Schlagwort-Archive: Buchkritik

Rezension: „Bilder, die ins Herz treffen“ von Dieter Georg Herbst

Was, schon über ein Jahr kei­ne Rezension mehr geschrie­ben? Das muss sich ändern. Umso bes­ser passt es, dass mich vor paar Wochen ein klei­ner, mir bis dato unbe­kann­ter Verlag schrieb und mir ein Buch aus deren Programm emp­fahl: „Bilder, die ins Herz tref­fen“* des Kommunikationswissenschaftlers Prof. Dr. Dieter Georg Herbst.

Der Untertitel lau­tet: „Pressefotos gestal­ten, PR-​Bilder aus­wäh­len“. Das über­zeug­te mich, das Buch in die Hand zu neh­men, denn hier geht es augen­schein­lich um die Kundenseite der Fotografie.

Hier geht es nicht dar­um, wie man „schö­ne Fotos“ macht, auch nicht dar­um, wie man „ver­käuf­li­che Fotos“ macht, son­dern dar­um, nach wel­chen Kriterien Fotos von Firmen aus­ge­wählt wer­den soll­ten, wenn die­se damit maxi­ma­len Erfolg haben wol­len. Entweder, damit Journalisten die Pressefotos zur Illustration von Artikeln über die Firma nut­zen oder um Aufmerksamkeit auf die PR-​Fotos des Unternehmens zu lenken.

Auf knapp 200 Seiten erklärt der Marketingexperte erst, wie Bilder vom Auge wahr­ge­nom­men wer­den, wie sie auf uns wir­ken und wie mit Fotos durch Assoziationen, Bildaufbau und dem pas­sen­den Text die gewünsch­te Idee ver­mit­telt wer­den kann. Zum Abschluss geht es dar­um, wie die Bilder im Layout sinn­voll ein­ge­setzt wer­den und wie der Erfolg kon­trol­liert wer­den kann. Abgerundet wird das Hardcover-​Buch mit nütz­li­chen Checklisten, anhand derer die Buchinhalte noch mal kon­kret für vor­han­de­nes Fotomaterial abge­gli­chen oder Fotografen für neue Aufträge gebrieft wer­den können.

Die Aussagen im Buch wer­den alle mit wis­sen­schaft­li­chen Studien etc. unter­mau­ert und es fin­den sich eini­ge span­nen­de Erkenntnisse. „Widersprechen sich Bild und Text, hal­ten wir die Bilder für wahr, den Text für unwahr“ (Seite 15). Beim kur­zen Blick auf eine Werbeanzeige betrach­ten wir davon 76% der Zeit nur das Bild. Generell ist das gan­ze Kapitel „Bilder haben vie­le Vorteile“ (ab Seite 14) per­fekt für jeden Fotografen, der einen Kunden oder Bildkäufer davon über­zeu­gen muss, war­um es sich lohnt, für gutes Bildmaterial viel Geld auszugeben.

Einer der Grundregeln für gute PR-​Bilder ist dem Buch nach, dass Fotos ein­zig­ar­tig sein sol­len, aber nicht zu sehr:

Bekannte, aus­tausch­ba­re Bilder ver­ar­bei­ten wir schnell, aber sie lösen nichts aus, sie lang­wei­len uns und des­halb igno­rie­ren wir sie. Neue, über­ra­schen­de Bilder fal­len uns dage­gen auf, sie regen zum Hinschauen und Verweilen an und akti­vie­ren. Aber: Bilder, die zu stark von der Norm abwei­chen, sto­ßen ab.“ (Seite 119).

Stockfotos, vor allem Microstock-​Fotos kom­men des­halb logi­scher­wei­se nicht so gut weg im Buch:

Austauschbare Bilder sind übri­gens nicht nur wir­kungs­los: Sie kön­nen sogar scha­den. Sehen wir ein Bild, prüft unser Gehirn, ob es das Motiv schon ein­mal gese­hen hat und ein­ord­nen kann. Gelingt dies nicht, weil es alle Unternehmen einer Branche ver­wen­den, wird es dem bekann­tes­ten zuge­schla­gen – meist dem Marktführer.“ (Seite 75)

Das gab mir zu den­ken: Wäre das nicht sogar ein Grund für die Marktführer einer Branche, auf aus­tausch­ba­res Microstock-​Material zu set­zen, um via Assoziation auch mit der Werbung von Konkurrenzunternehmen ver­knüpft zu werden?

