Gestern hat die größte Bildagentur der Welt, Getty Images, die Plattform Unsplash zu einem nicht näher benannten Betrag gekauft.
Unsplash ist eine Webseite, welche ca. 2,7 Mio kostenlose Bilder zum Download anbietet und damit über 100 Mio. Gratis-Downloads im Monat generiert.
„This is not one of those tech acquisitions where the company is bought to be shut down. Unsplash will continue to operate as a standalone brand and division of Getty Images. The entire Unsplash team will be staying and building Unsplash in the direction we have been. The main difference now is we have access to the resources and experience of Getty Images to help accelerate our plans to create the world’s most useful visual asset library.“
Mit anderen Worten: Getty Images soll Unsplash helfen, mehr Gratis-Bilder zu verteilen? Wer’s glaubt, wird selig. Aber halten wir uns an bekannte Fakten.
Zu welchem Zeitpunkt kam die Übernahme?
Wie in diesem Artikel vorgerechnet verbrennt Unsplash seit Jahren regelmäßig Geld und wird hauptsächlich durch Finanzinvestoren am Leben gehalten. Diese sind nach der Übernahme vermutlich mit Gewinn aus der Sache rausgekommen.
Während bisher die monatlichen Downloads bei Unsplash stiegen und stiegen, haben diese seit ca. einem halben Jahr ein Plateau erreicht und sinken wieder: Von ca. 113 Mio. Gratis-Downloads im November 2020 auf ca. 105 Mio. Downloads im März 2021. Das sind immer noch wahnsinnig hohe Zahlen, verglichen zum Beispiel mit den ca. 15 Mio. monatlichen bezahlten Downloads von Shutterstock im Jahr 2020. Trotzdem hat Unsplash einen Rückgang der Downloads um ca. 7% vorzuweisen, und damit eine negative Kennzahl, die Finanzinvestoren gar nicht mögen.
Positionierung von Getty Images durch die Unsplash-Übernahme
Die beiden größten Konkurrenten von Getty Images, Adobe Stock und Shutterstock, haben einige Vorteile, welche Getty bisher nicht gut ausgleichen konnte.
Bei Adobe Stock wäre das eine professionelle Kollektion von Gratis-Bildern, Shutterstock hat eine gut funktionierende und finanziell lukrative API (Datenbankanbindung an das Portfolio).
Mit der Unsplash-Übernahme hat Getty Images nun plötzlich ein deutlich größeres Angebot an Gratis-Bildern, mit denen Getty nun versuchen kann, durch Upselling neue Käuferschichten zu erschließen. Die Motivvielfalt ist zwar deutlich geringer als bei der kostenlosen Adobe Stock Kollektion, dafür muss Getty die Fotografen im Gegensatz zu Adobe auch nicht bezahlen. (Ironischerweise wurde sogar das ImageGrid Layout von Getty Images mit Unsplash-Bildern getestet.)
So ist es wohl auch kein Zufall, dass nur zwei Wochen vor der Übernahme durch Getty Images keine Unsplash-Fotos mehr via API in der Adobe App „Spark Post“ genutzt werden können.
Die API ist ja auch der deutlich spannendere Teil des Einkaufs: Mit einem Schlag hat Getty Images Zugriff auf über 11.000 API-Apps mit über 8,5 Milliarden (!) API-Zugriffen pro Monat.
Unter den Unsplash API-Nutzern sind so bekannte und finanzstarke Firmen wie Dropbox, BuzzFeed, Wix, WeTransfer, Zoom, Mailchimp und viele andere. Diese könnten sich durchaus auch einen bezahlten API-Zugriff leisten.
Dazu ein spannendes Rechenbeispiel: Würde Getty Images die API-Zugriffe monetarisieren und dabei 1) die Hälfte der API-Zugriffe verlieren (bleiben ca. 4,35 Mrd. Zugriffe) und nur ein Zehntel des günstigsten Shutterstock-Preises pro API-Abruf (0,182 USD statt 1,82 USD) verlangen, blieben pro Monat immer noch ca. 791 Mio. USD Umsatz.
Selbst wenn wir anders rechnen würden, und Getty für jeden API-Zugriff nur 1 US-Cent berechnen würde, wären das auch noch über 8,7 Mio. USD Umsatz pro Monat. Zum Vergleich: Shutterstock erzielt knapp 24 Mio. USD Umsatz pro Monat.
Welche Änderungen werden kommen?
