Eine der Neuheiten, die auf der Microstock Expo vorgestellt wurden, war der Plan von der PressFoto Group, Bilder per Streaming zu verkaufen.
Wie versprochen will ich darüber heute etwas mehr erzählen. Ich hatte die Gelegenheit, ausführlicher über die Idee des Image-Streaming mit Dmitriy Shironosov, dem Eigentümer der PressFoto Group zu sprechen, der mit dem Dienst „PressFoto Rent“ in diesen Markt einsteigen will. In anderen Medienbereichen hat sich das Streaming schon einen kleinen, aber festen Nischenplatz gesichert. Für Musik gibt es Anbieter wie Spotify, Simfy oder Deezer. Für Filme und Serien gibt es unter anderem Watchever, Netflix, Lovefilm oder Maxdome. Auch über Apples iTunes können Medieninhalte gestreamt werden.

Im Bilderbereich sieht es da deutlich übersichtlicher aus. Getty Images testet das Streaming von passenden Bildern zu Musik und ich bin sicher, im Hintergrund laufen noch mehr Experimente in dieser Richtung. Bei Yaymicro gibt es ebenfalls Pläne in der Richtung, wenn auch bisher nur dezent angedeutet.
Wie funktioniert Bilder-Streaming?
Da die Idee noch nicht in die Praxis umgesetzt wurde, können wir nur vermuten. Hinauslaufen wird es vermutlich auf folgendes: Kunden suchen wie gewohnt ein Bild und legen es in den Einkaufswagen. Wenn sie sich für ein Motiv entschieden haben, können sie es – optional – noch croppen, spiegeln, Farben ändern, Text hinzufügen oder ähnliches. Dann klicken sie auf „Fertig!“ und erhalten einen HTML-Code. Diesen Code-Schnipsel müssen sie an die passende Stelle auf ihrer Webseite einbauen, wo das Bild angezeigt werden soll. Bei jedem Aufruf der Webseite wird dann vom externen Bilder-Server das Bild geladen und mitgezählt, wie oft das Bild angefragt wurde.
Was ändert sich für die Bildkäufer technisch?
Aktuell lädt der Käufer ein Bild auf seinen Computer runter und kann dann mit der JPG-Datei beliebig verfahren. Die meisten laden sie unverändert auf die Webseite hoch. Für diese Kunden würde sich kaum etwas ändern, denn vom Zeitaufwand macht es kaum einen Unterschied, ob man ein Bild in ein Content-Management-System einpflegt oder ein HTML-Schnipsel an die passende Stelle setzt.
Wer als Bildkäufer jedoch gewohnt ist, die Bilder zu beschneiden, zu retuschieren oder zu verändern, muss hoffen, dass die angebotenen Bearbeitungsmöglichkeiten der Streaming-Anbieter ausreichend sind und mindestens genauso komfortabel sind wie die bisherigen Retusche-Möglichkeiten.
Außerdem besteht die Möglichkeit, das bei einer Nicht-Erreichbarkeit des Bilder-Servers die Webseite des Bildnutzers auf einmal ohne Fotos auskommen muss. Das wäre eine ärgerliche Situation.
In den vorigen Kommentaren hier im Blog hat die Leserin Miana darauf hingewiesen, dass Streaming-Bilder auch für die Platzierung in Suchmaschinen von Nachteil seien. Ich bin nicht sicher, ob das wirklich so ist, weil viele große Webseiten ja eigene CDN (Content-Delivery-Networks) haben, wo deren Bilder etc. ebenfalls ausgelagert werden. An dieser Stelle werden diese CDN sogar als vorteilig für die Ladezeiten von Webseiten gelobt, was wiederum das Google-Ranking verbessern solle. Wenn die Server also schneller sind als der eigene Web-Server, wäre das vielleicht sogar von Vorteil statt ein Nachteil.
Fraglich ist auch, was mit den ganzen Crawlern der Suchmaschinen ist, die ständig Webseiten durchforsten und damit auch die Streaming-Bilder aufrufen würden. Im letzten Monat hatte ich allein hier im Blog über 16.000 Aufrufe vom Google-Spiderbot, über 13.000 vom Spider der russischen Suchmaschine Yandex, einige tausend von Sistrix und so weiter. Würden diese eine Art „Grundeinkommen“ für jedes Streaming-Bild erzeugen? Oder würden sie ausgesperrt und damit eben wie oben vermutet dem Suchmaschinen-Ranking schaden?
Was ändert sich für die Bildkäufer finanziell?
