Vor fünf Monaten hatte ich im Blog vom Fotografen Rafael Classen berichtet, der eine Art „Abmahnung“ an Käufer seiner Bilder verschickt hatte. Damals ging es hauptsächlich um die „Social Media“-Nutzung seiner Bilder.
Im Laufe der letzten Monate haben mich viele Emails von ebenfalls Betroffenen erreicht und die Vorwürfe von Herr Classen (bzw. RCPhotostock, RC-Photo-Stock oder RCfotostock) haben einige zusätzliche Varianten erhalten. Deshalb heute ein Update in diesem Fall.
Rafael Classen wirft Löschung von IPTC-Daten vor
Zuerst fragt er, ob der Bildnutzer überhaupt eine Bildlizenz nachweisen kann. Fehlt dieser Nachweis, wirft er eine Urheberrechtsverletzung vor. Soweit nachvollziehbar, das mache ich ähnlich (wenn auch deutlich freundlicher).
Eine weitere Beschwerdequelle des Herrn Classen ist dann aber, dass er bei Bildnutzern bemängelt, dass diese seine „IPTC“-Metadaten aus den Bildern gelöscht hätten, die ebenfalls urheberrechtlich schutzfähig seien, auch wenn sie am Bild oder im Impressum die von Bildagenturen geforderte Urheberangabe angebracht haben:
„Ich möchte Sie noch beiläufig in diesem Zusammenhang auffordern, mir eine entsprechende Lizenz nachzuweisen, die Sie berechtigt die urheberrechtlich geschützten Schutzrechtshinweise der IPTC/Metadaten (Kurzform für International Press Telecommunications Council Information Interchange Model), die in das Original Bildmaterial durch die Bildagentur implementiert werden zur Urheberrechtsidentifizierung zu löschen oder zu entfernen. Diese Metadaten werden insbesondere für genauere Informationen und zur Indexierung der Stockmediums genutzt. Diese Daten können von jeder Person ausgelesen werden, der das Stockmedium zur Verfügung steht. Dies gilt auch dann, wenn die Bilddatei im Internet aufgefunden wird.“
Auszug aus Emails des Herrn Classen
Um die Empfänger seiner Emails zu verunsichern, wirft er mit Paragraphen nur so um sich:
„Neben der Verletzung von § 95c UrhG bestand in jedem Fall auch eine unlizenzierte Nutzung, die die Folgen des § 97 UrhG auslöst. Die Nutzung meines Werks ist nach den Lizenzbestimmungen von Fotolia/Adobe nur dann zulässig, wenn dies mit den hinterlegten IPTC-Metadaten erfolgt. Eine Nutzung ohne IPTC-Metadaten wird ausdrücklich in den Lizenzbestimmungen untersagt. Die Nutzung ohne diese Daten ist daher schon deshalb eine unlizenzierte Nutzung, die die Ansprüche aus § 97 UrhG auslöst. Ob neben dem Verstoß gegen die Lizenzbedingungen auch noch ein Verstoß gegen § 95c UrhG vorliegt, kann hier deshalb dahinstehen.“
Spannender Hinweis am Rande: Seit einiger Zeit lädt Herr Classen seine Werke selbst bei Pinterest und Facebook hoch: Dort scheint es ihn überhaupt nicht zu stören, dass keine Metadaten in seinen Bildern vorhanden sind und das, obwohl er sie selbst dort hochgeladen hat.
Übrigens ist mir bislang auch noch nicht bekannt, dass er einen Nachweis erbringen konnte, dass seine Bilder bei Fotolia oder Adobe Stock überhaupt IPTC-Daten von ihm enthalten hätten.