Offiziell soll sich bei Unsplash nichts ändern, aber wer das glaubt, muss schon sehr naiv sein. Immerhin gab es schon mal die Übernahme einer Gratis-Bilderplattform durch Getty Images. 2009 übernahm Getty die HAAP Media Ltd. mit der Bildagentur Stockxpert sowie der Gratis-Plattoform Stock xchng, welche daraufhin schnell zu iStock weitergeleitet wurde. 2014 wurde Stockxchng zu freeimages.com umbenannt und fungiert als spärlich gepflegtes Lockmittel für neue Kunden.
Wer Unsplash bisher als Bildnutzer besucht hat, sollte sich einige wichtige Fragen stellen, welche die Bildbeschaffer hier aufgeführt haben.
Auch unter den Fotografen, welche Unsplash bisher beliefert haben, gibt es nicht nur Glückwünsche zur Übernahme, sondern auch kritischeStimmen, die mit ihren kostenlosen Fotos keine Firma wie Getty subventionieren wollen:
Unsplash selbst betont ständig, dass durch die Übernahme Bereiche wie „Unsplash Hire“, also eine Auftragsvermittlung für Fotografen, gestärkt werden könnten. Übersetzt wird das aber vermutlich nur heißen: Die besten Unsplash-Fotografen dürfen auch für Getty fotografieren.
Ich sehe das Engagement von Getty Images zwiegespalten: Einerseits hat Getty Images keinen gute Erfolgsbilanz, wenn es um die Umsätze von Fotografen geht. Andererseits hatte Unsplash das noch viel weniger, insofern finde ich dieses Zitat eines Getty-Fotografen sehr passend:
„Getty knows how to destroy things. Now they will destroy a bad thing.“
Im Juli 2020 kündigte die Bildagentur Panthermedia an, dass sie kostenlose Bilder anbieten wollen, welche sich durch Werbung und andere Quer-Subventionierungen wie zum Beispiel Premium-Mitgliedschaften, Sponsoren und API-Partner-Gebühren finanzieren sollen.
Auf meiner Facebook-Seite habe ich bereits darauf hingewiesen (siehe Link oben) und es gab etliche Kommentare dazu, in denen sich auch der Panthermedia-Geschäftsführer Robert Walters zu Wort meldete.
KÖLN, September 2019: Große iPhones mit Spotify App auf der DMEXCO Messe (Foto: Robert Kneschke)
Er verteidigte sein Vorhaben hier mit diesen Argumenten:
„Märkte ändern sich und es sind die Firmen, die sich anpassen bzw. neue Modelle ermöglichen, die bestehen bleiben. Beispiel Musikindustrie. Gab es damals (zum Nachteil vieler Konsumenten) nur CDs zu kaufen, so bieten die Streaming-Dienste die Musik auch kostenlos an, finanziert durch Werbung oder Premium-Mitgliedschaftsgebühren. Diese Lizenzkette hat sich auch geändert. Ich finde zum Vorteil der Konsumenten. Auf Seiten der Künstler war es sicherlich für einige hart, andere wiederum entdeckten neue Möglichkeiten bekannt zu werden und/oder ihre Kunst zu monetisieren. Wichtig ist es nur, keine Interessensgruppe auszuschließen. Die Musiker werden über spotify/Musikgesellschaften bezahlt. Und wie schaut es da bei unsplash & Co aus?“
In einem weiteren Kommentar schrieb er hier noch:
„Nur wenige % der kostenlos-Downloader sind bereit für Premium-Mitgliedschaften etwas zu bezahlen. Privatleute wohl zu nahezu 100% nicht. Was ich aber zu der Kritik ergänzen möchte ist, dass es neue Wege der Monetarisierung geben wird bzw. schon gibt. Beispielsweise könnte ja die Werbeindustrie dafür bezahlen, ihre Fotos mit ihren Produkten hochzuladen und zu verbreiten (wird ja schon gemacht auf unsplash, z.B. Motorräder oder beauty Produkte). Das machen die Werbetreibenden aber nur auf Plattformen mit entsprechender Reichweite. Und wer hat geholfen die Reichweite aufzubauen? Richtig, die Fotografen. Insofern wäre es doch nur fair den Fotografen auch an den Einnahmen zu beteiligen, oder? Die klassische Lizenzierungskette funktioniert nicht bei Privatleuten. Aber besser als Bilder zu klauen ist es die Bilder legal und kostenlos anzubieten, geponsort durch Dritte. Außerdem finde ich es auch fair im Gegenzug für ein kostenloses Bild ein Werbevideo anzuschauen. Also: jeder verdiente Euro sollte an die Leute gehen, die das ermöglichen. Also neben dem Plattform-Betreiber auch die Content-Lieferanten. Dies ist bei den bisherigen Modellen aber nicht so. Insofern verstehe ich den Unmut einiger Fotografen kostenlose Bilder zur Verfügung zu stellen.“
Wer meinen Blog schon etwas länger verfolgt, weiß, dass ich mich sehr dafür interessiere, wie Firmen mit kostenlosen Inhalten Geld verdienen und habe mir z.B. im Foto-Bereich Angebote wie Unsplash oder Pixabay z.B. hier, hier, hier und hier genauer angeschaut.
