Vor einigen Wochen kündigte Photocase weitreichende Änderungen an, darunter eine Umstellung des Honorarsystems.
Heute wurden nun die Details per Email an die Fotografen bekanntgegeben:
Kai Schneider gibt die Geschäftsführung von Photocase an Dittmar Frohmann und Christopher Kraft ab. Dittmar Frohmann war vorher bei iStock, Fotolia, Getty Images, 500px und Eyeem beschäftigt. Nun soll er die Agentur auf Vordermann bringen. Wie und warum? Dittmar Frohmann erklärt es in der Mail:
„Ich heiße Dittmar Frohmann und habe schon viele Bildagenturen gesehen. Doch hier bei Photocase finde ich das erste Mal ein fast perfektes und vor allem sehr sympathisches Set-Up vor: prima Website, tolle Künstlerportfolios, eine starke Community! Manche Korrekturen sind zwar schon erforderlich, aber das meiste wird hinter den Kulissen stattfinden und deshalb kaum auffallen.
Eine Sache lässt sich allerdings weder verbergen noch schön schminken, daher nennen wir das Kind doch gleich beim Namen: Die finanzielle Schieflage der Firma macht drastische Maßnahmen erforderlich:
Schuldenschnitt
Für alle bis heute nicht ausgezahlten Einnahmen bieten wir 50% an. Diese Maßnahme ist Grundvoraussetzung für das Überleben der Agentur. Ja, alle verlieren 50% der nicht abgerufenen Einnahmen, aber bedenkt bitte auch, wie viel Ihr bislang mit Photocase verdient habt und auch noch verdienen werdet. Das aktuelle Guthaben wird hier angezeigt.
Neues Beteiligungssystem
Bislang zahlen wir bis zu 60 % Beteiligung aus. Das ist nicht nur weit über dem Industriedurchschnitt, sondern angesichts der hohen Kosten für den Betrieb einer Agentur sowie der geplanten Marketingausgaben leider auch nicht realistisch. Es wird stattdessen zukünftig ein erfolgsorientiertes Royalty-System geben, in dem neue Künstler bei 20 % anfangen und dann sukzessive über mehrere Stufen bis zu 50 % Umsatzbeteiligung erhalten.

Für Bestandskünstler werden die Aktivitäten der letzten beiden Jahre nach einem Punktesystem angerechnet, das auf den Verkäufen und der Anzahl der in den letzten zwölf Monaten angenommenen Bildern basiert. Das System beinhaltet neun Stufen, die jeweils einem höheren Anteil entsprechen. Das aktuelle Ranking und der Punktestand werden im Account angezeigt.
Neue Preise
Gleichzeitig senken wir die Rabatte und erhöhen in einem Monat auch noch die Bildpreise – teilweise sogar drastisch, was dann wieder euch, den Urhebern zugute kommt. Niedrigere Beteiligung, aber an einem höheren Preis ergibt in vielen Konstellationen eine attraktivere Ausschüttung pro Bildverkauf.
Beispielrechnung 1 | Alt | Neu |
---|---|---|
Standard-Größe | 15€ | 25€ |
Künstleranteil in % | 50% | 30% |
Künstleranteil in € | 7,50 € | 7,50 € |
Beispielrechnung 2 | Alt | Neu |
---|---|---|
Standard-Größe | 15€ | 25€ |
Nutzung ohne Bildnachweis | 50€ | 100€ |
Bildpreis | 65€ | 125€ |
Künstleranteil in % | 50% | 30% |
Künstleranteil in € | 33€ | 38€ |
Das Zusammenspiel der neuen Bildpreise mit den neuen Royalties
Keine Frage, ich hätte gern als erstes eine positivere Botschaft überbracht. Der Schuldenschnitt ist drastisch und wird sicherlich vielen wehtun, doch er ist notwendig. Nur so lässt sich langfristig der Bestand der Agentur sichern. Die angekündigten Maßnahmen erfordern auch einer Änderung der Upload-Bedingungen. Wer nicht mehr dabei sein will, kann das per E‑Mail mitteilen. Alle Änderungen greifen in vier Wochen, also am 16. Juli 2019. Die Upload-Bedingungen, der Schuldenschnitt und die anderen Änderungen gelten als angenommen, wenn vom Widerspruch keinen Gebrauch gemacht wird.
Ich bitte alle Künstler*innen, uns trotz oder vielleicht sogar wegen obiger Maßnahmen weiter die Treue zu halten.
Photocase bleibt grundsätzlich wie es ist und wird sich zukünftig sogar noch mehr in Richtung Qualität und Premium-Markt bewegen. Wir werden uns internationaler und auch professioneller aufstellen, aktiver in der Vermarktung und noch anspruchsvoller im Repertoire werden. Die Community wird wieder gestärkt, u.a. mit Forumsmoderator*innen, einer Event-Koordinator*in und mehr Teilhabe an der Bildauswahl.