Rafael Classen wirft Bildnutzern Erwähnung von Adobe Stock/Fotolia in den Quellenangaben vor
Nun wird es aber noch spannender. Wenn die Bildnutzer wie von Adobe Stock gewünscht eine Namensnennung des Fotografen im Impressum o.ä. anbringen, welche neben dem Fotografennamen den Agenturnamen enthält, beschwert sich Herr Classen ebenfalls mit diesem Argument:
„Ich biete Ihnen eine Einigung an, durch die Sie einen Rechtsstreit vermeiden können. Teil des Vergleichs ist die Erteilung einer neuen Lizenz für das streitgegenständliche Bild mit korrekten IPTC Daten ohne irreführende Verweise auf Adobe. Dieses neue Bild mit korrekten Angaben zur Bezugsquelle können Sie anstelle des alten verwenden.
Richtig ist, dass Adobe die Zusammenarbeit mit mir am 03.09.2020 – ausdrücklich ohne Angabe von Gründen – beendet hat. Leider schmückt sich Adobe trotz der grundlosen Kündigung weiterhin mit meinen Werken. Dies ist – wie durch mich bereits dargelegt wurde – ein klarer Verstoß gegen das UWG. Spätestens mit der Beendigung der Zusammenarbeit von Adobe mit mir hätten Sie nach der zitierten Rechtsprechung den Verweis auf Fotolia/Adobe beenden müssen. Soweit die Lizenzbestimmungen von Fotolia/Adobe einen Verweis auf Fotolia/Adobe einfordern, gleichwohl Adobe sich dazu entschieden hat, die Bilder dort nicht mehr zu vertreiben, sind diese gem. § 134 BGB unwirksam.“
Hier wird als neues Geschütz das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) aufgefahren. Wie die Bildnutzer hätten erfahren sollen, dass Adobe die Zusammenarbeit mit Rafael Classen beendet hat, ist unklar. Bei den langen, mit Drohungen gespickten Emails, die er rausschickt, habe ich jedenfalls eine Ahnung, warum die Bildagentur ihn rausgeschmissen haben könnte. Auch Getty Images hat sich das Treiben des Herrn Classen nicht lange mit angesehen, und sein Portfolio bei iStock gelöscht.
Interessanterweise bietet er – gegen die Zahlung einer dreistelligen Summe – an, den Rechtsstreit zu vermeiden und das neue Bild mit „korrekten Angaben zur Bezugsquelle“ weiter zu verwenden. Da stellt sich mir natürlich die Frage, warum die Bildagentur plötzlich nicht mehr die korrekte Bezugsquelle gewesen sein soll, nur weil sie ihn rausgeschmissen hat?
Hier wird nun auch die im Titel erwähnte Zwickmühle erkennbar: Werden die IPTC-Metadaten gelöscht, ist das Herr Classen nicht recht und er fordert eine teure Nachlizenzierung. Bleiben die Metadaten intakt, ist ihm das auch nicht recht, weil da ja noch Fotolia oder Adobe Stock erwähnt werden. Verändern dürfen die Bildnutzer die IPTC-Daten aber auch nicht, weil diese urheberrechtlich geschützt seien.
Rafael Classen deutet einen Hinweisbeschluss des LG Köln falsch
Am 12. März 2021, nur wenige Tage nach meinem ersten Blogartikel in diesem Fall, platzte Adobe Stock die Hutschnur und die Bildagentur stellte beim Landgericht Köln den Antrag auf eine Einstweilige Verfügung gegen Herr Classen (Aktenzeichen 14 O 144/21). Da ging es noch um die Vorwürfe des Herrn Classen, die Social-Media-Nutzung der Adobe-Bilder sei unrechtmäßig. Am 10. Mai 2021 gab es einen Hinweisbeschluss des Landgerichts, welcher dazu führte, dass Adobe den Antrag zurücknahm, weil das Gericht Zweifel anmeldete an der für so einen Antrag notwendigen Dringlichkeit.
Es erging ausdrücklich keine Sachentscheidung in diesem Fall, weshalb solche Hinweisbeschlüsse in der Rechtswissenschaft wegen ihres häufig vorläufigen und nicht verbindlichen Charakters für das Gericht nur in seltenen Ausnahmefällen publiziert werden.
