Egal, ob im Stockfotografie-Foren, in Bildagentur-Foren oder bei mir im Email-Postfach, ständig schreiben dort frustrierte Fotografen, welche die Ablehnungen ihrer Bilder nicht verstehen können.
Meist zurecht. Aber: Jetzt kommt ein ganz großes Aber, so groß, dass es für einen eigenen Artikel reicht.
Die Frustration über abgelehnte Bilder kann von mehreren Seiten betrachtet werden, die sich teilweise ergänzen.
Der Zufall-Effekt
Wie ich schon zwei Mal hier und hier mit einer hochwissenschaftlichen Analyse herausgefunden habe, werden die Bilder eher zufällig abgelehnt. Das heißt, wer zehn Mal die gleichen Bilder bei zehn verschiedenen Agenturen hochlädt, erhält von jeder Agentur sicher ca. fünf Ablehnungen, aber jeweils für andere Bilder. Das trägt nicht dazu bei, eine Konsistenz bei den Ablehnungen zu erkennen.
Die Liebe zum Bild verhindert Einsicht
Vor allem am Anfang schmerzen Ablehnungen sehr. Der Fotograf investiert viel Zeit und Aufwand, um ein gelungenes Foto zu machen und noch mal viel Zeit und Mühen, um es am Computer zu entwickeln und zu retuschieren. Dann verbringt er Zeit mit dem Beschriften und Hochladen und – zack – wird das Bild abgelehnt. Und das bei einem Motiv, bei dem der Fotografen viel Herzblut reingesteckt hat. Leider sehen das nicht die Bildredakteure. Aber das ist auch gut so, denn die Bildkäufer interessiert es ebensowenig, ob sie sieben Tage oder zwei Minuten auf den perfekten Moment warten mussten, um das Bild zu machen. Was zählt, ist einzig, ob das Motiv zum passenden Preis für die gewünschte Verwendung erhältlich ist. Deshalb: Bau als Fotograf eine professionelle Distanz zu deinen Werken auf. Das ist neben der Zeitersparnis auch einer der Gründe, warum viele professionelle Stockfotografen das Hochladen der Bilder auslagern oder Assistenten überlassen. Ablehnungen sind nie persönliche Angriffe auf das Können der Fotografen, sondern meist betriebswirtschaftliche Entscheidungen.
Unzutreffene Textbausteine
Eine regelmäßige Quelle großen Frusts sind die Textbausteine, welche die Bildagenturen den Fotografen liefern, wenn sie überhaupt so gnädig sind, ihre Ablehnungsgründe mitzuteilen. Das reicht von „Model-Release fehlt“ bei 3D-Bildern über „Zu starke Nutzung von Foto-Filtern“ bei Bildern, die direkt aus der Kamera kommen und so weiter. Die Textbausteine passen eben nicht immer genau auf die abgelehnten Bilder oder obwohl Bilder unter den gleichen (Studio-)Bedingungen aufgenommen wurden, werden einige davon wegen technischer Mängel abgelehnt und andere nicht.
Einige Agenturen wie Fotolia oder Dreamstime behelfen sich, indem sie bei Ablehnungen aus technischen Gründen einfach eine lange Liste an möglichen Ablehnunsgründen nennen, aus denen sich dann der Fotograf das passende raussuchen kann. Das wiederum führt zu neuen Problemen, weil vor allem unerfahrenere Fotografen nicht genau wissen, was sie falsch gemacht haben könnten oder denken „Ich habe doch 19 der 20 aufgeführten Punkte umgesetzt, das sollte doch reichen?“
Aber sehen wir uns die Sache mal von der anderen Seite an.
Unerfahrende und gestresste Bildredakteure
Bei den Bildagenturen sitzen je nach Größe der Agentur ein bis zig Bildredakteure, die tagein, tagaus nichts anders machen als die neu eingetroffenen Fotos zu kontrollieren. Früher waren das Leute, die jahrelange Erfahrungen in der Bilderbranche hatten und oft auch selbst fotografiert haben. Durch die Flut der Digitalfotos und die schier unendlich scheinende Menge an neuen Fotos gibt es nicht genügend kompetente Leute. Deshalb wird diese Aufgabe – vor allem bei den Microstockagenturen – entweder von unterbezahlten Leuten erledigt, die mal kurz in die Materie eingearbeitet werden oder die Bildkontrolle wird gleich nach Asien ausgelagert, wo die Bedingungen garantiert nicht besser sind.
Meine Vermutung ist, dass vor allem bei den Microstock-Agenturen die Redakteure eine gewisse Zahl an Bildern pro Tag kontrollieren müssen, um von ihren Chefs nichts auf den Deckel zu kriegen. Bei diesem Zeitdruck entstehen erstens leicht Fehler, weil etwas übersehen wird und zweitens führt die Ablehnung eines Bildes schnell zur Ablehnungsorgie: Wenn ein Bildredakteur Fehler erkennt, wird bei den folgenden Bildern noch genauer hingeschaut, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Fehler gefunden werden und so weiter und plötzlich ist die gesamte Serie abgelehnt worden.