Bisher kaum zur Sprache kam im Blog der branchenfremde Musikstreaming-Anbieter Spotify (nur ein Mal vor neun Jahren hier).
Da Herr Walters den direkten Vergleich zwischen dem Geschäftsmodell von Spotify sowie kostenlosen Fotos gezogen hat, wollen wir mal schauen, wo die Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen.
Erst einmal: Üblicherweise ist die komplette Geschäftsausrichtung eine ganz andere: Währen Spotify im „B2C“-Bereich (Business to Customer) tätig ist, arbeiten Bildagenturen in der Regel im „B2B“-Bereich (Business to Business), wenn auch Microstock das aufgrund der geringeren Preise etwas aufgeweicht hat.
B2C bedeutet, dass eine Firma vor allem Geld mit den Endnutzern, normalen Verbrauchern, verdient. B2B bedeutet, dass Firmen ihr Geld mit anderen Firmen (oder Behörden, Vereinen, Stiftungen, etc.) verdienen.
Das ist ein wichtiger Unterschied, weil es oft um andere Verwendungszwecke geht, die andere Preise rechtfertigen.
Aus Konsumenten-Sicht, also aus Sicht der Kunden, ist das Angebot von Spotify durchaus attraktiv: Mit einem kostenlosen Account kann man deren gesamtes Musikangebot hören, wird halt oft von Werbung unterbrochen und die Soundqualität ist geringer als beim bezahlpflichtigen Premium-Account.
Aus Künstler-Sicht sieht es schon weniger rosig aus. Laut diesem Artikel bekommen Musiker bei Spotify ca. $0,003 pro Aufruf, also ca. 1 US-Cent für 3 Aufrufe. Leider ist unklar, ob da schon der Anteil vom Label und Musikverlag abgezogen wurden, vermutlich noch nicht. Im Detail unterscheidet sich die Höhe der Kommissionen noch, je nachdem in welchem Land ein Song abgerufen wurde, ob mehr als die Hälfte vom Song gehört wurde und ob der Nutzer einen Premium-Account besitzt oder nicht.
Bei Nummer-1-Hits, welche viele Millionen Male abgespielt werden und in zahlreichen Playlists auftauchen, lohnt sich das. Für Nischen-Musiker mit einem kleinen Publikum reichen die Einnahmen nicht zum Leben. Der Großteil des Umsatzes wird da durch Konzerttickets und Merchandise wie T‑Shirts etc. verdient. Eine ausführliche Analyse seiner Streaming-Einnahmen bietet der Musiker Benn Jordan im verlinkten Video:
Für Spotify selbst rechnet sich das alles übrigens immer noch nicht. Im Jahr 2020, also noch 14 Jahre nach der Gründung erzielte Spotify pro Tag(!) ca. 2,2 Mio. USDVerlust.
Wie müsste das Angebot der Bilderbranche genutzt werden, damit der Vergleich zu Spotify gerechtfertigt wäre? Ich würde sagen, ähnlich wie bei Pinterest: Wenn dort nur private Nutzer wären, welche sich Bilder ansehen, in Galerien thematisch zusammenstellen und die Bilder anderer Nutzer ansehen etc., dann wäre ein Lizenzmodell analog zu Spotify vorstellbar: Die Gratis-Nutzer sähen dann zwischen den Bildern viel Werbung und die Bilder selbst würden stärker komprimiert als bei Premium-Kunden und die Möglichkeit der Galerie-Erstellung wäre ebenfalls eingeschränkt, wenn mensch keinen Premium-Account nutzt.
Ironischerweise wäre das alles für einen Anbieter wie Pinterest problemlos möglich, aber selbst das wird da nicht genutzt, um die Urheber angemessen zu vergüten. Stattdessen gibt es einige wenige Agenturen wie Getty Images, welche 2013 einen Deal mit Pinterest abschlossen. Dabei wird aber gar nicht die Bildnutzung als solche entlohnt, sondern Pinterest bezahlt Getty für die Metadaten zu den Bildern. Die Honorare für den Fotografen sind bei diesen Summen so gering, dass die Buchhaltungssoftware diese vielen Nullen vor und auch nach dem Komma einfach auf Null rundet und damit die Fotografen weiterhin leer ausgehen. Geld erhält nur die Bildagentur.
