Gestern habe ich mir im Backend bei Adobe Stock meine Bestseller der letzten drei Monate angeschaut. Dabei fiel mir auf, dass bei den 100 bestverkauftesten Motiven kein einziges vertikales Bild dabei war. Auf Platz 74 war ein quadratisches Bild, der Rest ausnahmslos horizontal.
Dabei besteht mein Portfolio dort ziemlich genau aus 68,09% horizontalen Bildern, 23,12% vertikalen Bildern und 8,79% quadratischen Bildern (Videos habe ich ausgeklammert, weil diese alle horizontal sind). Statistisch gesehen hätte sich dieses Verhältnis ungefähr in den Verkäufen widerspiegeln müssen, wenn…, nun ja, wenn sich die verschiedenen Bildformate gleich gut verkaufen würden. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall.

Dann schaute ich bei Shutterstock. Hier ergab sich ein ähnliches Bild. Von meinen hundert bestverkauften Bildern in diesem Jahr gab es nur auf Platz 48 und 68 ein vertikales Bild, der Rest waren horizontale Motive.
Nun war mein Ehrgeiz geweckt und ich wollte sehen, ob ich ein Sonderfall bin oder dieses Muster System hat.
Von einer großen internationalen Bildagentur ließ ich mir nur die Bilder des letzten Jahres, wieder ohne Videos, zu verschiedenen Schlagwörtern sortiert nach Ausrichtung anzeigen.
Hier das Ergebnis als Diagramm:

Ihr seht die Ergebnisse für die sieben Suchbegriffe „business, woman, food, christmas, tree, portrait, architecture“ und als letztes die Durchschnittswerte aller sieben Keywords zusammen.
Die ersten Suchbegriffe habe ich willkürlich gewählt, weil diese universelle Bestseller-Suchbegriffe sind. Die Begriffe „tree, portrait, architecture“ waren Vorschläge meiner Facebook-Follower auf die Frage, für welche Begriffe sie am meisten vertikale Ergebnisse erwarten würden.
„Portrait“ war zwar tatsächlich der Suchbegriff von den sieben, bei dem es am meisten vertikale Ergebnisse gab, aber trotzdem verkaufen sich diese genauso schlecht wie die anderen.

Durchschnittlich verkaufen sich die Portraitbilder nur 44% so gut wie es die Häufigkeit nahelegen würde, im Gegensatz zu den horizontalen Bildern, welche sich mit 111% besser verkaufen als die Häufigkeit suggeriert. Selbst die quadratischen Bilder stehen mit 103% deutlich besser da als die vertikalen Motive.
Auch wenn wir uns den jeweiligen Topseller für jeden Suchbegriff anschauen, wird sichtbar, um wie viel besser sich horizontale Bilder verkaufen.

Im Diagramm zeige ich, um wie viel Mal der horizontale Bestseller sich besser verkauft hat als der vertikale Bestseller im gleichen Zeitraum. Spitzenreiter ist hier „food“ mit 24x mehr Verkäufen, am „ausgeglichensten“ ist es tatsächlich noch bei „portrait“ mit 6x mehr Verkäufen. Aber selbst das ist ein beträchtlicher Unterschied.
Woher kommen diese Unterschiede?
Ich vermute verschiedene Gründe für diese starke „Under-Performance“ vertikaler Bilder. Zum einen wurden vertikale Bilder bevorzugt für die Titelseiten von Zeitschriften und Büchern verwendet, beides Bereiche, die in den letzten Jahren starke Auflagenrückgänge zu verzeichnen hatten. Und selbst hier braucht jedes Buch und jede Zeitschrift meist nur ein vertikales Bild für die Titelseite, im Heft- bzw. Buch-Inneren werden ebenfalls lieber horizontale Fotos eingesetzt, weil sie den Lesefluss weniger stören. Das gilt besonders für Webseiten, weil die Computerbildschirmen in der Regel horizontal justiert sind und sich so horizontale Bilder besser ins Layout einpassen.
Einen weiteren Grund sehe ich aber in der Darstellung auf den Bildagenturseiten selbst. Mit dem Verzicht auf quadratische Platzhalter für jedes Bild und der Einführung der dynamischen Layouts bekommen aktuell vertikale Bilder – auch bei identischer Pixelgröße des Originalbilds – viel weniger Thumbnail-Größe als ihre horizontalen Pendants.
Zwei Beispiele: Bei Adobe Stock wird dieses vertikale Bild mit 29x194 Pixel (= 25.026 Pixel) angezeigt, das horizontale daneben mit 291x194 Pixel (=56.454). Die horizontalen Bilder nehmen als mehr als doppelt so viel Fläche ein.