Durch den Stress verklicken sich die Bildredakteure auch mal, weshalb die genannten Ablehnungen nicht immer passen. Außerdem sind sie meist keine professionellen Fotografen und wissen deshalb nicht, dass es fast unmöglich ist, unter bestimmten Bedingungen zum Beispiel bei Gegenlicht mit starken Kontrasten und Weitwinkelobjektiv Bildfehler wie chromatische Abberationen zu vermeiden.
Die Früchte im Garten der anderen
Viele Fotografen machen sich über die Ablehnungen bei Bildagenturen lustig, wenn das abgelehnte Bild von einer anderen Agentur angenommen wurde und sich dort zu einem lukrativen Bestseller entwickelt. Im Nachhinein ist das einfach, aber auch unfair. Denn selbst Stockfotoprofis können meist nicht genau sagen, welches Bild aus einer Serie ein Topseller werden wird. Die Bildredakteure sehen die Downloadzahlen anderer Agenturen nicht und viele der abgelehnten Bilder, die woanders genommen wurden, liegen dort vielleicht auch wie Blei in den Regalen.
Die Tücken der Automatisierung
Durch den erwähnten Zeitdruck lassen sich die Agenturen Mittel und Wege einfallen, die Bearbeitung schneller vornehmen zu können. So bekommen Bildredakteure oft das Foto in einer kleinen Ansicht zu sehen und vier 100%-Ausschnitte. Wer das Pech hat, dass ein Bildfehler genau in diesem 100%-Ausschnitt liegt, wird eine Ablehnung bekommen, wenn der Bildfehler daneben liegt, kann es passieren, dass das Bild trotzdem angenommen wird, weil der Bildredakteur keine Zeit hat, ins Bild reinzuzoomen. Manchmal sind Ablehnungen deshalb auch kein Pech, sondern Annahmen nur Glück.
Bei Dreamstime werden auch die Bildtitel und Suchbegriffe im Hintergrund analysiert. das heißt, wenn ein neu hochgeladenes Bild den gleichen Bildtitel und die gleichen Suchbegriffe wie ein schon vorhandenes Foto des gleichen Fotografen hat, wird es sehr wahrscheinlich (vielleicht sogar automatisiert?) wegen „zu vieler ähnlicher Motive“ abgelehnt, auch wenn das Bildmotiv ein ganz anderes sein kann.
Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass die Bildredakteure die bisherige Ablehnungsquote eines Fotografen sehen. Wenn dort 55% Ablehnungen steht, werden die Kontrolleure deutlich genauer schauen als bei jemanden, der sich über die Jahre eine 2–3% Ablehnungsquote erarbeitet hat.
Bei rechtlichen Problem wird im Zweifel abgelehnt
Auch die rechtliche Seite führt zu viel Ablehnungsfrust. Wenn es auch nur den Hauch eines Zweifels geben sollte, lehnen Bildredakteure ein Bild lieber ab, weil immer mehr Agenturen eine Rechte-Garantie für deren Kunden übernehmen, die sie bei Fehlern teuer zu stehen kommen würde. Manche Fotografen verkennen aber auch die Rechtslage. Nur weil ein Foto in Deutschland aufgenommen wurde, wo bestimmte Gesetze gelten, setzt die Bildagentur oft aber deutlich strengere Regeln an, weil die Fotos eben weltweit verkauft werden und in anderen Ländern manchmal eben härtere Gesetze gelten. Zum Beispiel braucht man für das Fotografieren eines Tieres in Deutschland keine Genehmigung, weil es als „Sache“, nicht als „Person“ gilt, aber die Bildagenturen verlangen trotzdem einen Eigentumsfreigabe vom Tierbesitzer. Wer profesionell Stockfografie betreiben will, muss das akzeptieren.
Außerdem steht in den meisten Agenturverträgen mit den Fotografen, dass diese für rechtliche Konsequenzen selbst haften müssen. Eine Bildablehnung wegen möglicher rechtlicher Probleme kann dem Fotografen deshalb manchmal sogar den Hals und das Bankkonto retten.
Manchmal haben Bildredakteure sogar recht
Jeder Fotograf kann einige Geschichten von abstrusen Ablehnungsgründen erzählen. Darüber wird oft übersehen, dass die Bildredakteure manchmal auch recht haben. Einige Bilder sind entweder unscharf, schon zu oft verhanden, blaustichig oder einfach nicht verkäuflich. Da hilft dann auch kein Jammern und Meckern, sondern nur eine kritische Selbstbetrachtung und die Frage an sich selbst: „Wie kann ich besser werden und diese Fehler in Zukunft vermeiden?“
Alles buddhistisch sehen
Viele haben versucht, die unergründlichen Wege der Bildredakteure zu verstehen, kaum jemand hat es geschafft. Wer langfristig erfolgreich im Stockfotomarkt mitspielen will und sein Herz schon möchte, sollte alles etwas buddhistisch sehen. Nicht ärgern lassen, abhaken und weitermachen. Bei offensichtlichen Fehlern und potentiellen Bestseller-Motiven lohnt sich manchmal eine Korrektur und ein erneutes Einreiches, aber meist ist die Zeit besser angelegt, gleich neue Fotos zu machen.
Was für Erfahrungen habt ihr mit Ablehnungen gemacht? Wie geht ihr damit um?