschäft.
Als Fotograf war es nicht leicht, in diese Bildagenturen aufgenommen zu werden. einerseits war die notwendige Kameraausrüstung vor einigen Jahren deutlich teurer und sie erforderte Auch mehr Fachwissen, weil Belichtungsfehler nicht nachträglich digital korrigiert werden konnten. Für die Agenturen war auch de Betreuungsaufwand groß, weshalb am liebsten Fotografen genommen wurden, die technisch gute Bilder regelmäßig liefern konnte – nahezu ein K.O.-Kriterium für Hobbyfotografen.
Als Kunde musste man damals mit den hohen Preisen der Bildagenturen zurechtkommen. Es gab nur die Alternative, einen Auftrag an einen professionellen Fotografen zu vergeben, was ebenfalls schnell Kosten im vierstelligen Bereich oder sogar mehr verursacht hätte. Dadurch wurden vor allem kleine Web-Designer und so weiter von der Nutzung der Agenturbilder ausgeschlossen.
Der Wandel
Die neuen Microstock-Agenturen profitierten von einem neu entstehenden Dreiklang: Immer mehr Leute besaßen erstens Digitalkameras, die das Fotografieren deutlich erleichterten. Immerhin sah man sofort auf dem Bildschirm, ob ein Foto gelungen war oder nicht und weitere Versuche kosteten auch kein Geld durch Filme und Filmentwicklung. Zweitens konnten diese digitalen Daten durch ein schnelleres Internet (DSL-Ausbau etc.) und Flatrates schnell und günstig um die Welt geschickt werden. Drittens waren auch viele Bildkäufer bereit, Abstriche bei der Bildqualität zu machen, um einige hundert Euro beim Fotokauf sparen zu können.
Das Internet sorgte ja nicht nur für den Vertrieb der Bilder, sondern all die neuen Blogs, Webseiten, Foren und so weiter brauchten ja auch Bilder, für die kaum jemand bereit war, dreistellige Summen auszugeben, wenn die Fotos in Briefmarkengröße einen kurzlebigen Artikel illustrieren sollen. Damit hätten sogar viele Macrostock-Agenturen leben können. Womit Microstock den Bildermarkt in die Knie gezwungen hat, waren auch die (zu) billigen Print-Lizenzen für Druckgrößen. Das habe ich auch schon hier und hier vor über drei Jahren geschrieben.
Dazu kommt, dass die Microstock-Agenturen sich mehr als Technik-Dienstleister sahen denn als „Bildrechte-Verwerter“. Die jungen Agenturen verschlankten die Arbeitsabläufe sehr stark, indem zum Beispiel Geld im Voraus bezahlt werden musste (das ersparte das Mahnwesen und vereinfachte die Rechnungsstellung). Auch viele andere Prozesse wie die Bildbeschriftung und Verschlagwortung wurde den Fotografen aufgebürdet, was weitere Kosten sparte. Auch der Kunden- und Fotografenkontakt wurde hauptsächlich über Email, Foren und Blogs betrieben. Alle diese Maßnahmen sorgten für eine deutlich günstigere Betriebsführung, die es auch ermöglichte, trotz sehr niedriger Preise Profit zu erwirtschaften.
Anfangs hatten die Microstock-Agenturen nur Fotos mit schlechterer Bildqualität, weil einerseits die Digitalkameras gegenüber Analogkameras noch etwas aufzuholen hatten, aber die DSLR-Technik holte hier schnell auf. Schwieriger war die Motivauswahl und Bildsprache, weil anfangs die Profi-Fotografen bei den Macrostock-Agenturen unter Vertrag waren und nicht einsahen, warum sie ihre Fotos für ein Hundertstel (oder weniger) des bisherigen Preises verkaufen sollten. Deshalb warben die Microstock-Agenturen stark um Amateurfotografen, die oft wenig Kenntnisse von den Wünschen der Bildkunden hatten.
Yuri kommt ins Spiel
2005 fing dann einer dieser Amateurfotografen an, ebenfalls bei den Microstock-Agenturen Bilder zu verkaufen. Der Däne Jacob Wackerhausen, besser bekannt als Yuri Arcurs, lud während seines Psychologie-Studiums die ersten Fotos hoch. Ende 2005 hatte er ca. 500 Bilder von Freunden und sich selbst online und sein Budget pro Fotoshooting war ca. 50 US-Dollar. Er war also einer der vielen Hobby-Fotografen, die jedoch schnell ihr Hobby zum Beruf machten. Yuri lernt anhand der öffentlich einsehbaren Statistiken schnell, welche Motive sich besser verkaufen als andere, welche Models gefragter sind und richtet seine Shootings konsequent darauf aus. Außerdem verbessert er seine Technik. Von einer Canon EOS 350D mit 8 Megapixeln zu einer Canon EOS-1Ds Mark II mit 16,7 Megapixeln.