Diese Frage interessiert die Bildnutzer als auch die Agenturen und Fotografen sicher am meisten. Im Grund gibt es drei Möglichkeiten: Es bleibt preislich alles wie es ist, es wird teurer oder es wird günstiger. Gehen wir die drei Optionen kurz durch: Wenn der Bildnutzer preislich keinen Vorteil hat, weil alles bleibt, wie es ist, sehe ich keinen Grund, auf das Bilder-Streaming zu wechseln. Wird es für den Bildkunden im Schnitt jedoch günstiger, muss das gesparte Geld irgendwo anders fehlen: Bei der Agentur und (bzw. vermutlich eher oder) den Fotografen. Das wäre für uns Fotografen eine schlechte Variante. Wird es für den Bildkunden im Schnitt jedoch teurer, gibt es aus Sicht der Käufer keinen Grund, zum Streaming zu wechseln. Dimitriy argumentierte mir gegenüber so, dass den Kunden langfristig viele kleine Cent-Beträge weniger auffallen und schmerzen würden als viele Euro im Voraus beim Credit-Kauf wie es aktuell der Fall wäre und sie somit unwissentlich, aber auf lange Sicht doch mehr zahlen würden. Da könnte etwas dran sein, wenn ich mir anschaue, wie viele kostenpflichtige Apps ich mir schon für wenige Cent im iTunes-Store gekauft habe. Aber die großen Kunden werden sehr wohl auf das Geld schauen und Kalkulationen anstellen.
Da der Preis eines Bildes als TKP (Tausender-Kontakt-Preis) berechnet werden soll, also für 1000 Abrufe eines Bildes bezahlt wird, könnte ich mir gut vorstellen, dass die cleveren Kunden dann auf die klickträchtigen Titelstorys lieber traditionell gekaufte Stockfotos platzieren und auf unwichtige Nebenseiten die Streaming-Bilder.
Es gibt noch eine andere Überlegung, die mich skeptisch bleiben lässt. Das „royalty free“-Geschäftsmodell (RF) hat sich gegenüber dem früher vorherrschenden „rights managed“-Modell (RM) so schnell durchgesetzt, weil es preislich deutlich einfacher nachzuvollziehen war. Bei RM wurde der Preis eines Fotos von vielen Faktoren wie Auflagengröße, Exklusivität, Ort, Art und Dauer der Nutzung, Platzierung (Titelseite teurer als im Innenteil etc.) und so weiter bestimmt. bei RF galt: Je Größe ein Preis. Fertig. Mit dem Bilder-Streaming wäre es preislich wieder eine Rolle rückwärts, denn so wissen die Bildkäufer erst nach der tatsächlichen Nutzung des Bildes, wie viel diese gekostet hat. Bei so viel Unsicherheit höre ich schon die Buchhaltung-Abteilungen der großen Verlage aufheulen.
Wertverlagerung der Bilder
Bisher war es ziemlich einfach: Ein Bild wurde dann gekauft, wenn das Motiv und die Suchbegriffe gepasst haben. Im Microstock-Bereich beides Bereiche, die der Fotograf allein zu verantworten hatte. Deshalb kann man sagen: Je besser der Fotograf, desto mehr Bilder hat er verkauft und desto mehr damit auch verdient. Beim Image-Streaming hingegen bemisst sich der Preis eines Bildes an den Aufrufen. Die Aufrufe einer Webseite in einem Blog, auf einer News-Seite oder wo auch immer hängt jedoch nicht von der Qualität des Bildes ab, sondern vom Inhalt oder der Überschrift. Zugespitzt könnte man formulieren: Der Journalist oder Copywriter bestimmt, wie viel der Fotograf verdient. Als Fotograf will ich jedoch für meine Arbeit bezahlt werden, nicht dafür, wie spannend andere journalistische Texte sind.
Hohle Marketing-Versprechen
Eine Mitarbeiterin von PressFoto schrieb mir sinngemäß: Unser Streaming-Service wird garantiert nicht die Verkäufe bei anderen Bildagenturen beeinträchtigen. Erstens richtet sich der Dienst an neue Kunden, die bisher nicht gekauft haben und zweitens ist der Dienst nur für Web-Formate. Davon glaube ich genau die zweite Hälfte. Es ist logisch, dass Streaming nur für Online-Nutzungen funktioniert.
Ich glaube jedoch kein bisschen, dass Streaming für Neukunden interessant ist. Auf der Mexpo trat Dimitriy mit einer Augenklappe als Pirat auf, um darzustellen, dass er die Leute als Kunden im Blick habe, die bisher Bilder im Internet klauen würden. Ich denke jedoch nicht, dass diese Leute das machen, weil sie Streaming vermissen, sondern weil sie keine entweder keine Ahnung haben, dass man für viele Bilder bezahlen muss oder nur keine Lust darauf haben. Dieses Marketing-Versprechen, dass bisherige Umsätze nicht betroffen wären bei der Einführung eines neuen Verkaufsmodells, habe ich schon bei der Einführung der Abo-Modelle nicht geglaubt.
Was sagt ihr um Bilder-Streaming? Was sind aus eurer Sicht die Vor- und Nachteile?
Update 10.12.2013: Im Blog der PressFoto-Group gibt es jetzt hier mehr Details und Screenshots zu sehen. Demnach sollen 1000 Views (1 CPM) ca. 30 Kopeken kosten, also umgerechnet weniger als 1 Euro-Cent.