Üblicherweise werden Bilder jedoch von anderen Firmen genutzt, um Artikel zu illustrieren, Produkte und Dienstleistungen zu bewerben oder für Kunden attraktiver zu sein. Die Bilder bringen also einen Mehrwert. Warum diese Firmen also nun Bilder gratis erhalten sollten, um damit Geld zu verdienen, erschließt sich mir nicht.
Nun könnte jemand einwenden, dass private Nutzer durchaus gerne Bilder nutzen würden, wenn sie denn gratis verfügbar wären. Das Probem wäre jedoch, dass bisher bei keinem mir bekannten Geschäftsmodell dafür gesorgt wäre, dass Firmen darauf keinen Zugriff hätten. Außerdem gibt es kein Argument, Leuten Bilder zu schenken, nur weil sie nicht bereit sind, diese zu bezahlen. Wenn sie kein Geld für Bilder ausgeben wollen, sollen sie halt keine nutzen. Denn diejenigen, die für diesen schäbigen „Robin Hood“-Promo-Move zahlen sollen, werden letztendlich wie immer im kreativen Bereich die „Content Creators“ sein, hier also die Fotografen.
Robert Walters verglich auch Unsplash mit Spotify, die mit dem Unterschied agieren, dass Unsplash Fotografen einfach gar nicht bezahlt. Inwiefern dann für Konsumenten ein anderes Angebot mit Werbung und/oder Premium-Mitgliedschaften attraktiver als Unsplash sein sollte, ist mir ebenfalls unklar.
Wie in meinem Artikel beschrieben verbrennt auch Unsplash (wie Spotify) vor allem das Geld risikofreudiger Investoren und hat bisher kein tragfähiges Geschäftsmodell entwickelt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch da intern schon Monetarisierungsmöglichkeiten wie Premium-Mitgliedschaften, bezahlten AUP-Anbindungen etc. diskutiert oder ausprobiert wurden.
Die oft so gepriesene „Werbeindustrie“ als Finanzierungsmöglichkeit kostenloser Inhalte wird allein wegen des Mediums „Bild“ deutlich schlechter funktionieren als in anderen Branchen.
YouTube mit seinen Videos eignet sich sehr gut, um kostenlose Inhalte durch Werbung zu finanzieren. Wer ein Video sehen will, muss halt die Werbespots über sich ergehen lassen. Wer hingegen in einer Zeitschrift eine Werbung sieht, kann sie einfach schnell überblättern. Selbst auf Webseiten sind die meisten Nutzer komplett blind für Werbebanner geworden, wenn sie nicht sogar gleich Werbeblocker einsetzen.
Die mangelnde Profitabilität von Spotify führt sogar dazu, dass die Firma etwas trickst, indem bei häufig gehörten Playlists mit wenig markanten Songs (zum Beispiel Playlists zum Einschlafen oder konzentrierten Arbeiten mit dahinplätschernder Piano-Musik) künstlich generierte Songs eingeflochten werden, für welche Spotify keine Tantiemen zahlen muss.
Wenn also Spotify als Paradebeispiel für kostenlose Angebote an Konsumenten dienen soll, sollten sich Fotografen und Illustratoren sehr vorsehen bei der Einführung von Gratis-Bilderdiensten.
Nachdem ich gestern schon über die Änderung von Upload-Bedingungen bei Photocase geschrieben habe, gab heute auch Unsplash eine Änderung der Nutzungsbedingungen bekannt, die rückwirkend seit gestern aktiv sind.
Das ist KEIN Unsplash-Bild.
Das Geschäftsmodell von Unsplash habe ich hier schon ausführlich beleuchtet. Unsplash verdient Geld mit den Fotos, ohne die Fotografen daran teilhaben zu lassen. Wenn andere Leute (außer Unsplash selbst) ebenfalls mit Unsplash-Bildern Geld verdienen wollen, sehen sie das aber nicht so gern und haben deshalb diesen Absatz in den aktuellen Nutzungsbedingungen erweitert.
