Gestern abend erhielten alle Shutterstock-Lieferanten eine Email, in der die Bildagentur eine neue Honorarstruktur ab dem 1. Juni 2020 ankündigte.
Diese sieht wie folgt aus für Bilder (Fotos, Illustrationen, Vektoren):
Image Level | Verkaufte Lizenzen im Jahr | Auszahlungsrate |
---|---|---|
Level 1 | weniger als 101 | 15% |
Level 2 | 101 – 250 | 20% |
Level 3 | 251 – 500 | 25% |
Level 4 | 501 – 2,500 | 30% |
Level 5 | 2,501 – 25,000 | 35% |
Level 6 | mehr als 25,000 | 40% |
und so für Videos:
Image Level | Verkaufte Lizenzen im Jahr | Auszahlungsrate |
---|---|---|
Level 1 | weniger als 11 | 15% |
Level 2 | 11 – 50 | 20% |
Level 3 | 51 – 250 | 25% |
Level 4 | 251 – 5,000 | 30% |
Level 5 | 5,001 – 25,000 | 35% |
Level 6 | mehr als 25,000 | 40% |
Neu ist demnach, dass der Honoraranteil abhängig ist von der Menge der jeweiligen Verkäufe des aktuellen Jahres, statt wie bisher von den gesamten Verkäufen seit Beginn der Mitgliedschaft.
Am 1. Januar eines jeden Jahres wird jeder Anbieter auf Level 1 zurückgesetzt und muss sich durch viele Verkäufe in den Leveln hocharbeiten, um mehr Prozentpunkte zu erhalten.
Die Level für Bilder und Videos werden getrennt berechnet, können also unterschiedlich für den gleichen Anbieter ausfallen.
Was bedeuten diese Änderungen für die Anbieter?
Um einschätzen zu können, wie sich die Änderung an der Vergütungsstruktur auf die Anbieter auswirkt, müssen wir zuerst wissen, wie die Honorarverteilung aktuell geregelt wird.
Diese sieht bislang laut dieser Tabelle so aus und wird hier im Detail erklärt:

Demnach erhalten Anbieter je nach bisherigem Gesamtumsatz 25–38 US-Cent pro Abo-Download, 0,81–2,85USD für On-Demand-Verkäufe je nach Größe und Umsatz und 20–30% für jede erweiterte Lizenz. Für Video-Verkäufe gibt es pauschal 30%.
Im Dezember 2019 hatte Shutterstock bekannt gegeben, wie viel Geld sie bisher an ihre Anbieter ausgeschüttet hatten. Mit deren öffentlichen Quartalszahlen kombiniert konnte man daraus die durchschnittliche Anbieter-Kommission errechnen. Diese liegt demnach bei ca. 25,5%. Da Videos mit deren 30%-Anteil sowie höherpreisige Dienste wie Offset schon mit eingerechnet sind, dürfte die durchschnittliche Anbieter-Kommission für Bilder darunter liegen, vermutlich bei ca. 20%.
Mit diesem Wissen lässt sich die Änderung besser einordnen. Wer es also schafft, das Level 3 zu erreichen, sollte vermutlich ähnlich viel Umsatz erzielen wie bisher. Wer es darüber hinaus schafft, vielleicht sogar mehr.
Nur für die Leute, die sich auf Videos spezialisiert haben, ist das eine sehr schlechte Nachricht, denn diese müssen erst (jedes Jahr!) 250 Videos verkaufen, bevor sie wieder in Level 4 auf ihren alten Prozentsatz kommen.
Leider gibt eine große Unsicherheit. Denn die festen Vergütungen für die Abo-Verkäufen fallen weg. Auch dort wird nun prozentual abgerechnet, es gibt aber ein minimale Vergütung von 10 US-Cent. Zum Vergleich: Die Minimalvergütung bei Adobe Stock beträgt 33 US-Cent!
Da sich die wenigsten vorstellen können, wie viel sie nun pro Verkauf erhalten werden, habe ich basierend auf dieser Vorlage von Dinesh Hukmani eine Liste über die potentiell möglichen Verkaufserlöse erstellt (Klicken zum Vergrößern):

Darin wird deutlich, dass man selbst im höchsten Level 6 im schlimmsten Fall deutlich weniger bekommen kann als bisher, wenn man die 10.000 US „Lifetime-Earnings“ erreicht hatte, um 38-US-Cent pro Abo-Download zu erhalten.
Bei einem 750-Bilder-Paket mit jährlicher Zahlung bekäme man statt 38 US-Cent nur noch 10 US-Cent, also fast ein Viertel!
Auch aktive Anfänger erhalten in der Regel weniger. Wer noch nicht die erste Hürde von 500 US-Dollar Umsatz erreicht hat, bekam bisher 25 US-Cent pro Abo-Download, ab Juni werden es in sechs Fällen 10–24 US-Cent sein, nur bei zwei Abo-Modellen bekäme man mit 30 bzw. 38 US-Cent mehr.
Fast schon müßig zu erwähnen ist es, dass Shutterstock natürlich bei der Honorarberechnung davon ausgeht, dass ein Bildkunde alle Bilder seines Abos ausnutzt. Tut der das nicht, streicht Shutterstock – wie aber auch schon bisher – die Differenz ein.
Die Abo-Verkäufe machen entgegen der landläufigen Meinung jedoch nur einen Teil der Gesamtumsätze bei Shutterstock aus. Laut dem Analyse-Tool Stock Performer habe ich zum Beispiel in den letzten Jahren halbwegs konstant ca. 44% Abo-Umsätze gehabt, der Rest waren 30% On-Demand-Downloads, 20% Single&Other und 6% Erweiterte Lizenzen. Für einige dieser Lizenzen gibt es ggf. mehr Prozente, für andere wiederum weniger.