Yuri steigt (zu) hoch hinaus
Innerhalb von nur acht Jahren steigt sein Portfolio bis 2013 auf knapp 100.000 Bilder an, seine Firma beschäftigt über 100 Mitarbeiter und er verdient deutlich mehr als drei Millionen im Jahr. Als Kamera arbeitet er mit – gesponsorten – H3D-II-39s von Hasselblad und Profoto-Licht. Jetzt fängt aber sein Problem an. Schon 2009 hatte er ca. 10.000 US-Dollar Ausgaben pro Fotoshooting und 2010 gab er über 150.000 US-Dollar allein für Model-Honorare aus. Ein Shooting auf den Malediven kostete ihn 2012 ca. 80.000 US-Dollar, bei dem er ca. 1500 verkäufliche Bilder erhielt. Das macht über 53 Dollar pro Bild. Mit dieser Summe hatte er anfangs ein ganzes Fotoshooting bezahlt.
Microstock kann aber nur lukrativ sein, wenn man es schafft, Bilder günstig zu produzieren, weil sie eben auch billig verkauft werden. Man kann gut Geld mit Microstock-Fotos verdienen, wenn die Motive oft genug verkauft werden. Das ist aber zum Beispiel bei meinen 10.000 Bildern einfacher als mit Yuris 100.000 Fotos, weil man sich irgendwann selbst Konkurrenz macht. Natürlich kaufen die Kunden lieber Premium-Qualität zum Discount-Preis. Oder in Yuris Worten: „Sometimes it felt like having a michelin restaurant inside a burger joint and at the same time having to match the prices. At some point the professional gets tired of selling 12 course testing menues at 0300AM at burger prices.“
Das war die Zwickmühle: Amateure trieben die Preise nach unten. Profis mussten sich anpassen und mitmachen, um überleben zu können, was wiederum die Qualität der Microstock-Bilder schnell steigerte. Die Amateurfotografen, die pfiffig und gut genug waren, wurden ebenfalls schnell zu Profis und lieferten konstant gute Qualität. Das ging eine Weile gut und zeigte, dass einfache Aufnahme wie freigestelltes Obst beispielsweise von den Macrostock-Aufnahmen „etwas überteuert“ angeboten wurde.
Die richtig aufwändigen Shootings, wie ein Business-Meeting, eine Mehr-Generationen-Familie beim Sonntagsessen oder Behinderten-Sportler beim Wettkampf, waren und sind teuer in der Produktion. Solche Fotoshootings lohnen sich im Microstock nur, wenn die Motive so oft nachgefragt werden, dass auch bei den geringen Preisen die hohen Investitionen wieder reinkommen. Bei Shootings, die mehr als 10.000 Euro kosten, wird es irgendwann jedoch im Microstock-Bereich schwierig, egal, wie gut und nachgefragt die Motive sind.
Yuris Entscheidung
Yuri hat das in den letzten Jahren anscheinend gemerkt. Er hätte die Möglichkeit gehabt, wieder günstiger zu produzieren, was bei seinen aufgeblähten Fixkosten (große Studios, festangestellte Mitarbeiter, etc.) schwierig ist. Selbst seine Kameras behindern ihn da. Zwar darf er stolz darauf sein, dass er von der Firma Hasselblad die teuren Mittelformat-Kameras umsonst bekommt, aber der Workflow hintendran mit teureren Rechnern, mehr Speicherplatz, mehr Upload-Bandbreite etc. wird sicher nicht mit finanziert.
Yuri hat sich für die andere Variante entschieden: Er geht exklusiv zum Marktführer, in der Hoffnung, dass dieser höhere Preise für seine Bilder erzielen kann. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn die Bildqualität und Motive liefert er und Getty Images hat als Macrostock-Agentur Erfahrung mit hohen Verkaufspreisen. Im Grunde ist das der logische Zirkelschluss: Wenn die Microstock-Fotografen so gut werden, dass sie Macrostock-Qualität und ‑Motive liefern, sollten sie zu einer Macrostock-Agentur gehen.
Yuris Entscheidung ist damit mitnichten der Anfang vom Ende der Microstock-Fotografie, wie er selbst kokett andeutet. Es ist nur die Einsicht, dass das eigene Geschäftsmodell zu dem Vertriebsmodell passen muss. Yuri hat in der Vergangenheit seine Bilder an alle Agenturen geliefert, die bei drei nicht auf den Bäumen waren. Weil er auch viele neue, kleine Bildagenturen belieferte, die selbst die billigen Microstock-Agenturen im Preis drücken wollten, trug er mit zum Preisverfall bei. Sein Ausstieg aus diesem Hamsterrad bringt den anderen großen Produktionsfirmen wie WaveBreakMedia oder Monkey Business oder Pressmaster sicher einige Monate Spielraum nach oben, aber auch diese werden sich dann entscheiden müssen, ob sie lieber die Kosten niedrig halten oder die Qualität steigern wollen.
Einige Parallelen
Etwas ängstlich beobachte ich bei mir einige Parallelen. Meine ersten Shootings haben mich ebenfalls jeweils ca. 50 Euro gekostet, aber in den letzten zwei Jahren habe ich mich auch ab und zu erwischt, wie ich einige Male mehr als 1.000 Euro für ein Shooting ausgegeben habe. Bisher haben sich diese Ausgaben gelohnt, aber ich muss aufpassen, dass sich diese Spirale nicht weiter nach oben dreht. Auch meine Technik ist besser und teurer geworden, wobei mittlerweile vielleicht sogar mein Handy ausreichen würde, um verkäufliche Microstock-Bilder zu schießen.
Aber dazu kommen wir im zweiten Teil des Artikels…
Was sagt ihr? Wohin geht die Reise?