Dort steht jetzt (die fettgedruckten Teile sind neu hinzugekommen):
“ 8. Prohibited Conduct BY USING THE SERVICE YOU AGREE NOT TO: […] (G) Sell copies of Photos without first significantly or meaningfully updating, modifying, or otherwise incorporating new creative elements into the Photos beyond simple retouches, resizing, or other minimal changes so long as they are not done by automated means (i.e., selling unaltered, slightly altered, or altered by automatic script copies of the Photos), including selling them as prints or printed on physical goods“
Es scheint also Leute gegeben zu haben, welche das bisher bestehende Verkaufsverbot von Unsplash-Fotos damit zu umgehen versuchten, dass sie die Bilder leicht retuschiert, beschnitten oder zum Beispiel automatisiert mit Filtern versehen haben.
Wie hier beschrieben, gab es zum Beispiel einige Leute, die neue Unsplash-Bilder sofort bei Shutterstock hochgeladen und zum Verkauf angeboten haben. Das ist zwar schon bisher nach den Shutterstock-Regeln verboten, aber nun auch direkt von Unsplash.
Ob das Problem damit so einfach aus der Welt zu schaffen ist, ist fraglich, da Begriffe wie „signifikant, bedeutungsvoll, einfach oder geringfügig“ immer noch Auslegungssache sind.
Für Stockfotografen haben diese Änderungen jedoch etwas Gutes: Je restriktiver die Nutzungsbedingungen von kostenlosen Bilder-Plattformen wie Unsplash werden, desto eher sind Bildnutzer vielleicht bereit, für eine weitreichende Nutzungslizenz Geld zu bezahlen.
Vor einer Weile hatte ich hier versucht, das Geschäftsmodell der Firma Pixabay zu verstehen, welche mit kostenlosen Bildern Geld verdienen wollen.
Zerstört Unsplash die Stockfotografie? Kostenloses Bild aus der Unsplash Collection.
Eine ähnliche Firma, jedoch mit größerer internationaler Bekanntheit ist Unsplash. Diese betrat 2013 als einfacher Tumblr-Blog die Bühne, auf dem 10 kostenlose Bilder geteilt wurden. Aktuell sind über 806.000 kostenlose Bilder online, die insgesamt über 758 Mio. kostenlose Downloads erzielt haben. Diese und viele weitere spannende Zahlen sind hier auf der Statistik-Seite von Unsplash nachzulesen.
Im Schnitt werden aktuell ca. 18 Bilder pro Sekunde runtergeladen. Das wären über 46 Mio. kostenlose Downloads im Monat! Zum Vergleich: Shutterstock kam im 3. Quartal 2018 auf „nur“ ca. 14,6 Mio. bezahlte Downloads pro Monat. Namensnennung der Fotografen ist bei Unsplash übrigens auch keine Pflicht.
Eine Auswahl der öffentlichen Unsplash-Statistiken
Zum Team von Unsplash gehören mindestens 15 Leute, darunter die vier Gründer, das Ehepaar Mikael Cho und Stephanie Liverani, Luke Chesser und Angus Woodman sowie Entwickler, Designer, Programmierer und Kuratoren.
Im Januar 2017 wurde Unsplash, welche bis dahin ein „Hobbyprojekt“ von Mikael Cho und den anderen Gründern war, in die „Unsplash Inc.“ firmiert.
Die spannende Frage ist: Von was wird diese große Anzahl Mitarbeiter bezahlt? Wie verdient die kanadische Firma „Unsplash Inc.“ ihr Geld, wenn sie ihr Produkt kostenlos verteilt?
Wie hier ausführlich nachzulesen ist, bestand der Vorteil und Nutzen von Unsplash für die Gründer anfangs darin, dass dieses Nebenprojekt viel Aufmerksamkeit und neue Kunden auf ihre Hauptfirma „Crew“ lenkte. Unsplash war also nichts anderes als cleveres „Content Marketing“, wo mit wertvollen (weil kostenlosen) Inhalten Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt wurde.
Das wäre soweit ja in Ordnung, wenn die Unsplash-Fotos weiterhin ausschließlich von Crew-Mitarbeitern kämen. Nach eigenen Angaben ist aktuell zwar weiterhin die – bezahlte – Unsplash-Mitarbeiterin Annie Spratt die aktivste Fotografin auf Unsplash, trug mit ca. 4600 Bildern aber insgesamt weniger als 0,6% der über 795.000 Fotos bei.
In dieser Liebeserklärung an die Firma Unsplash erklärt der Hobbyfotograf Rahul Chowdhury, warum er neben Bildagenturen jetzt auch Unsplash beliefere:
„Obwohl ich nicht aufhören werde, Stockfotos zu verkaufen, werde ich von jetzt an sicherstellen, dass ich einen anständigen Teil meiner Arbeit mit der Welt gegen Lächeln und Dankbarkeit durch diese liebenswerte Gemeinschaft tausche.“
Der Haken dabei? Unsplash ist längt kein Marketing-Instrument mehr und schon gar keine uneigennützige Gemeinschaft, die nur das Wohl der finanzschwachen Grafiker und Webdesigner im Blick hat.
