Die Entwicklung von Microstock

Noch vor zehn Jahren war alles ganz einfach:

Große Werbeagenturen und Verlage mit gro­ßen Etats kauf­ten für viel Geld von eben­so gro­ßen Bildagenturen schi­cke Fotos für ihre Zeitungen, Broschüren und Werbeaufträge und zahl­ten dafür Hunderte von DM (für die jün­ge­ren Leser: Das war die Währung, bevor es den Euro gab und die nur in Deutschland galt).

Etwas klei­ne­re Werbeagenturen und Verlage mit klei­ne­ren Etats kauf­ten für etwas weni­ger Geld bei klei­ne­ren Bildagenturen etwas weni­ger schi­cke Fotos für ihre Medien.

Privatleute mach­ten selbst Fotos oder schnit­ten für ihre Grußkarten die groß­for­ma­ti­gen Fotos der teu­ren Bildagenturen aus den gele­se­nen Zeitschriften.

Babygriff

Einige Designer, wel­che nicht bei den Werbeagenturen mit den gro­ßen Etats arbei­te­ten, ärger­ten sich über die vie­len hun­dert Mark, die sie für Fotos aus­ge­ben muss­ten und began­nen, Fotos zu tau­schen statt zu kau­fen. Da aber der 1:1‑Tauschhandel zu müh­se­lig war – aus den glei­chen Gründen, die zum Übergang der Tauschgesellschaft zum Finanzmarkt führ­ten -, wur­de ein Credit-​System ein­ge­führt, wel­ches für jedes her­un­ter­ge­la­de­ne Foto dem Urheber/​Designer Credits ver­schaff­te, die die­ser für ande­re benö­tig­te Fotos aus­ge­ben konn­te. Später konn­ten die Credits gegen Bargeld aus­ge­zahlt wer­den las­sen. Der Microstock-Bildermarkt war geboren.

Ein mark­erschüt­tern­der Schrei ging durch die Reihen der Bildagenturen und der Fotografen, wel­che die­se Agenturen mit ihren Fotos belie­fer­ten. Von Kannibalismus und Preisverfall war die Rede und auch Schimpfwörter und Beleidigungen, die ich hier nicht wie­der­ge­ben kann, waren zu hören.

Es herrsch­te nack­te Angst: Da wag­ten eini­ge Branchenneulinge, Fotos für einen Dollar zu lizen­zie­ren, die bis­her für drei­stel­li­ge Beträge ver­kauft wur­den. Oder anders for­mu­liert: Es gab auf ein­mal ein Angebot, was 99% bil­li­ger war. Die Coolen unter den Agenturmitarbeitern wag­ten noch, sich zurück­zu­leh­nen und läs­sig zu kon­tern: Die Bildauswahl der neu­en Microstock-​Agenturen sei lächer­lich gering, tech­nisch zweit­klas­sig und mit recht­li­chen Unsicherheiten behaf­tet. Das kön­ne nix werden.

Das Argument der ers­ten Microstock-​Agenturen wie istock­pho­to oder Fotolia hin­ge­gen war, dass ihr neu­es Angebot kei­ne Konkorrenz zu den tra­di­tio­nel­len Bildagenturen mit ihren hohen Preisen sei, son­dern viel­mehr eine Ergänzung. Eine Erweiterung. Jetzt wür­den nicht nur gro­ße und klei­ne Werbefirmen und Verlage sich Fotos leis­ten kön­nen, son­dern auch Privatpersonen könn­ten sich end­lich edle Fotos für Einladungskarten, Kalender oder ihre Webseiten und die wie Pilze nach dem Regen aus dem Boden sprie­ßen­den Blogs leisten.

Zu einem Teil tra­fen die Argumente bei­der Seiten zu: Es kauf­ten jetzt Privatleute Fotos, die vor­her nie dar­an gedacht hät­ten und da die Microstock-​Anbieter auch gezielt Amateurfotografen rekru­tier­ten, wur­den die­se oft nicht nur Käufer, son­dern auch gleich Anbieter. Das wie­der­um führ­te dazu, dass sich die Menge und Qualität der Microstock-​Fotos schnell erhöh­te, womit sich lang­sam das Argument der Macrostock-​Agenturen selbst entkräftete.

Aber schnell merk­ten die Microstock-​Agenturen, dass sie nicht nur Kunden belie­fer­ten, die vor­her nie Fotos gekauft hat­ten. Im Gegenteil: Immer häu­fi­ger waren die bes­ten neu­en Kunden die, wel­che vor­her ihr Geld bei den teu­ren Agenturen gelas­sen haben.

Nun – fin­de ich – sind die Microstock-​Agenturen an einem Scheidepunkt: Die Preise für ihre Bilder wer­den für Privatpersonen zu teu­er. Für gro­ße Firmen hin­ge­gen sind die Preise immer noch lächer­lich nied­rig und das gespar­te Geld fließt nicht in den Bildermarkt (also an Fotografen, Bildagenturen, etc.), son­dern in ande­re Bereiche.

