Vor einer Weile hatte ich hier versucht, das Geschäftsmodell der Firma Pixabay zu verstehen, welche mit kostenlosen Bildern Geld verdienen wollen.

Eine ähnliche Firma, jedoch mit größerer internationaler Bekanntheit ist Unsplash. Diese betrat 2013 als einfacher Tumblr-Blog die Bühne, auf dem 10 kostenlose Bilder geteilt wurden. Aktuell sind über 806.000 kostenlose Bilder online, die insgesamt über 758 Mio. kostenlose Downloads erzielt haben. Diese und viele weitere spannende Zahlen sind hier auf der Statistik-Seite von Unsplash nachzulesen.
Im Schnitt werden aktuell ca. 18 Bilder pro Sekunde runtergeladen. Das wären über 46 Mio. kostenlose Downloads im Monat! Zum Vergleich: Shutterstock kam im 3. Quartal 2018 auf „nur“ ca. 14,6 Mio. bezahlte Downloads pro Monat. Namensnennung der Fotografen ist bei Unsplash übrigens auch keine Pflicht.

Zum Team von Unsplash gehören mindestens 15 Leute, darunter die vier Gründer, das Ehepaar Mikael Cho und Stephanie Liverani, Luke Chesser und Angus Woodman sowie Entwickler, Designer, Programmierer und Kuratoren.
Im Januar 2017 wurde Unsplash, welche bis dahin ein „Hobbyprojekt“ von Mikael Cho und den anderen Gründern war, in die „Unsplash Inc.“ firmiert.
Die spannende Frage ist: Von was wird diese große Anzahl Mitarbeiter bezahlt? Wie verdient die kanadische Firma „Unsplash Inc.“ ihr Geld, wenn sie ihr Produkt kostenlos verteilt?
Wie hier ausführlich nachzulesen ist, bestand der Vorteil und Nutzen von Unsplash für die Gründer anfangs darin, dass dieses Nebenprojekt viel Aufmerksamkeit und neue Kunden auf ihre Hauptfirma „Crew“ lenkte. Unsplash war also nichts anderes als cleveres „Content Marketing“, wo mit wertvollen (weil kostenlosen) Inhalten Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt wurde.
Das wäre soweit ja in Ordnung, wenn die Unsplash-Fotos weiterhin ausschließlich von Crew-Mitarbeitern kämen. Nach eigenen Angaben ist aktuell zwar weiterhin die – bezahlte – Unsplash-Mitarbeiterin Annie Spratt die aktivste Fotografin auf Unsplash, trug mit ca. 4600 Bildern aber insgesamt weniger als 0,6% der über 795.000 Fotos bei.
In dieser Liebeserklärung an die Firma Unsplash erklärt der Hobbyfotograf Rahul Chowdhury, warum er neben Bildagenturen jetzt auch Unsplash beliefere:
„Obwohl ich nicht aufhören werde, Stockfotos zu verkaufen, werde ich von jetzt an sicherstellen, dass ich einen anständigen Teil meiner Arbeit mit der Welt gegen Lächeln und Dankbarkeit durch diese liebenswerte Gemeinschaft tausche.“
Der Haken dabei? Unsplash ist längt kein Marketing-Instrument mehr und schon gar keine uneigennützige Gemeinschaft, die nur das Wohl der finanzschwachen Grafiker und Webdesigner im Blick hat.
Dieser Quelle nach bekam Unsplash schon 2015 eine Investition von 8,5 Mio USD, von der ca. zwei Jahre später noch 5 Mio. USD übrig waren. Das bedeutet, dass Unplash 2015 und 2016 pro Jahr ca. 1,75 Mio. USD Ausgaben verschlang.
Im Februar 2018 gab Unsplash bekannt, dass sie 7,25 Mio. USD von insgesamt acht Investoren (Jason Goldberg/Simple Token, Accomplice, Betaworks, Mark Bonchek, Real Ventures, Roger Dickey/Gigster, Clark Valberg/InVision, Rahul Vohra/Superhuman) erhalten haben. Andere Quellen sprechen sogar von 10,3 Mio. USD. Den obigen Zahlen nach wäre damit die Finanzierung von Unsplash für weitere vier Jahre gesichert.