Dieser Quelle nach bekam Unsplash schon 2015 eine Investition von 8,5 Mio USD, von der ca. zwei Jahre später noch 5 Mio. USD übrig waren. Das bedeutet, dass Unplash 2015 und 2016 pro Jahr ca. 1,75 Mio. USD Ausgaben verschlang.
Im Februar 2018 gab Unsplash bekannt, dass sie 7,25 Mio. USD von insgesamt acht Investoren (Jason Goldberg/Simple Token, Accomplice, Betaworks, Mark Bonchek, Real Ventures, Roger Dickey/Gigster, Clark Valberg/InVision, Rahul Vohra/Superhuman) erhalten haben. Andere Quellen sprechen sogar von 10,3 Mio. USD. Den obigen Zahlen nach wäre damit die Finanzierung von Unsplash für weitere vier Jahre gesichert.
Die über 116.000 Fotografen bekommen davon aber keinen Cent ab, abgesehen von der Handvoll, die tatsächlich direkt bei Unsplash angestellt ist. Dabei wird ständig von der „Community“ geredet, die den Kern von Unsplash ausmache, die so wichtig und wertvoll sei. Ja, weil sie bescheiden ist, nichts von den Millionen abhaben zu wollen.
Unsplash wirbt immerhin damit, dass die Fotografen „Links zu ihrem eigenen Business anzeigen lassen und damit von Unsplash’s Traffic profitieren können“. Einer der weltweit größten Stockproduzenten, die britische Firma „Rawpixel Ltd“. hat das ausprobiert und bietet neben ca. 260.000 Stockfotos bei den üblichen Bildagenturen wie Adobe Stock oder Shutterstock auch über 2600 professionelle Stockfotos kostenlos auf Unplash an. Das sind ca. 1% der bezahlten Bilder.
Ich habe den Rawpixel-Gründer Rob Churchill zu seinen Beweggründen gefragt, warum er kostenlose Bilder anbiete. Hier seine übersetzte Antwort:
„Vor einigen Jahren haben wir uns entschieden, unsere eigene Website aufzubauen. Hauptsächlich, um unsere Aktivitäten kreativer zu gestalten und hoffentlich ein gutes Unternehmen für uns, die Kunden und die Gemeinschaft aufzubauen. Es gibt zwei Hauptgründe, warum wir einen Teil unseres Inhalts als kostenlose Bilder auf unserer eigenen Website und einigen anderen wie Unsplash anbieten.
Erstens, um den Verkehr auf unsere Website zu lenken. Anstatt die unmögliche Aufgabe zu versuchen, mit den bestehenden Agenturen durch bezahlte Werbung zu konkurrieren, ist es für uns viel sinnvoller, all unsere verfügbaren Ressourcen in die Erstellung von Inhalten zu investieren und dann einen Teil davon frei zu machen, um die Menschen für Rawpixel zu gewinnen.
Zweitens passt es gut zu unserem Manifest ‚Unsere Mission ist es, jedem, der die Menschen befähigt, Kreativität zum Guten einzusetzen, inspirierende Gestaltungsressourcen zur Verfügung zu stellen.‘ Es ist schön zu wissen, dass jeder Zugang zu einigen unserer Arbeiten unabhängig von seiner finanziellen Situation haben kann.
Funktioniert es? Ja, ich denke schon, wir haben zwar noch einen langen Weg vor uns, aber die Zeichen sind vielversprechend und wir freuen uns auf die Chancen, die sich in der Zukunft eröffnen werden.
Ich weiß, dass dies ein heikles Thema ist, und ich bin sicher, dass es die Microstock-Industrie bis zu einem gewissen Grad beeinflussen wird, aber das „kostenlose Bilder“-Modell ist hier und wird nicht gehen und ich glaube, wir müssen uns an die Situation um uns herum anpassen. Ich bin nicht zuversichtlich in Bezug auf die Zukunft der wichtigsten Microstock-Agenturen und glaube, dass sie in den letzten Jahren mehr hätten tun können, um Kontributoren wie uns zu unterstützen, und dadurch wären sie selbst in einer stärkeren Position.“
Auch hier spielt also der Marketing-Effekt eine Rolle. Ich bezweifle jedoch, dass dieser langfristig ausreicht, denn wer nach kostenlosen Bildern sucht, ist in der Regel wenig geneigt, plötzlich doch Geld für Fotos auszugeben.