Die Microstock-​Agenturen ver­su­chen zum Teil, dage­gen zu steu­ern, indem sie Premium-​Kollektionen ein­rich­ten. Bei istock­pho­to klappt das mit der Vetta-​Kollektion ganz gut, weil hier nur neue und exklu­si­ve Bilder zu fin­den sind. Fotolia hat in der Infinite-​Kollektion vor allem das aus­ran­gier­te Bildmaterial von gro­ßen Macrostock-​Agenturen. Deren altes Material sieht im Vergleich zu den bes­ten neu­en Microstock-​Fotos hin­ge­gen oft mau aus.

Trotzdem plä­die­re ich dafür, wie­der Augenmaß zu hal­ten. Es soll­te wei­ter­hin güns­ti­ge Bilder zu Microstock-​Preisen geben. Aber Großkunden, die mehr mit einem Bild machen als es wert ist, soll­ten ent­spre­chend mehr bezah­len. „Erweiterte Lizenzen“ und Druckauflagen-​Beschränkungen sind ein Anfang. Aber vie­le gro­ße Unternehmen exis­tie­ren nur noch vir­tu­ell: Amazon, Ebay und so wei­ter. Printlizenzen und hohe Auflagen grei­fen hier nicht. Solche Firmen wären in der Lage, ein Foto für 1 Euro zu kau­fen und es auf die Startseite einer Webseite zu packen, mit der hun­der­tau­sen­de Euro ver­dient wer­den. Hier müs­sen Bildagenturen einen Weg fin­den, Gerechtigkeit zu schaffen.

Früher nann­te man die­se Gerechtigkeit „rights mana­ged“ oder RM, bei der Bildlizenzen nach Nutzungszweck bezahlt wur­den. Wer eine „royal­ty free“-Lizenz woll­te um mit den Bildern (fast) alles machen zu dür­fen, was dem Käufer beliebt, muss­te meist min­des­tens das Doppelte, wenn nicht noch mehr, bezah­len. Bis die Microstock-​Agenturen den Preis für RF-​Lizenzen so gedrückt haben, dass die Gerechtigkeit auf der Strecke blieb.

Da aber mitt­ler­wei­le die Nutzungsbedingungen eini­ger Microstock-​Bildagenturen kom­pli­zier­ter sind als eine „nor­ma­le“ RM-​Lizenz, ist es viel­leicht an der Zeit, die bis­he­ri­ge Preis- und Lizenzpolitik zu über­den­ken. Der Ansatz von Dreamstime, Fotos umso teue­rer zu machen, je öfter sie ver­kauft wur­den, fin­de ich ganz gelungen.

Habt ihr wei­te­re Ideen für neue Herangehensweisen an das skiz­zier­te Problem?

Was wollt ihr in diesem Blog lesen?

In den Kommentaren zu mei­nem letz­ten Blog-​Artikel mel­de­te sich ein Leser, der mein­te, mei­ne Artikel wür­den nicht die Probleme kom­mer­zi­el­ler Fotografen berück­sich­ti­gen (Originalkommentar hier).

Als ich ihn frag­te, wel­che das sei­en, mein­te er, ich könn­te doch zum Beispiel mal über Auftragsakquise oder Portfolio-​Zusammenstellung schreiben.

Diese Antwort macht zwei­er­lei sichtbar.

Zum einen ist pro­fes­sio­nel­le Fotografie weit gefä­chert. Unabhängig von der Qualität mei­ner Bilder darf ich mich als „Profi-​Fotograf“ bezeich­nen, weil ich mit der Fotografie – aus­schließ­lich mit der Stockfotografie – mei­nen Lebensunterhalt bestrei­te. Es gibt aber genau­so gut ande­re Profi-​Fotografen, die mit kei­ner ein­zi­gen Bildagentur zusam­men­ar­bei­ten, aber trotz­dem gut von ihrem Beruf leben können.

Zum ande­ren zeigt mir die Antwort, dass mein Blog in der Tat „ein­sei­tig“ gefärbt ist. Ich berich­te nun mal von mei­ner Arbeit, die auch in der Fotografie rela­tiv spe­zi­ell ist. Trotzdem möch­te ich, dass ihr, mei­ne Leser, den Blog span­nend, unter­halt­sam und hilf­reich findet.

Deswegen mei­ne Fragen:
– Welche Themen inter­es­sie­ren Euch in die­sem Blog am meisten?
– Was fehlt Euch?
– Worüber wollt ihr ger­ne mehr lesen?
– Welche Kategorien lest ihr bevorzugt?
– Warum lest ihr den Blog überhaupt?

Ich freue mich auf Eure Kommentare.

Frag den Fotograf: Kann ich RAW-​Dateien verkaufen?

