Was, schon über ein Jahr keine Rezension mehr geschrieben? Das muss sich ändern. Umso besser passt es, dass mich vor paar Wochen ein kleiner, mir bis dato unbekannter Verlag schrieb und mir ein Buch aus deren Programm empfahl: „Bilder, die ins Herz treffen“* des Kommunikationswissenschaftlers Prof. Dr. Dieter Georg Herbst.
Der Untertitel lautet: „Pressefotos gestalten, PR-Bilder auswählen“. Das überzeugte mich, das Buch in die Hand zu nehmen, denn hier geht es augenscheinlich um die Kundenseite der Fotografie.
Hier geht es nicht darum, wie man „schöne Fotos“ macht, auch nicht darum, wie man „verkäufliche Fotos“ macht, sondern darum, nach welchen Kriterien Fotos von Firmen ausgewählt werden sollten, wenn diese damit maximalen Erfolg haben wollen. Entweder, damit Journalisten die Pressefotos zur Illustration von Artikeln über die Firma nutzen oder um Aufmerksamkeit auf die PR-Fotos des Unternehmens zu lenken.
Auf knapp 200 Seiten erklärt der Marketingexperte erst, wie Bilder vom Auge wahrgenommen werden, wie sie auf uns wirken und wie mit Fotos durch Assoziationen, Bildaufbau und dem passenden Text die gewünschte Idee vermittelt werden kann. Zum Abschluss geht es darum, wie die Bilder im Layout sinnvoll eingesetzt werden und wie der Erfolg kontrolliert werden kann. Abgerundet wird das Hardcover-Buch mit nützlichen Checklisten, anhand derer die Buchinhalte noch mal konkret für vorhandenes Fotomaterial abgeglichen oder Fotografen für neue Aufträge gebrieft werden können.
Die Aussagen im Buch werden alle mit wissenschaftlichen Studien etc. untermauert und es finden sich einige spannende Erkenntnisse. „Widersprechen sich Bild und Text, halten wir die Bilder für wahr, den Text für unwahr“ (Seite 15). Beim kurzen Blick auf eine Werbeanzeige betrachten wir davon 76% der Zeit nur das Bild. Generell ist das ganze Kapitel „Bilder haben viele Vorteile“ (ab Seite 14) perfekt für jeden Fotografen, der einen Kunden oder Bildkäufer davon überzeugen muss, warum es sich lohnt, für gutes Bildmaterial viel Geld auszugeben.
Einer der Grundregeln für gute PR-Bilder ist dem Buch nach, dass Fotos einzigartig sein sollen, aber nicht zu sehr:
„Bekannte, austauschbare Bilder verarbeiten wir schnell, aber sie lösen nichts aus, sie langweilen uns und deshalb ignorieren wir sie. Neue, überraschende Bilder fallen uns dagegen auf, sie regen zum Hinschauen und Verweilen an und aktivieren. Aber: Bilder, die zu stark von der Norm abweichen, stoßen ab.“ (Seite 119).
Stockfotos, vor allem Microstock-Fotos kommen deshalb logischerweise nicht so gut weg im Buch:
„Austauschbare Bilder sind übrigens nicht nur wirkungslos: Sie können sogar schaden. Sehen wir ein Bild, prüft unser Gehirn, ob es das Motiv schon einmal gesehen hat und einordnen kann. Gelingt dies nicht, weil es alle Unternehmen einer Branche verwenden, wird es dem bekanntesten zugeschlagen – meist dem Marktführer.“ (Seite 75)
Das gab mir zu denken: Wäre das nicht sogar ein Grund für die Marktführer einer Branche, auf austauschbares Microstock-Material zu setzen, um via Assoziation auch mit der Werbung von Konkurrenzunternehmen verknüpft zu werden?
Trotzdem finden sich aus Perspektive von (Stock-)Fotografen viele nützliche Tipps im Buch verstreut, um seine Fotos tauglicher für Kunden zu machen, sprich: Sie verkäuflicher zu gestalten. Dazu gehört zum Beispiel, bei der Motivwahl die drei Grundbedürfnisse des Menschen (Sicherheit, Erregung und Autonomie) zu berücksichtigen (mehr dazu im Kapitel 4.2). Dieter Georg Herbst zitiert auch eine Studie, nach der eine Viertel Sekunde reicht, um uns ein genaues Bild eines Menschen zu machen. Zu 92% stimmt dieses Urteil mit dem Ergebnis bei dauerhafter Bildpräsentation überein (Seite 101). Das zeigt, wie wichtig für People-Fotografen die sorgfältige Auswahl der Models ist:
„Beim Urteil über Menschen lassen wir uns von kaum etwas so stark leiten wie von deren Attraktivität. Sie fällt sofort auf. Einen guten Charakter zu erkennen, dauert deutlich länger. Von der Attraktivität schließen wir auf viele weitere Eigenschaften. Attraktiven Menschen schreiben wir eine wahre Flut positiver Eigenschaften zu.“ (Seite 102)
Auch die Wichtigkeit von glänzenden, vollen Haaren bei den Models wird betont (Seite 109), das habe ich bislang manchmal etwas unterschätzt. Dass Text zu Bildern nützlich sein kann, zeigt das Buch in Kapitel 5.3. Einen guten Beweis für das notwendige Zusammenspiel von Wörtern und Bildern liefern diese Pressefotos, die ohne den erklärenden Begleittext manchmal nur halb so markant wirken würden.
Wer sich als Berufsfotograf nicht nur für Bildästhetik, sondern auch für die Bildwirkung interessiert, dem sei dieses Buch* sehr ans Herz gelegt.
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