Im Juli 2020 kündigte die Bildagentur Panthermedia an, dass sie kostenlose Bilder anbieten wollen, welche sich durch Werbung und andere Quer-Subventionierungen wie zum Beispiel Premium-Mitgliedschaften, Sponsoren und API-Partner-Gebühren finanzieren sollen.
Auf meiner Facebook-Seite habe ich bereits darauf hingewiesen (siehe Link oben) und es gab etliche Kommentare dazu, in denen sich auch der Panthermedia-Geschäftsführer Robert Walters zu Wort meldete.
Er verteidigte sein Vorhaben hier mit diesen Argumenten:
„Märkte ändern sich und es sind die Firmen, die sich anpassen bzw. neue Modelle ermöglichen, die bestehen bleiben. Beispiel Musikindustrie. Gab es damals (zum Nachteil vieler Konsumenten) nur CDs zu kaufen, so bieten die Streaming-Dienste die Musik auch kostenlos an, finanziert durch Werbung oder Premium-Mitgliedschaftsgebühren. Diese Lizenzkette hat sich auch geändert. Ich finde zum Vorteil der Konsumenten. Auf Seiten der Künstler war es sicherlich für einige hart, andere wiederum entdeckten neue Möglichkeiten bekannt zu werden und/oder ihre Kunst zu monetisieren. Wichtig ist es nur, keine Interessensgruppe auszuschließen. Die Musiker werden über spotify/Musikgesellschaften bezahlt. Und wie schaut es da bei unsplash & Co aus?“
In einem weiteren Kommentar schrieb er hier noch:
„Nur wenige % der kostenlos-Downloader sind bereit für Premium-Mitgliedschaften etwas zu bezahlen. Privatleute wohl zu nahezu 100% nicht. Was ich aber zu der Kritik ergänzen möchte ist, dass es neue Wege der Monetarisierung geben wird bzw. schon gibt. Beispielsweise könnte ja die Werbeindustrie dafür bezahlen, ihre Fotos mit ihren Produkten hochzuladen und zu verbreiten (wird ja schon gemacht auf unsplash, z.B. Motorräder oder beauty Produkte). Das machen die Werbetreibenden aber nur auf Plattformen mit entsprechender Reichweite. Und wer hat geholfen die Reichweite aufzubauen? Richtig, die Fotografen. Insofern wäre es doch nur fair den Fotografen auch an den Einnahmen zu beteiligen, oder? Die klassische Lizenzierungskette funktioniert nicht bei Privatleuten. Aber besser als Bilder zu klauen ist es die Bilder legal und kostenlos anzubieten, geponsort durch Dritte. Außerdem finde ich es auch fair im Gegenzug für ein kostenloses Bild ein Werbevideo anzuschauen. Also: jeder verdiente Euro sollte an die Leute gehen, die das ermöglichen. Also neben dem Plattform-Betreiber auch die Content-Lieferanten. Dies ist bei den bisherigen Modellen aber nicht so. Insofern verstehe ich den Unmut einiger Fotografen kostenlose Bilder zur Verfügung zu stellen.“
Wer meinen Blog schon etwas länger verfolgt, weiß, dass ich mich sehr dafür interessiere, wie Firmen mit kostenlosen Inhalten Geld verdienen und habe mir z.B. im Foto-Bereich Angebote wie Unsplash oder Pixabay z.B. hier, hier, hier und hier genauer angeschaut.
Bisher kaum zur Sprache kam im Blog der branchenfremde Musikstreaming-Anbieter Spotify (nur ein Mal vor neun Jahren hier).
Da Herr Walters den direkten Vergleich zwischen dem Geschäftsmodell von Spotify sowie kostenlosen Fotos gezogen hat, wollen wir mal schauen, wo die Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen.
Erst einmal: Üblicherweise ist die komplette Geschäftsausrichtung eine ganz andere: Währen Spotify im „B2C“-Bereich (Business to Customer) tätig ist, arbeiten Bildagenturen in der Regel im „B2B“-Bereich (Business to Business), wenn auch Microstock das aufgrund der geringeren Preise etwas aufgeweicht hat.
B2C bedeutet, dass eine Firma vor allem Geld mit den Endnutzern, normalen Verbrauchern, verdient. B2B bedeutet, dass Firmen ihr Geld mit anderen Firmen (oder Behörden, Vereinen, Stiftungen, etc.) verdienen.
Das ist ein wichtiger Unterschied, weil es oft um andere Verwendungszwecke geht, die andere Preise rechtfertigen.
Aus Konsumenten-Sicht, also aus Sicht der Kunden, ist das Angebot von Spotify durchaus attraktiv: Mit einem kostenlosen Account kann man deren gesamtes Musikangebot hören, wird halt oft von Werbung unterbrochen und die Soundqualität ist geringer als beim bezahlpflichtigen Premium-Account.
Aus Künstler-Sicht sieht es schon weniger rosig aus. Laut diesem Artikel bekommen Musiker bei Spotify ca. $0,003 pro Aufruf, also ca. 1 US-Cent für 3 Aufrufe. Leider ist unklar, ob da schon der Anteil vom Label und Musikverlag abgezogen wurden, vermutlich noch nicht. Im Detail unterscheidet sich die Höhe der Kommissionen noch, je nachdem in welchem Land ein Song abgerufen wurde, ob mehr als die Hälfte vom Song gehört wurde und ob der Nutzer einen Premium-Account besitzt oder nicht.