Eine Berliner Fotografin schrieb mir vor zwei Monaten folgendes:

hal­lo robert,
seit gerau­mer zeit bin ich begeis­ter­ter fan dei­ner blog­sei­te. viel wis­sens­wer­tes habe ich gele­sen und mit freu­den dei­ne bil­der angesehen.

nun habe ich ein klei­nes „pro­blem­chen“, wozu ich nichts im netz fin­den konn­te und des­halb wage ich es ein­fach, dich zu fragen 😉

eine kun­din möch­te die im shoo­ting ent­stan­den­den raw datei­en käuf­lich erwerben.
ich fand die­sen wunsch ziem­lich merk­wür­dig und dach­te, sie meint sicher die jpg datei­en. weit gefehlt, sie möch­te tat­säch­lich die raw datei­en auf cd, um damit ein foto­buch zu kre­ieren nach ihren wün­schen und ihrem künst­le­ri­schen anspruch.

nun bin ich etwas rat­los… ver­kauft man sei­ne raw datei­en eigent­lich? das ist ja, als ob man frü­her sei­ne nega­ti­ve aus der hand gege­ben hät­te, was mir nie im traum ein­ge­fal­len wäre. oder ist das im digi­ta­len zeit­al­ter kein so abwe­gi­ger gedan­ke mehr…?

viel­leicht hast du dazu eine idee, einen rat­schlag oder schon mal etwas ver­gleich­ba­res gehört oder gelesen.“

Geldscheine auf die Hand geben

Ich ant­wor­te­te ihr:

Dein ‚Problem‘ kann von zwei Seiten betrach­tet wer­den und in bei­den Fällen ist der Vergleich mit einer RAW-​Datei als (digi­ta­les) Negativ sinnvoll.

Zum einen lie­ferst Du damit Dein Arbeitsmaterial aus, gibst sozu­sa­gen das Negativ und damit die künst­le­ri­sche Kontrolle aus der Hand. Wenn Du das
akzep­tie­ren kannst, fein, dann ver­kau­fe die RAW-​Dateien. Du soll­test nur über­le­gen, ob Du damit leben kannst, wenn der Kunde die RAW-​Dateien even­tu­ell „ver­un­stal­tet“ und Du dafür mit Deinem Namen gera­de ste­hen willst. Oder Du ver­kaufst sie und bestehst dar­auf, dass Dein Name als Fotografin nicht genannt wird.

Auf der ande­ren Seite ist eine RAW-​Datei zwar ein Negativ, aber da es digi­tal ist, gibst Du kein Unikat aus der Hand wie es frü­her der Fall
gewe­sen wäre, son­dern nur eine Kopie. Bis vor einer Weile habe ich mei­nen Models auch immer eine Foto-​CD mit den JPG-​Daten und den RAW-Daten
mit­ge­ge­ben, bis ich irgend­wann gemerkt habe, dass die meis­ten Models mit den unbe­ar­bei­te­ten RAWs nix anfan­gen konnten.

Im Endeffekt liegt die Entscheidung wie­der bei Dir…“

Eine Umfrage unter ca. 250 Fotografen in einem Thread im Model-​Kartei-​Forum ergab, dass ca. 72% der Fotografen die RAW-​Daten nie her­aus­ge­ben, 20% auf Anfrage und 8% immer.

Wie hand­habt ihr das? Aus wel­chen Gründen gebt ihr Eure RAW-​Dateien her­aus oder eben nicht und wie sind die Reaktionen darauf?

Stockfotografie-​News 2010-03-19

Heute gibt es wie­der einen Überblick über die Bewegungen in der welt­wei­ten Bilderbranche. Fangen wir an:

  • Deutsche und öster­rei­chi­sche Kunden der Bildagentur Shutterstock kön­nen ab jetzt neben der Kreditkarte auch mit PayPal bezah­len. Bald soll auch die Zahlung per Bankeinzug mög­lich sein.
  • Roberto Marinello und Amos Struck haben auf der Webseite http://www.microstock-news.com/ einen Überblick über die wich­tigs­ten Blogs und Webseiten der Microstock-​Welt geschaf­fen, ähn­lich wie Foto-​Radar.
  • Lee Torrens und Amos Struck haben mit Microstock Charts eine Webseite geschaf­fen, die bald die Excel-​Tabellen mit wich­ti­gen Umsatz-​Informationen für Stockfotografen ablö­sen soll. Noch gibt es aber eini­ges zu tun.
  • Das Portfolio der Bildagentur Polylooks ist nun auch über i‑picturemaxx verfügbar.
  • Bei John Lund gibt es ein sehr lesens­wer­tes Interview mit dem Stockfoto-​Veteranen Jim Pickerell über die Zukunft der Stockfotografie. Unbedingt lesen.
  • Canon über­ar­bei­tet deren „Profi-​Bereich“ CPS (Canon Professional Service). Dort ange­mel­de­te Fotografen müs­sen sich ab Mitte April neu regis­trie­ren, um wei­ter die Vorteile nut­zen zu können.
  • Nur als Erinnerung: Wer mein Buch „Stockfotografie. Geld ver­die­nen mit eige­nen Fotos“* noch nicht hat, soll­te es sich mal anschau­en. Die bis­he­ri­gen Rezensionen spre­chen für sich.

Wenn ich was Wichtiges ver­ges­sen habe, könnt ihr es ger­ne in den Kommentaren nachtragen.

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