Rafael Classen verliert Einstweilige Verfügung gegen mich wegen meiner Blogartikel zu 75%

Der Versuch des Fotografen Rafael Classen, mich wegen mei­ner Berichterstattung über sei­ne Aktivitäten „mund­tot“ zu machen, ist glück­li­cher­wei­se größ­ten­teils gescheitert.

Teil des Deckblatts des Urteils vom LG Berlin

Sein Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen mich vor dem Landgericht Berlin wur­de über­wie­gend zurück­ge­wie­sen (Aktenzeichen 15 O 342/​22).

Der Kern des Urteils ist wohl die­ser Satz:

Das Gericht hat kei­nen Zweifel dar­an, dass dem Blogeintrag des Antragsgegners in der Gesamtschau die ver­fah­rens­ge­gen­ständ­li­chen Aussagen zu ent­neh­men sind. Der Hauptantrag zu 1 schei­tert – wie soeben aus­ge­führt – viel­mehr dar­an, dass die­se Aussagen als wahr anzu­se­hen sind.“

Ich über­set­ze mal salopp: Es stimmt halt, was ich in die­sem Blogartikel geschrie­ben hat­te, daher darf ich es schreiben.

Konkreter schreibt das Gericht:

Die Aussage, „der Antragssteller behaup­te, Adobe habe kei­ne Berechtigung zur Vergabe von Nutzungsrechten des Antragsstellers, obwohl er über Wirestock Adobe die Berechtigung mit­tel­bar ein­räu­me und obwohl sei­ne Bilder bei Adobe online sei­en“, kann der Antragssteller dem Antragsgegner unter kei­nem recht­li­chen Gesichtspunkt verbieten.“

Antragsteller ist hier übri­gens Herr Classen, Antragsgegner bin ich.

Weiter heißt es:

Der Antragsstellerin [sic] hat zwar in Abrede gestellt, die Aussage, Adobe habe kei­ne Berechtigung zur Vergabe von Nutzungsrechten des Antragsstellers, getä­tigt zu haben. Damit hat er aber kei­nen Erfolg. Die Aussage ent­stammt sei­ner E‑Mail vom 14. Juli 2022, und der Antragssteller hat die­sen Inhalt auch nicht in Abrede gestellt. Weshalb es an der recht­li­chen Beurteilung etwas ändern soll­te, dass es sich um eine „Individualkommunikation“ han­delt (was zutrifft), sagt der Antragssteller nicht und ist auch nicht ersicht­lich. Er beruft sich vor allem dar­auf, dass sich sei­ne Aussage ledig­lich auf ein Bild bezo­gen habe, wel­ches er nicht über Wirestock zur Verfügung gestellt habe, also dass es sich nicht um eine gene­rel­le Aussage han­de­le. Eine sol­che Einschränkung ist sei­ner Mail vom 14. Juli 2022 aber nicht zu ent­neh­men; viel­mehr ver­hält sich die­se eben all­ge­mein zur Berechtigung von Adobe. Dies ist auch kei­nes­wegs unwe­sent­lich: Schon dann, wenn sich die Empfängerin der Mail an die Lizenzierung wei­te­rer Bilder des Antragsstellers den­ken soll­te, wäre sie durch die Aussage des Antragsstellerin [sic] unzu­tref­fend infor­miert. Und Gleiches gäl­te für Dritte, an die sie die Mail wei­ter­ge­lei­tet oder davon berich­tet haben könnte.“

Dem Gericht war es auch nicht ersicht­lich, war­um ich nicht iden­ti­fi­zie­rend über Herrn Classen berich­ten kön­nen sol­le. Weiterhin habe ich sei­ne Namensrechte nicht durch die blo­ße Nennung ver­letzt und auch eine „Prangerwirkung“ sieht das Gericht nicht:

Auch unter dem Gesichtspunkt einer „Prangerwirkung“ liegt inso­weit kei­ne Rechtsverletzung vor. Zwar stellt die Verbreitung einer ruf­schä­di­gen­den, aber wah­ren Tatsache einen rechts­wid­ri­gen Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB) dar, wenn sie zu einer Wettbewerbsverzerrung führt, weil aus einer Mehrzahl von Unternehmen, die sämt­lich Anlass zu der frag­li­chen Kritik geben, eines her­aus­ge­grif­fen und an den Pranger gestellt wird (MüKoBGB/​Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 392 mwN). Dass meh­re­re Fotografen unzu­tref­fen­de Angaben über die Berechtigung von Unternehmen wie Adobe gemacht hät­ten, behaup­tet der Antragssteller aber nicht ein­mal. Gerade damit beschäf­tigt sich der Blogbeitrag aber und nicht nur, wie der Antragssteller meint, all­ge­mein mit der Durchsetzung von Rechten in der Branche der Fotografen.“

Weiter schreibt das Landgericht Berlin im Urteil:

Im Übrigen gilt, dass selbst über­zo­ge­ne, her­ab­set­zen­de, unge­rech­te und aus­fäl­li­ge Äußerungen hin­zu­neh­men sind, solan­ge die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund steht (MüKoBGB/​Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 390). Dies muss nach Auffassung des Gerichts auch für die Form gel­ten. Vor die­sem Hintergrund unter­liegt es kei­nen Bedenken, dass der Name des Antragstellers an den Beginn der Überschrift gestellt ist und im Text 26 mal erscheint sowie dass der Antragsgegner noch in wei­te­ren Beiträgen über den Antragssteller berich­tet („fort­wäh­ren­de Berichterstattung“) und die­se Beiträge unter einen sog. „Tag“ mit dem Namen des Antragsstellers in einem Archiv vereint.“

Warum nur 75% gewonnen?