Neue Selektionsstrategie
Nicht zu früh freuen. Die Tür bleibt hart, aber wir werden weniger nach einzelnen Bildern im Heuhaufen suchen, sondern nach Künstler*innen, die dem Photocase-Gedanken und ‑Anspruch entsprechen. Unsere Vision ist es, ein plausibles und attraktives Gegenmodell zu all den beliebigen Stock-Sites zu werden, indem wir ohne Tamtam die gesellschaftliche Vielfalt und ein differenziertes Bild dieser Erde darstellen.“
Das ist eine selten ehrliche Mail mit viel Klartext, der trotz allem für Fotografen eines bedeutet: Weniger Umsatzbeteiligung (bei mir 33%-Kürzung von 45 auf 30%) und eine Halbierung der nicht abgerufenen Einnahmen. Ob diese Maßnahmen, kombiniert mit höheren Bildpreisen den Umsatz der Fotografen und der Agentur sichern werden, bleibt abzuwarten. Ähnliches haben in der Vergangenheit auch Alamy, Pond5, 123rf, Imagebroker und Clipcanvas versucht.
Die Meinungen hier im Forum von Photocase sind durchaus gespalten.
Ob sich wirklich mehr Bilder an den Kunden bringen lassen, wenn man die Preise erhöht?
@Erwin: Die Kunden sind bestimmt ebenso verständnisvoll wie die Fotografen.
Hier wiederhole ich noch einmal meinen Aufruf an Interessenten.
In den letzten Wochen Pond 5 und Alamy, nun PhotoCase. Gegen dieses Ausgequetsche von Lieferanten durch Plattformen müssen wir Lieferanten doch mal ein Kraut finden. Es ist ja nicht so, dass im Bildmarkt kein Geld ist oder immer weniger mit Bildern gearbeitet wird.
Also: Eigen-Initiative – Interessenten meldet Euch!
Eigentlich würde es doch schon reichen, wenn wir unsere Bilder zum Download bereitstellen und eine Lizenzbeweislast per Smart Contract festlegen. Den Smart Contract könnte man glatt in den Metadaten haben. Wer hier einen gültigen „Kauf“ hat, ist auf der sicheren Seite. Und wer hier ein Dublette oder nichts in einem erwarteten Feld hat, sollte das erklären können oder wird nachveranlagt.
Die Software für Smart Contracts ist meines Wissens als Open Source erhältlich. Eine Verifizierung über einen Link zu Ethereum über den Bezahlvorgang kann auch manuell durchgeführt werden. Das ist unreif – eine Gedankenskizze. Aber die Tools für eine schrittweise Unabhängigkeit von den Plattformen und mehr Eigenständigkeit für Medienanbieter sind eigentlich da.
In Utopia stünde natürlich ein Browser, der nicht oder nicht mehr korrekt lizensierte Bilder (z.B. Views abgelaufen, Klickzahl oder „Mietzeit“ beendet – unendliche Möglichkeiten der Steuerung) gar nicht mehr anzeigt. Dafür müssten sich Produzenten wie wir natürlich bei Mozilla, Adobe etc. einsetzen. Ganz hoffnungslos wäre das m.E. nicht.
Aber mit derart unfairen Kommissionen für eine Plattform, die praktisch nur einen Warenkorb und etwas Speicherplatz bereitstellt verliere ich die Lust Medien anzubieten komplett.
Noch dazu bei einem Saftladen wie PhotoCase, der Bilder willkürlich ablehnt und mich wie einen Dödel, dessen Lebenszeit wertlos ist, eben mehrfach zu einer Reviewer-Lotterie einlädt. Nachdem alle Register der Opportunität gezogen wurden, nun die Verständnisleier für … die nächste Zumutung.
Letzter Bash (… ja, ich bin PAPPSATT!!!): was haben wir von einem mit Erfahrungen beim 15%-Kommisionsladen iStock Gutes zu erwarten?
Michael,
als einer der seit genau 20 Jahren seine Bilder ausschließlich über Web direkt an Kunden anbietet (vorher 7 Jahre analog) kann ich ein wenig aus Erfahrung reden. Es geht (im Normalfall) um BILLIG und MENGE. Es ist eigenartig, aber je mehr zig Millionen Bilder eine Agentur hat desto besser. Das die keiner überblicken kann – egal. Dass sie nichts kosten dürfen, klar. Geiz ist Geil. Die Kunden, die dann doch bei einer Makro um einige tausend Euro ein Bild kaufen, sind vernachlässigbar, weil selten.
Wenn man also nicht in einer sehr speziellen Nische tätig ist, sehe ich für einen Versuch heutzutage etwas aufzubauen ehrlich gesagt keine sehr rosigen Zeiten mehr.
Wir dürfen auch nicht vergessen: Es sind für uns „Peanuts-Honorare“. Das schaut im Osten Europas oder ganz anderen Gegenden auf dieser Erde schon ganz anders aus.
Und deswegen werden die großen Agenturen auch in den nächsten Jahren Hunderte Millionen Bilder bekommen. Ob von uns oder woanders – es ist ihnen egal. Sie wissen, dass sie sie bekommen.