Herr Classen verschickt diesen Beschluss jedoch gerne als PDF, dick mit seinem Wasserzeichen versehen, in der Hoffnung, dass einige Email-Empfänger sich von den juristischen Ausführungen beeindrucken lassen:
„In diesem Kontext übersenden wir Ihnen einen Hinweisbeschluss des LG Köln aus einem einstweiligen Verfügungsverfahren der Firma Adobe gegen mich in einer anderen aktuellen Sache. Die dortigen Feststellungen des Gerichts führten dazu, dass Adobe in jener Sache die Rechtsverfolgung gegen mich aufgegeben hat. Wir gehen davon aus, dass Adobe auch in diesem Thema in gleichem Umfang daneben liegt.“
Wie missverständlich solche Ausführungen sein können, ist an dieser negativen Rezension auf Trustpilot zur Webseite rcphotostock.com (der neuen Webseite von Rafael Classen) sichtbar:
„Weil wir ein Bild vor drei Jahren bei Fotolia gekauft haben (heute Adobe Stock) schickte uns Herr Classen vor knapp 3 Monaten eine „Berechtigungsanfrage“ für eine Relzenzierung. Nachdem der Adobe Support uns anwies nicht auf die emails von Herrn Classen zu reagieren, dachten wir die Sache sei erledigt…. Falsch gedacht!!!
Nun müssen wir 1800 EURO für eine Abmahnung zahlen, für knapp 3 Jahre Nutzung bei Facebook nach einer MFM-Liste für Social Media!!!
Aber die ganz große Überraschung kommt noch… nun 3 Monate später kommt Herr Classen mit einer Gerichtsentscheidung um die Ecke!!!
Ja, richtig gelesen einer GERICHTSENTSCHEIDUNG!
Der gute hat wohl eine Entscheidung (wurde als PDF-mitgeschickt) des LG Kölns aus einem verfahren gegen Adobe und darin wird nun bestätigt, dass eine „Social Media“ Nutzung von Adobe Stock Fotos auf Facebook nicht erlaubt ist!“
Herr Classen löst in seinem Kommentar zur Bewertung den Fehler nicht auf, dass es keine Gerichtsentscheidung gab, sondern nur einen Hinweisbeschluss, der die Sachlage nicht prüft:
„Dies wurde ja wie bereits gerichtlich bestätigt, das LG Köln stellt sich hier eindeutig hinter unsere Rechtsansicht.“
Es gibt einige Anzeichen, dass die „Bewertung“ vom „Dieter“ nur ein Fake ist (frischer Account, kaum andere Bewertungen etc.), dazu passt, dass dieses geschilderte Horrorszenario und der falsch interpretierte „Gerichtsbeschluss“ geeignet sein könnte, andere Mitleser zu entmutigen und lieber gleich Classen zu bezahlen.
Rafael Classen versucht Kommunikation mit Bildagenturen zu erschweren
Die Emails von Herr Classen sind, lang, teilweise wirr, mit juristischen Fachbegriffen und Paragraphen gespickt, mit vielen Links und fettgedruckten Markierungen etc. versehen. Immer dick markiert, manchmal sogar zusätzlich rot markiert ist bei ihm der Absatz am Ende einer Mail:
„Beachten Sie bitte auch, dass jede Absprache mit mir, einschließlich des Inhalts dieser oder vorhergegangener Nachrichten (einschließlich etwaiger beigefügter Dateien), vertraulich sind und nicht an Dritte, einschließlich Firmen oder deren Rechtsvertretung weitergegeben, offengelegt oder vervielfältigt werden sollten.“
Damit will er vermutlich verhindern, dass Betroffene seine Emails direkt an die Rechtsabteilung von Adobe Stock weiterleiten, wie es Adobe selbst an mehreren Stellen empfiehlt. Ist natürlich paradox, dass er sich über das Vorgehen von Adobe beschwert, aber nicht will, dass Adobe davon etwas mitbekommt. Aber vielleicht hält es ja einige Leute vom Kontakt mit ihrer Bildagentur ab.