Das Rätselraten also bleibt, wie sich die Umsätze entwickeln. Die Vermutung ist jedoch, dass auch Shutterstock rechnen kann und die möglichen Folgen basierend auf deren konkreten Zahlen vorausgehen hat, um sicherzugehen, dass sie unter dem Schnitt weniger zahlen werden als bisher.
Die veränderte Honorarstruktur ist deshalb vermutlich als Reaktion auf die stagnierende Umsatzentwicklung des Unternehmens zu sehen, um weiterhin – für eine Weile zumindest – mehr Gewinn ausweisen zu können.
Da jeder Anbieter sich jedes Jahr aufs neue ein hohes Level erst erarbeiten muss, wird das erste Quartal eines jeden Jahres für Shutterstock nun besonders lukrativ werden. Vor allem diese Regel empfinden viele alteingesessene Anbieter als ein Schlag ins Gesicht, weil sie jedes Jahr aufs Neue wie Anfänger behandelt werden.
Weitere Honorarkürzungen durch die Hintertür möglich
iStock und 123rf haben es vorgemacht. Die Bindung der Anbieterkommissionen an jährliche Verkaufszahlen ist ein guter Weg (aus Agentursicht), um eher unauffällig Honorarkürzungen vornehmen zu können. So hatte 123rf im Februar 2018 leise einige Level ersatzlos gestrichen und so einigen Anbietern Honorarkürzungen von bis zu 14% beschert.
Der Vorreiter in dieser Hinsicht ist jedoch iStock. Diese haben schon 2010 die Anbieterhonorare pauschal auf 15% gesenkt, nur für die Exklusivfotografen wurde ein ähnliches Ranking-System eingeführt, wo jedoch die das erreichte Ranking des Vorjahres ins nächste Jahr mit übernommen wird. Erfahrungsgemäß schaffen es exklusive Anbieter bei iStock ganz gut, ihr Level zu halten, auch wenn iStock ab und zu die Downloadzahlen für die Level erhöht.
Auch Preissenkungen der Abo-Pakete wirken sich bei Shutterstock nun im Gegensatz zu vorher direkt auf die Anbieter aus.
Was belohnt das neue Level-System?
Bisher galt bei Shutterstock: Je länger du dabei bist, desto mehr verdienst Du. Ähnlich war die Vergütungsstruktur bei Fotolia, die Adobe Stock ebenfalls Schritt für Schritt zurückgefahren hatte.
Der Nachteil für die Agenturen bei solchen Modellen ist, dass alte Anbieter, die gar nicht mehr aktiv Material liefern, weiterhin eine hohe Bezahlung bekommen, während neue Anbieter, die noch kein großes Portfolio haben, aber regelmäßig produzieren, weniger erhalten.
Mit dem neuen Level-System, welches Aktivität belohnt und Loyalität ignoriert, ist die Motivation für Anfänger und alte Hasen gleich groß, neues Material zu produzieren. Außerdem spielt das neue System die Fotografen mehr gegeneinander aus, weil das gesamte Agentur-Portfolio immer größer wird, es für den einzelnen Fotografen allein rechnerisch jedes Jahr schwieriger wird, die festgelegte Downloadgrenze zu erreichen.
Persönlich verarscht komme ich mir aber vor, wenn Shutterstock mehrmals das Wort „fair“ in den Mund nimmt, um die neue Änderung zu begründen:
„We aim to provide an avenue for contributors to be fairly rewarded for content that is performing well at the current time. The adjustments are being made to align with changes we have been seeing in the global market for creative content. They also help to create fair opportunities for all our contributors, and reward performance with greater earnings potential.“
Quelle: Shutterstock-Forum (Hervorhebung von mir)
Sammel-Accounts als Alternative?
Es gibt Modelle wie „BlackBox“, bei der verschiedene Anbieter zusammen in einen großen Account hochladen. Dafür müssen sie einige Prozentpunkte an den Accountverwalter abgeben, profitieren aber durch das höhere Verkaufsvolumen des Accounts von einem schnelleren Aufstieg innerhalb des Level-Systems.
Ob sich das mit den fehlenden Prozentpunkten und dem Kontrollverlust über die eigenen Bilder ausgleicht, muss jeder selbst entscheiden.
Warten auf Zahlen
Ob sich das neue Shutterstock-Modell für den einzelnen Anbieter eine Verbesserung oder Verschlechterung ist, werden wir frühestens Anfang Juli sehen, wenn die die Juni-Verkäufe im neuen System ausgewertet werden können.
Bis dahin vermute ich jedoch, dass Shutterstock das Level-System als Chance sieht, sich auf Kosten der Anbieter Geld für deren Aktionäre zu sparen.
Was sagt ihr zu der Shutterstock-Ankündigung?