Werbung auf Unsplash
Neben den Investoren gibt es noch andere Geldquellen für Unsplash: Zum einen gibt klassische Werbeeinblendungen auf der Webseite, zum Beispiel rechts unter dem Suchfeld (siehe Screenshot oben).
Darüber hinaus gibt es jedoch ethisch deutlich fragwürdigere Methoden. Sucht ein Nutzer beispielweise nach „shoes“, oder „juice“, werden neben normalen Fotos andere angezeigt, die Werbung sind. Im Schuh-Beispiel sind die ersten drei Treffer zum Beispiel kostenlose Fotos mit Schuhen „sponsored by Timberland“, beim Saft steht „sponsored by DOSE Juice“. Hier ist die Werbekennzeichnung noch erkennbar, aber sobald ein Nutzer ein solches Foto runterlädt und weiterverwendet, bleibt von der Kennzeichnung nichts mehr übrig. Andere Leute erkennen dann nicht mehr, dass das Bild mal bezahlte Werbung war. Ebenso spannend ist, dass es eine eigene Kollektion auf Unsplash mit dem Namen „Native Advertising on Unsplash“ gibt, kuratiert vom Unsplash-Co-Gründer Luke Chesser. Dort werden neben den Beispielen Timberland und DOSE Juice explizit auch „Google Chromebooks“ und „Maledives Tourism“ als Kunden genannt und dazugehörige Fotos gezeigt, aber diese sind schon bei Unsplash teilweise nicht als „sponsored by“ gekennzeichnet. Zufällig befinden sich immer auch einige dieser Fotos auf der Startseite von Unplash.
„Native Advertising ist eine dreiste Form von Schleichwerbung“,
Ein Fotograf solcher Bilder, der anonym bleiben will, beschreibt die Zusammenarbeit so:
„Unsplash kooperiert meines Wissens nach öfters mal mit etwas größeren Firmen. Ich war selber lange Zeit nicht mehr wirklich aktiv auf Unsplash, wenn es darum geht, selber Bildmaterial hochzuladen. Viel mehr benutze ich es sehr oft als Bildquelle für qualitativ gute und kostenlose Bilder, da ich Designer bin und oft mit sowas in Kontakt trete.
Eines Tages habe ich eine persönliche E‑Mail von einem Admin von Unsplash erhalten mit dem Angebot für eine Timberland-Kooperation Bilder zu schießen. Ursprünglich gab es eine Art ‚Wettbewerb‘, wo jeder mitmachen konnte. Dieser galt quasi als Bewerbung für das Projekt. Mich hat man völlig überraschend einfach mit ins Boot geholt, weil irgendwelchen dafür verantwortlichen Menschen von Timberland meine Bilder gut gefallen haben. Die Klamotten der neuen Winterkollektion wurden uns dann per Post gesendet. Es gab jeweils eine Herren- und Damenkollektion. Die Sachen hat nach zwei Wochen ein Kurier von Timberland wieder abgeholt. Das Ganze wurde ganz normal bezahlt wie ein richtiger Fotoauftrag. Ein erfahrener und anerkannter Fashionfotograf wäre mit dem Endgeld niemals zufrieden gewesen. Aber wenn man die Umstände beachtet, unter anderem dass ich absolut kein professioneller Fotograf bin und zuvor noch nie einen wirklichen Auftrag hatte (und so ergeht es dem Großteil der Teilnehmer), ist die Bezahlung mehr als fair. Alles in allem ist das Ganze eine tolle Sache, da man auch die ganzen Prozesse mitbekommt.“
Es gibt auch einige Accounts, die offensichtlich von den gezeigten Marken selbst betrieben werden, wie diese von Loewe Technologies, Modern Essentials oder Frame Kings. Angesichts der Debatte um die Werbekennzeichnungen bei Instagram kann es hier sicher nicht mehr lange dauern, bis es Probleme geben wird.
Es wird oft, wie beispielhaft hier, argumentiert, dass Unsplash keine Bedohung für Fotografen sei, weil diese durch den Unsplash-Traffic zu Aufträgen kommen würden. Ich glaube aber, dass Unsplash eine direkte Bedrohung für die Firmen ist, die ausschließlich von der Bildlizenzierung leben, zum Beispiel Shutterstock oder Adobe Stock.