Die über 116.000 Fotografen bekommen davon aber keinen Cent ab, abgesehen von der Handvoll, die tatsächlich direkt bei Unsplash angestellt ist. Dabei wird ständig von der „Community“ geredet, die den Kern von Unsplash ausmache, die so wichtig und wertvoll sei. Ja, weil sie bescheiden ist, nichts von den Millionen abhaben zu wollen.
Unsplash wirbt immerhin damit, dass die Fotografen „Links zu ihrem eigenen Business anzeigen lassen und damit von Unsplash’s Traffic profitieren können“. Einer der weltweit größten Stockproduzenten, die britische Firma „Rawpixel Ltd“. hat das ausprobiert und bietet neben ca. 260.000 Stockfotos bei den üblichen Bildagenturen wie Adobe Stock oder Shutterstock auch über 2600 professionelle Stockfotos kostenlos auf Unplash an. Das sind ca. 1% der bezahlten Bilder.
Ich habe den Rawpixel-Gründer Rob Churchill zu seinen Beweggründen gefragt, warum er kostenlose Bilder anbiete. Hier seine übersetzte Antwort:
„Vor einigen Jahren haben wir uns entschieden, unsere eigene Website aufzubauen. Hauptsächlich, um unsere Aktivitäten kreativer zu gestalten und hoffentlich ein gutes Unternehmen für uns, die Kunden und die Gemeinschaft aufzubauen. Es gibt zwei Hauptgründe, warum wir einen Teil unseres Inhalts als kostenlose Bilder auf unserer eigenen Website und einigen anderen wie Unsplash anbieten.
Erstens, um den Verkehr auf unsere Website zu lenken. Anstatt die unmögliche Aufgabe zu versuchen, mit den bestehenden Agenturen durch bezahlte Werbung zu konkurrieren, ist es für uns viel sinnvoller, all unsere verfügbaren Ressourcen in die Erstellung von Inhalten zu investieren und dann einen Teil davon frei zu machen, um die Menschen für Rawpixel zu gewinnen.
Zweitens passt es gut zu unserem Manifest ‚Unsere Mission ist es, jedem, der die Menschen befähigt, Kreativität zum Guten einzusetzen, inspirierende Gestaltungsressourcen zur Verfügung zu stellen.‘ Es ist schön zu wissen, dass jeder Zugang zu einigen unserer Arbeiten unabhängig von seiner finanziellen Situation haben kann.
Funktioniert es? Ja, ich denke schon, wir haben zwar noch einen langen Weg vor uns, aber die Zeichen sind vielversprechend und wir freuen uns auf die Chancen, die sich in der Zukunft eröffnen werden.
Ich weiß, dass dies ein heikles Thema ist, und ich bin sicher, dass es die Microstock-Industrie bis zu einem gewissen Grad beeinflussen wird, aber das „kostenlose Bilder“-Modell ist hier und wird nicht gehen und ich glaube, wir müssen uns an die Situation um uns herum anpassen. Ich bin nicht zuversichtlich in Bezug auf die Zukunft der wichtigsten Microstock-Agenturen und glaube, dass sie in den letzten Jahren mehr hätten tun können, um Kontributoren wie uns zu unterstützen, und dadurch wären sie selbst in einer stärkeren Position.“
Auch hier spielt also der Marketing-Effekt eine Rolle. Ich bezweifle jedoch, dass dieser langfristig ausreicht, denn wer nach kostenlosen Bildern sucht, ist in der Regel wenig geneigt, plötzlich doch Geld für Fotos auszugeben.

Neben den Investoren gibt es noch andere Geldquellen für Unsplash: Zum einen gibt klassische Werbeeinblendungen auf der Webseite, zum Beispiel rechts unter dem Suchfeld (siehe Screenshot oben).