Nachtrag: Ein wenig unglücklich formuliert vorher: Seit 20 Jahren verkaufe ich im Internet direkt an Kunden. Seit 2007 aber auch über andere Micros-Makroagenturen.
Erwin, danke für das Feedback.
Deine Punkte sehe ich auch. Wir kommen nicht mehr zu allgemeinen Makropreisen. Das ist im Kern gut so. Ich strebe das auch gar nicht an.
Wir verdanken den Agenturen durchaus einiges: etwa ein einfaches Lizenzprozedere, dass m.E. Teile unseres Marktes erst miterschaffen hat. Zumindest hätte keiner meiner Kunden beim Kauf dreier Bilder jeweils die früher üblichen seitenlangen Vertragsunterlagen je Fotograf inkl. Releases lesen und verstehen wollen. Alleine das hätte jede Lizensierung bei kleinen Web-Visitenkarten zum Erliegen gebracht – unabhängig davon, ob da 1 Cent oder 1000 Euro als Preis gestanden hätte.
Der Umgang mit uns Lieferanten durch einige Plattformen passt mir aber gar nicht. Das ist nur möglich, weil da lediglich Krümel gegen Riesen stehen. Wir haben keine Gewerkschaften, es gibt keinerlei Mitbestimmung etc. In der Industrie wirkt das manchmal wie Vereinsmeierei. Bei Digitalplattformen sieht man doch gelegentlich, dass es problematisch ist, wenn solche „Korrektive“ völlig fehlen. Das ist ja bei Facebook, Airbnb, Twitter, Uber und ganz vielen weiteren solcher Plattformen mittlerweile gut erkennbar.
Jetzt habe ich weder Zeit noch Plan um die ganze Welt zu retten.
Aber für meinen kleinen Medien-Teil hätte ich immerhin eine Skizze. Was mir vorschwebt, geht in Richtung des AdRev-Verfahrens bei Audio-Medien. Dabei geht es etwa um die Einbindung bei YouTube. Für Musik-Schaffende war das so ein ähnliches Grauen wie bei uns die ungefragte Bild-Nutzung. Beim Pond5-Sound-Meeting in Berlin waren auch AdRev-Nutzer, die damit sehr glücklich waren. Immer wenn jemand ein Stück einbindet und das abgespielt wird, gibt es eine Ausschüttung – und keinen Frust mehr wg. unautorisierter Nutzung. Daher stellen die Leute ihre Stücke auch gerne dort rein und freuen sich jetzt über die Verbreitung.
Eine solche automatische Lizensierung mit einem „pay per use“ oder „pay per link“ u.a. Formen ist eigentlich auch bei Bildern und Videos kein Ding der Unmöglichkeit. Und natürlich ist auch dabei wieder die Frage, wer die Hoheit über so eine Plattform haben sollte – am Besten vielleicht die Urheber/Autoren.
Einen weiteren Stock gegen die Stocks zu gründen halte ich für nutzlos. Einen kleinen Bild-Shop kann man natürlich basteln oder – wer einen hat – diesen eben beibehalten. Aber auch das ist eben eine Insellösung. Und natürlich möchte sicher auch niemand seinen kleinen Laden mit dem ganzen Bildschrott vieler Knips-Djangos geflutet sehen. Insofern ist auch eine Art „Bild-Stock-Community“ unrealistisch. Es bliebe aber, dass man seine Bild schlichtweg irgendwo ergooglebar zur Nutzung (je nach eingebettetem Contract) platziert und bei jeder Referenzierung/bei jedem Aufruf eine Microbuchung erfolgt. Eigentlich nicht anders als beim „Mieten“ von Google-Keywords auch. Meinetwegen könnten Google etc. auch die „Inkassostellen“ dafür sein.
Mir schwebt einfach vor, die Hoheit über das gesamte Medien-Geschäft über eine implizit eingebaute Rechteverwaltung- und ‑abrechnung zurück zu den Urhebern zu geben.
Leider bin ich nicht ganz so tief im Thema der Blockchains und Smart Contracts drin, dass ich schon mit Implementierungen glänzen kann. Da wären Mitstreiter schön.
Sobald man einen kleinen Prototypen vorzeigen kann, bin ich sicher, dass man bei Kickstarter Geld für so ein Projekt bekommen kann – oder auch im Rahmen von Innovationsförderung EU-Gelder beantragen kann.
Meiner Meinung macht es wenig Sinn das Rad neu zu erfinden. Es gibt einfach eine Sättigung des Marktes. Egal von welcher Seite man es angeht, das Überangebot bleibt bestehen. Zu Preisen wo nicht mehr viel Spielraum ist.
Ich persönlich tendiere da schon mehr Richtung Auftragsfotografie. Denn wenn ich jetzt das Produktionsvolumen hochdrehe um die Einnahmen bei den Stockfotos zu erhöhen. Dann sind die Einnahmen in drei Jahren ja doch wieder geringer als jetzt, bei viel mehr Aufwand.
Die Party ist vorbei.