Gestern machte eine Nachricht die Runde: Die Software-Firma Adobe hat die Microstock-Agentur Fotolia für 800 Millionen US-Dollar gekauft.
Adobe mit ihren Produkten wie Photoshop, Lightroom oder Illustrator dürfte allen Leuten im Grafikbereich ein Begriff sein, mehr noch, fast alle werden mit einem dieser Programme arbeiten. Fotolia wiederum gehört neben Shutterstock, iStock, Dreamstime und 123rf zu den fünf größten Microstockagenturen der Welt.

Entweder als Anbieter oder als Adobe-Kunde ist deshalb vermutlich jeder Leser dieses Blogs „betroffen“. Schauen wir uns diesen Deal mal genauer an.
Die Zahlen
Sind 800 Millionen Dollar jetzt viel oder wenig?
Zum Vergleich: Im Februar 2006 kaufte die Bildagentur Getty Images die Microstockagentur iStock (damals noch iStockphoto) für 50 Millionen Dollar. Das klingt deutlich günstiger, aber iStock hatte damals ca. 1,5 Millionen Bilder im Portfolio. Das macht ca. 33,33 USD pro Bild. Fotolia hat aktuell 34,26 Millionen Bilder, das wären 23,35 USD pro Bild.
An der Börse notiert der direkte Fotolia-Konkurrent Shutterstock aktuell mit ca. 2,2 Millarden USD, das wären ca. 47,70 USD pro Bild. Im aktuellen Geschäftsbericht geht Shutterstock von 326 Miollionen USD Einnahmen im aktuellen Jahr aus, für das nächste Jahr sind 430 Millionen USD geschätzt. Oder anders formuliert. Shutterstock verdient grob gesasagt in zwei Jahren ungefähr das, was Fotolia aktuell gekostet hat. Adobe kann es sich leisten: Für 2014 wird ein Umsatz von 4,15 Millarden US-Dollar vorausgesagt und auch der Gewinn ist gestiegen.
Gelohnt hat sich der Kauf auf jeden Fall für den Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts & Co. L.P. Dieser hatte im Juni 2012 die Hälfte von Fotolia für 150 Millionen US-Dollar erworben und jetzt somit nach ca. zweieinhalb Jahren 250 Millionen US-Dollar verdient.
Die Vergangenheit von Adobe Systems
Adobe Systems hat in der Grafikbranche ein Quasi-Monopol und versteht es, dieses geschickt auszunutzen. In der Vergangenheit hatte Adobe mehrmals konkurrierende Produkte erst gekauft und dann deren Entwicklung eingestellt. Bekannteste Beispiele sind das Vektorprogramm FreeHand sowie der HTML-Editor GoLive, die zugunsten von Adobe Illustrator bzw. Dreamweaver aufs Abstellgleis geschoben wurden. Im April 2005 hatte Adobe selbst den Dienst „Adobe Stock Photos“ angekündigt, welcher Zugriff auf die Bilddatenbanken der bekannten großen Bildagenturen bieten sollte. Dieser wurde jedoch ziemlich genau drei Jahre später im April 2008 wieder eingestellt.
Andererseits zeigt das aber auch, dass Adobe weiß, wie man sich am Markt behauptet. Den Wechsel vom Software-Verkauf hin zu einer Abo-Lösung namens Creative Cloud (CC) haben die meisten Grafiker – wenn auch viele murrend – mitgemacht. Neuerungen der Adobe-Produkte gibt es in Zukunft nur für Kunden, welche die Creative Cloud nutzen.
Etwas Bauchschmerzen bereitet mir, dass Adobe vor wenigen Monaten erst eine engere Zusammenarbeit mit Microsoft angekündigt hatte. Der Grund ist, dass Microsoft 2007 ca. 6.000 Bilder on iStockphoto kostenlos für die Nutzer der Microsoft-Office-Pakete nutzen durfte. Die Fotografen bekamen für diese Nutzungen, welche sich teilweise im Bereich von über einer Million pro Fotograf bewegten, jedoch kein Geld.
Was könnte die Zukunft bringen?
Machen wir uns nichts vor: So konsequent wie Adobe in letzter Zeit auf die Einführung von Abo-Modellen gesetzt hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch die Fotolia-Bilder in irgendeiner Form in das Creative Cloud-Abo eingeführt werden. Die technischen Tools dafür sind von Form von Plugins schon komplett einsatzbereit. Wie genau die Einbindung aber aussehen wird und wie die Fotografen dabei entlohnt werden, müssen wir genau beobachten.
Auch eine Einbindung von Fotolia in das Kreativen-Netzwerk Behance wurde explizit angekündigt. Das heißt vermutlich aber nur, dass Adobe den dortigen Künstlern anbieten wird, ihre Bilder über Fotolia vermarkten zu können.
Nachteilig betroffen werden vor allem die Fotografen sein, welche bisher eine eher geringe Abo-Quote hatten. Zum Verständnis: Alles unter 60% Abo-Anteil nenne ich „gering“. Das wird hauptsächlich die deutschen Fotografen treffen, weil hier traditionell noch mehr mit Credits als in anderen Ländern gekauft wird.
Der Vorteil jedoch ist, dass Adobe mittlerweile 3,4 Millionen Kunden in der Creative Cloud hat. Das sind deutlich mehr Käufer als Fotolia mitbringt. Wenn wir Glück haben, gleichen sich mehr Abo-Downloads zu niedrigeren Preisen mit mehr Downloads insgesamt aus. Wer jedoch nicht-exklusiv ist und auch bei den anderen Platzhirschen wie Shutterstock, iStock oder 123rf anbietet, wird dort vielleicht einen Verkaufsrückgang beobachten, wenn einige von deren Kunden zu einem Fotolia/CC-Abo wechseln.
Insgesamt halte ich Adobe Systems für einen besseren Käufer als zum Beispiel Facebook, Microsoft oder Google, weil sie stärker in der Grafik-Branche verankert sind und die Schnittmenge von Anbietern und Kunden (Fotografen nutzen Adobe-Produkte, um Bilder zu erstellen, die über Adobe an Kunden verkauft werden) deutlich größer ist.
Hoffen wir nur, dass Adobe einerseits aus ihrem ersten fehlgeschlagenen Einstieg in die Stockfotografie gelernt hat sowie sich den aktuellen Zustand von iStock acht Jahre nach der Übernahme vor Augen hält, um ähnliche Fehler nicht noch einmal zu begehen. Außerdem hoffe ich, dass Shutterstock als unabhängiger Konkurrent ein Korrektiv sein kann, damit Adobe nicht zu übermütig wird.
Wir Stockfotografen arbeiten in einem sehr schnelllebigen Markt, was diese Firmenübernahme wieder einmal gezeigt hat.
Wie schätzt ihr die aktuelle Situation und die Zukunft ein?