Bei Shutterstock ist es sehr ähnlich: 134x217 Pixel (=29.078 Pixel) für vertikale Bilder gegenüber 306x220 Pixel (= 67.320 Pixel) für horizontale Motive: Ebenfalls mehr als doppelt so viel. Im Vergleich zu Panorama-Formaten verlieren die vertikalen Bilder sogar noch mehr Fläche.

Außerdem fällt es Designern in der Regel oft deutlich leichter, aus einem horizontalen Foto einen vertikalen Ausschnitt zu croppen als andersrum. Bei den heutigen Bildgrößen (meine Canon 5Ds liefert mehr als 50 Megapixel) ist das ja auch problemlos selbst für Printmotive noch möglich.
Was bedeutet das für Fotografen?
Ich habe aus diesen Zahlen für mich die einfache Erkenntnis gezogen: Vertikale Bilder sind tot! Mein Team hat jetzt die Anweisung, vertikale Bilder nur noch in begründeten Ausnahmefällen zu produzieren, ansonsten setzen wir voll auf horizontale Motive.
Wie seht ihr das?
Kann leider das Diagramm nicht anklicken zum vergrößern.
@Daniel: Danke für den Hinweis, habe ich korrigiert.
Auszüge in Quadrat 30cm und Hochformat 7*6 wirken immer noch. Auf dem Bildschirm ist es was anderes.
Sehr spannend. Die Zahlen sprechen ja für sich, aber ich bin trotzdem überrascht, dass das Ergebnis sooo deutlich ist. In den letzten Monaten (und vielleicht 1–2 Jahren) hab‘ ich immer wieder gehört, dass für Instagram und generell für die Anzeige auf Smartphones eher Hochformate genommen werden sollen. Da hätte ich erwartet, dass sich das auch im Kaufverhalten bei Stock wiederfindet und nach und nach die sinkenden Verkäufe für Zeitschriften ersetzt oder zumindest teilweise abfängt. Tut es aber offensichtlich nicht.
Bei mir verkaufen sich horizontale Bilder am besten die sich aber auch sehr gut vertikal schneiden lassen. Das ist für den Kunden einfach und er hat quasi zwei für eins beim Kauf.
Hallo Robert,
bestimmte Motive werde ich weiterhin im Hochformat umsetzen. Einige davon verwende ich allerdings auch als Composing, wodurch wiederum ein Querformat entsteht. Da bei den meisten Bildagenturen Querformate größer angezeigt werden, sind Hochformate oft im Nachteil, da sie kleiner gezeigt werden. Für mich auch der Grund warum ich viele hochformatigen Freisteller als Querformat-Composing anbiete. Bei Adobe gehen die Querformate meist besser. Bei Shutterstock lassen sich aber auch Hochformate gut verkaufen. Habe mal die mir bekannten Printmedien mit Titelbildern meiner Fotos auf Büchern und Wanderkarten angeschaut. Bis auf ein Bild, sind die ursprünglich alle im Querformat 😉 Kommt offenbar stark auf die Darstellung der Bildagenturen an und zum Teil auch auf den Verwendungszweck der Bilder. Wobei man ja meist auch Quer- oder Hochformat bei der Suche filtern kann. Ob das Bildsucher wirklich machen? Keine Ahnung.
LG
Bernd
Sehr interessant. Ohne aussagekräftige eigene Zahlen zu haben, hatte ich die Vermutung auch schon – einfach, weil man im Netz und in Büchern fast nur horizontale Bilder sieht. Danke mal wieder!