Außerdem wirft er mehreren Leuten einen „unzulässigen Boykottaufruf und eine Verleitung zur Vereitelung von Straftaten vor“ (Betonung in seinem Original), wenn diese in Blogartikeln oder Forumsbeiträgen den Tipp geben, seine Bilder zu löschen, bevor er seine Emails verschicken kann. Hier blitzt das juristische Halbwissen hervor, denn logischerweise soll keine Straftat vereitelt werden, sondern die Strafe selbst.
Fast schon putzig ist da der Versuch, den oben genannten Hinweisbeschluss des LG Köln mit seiner „Urheberschaft“ zu versehen:
„Mit der Löschungsaufforderung greifen [Sie] unmittelbar und rechtswidrig in die Verwertung meiner Werke ein. Ich möchte Sie nochmal beiläufig auf meine Urheberschaft am angehängten Beschluss hinweisen, der als Produkt bezeichnet und Markenrechtlich geschützt ist. Nicht das wir hier noch andere Ansprüche geltend machen müssen. Sie verstoßen hier gegen mein Persönlichkeitsrecht und das Geheimhaltungsinteresse, auch wenn Sie mit mir keinerlei „Vertragliche“ Bindung haben.“
Dass Herr Classen bei dieser Geschichte ein Geheimhaltungsinteresse hat, ist naheliegend. Auf der anderen Seite haben jedoch alle Bildkäufer, welche in der Vergangenheit Bilder von Herr Classen gekauft haben, vermutlich ein gesteigertes Interesse daran, zu erfahren, wie Herr Classen mit gutgläubigen Bildnutzern kommuniziert.
Rafael Classen verschickt Abmahnung, weil er keine Abmahnungen verschicke
Das Beste habe ich mir für den Schluss aufgehoben. Wer aufmerksam mitgelesen hat, wird bemerkt haben, dass ich in meinem ersten und in diesem zweiten Artikel das Wort „Abmahnung“ in Anführungszeichen gesetzt habe.
Das habe ich deshalb gemacht, weil die Emails, mit denen Herr Classen an die Bildnutzer herantritt, rechtlich gesehen nur eine „Berechtigungsanfrage“ sind. Die Emails mit dem Wust an zitierten Paragraphen und juristischen Fachbegriffen sollen wie eine „Abmahnung“ wirken, sind es aber nicht.
Es gibt jedoch einige Empfänger der Emails, die das gleich als Abmahnung wahrgenommen haben, weshalb die Allianz Deutscher Designer (AGD) in diesem Blogbeitrag zum Fall den folgenden Satz formulierte: „Wir erhalten Hinweise, dass der Fotograf Rafael Classen Nutzungen seiner Fotos anwaltlich abmahnen lässt.“
Wegen diesem Satz erhielt die AGD eine anwaltliche Abmahnung inklusive Aufforderung Abgabe einer Unterlassungserklärung von Rafael Classen, weil es falsch sei, dass er Nutzungen seiner Fotos abmahnen lasse. In dem Zusammenhang lässt er vorbringen, dass er lediglich im eigenen Namen „Berechtigungsfragen“ verschicke, mit denen er um den Nachweis zur Berichtigung der erfolgten Nutzung bittet und sich die Möglichkeit einer schriftlichen Abmahnung offenhalte.
Die AGD sieht das anders, zumal Herr Classen mit den Schreiben wohl nicht bloß die Nutzungsberechtigung anfragt, sondern bereits von einer „Rechtsverletzung“ spricht, verschiedene Ansprüche („Nachlizenzierung“, Schadensersatz, Dokumentationskosten und Zinsen) geltend macht und mit der gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche droht.
Die Zwickmühle geht hier nun in umgekehrter Richtung auf: Stellt sich heraus, dass Herr Classen auch anwaltliche „Abmahnungen“ für Bildnutzungen veranlasst hat, dann dürfte das für die AGD hilfreich sein. Bewahrheitet sich dagegen, dass es bislang bei den „Berechtigungsanfragen“ geblieben ist, ist das für die Mehrheit betroffener Bildnutzer sicherlich auch eine interessante Information.
Disclaimer:
Ich befinde mich weiterhin in einem Rechtsstreit mit Herr Classen wegen Urheberrechtsverletzungen.