Selbst wenn es für etliche Nischen bei den kommerziellen Bildagenturen deutlich mehr Bilder zur Auswahl gibt, entzieht Unsplash bei den generischen Motiven den Fotografen einen Grundumsatz, der nur mit selten nachgefragten Motiven logischerweise schwer aufgefangen werden kann. Zur Erinnerung: Wir reden von über 46 Mio. kostenlosen Downloads pro Monat.
Insofern finde ich es bedenklich, dass auch Adobe in seiner „Adobe Spark“-App den Nutzern kostenlose Unsplash-Bilder anbietet, statt eine eigene Kollektion solcher Bilder aufzubauen, von wo aus der Traffic zur bezahlten Adobe Stock-Kollektion gelenkt werden kann. Eine ähnliche Unterstützung kann bei Pixabay gefunden werden, wo die Seite erklärtermaßen von den Affiliate-Einnahmen durch Shutterstock überlebt.
Für Unsplash sind die Fotos nur ein Mittel zum Zweck. Es geht nicht um großartig kuratierte Fotografie, es geht um Traffic und Community-Building. Das sind die Werte, für die sich Investoren interessieren und für die sich Unsplash bezahlen lässt. Es wirkt ein bisschen wie ein Schneeballsystem, wenn bezahlte Fotografen wie Annie Spratt durch ihre Social-Media-Accounts Unsplash hypen, was wiederum die große Masse an anderen Fotografen anlockt, die dann nicht mehr bezahlt werden, aber den Traffic und das Community-Engagement liefern, für das dann die großen Firmen bezahlen. Nur Unsplash natürlich, nicht die einzelnen Fotografen.
Die Fotografen und auch Kunden tragen aber das rechtliche Risiko der Unsplash-Nutzung, denn Informationen über Markenrechte, Persönlichkeitsrechte, Designschutz und andere „Rechte Dritter“ sind bei Unsplash nur spärlich zu finden. Was für Kunden und Fotografen „nur“ rechtlich riskant ist, ist für Unsplash auch ein eingesparter Kostenfaktor: Im Gegensatz zu den Microstock-Agenturen, welche viele Mitarbeiter bezahlen, nur um eingereichte Fotos auf Rechte Dritter zu prüfen, spart sich Unsplash diese Ausgaben.
Es ist schon paradox: Bei den Microstock-Agenturen dürfen zum Beispiel der Produktname „iPhone“ oder der Firmenname „Apple“ nicht im Titel oder den Keywords genannt werden, selbst der charakteristische runde „Home“-Button darf nicht sichtbar sein. Bei Unplash gibt es mehr als 3300 kostenlose „iPhone“-Bilder, mit denen der Nutzer laut Lizenz sogar mehr machen darf als bei Shutterstock oder Adobe. Entweder ist Apple da deutlich lässiger als die Microstockagenturen behaupten oder die große Anwaltskeule wird später zuschlagen. Mehr drastische Beispiele für rechtliche Probleme bei Unsplash liefert Henrik Heigl hier.
iPhone-Fotos auf Unsplash ohne Hinweis auf Markenrechte
Geht es aber um die Fotos selbst, wird Unsplash plötzlich grantig. Anfangs wurden die Unsplash-Bilder unter einer „Creative Commons Zero/Public Domain“-Lizenz angeboten. Einige clevere Geschäftemacher begannen jedoch, sich viele Unsplash-Bilder runterzuladen und sie selbst gratis auf ihren eigenen Webseiten anzubieten und durch Werbeeinblendungen damit an Unsplash vorbei Geld zu verdienen. Deshalb wurde im Juni 2017 die Lizenz geändert, um explizit auszuschließen, mit den Bildern „konkurrierende oder ähnliche Dienstleistungen“ aufzubauen. Da hört dann die Gemeinnützigkeit auf.
Selbst als Unsplash 2016 ein Buch mit den kostenlosen Fotos und Essays rausgab, wurde das Buch nicht von Unsplash finanziert, sondern Unsplash-Gründer Mikael Cho startete eine Kickstarter-Kampagne, mit der über 100.000 USD von der Community eingesammelt wurden.
Die Diskussion um die Schädlichkeit oder Nützlichkeit von Unsplash erinnert mich sehr stark an die Debatte vor zehn Jahren beim Aufkommen der Microstock-Agenturen, welche die Existenz der Makrostock-Agenturen bedrohen würden. Heute wissen wir, dass es zwar noch welche gibt, aber viele tatsächlich das Handtuch geschmissen haben oder wirtschaftlich geschwächt sind.
Deshalb nehme ich an, dass ähnlich zur Situation vor zehn Jahren Microstock wohl nicht verschwinden wird, aber Unsplash trotzdem zu einer Konsolidierung der Branche beitragen wird.