Bei Nummer-1-Hits, welche viele Millionen Male abgespielt werden und in zahlreichen Playlists auftauchen, lohnt sich das. Für Nischen-Musiker mit einem kleinen Publikum reichen die Einnahmen nicht zum Leben. Der Großteil des Umsatzes wird da durch Konzerttickets und Merchandise wie T‑Shirts etc. verdient. Eine ausführliche Analyse seiner Streaming-Einnahmen bietet der Musiker Benn Jordan im verlinkten Video:
Für Spotify selbst rechnet sich das alles übrigens immer noch nicht. Im Jahr 2020, also noch 14 Jahre nach der Gründung erzielte Spotify pro Tag(!) ca. 2,2 Mio. USD Verlust.
Wie müsste das Angebot der Bilderbranche genutzt werden, damit der Vergleich zu Spotify gerechtfertigt wäre? Ich würde sagen, ähnlich wie bei Pinterest: Wenn dort nur private Nutzer wären, welche sich Bilder ansehen, in Galerien thematisch zusammenstellen und die Bilder anderer Nutzer ansehen etc., dann wäre ein Lizenzmodell analog zu Spotify vorstellbar: Die Gratis-Nutzer sähen dann zwischen den Bildern viel Werbung und die Bilder selbst würden stärker komprimiert als bei Premium-Kunden und die Möglichkeit der Galerie-Erstellung wäre ebenfalls eingeschränkt, wenn mensch keinen Premium-Account nutzt.
Ironischerweise wäre das alles für einen Anbieter wie Pinterest problemlos möglich, aber selbst das wird da nicht genutzt, um die Urheber angemessen zu vergüten. Stattdessen gibt es einige wenige Agenturen wie Getty Images, welche 2013 einen Deal mit Pinterest abschlossen. Dabei wird aber gar nicht die Bildnutzung als solche entlohnt, sondern Pinterest bezahlt Getty für die Metadaten zu den Bildern. Die Honorare für den Fotografen sind bei diesen Summen so gering, dass die Buchhaltungssoftware diese vielen Nullen vor und auch nach dem Komma einfach auf Null rundet und damit die Fotografen weiterhin leer ausgehen. Geld erhält nur die Bildagentur.
Üblicherweise werden Bilder jedoch von anderen Firmen genutzt, um Artikel zu illustrieren, Produkte und Dienstleistungen zu bewerben oder für Kunden attraktiver zu sein. Die Bilder bringen also einen Mehrwert. Warum diese Firmen also nun Bilder gratis erhalten sollten, um damit Geld zu verdienen, erschließt sich mir nicht.
Nun könnte jemand einwenden, dass private Nutzer durchaus gerne Bilder nutzen würden, wenn sie denn gratis verfügbar wären. Das Probem wäre jedoch, dass bisher bei keinem mir bekannten Geschäftsmodell dafür gesorgt wäre, dass Firmen darauf keinen Zugriff hätten. Außerdem gibt es kein Argument, Leuten Bilder zu schenken, nur weil sie nicht bereit sind, diese zu bezahlen. Wenn sie kein Geld für Bilder ausgeben wollen, sollen sie halt keine nutzen. Denn diejenigen, die für diesen schäbigen „Robin Hood“-Promo-Move zahlen sollen, werden letztendlich wie immer im kreativen Bereich die „Content Creators“ sein, hier also die Fotografen.
Robert Walters verglich auch Unsplash mit Spotify, die mit dem Unterschied agieren, dass Unsplash Fotografen einfach gar nicht bezahlt. Inwiefern dann für Konsumenten ein anderes Angebot mit Werbung und/oder Premium-Mitgliedschaften attraktiver als Unsplash sein sollte, ist mir ebenfalls unklar.
Wie in meinem Artikel beschrieben verbrennt auch Unsplash (wie Spotify) vor allem das Geld risikofreudiger Investoren und hat bisher kein tragfähiges Geschäftsmodell entwickelt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch da intern schon Monetarisierungsmöglichkeiten wie Premium-Mitgliedschaften, bezahlten AUP-Anbindungen etc. diskutiert oder ausprobiert wurden.
Die oft so gepriesene „Werbeindustrie“ als Finanzierungsmöglichkeit kostenloser Inhalte wird allein wegen des Mediums „Bild“ deutlich schlechter funktionieren als in anderen Branchen.
YouTube mit seinen Videos eignet sich sehr gut, um kostenlose Inhalte durch Werbung zu finanzieren. Wer ein Video sehen will, muss halt die Werbespots über sich ergehen lassen. Wer hingegen in einer Zeitschrift eine Werbung sieht, kann sie einfach schnell überblättern. Selbst auf Webseiten sind die meisten Nutzer komplett blind für Werbebanner geworden, wenn sie nicht sogar gleich Werbeblocker einsetzen.
Die mangelnde Profitabilität von Spotify führt sogar dazu, dass die Firma etwas trickst, indem bei häufig gehörten Playlists mit wenig markanten Songs (zum Beispiel Playlists zum Einschlafen oder konzentrierten Arbeiten mit dahinplätschernder Piano-Musik) künstlich generierte Songs eingeflochten werden, für welche Spotify keine Tantiemen zahlen muss.
Wenn also Spotify als Paradebeispiel für kostenlose Angebote an Konsumenten dienen soll, sollten sich Fotografen und Illustratoren sehr vorsehen bei der Einführung von Gratis-Bilderdiensten.