Darüber hinaus gibt es jedoch ethisch deutlich fragwürdigere Methoden. Sucht ein Nutzer beispielweise nach „shoes“, oder „juice“, werden neben normalen Fotos andere angezeigt, die Werbung sind. Im Schuh-Beispiel sind die ersten drei Treffer zum Beispiel kostenlose Fotos mit Schuhen „sponsored by Timberland“, beim Saft steht „sponsored by DOSE Juice“. Hier ist die Werbekennzeichnung noch erkennbar, aber sobald ein Nutzer ein solches Foto runterlädt und weiterverwendet, bleibt von der Kennzeichnung nichts mehr übrig. Andere Leute erkennen dann nicht mehr, dass das Bild mal bezahlte Werbung war. Ebenso spannend ist, dass es eine eigene Kollektion auf Unsplash mit dem Namen „Native Advertising on Unsplash“ gibt, kuratiert vom Unsplash-Co-Gründer Luke Chesser. Dort werden neben den Beispielen Timberland und DOSE Juice explizit auch „Google Chromebooks“ und „Maledives Tourism“ als Kunden genannt und dazugehörige Fotos gezeigt, aber diese sind schon bei Unsplash teilweise nicht als „sponsored by“ gekennzeichnet. Zufällig befinden sich immer auch einige dieser Fotos auf der Startseite von Unplash.
„Native Advertising ist eine dreiste Form von Schleichwerbung“,
sagt Peter Figge, Vorstand der Werbeagentur Jung von Matt, gegenüber dem Spiegel.

Ein Fotograf solcher Bilder, der anonym bleiben will, beschreibt die Zusammenarbeit so:
„Unsplash kooperiert meines Wissens nach öfters mal mit etwas größeren Firmen. Ich war selber lange Zeit nicht mehr wirklich aktiv auf Unsplash, wenn es darum geht, selber Bildmaterial hochzuladen. Viel mehr benutze ich es sehr oft als Bildquelle für qualitativ gute und kostenlose Bilder, da ich Designer bin und oft mit sowas in Kontakt trete.
Eines Tages habe ich eine persönliche E‑Mail von einem Admin von Unsplash erhalten mit dem Angebot für eine Timberland-Kooperation Bilder zu schießen. Ursprünglich gab es eine Art ‚Wettbewerb‘, wo jeder mitmachen konnte. Dieser galt quasi als Bewerbung für das Projekt. Mich hat man völlig überraschend einfach mit ins Boot geholt, weil irgendwelchen dafür verantwortlichen Menschen von Timberland meine Bilder gut gefallen haben. Die Klamotten der neuen Winterkollektion wurden uns dann per Post gesendet. Es gab jeweils eine Herren- und Damenkollektion. Die Sachen hat nach zwei Wochen ein Kurier von Timberland wieder abgeholt.
Das Ganze wurde ganz normal bezahlt wie ein richtiger Fotoauftrag. Ein erfahrener und anerkannter Fashionfotograf wäre mit dem Endgeld niemals zufrieden gewesen. Aber wenn man die Umstände beachtet, unter anderem dass ich absolut kein professioneller Fotograf bin und zuvor noch nie einen wirklichen Auftrag hatte (und so ergeht es dem Großteil der Teilnehmer), ist die Bezahlung mehr als fair. Alles in allem ist das Ganze eine tolle Sache, da man auch die ganzen Prozesse mitbekommt.“
Es gibt auch einige Accounts, die offensichtlich von den gezeigten Marken selbst betrieben werden, wie diese von Loewe Technologies, Modern Essentials oder Frame Kings. Angesichts der Debatte um die Werbekennzeichnungen bei Instagram kann es hier sicher nicht mehr lange dauern, bis es Probleme geben wird.
Es wird oft, wie beispielhaft hier, argumentiert, dass Unsplash keine Bedohung für Fotografen sei, weil diese durch den Unsplash-Traffic zu Aufträgen kommen würden. Ich glaube aber, dass Unsplash eine direkte Bedrohung für die Firmen ist, die ausschließlich von der Bildlizenzierung leben, zum Beispiel Shutterstock oder Adobe Stock.
Selbst wenn es für etliche Nischen bei den kommerziellen Bildagenturen deutlich mehr Bilder zur Auswahl gibt, entzieht Unsplash bei den generischen Motiven den Fotografen einen Grundumsatz, der nur mit selten nachgefragten Motiven logischerweise schwer aufgefangen werden kann. Zur Erinnerung: Wir reden von über 46 Mio. kostenlosen Downloads pro Monat.