Jetzt wird es span­nend. Der Antrag wur­de nicht kom­plett abge­wie­sen, weil Herr Classen neben etli­chen von mir nach­weis­ba­ren Tatsachen auch zwei Punkte bemän­gel­te, wel­che ich tat­säch­lich nicht bewei­sen konnte.

Ich darf jetzt nicht mehr schrei­ben, dass Herr Classen flei­ßig bei Wirestock hoch­la­den wür­de, weil im Laufe des Verfahren klar wur­de, dass Herr Classen schon seit dem 11. Februar 2022 bei Wirestock gesperrt und seit dem 5. Juli 2022 dort gekün­digt wor­den war.

Der zwei­te Punkt ist mei­ne Aussage, dass ich behaup­tet hat­te, Herr Classen wüss­te, dass sein Name nicht in den Metadaten ent­hal­ten sei, wenn Bilder bei Wirestock zu Adobe Stock geschickt würden.

Da ich nicht in sei­nen Kopf gucken kann, kann ich das nicht bewei­sen. Ich zitie­re hier mal den Anwalt von Herr Classen:

Richtig ist wei­ter, dass dem Antragsteller nicht bewusst war, dass bei der Unterlizenziening [sic] durch Wirestock sein Name aus den Metadaten gelöscht wer­den würde.“

Wie glaub­wür­dig das ist, muss jeder selbst ent­schei­den.
Aber dann hat selbst er als erfah­re­ner, pro­fes­sio­nel­ler Fotograf immer­hin was durch mei­nen Blogartikel gelernt. Ist ja auch was Schönes.

Wo wir gera­de dabei sind: Seine Bilder, die er – meist ohne sicht­ba­re Wasserzeichen – auf sei­nen Account „rcfo­to­stock“ bei Pinterest hoch­lädt, ent­hal­ten nur teil­wei­se sei­nen Namen in den Metadaten. Auch die Bilder, die er bei der Plattform pexels.com im Account „rcpho­tostock“ gra­tis anbie­tet, sind aktu­ell nach dem Runterladen nicht mit Metadaten versehen.

Vielleicht über­prüft ihr das mal, damit ich ein paar Zeugen habe, falls die Bilder zufäl­lig plötz­lich ver­schwin­den sollten?

Jedenfalls: Da das Gericht in den bei­den Punkten Herr Classen recht geben muss­te, soll ich von den Verfahrenskosten 25% tra­gen, die rest­li­chen 75% muss Herr Classen bezah­len. Das Urteil ist aktu­ell noch vor­läu­fig, es kann also noch Berufung ein­ge­legt werden.

Ich möch­te an die­ser Stelle noch mal allen Beteiligten dan­ken, die mir hin­ter den Kulissen dabei gehol­fen haben, mich gegen die Abmahnung und Einstweilige Verfügung zu ver­tei­di­gen. Vielen Dank euch allen!

5 Gedanken zu „Rafael Classen verliert Einstweilige Verfügung gegen mich wegen meiner Blogartikel zu 75%“

  1. Viel Kraft wei­ter­hin und dan­ke auch für Deine jour­na­lis­ti­sche Tätigkeit. Meiner Meinung nach gehö­ren Missstände und Fehlverhalten ange­spro­chen (sofern es nicht Versehen sind, dann kann man dar­auf dis­kret hinweisen).

  2. Ob Herr Classen die Kommentare hier immer schön mitliest?
    Ich gehe fast davon aus. Meine Frage an ihn und alle ande­ren sei­nes Schlages wäre: Läuft nicht etwas grund­falsch, wenn das Geschäftsmodell in der Hauptsache nicht mehr der eige­ne Content, son­dern lis­ti­ges Abmahnen ist? Das kann man doch nicht guten Gewissens tun. Oder etwa doch?

  3. Was für eine unglaub­li­che Story. Danke für die aus­führ­li­che Berichterstattung, wo man auch was ler­nen kann. Sogar bei wire­stock wur­de er gekün­digt. Was bleibt dann noch? istock? Alamy? Eyeem? 500pix? Er hät­te ein­fach in Ruhe pro­du­zie­ren kön­nen, den Kunden ist der Name des Fotografen nor­ma­ler­wei­se egal. Die mer­ken sich nur die Bilder.

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