Insofern finde ich es bedenklich, dass auch Adobe in seiner „Adobe Spark“-App den Nutzern kostenlose Unsplash-Bilder anbietet, statt eine eigene Kollektion solcher Bilder aufzubauen, von wo aus der Traffic zur bezahlten Adobe Stock-Kollektion gelenkt werden kann. Eine ähnliche Unterstützung kann bei Pixabay gefunden werden, wo die Seite erklärtermaßen von den Affiliate-Einnahmen durch Shutterstock überlebt.
Für Unsplash sind die Fotos nur ein Mittel zum Zweck. Es geht nicht um großartig kuratierte Fotografie, es geht um Traffic und Community-Building. Das sind die Werte, für die sich Investoren interessieren und für die sich Unsplash bezahlen lässt. Es wirkt ein bisschen wie ein Schneeballsystem, wenn bezahlte Fotografen wie Annie Spratt durch ihre Social-Media-Accounts Unsplash hypen, was wiederum die große Masse an anderen Fotografen anlockt, die dann nicht mehr bezahlt werden, aber den Traffic und das Community-Engagement liefern, für das dann die großen Firmen bezahlen. Nur Unsplash natürlich, nicht die einzelnen Fotografen.
Die Fotografen und auch Kunden tragen aber das rechtliche Risiko der Unsplash-Nutzung, denn Informationen über Markenrechte, Persönlichkeitsrechte, Designschutz und andere „Rechte Dritter“ sind bei Unsplash nur spärlich zu finden. Was für Kunden und Fotografen „nur“ rechtlich riskant ist, ist für Unsplash auch ein eingesparter Kostenfaktor: Im Gegensatz zu den Microstock-Agenturen, welche viele Mitarbeiter bezahlen, nur um eingereichte Fotos auf Rechte Dritter zu prüfen, spart sich Unsplash diese Ausgaben.
Es ist schon paradox: Bei den Microstock-Agenturen dürfen zum Beispiel der Produktname „iPhone“ oder der Firmenname „Apple“ nicht im Titel oder den Keywords genannt werden, selbst der charakteristische runde „Home“-Button darf nicht sichtbar sein. Bei Unplash gibt es mehr als 3300 kostenlose „iPhone“-Bilder, mit denen der Nutzer laut Lizenz sogar mehr machen darf als bei Shutterstock oder Adobe. Entweder ist Apple da deutlich lässiger als die Microstockagenturen behaupten oder die große Anwaltskeule wird später zuschlagen. Mehr drastische Beispiele für rechtliche Probleme bei Unsplash liefert Henrik Heigl hier.

Geht es aber um die Fotos selbst, wird Unsplash plötzlich grantig. Anfangs wurden die Unsplash-Bilder unter einer „Creative Commons Zero/Public Domain“-Lizenz angeboten. Einige clevere Geschäftemacher begannen jedoch, sich viele Unsplash-Bilder runterzuladen und sie selbst gratis auf ihren eigenen Webseiten anzubieten und durch Werbeeinblendungen damit an Unsplash vorbei Geld zu verdienen. Deshalb wurde im Juni 2017 die Lizenz geändert, um explizit auszuschließen, mit den Bildern „konkurrierende oder ähnliche Dienstleistungen“ aufzubauen. Da hört dann die Gemeinnützigkeit auf.
Selbst als Unsplash 2016 ein Buch mit den kostenlosen Fotos und Essays rausgab, wurde das Buch nicht von Unsplash finanziert, sondern Unsplash-Gründer Mikael Cho startete eine Kickstarter-Kampagne, mit der über 100.000 USD von der Community eingesammelt wurden.
Die Diskussion um die Schädlichkeit oder Nützlichkeit von Unsplash erinnert mich sehr stark an die Debatte vor zehn Jahren beim Aufkommen der Microstock-Agenturen, welche die Existenz der Makrostock-Agenturen bedrohen würden. Heute wissen wir, dass es zwar noch welche gibt, aber viele tatsächlich das Handtuch geschmissen haben oder wirtschaftlich geschwächt sind.
Deshalb nehme ich an, dass ähnlich zur Situation vor zehn Jahren Microstock wohl nicht verschwinden wird, aber Unsplash trotzdem zu einer Konsolidierung der Branche beitragen wird.