Trotzdem fin­den sich aus Perspektive von (Stock-)Fotografen vie­le nütz­li­che Tipps im Buch ver­streut, um sei­ne Fotos taug­li­cher für Kunden zu machen, sprich: Sie ver­käuf­li­cher zu gestal­ten. Dazu gehört zum Beispiel, bei der Motivwahl die drei Grundbedürfnisse des Menschen (Sicherheit, Erregung und Autonomie) zu berück­sich­ti­gen (mehr dazu im Kapitel 4.2). Dieter Georg Herbst zitiert auch eine Studie, nach der eine Viertel Sekunde reicht, um uns ein genau­es Bild eines Menschen zu machen. Zu 92% stimmt die­ses Urteil mit dem Ergebnis bei dau­er­haf­ter Bildpräsentation über­ein (Seite 101). Das zeigt, wie wich­tig für People-​Fotografen die sorg­fäl­ti­ge Auswahl der Models ist:

Beim Urteil über Menschen las­sen wir uns von kaum etwas so stark lei­ten wie von deren Attraktivität. Sie fällt sofort auf. Einen guten Charakter zu erken­nen, dau­ert deut­lich län­ger. Von der Attraktivität schlie­ßen wir auf vie­le wei­te­re Eigenschaften. Attraktiven Menschen schrei­ben wir eine wah­re Flut posi­ti­ver Eigenschaften zu.“ (Seite 102)

Auch die Wichtigkeit von glän­zen­den, vol­len Haaren bei den Models wird betont (Seite 109), das habe ich bis­lang manch­mal etwas unter­schätzt. Dass Text zu Bildern nütz­lich sein kann, zeigt das Buch in Kapitel 5.3. Einen guten Beweis für das not­wen­di­ge Zusammenspiel von Wörtern und Bildern lie­fern die­se Pressefotos, die ohne den erklä­ren­den Begleittext manch­mal nur halb so mar­kant wir­ken würden.

Wer sich als Berufsfotograf nicht nur für Bildästhetik, son­dern auch für die Bildwirkung inter­es­siert, dem sei die­ses Buch* sehr ans Herz gelegt.

* Affiliate

Rezension: „Grafik und Gestaltung. Das umfassende Handbuch“ von Markus Wäger

Ein Buch für Grafiker in einem Blog für Fotografen?

Was sich beim ers­ten Lesen leicht fehl­plat­ziert anhört, passt umso bes­ser, je län­ger ich dar­über nach­den­ke. Deswegen habe ich mich auch ent­schie­den, das Buch „Grafik und Gestaltung. Das umfas­sen­de Handbuch“* von Markus Wäger hier im Blog vor­zu­stel­len, obwohl ich eigent­lich eins der Fotobücher* des Autoren rezen­sie­ren wollte.

Umfassendes Handbuch“ wird der knapp zwei Kilo schwe­re Wälzer im Untertitel genannt und der Verlag über­treibt hier nicht. Auf 620 Seiten erklärt der freie Grafikdesigner aus Österreich alles, was zum Thema „Grafik und Gestaltung“ wich­tig ist. Neben einem Grundsatz-​Kapitel mit ver­schie­de­nen – ele­men­tar wich­ti­gen – Gestaltungsgesetzen sind das vor allem die Oberthemen Form, Farbe, Bild, Schrift und Textsatz, die im Buch behan­delt wer­den. Danach fol­gen Kapitel über Gestaltungsraster, Corporate Design und die Druckvorstufe.

Klingt für Fotografen erst mal nicht so hilf­reich? Im Gegenteil.

Ich gehe davon aus, dass die meis­ten Fotografen, wel­che mei­nen Blog lesen, schon etwas Erfahrung im Umgang mit ihrer Kamera haben und dafür kei­ne Hilfestellung benö­ti­gen. Was eini­gen tech­nisch ver­sier­ten Fotografen jedoch manch­mal fehlt, ist ein tie­fe­res Verständnis für die Gestaltungsregeln, die ein gutes von einem per­fek­ten Foto unter­schei­den. Damit mei­ne ich nicht nur die „Goldener Schnitt“-Regel und was Fotografen mit absicht­lich gesetz­ter Schärfentiefe bewir­ken kön­nen. Das wird im Buch aber auch bespro­chen. Eine gute Gelegenheit, kurz näher auf das Kapitel 4 ein­zu­ge­hen, wel­ches sich mit Bildern und Fotos beschäf­tigt, denn da habe ich im Gegensatz zur Typographie und den unter­schied­li­chen Druckverfahren als Fotograf mehr Ahnung.

Markus Wäger erklärt im Bild-​Kapitel mit vie­len anschau­li­chen Beispielen, war­um Menschen und Blicke auf Fotos wich­tig sind, wie ver­schie­de­ne Anschnitte dem glei­chen Bild ganz ande­re Wirkungen ver­lei­hen kön­nen, was Farben im Bild ver­än­dern und so wei­ter. Auch wenn der Bereich über „Gestaltungsregeln“ nur ca. 30 Seiten des Buchs aus­macht, kann ich die­sen Teil unein­ge­schränkt als hilf­rei­che Fortsetzung des Gestaltungskapitel mei­nes eige­nen Buchs „Stockfotografie“* emp­feh­len.

Die Teile – nein, eigent­lich das gan­ze Buch – ergän­zen sich auch des­halb wun­der­bar, weil Markus Wäger von der „ande­ren Seite“ kommt. Damit mei­ne ich, dass ich mein Buch als Fotoproduzent geschrie­ben habe, also als Hersteller von Stockfotos, wäh­rend Markus als Grafikdesigner eher auf der Kundenseite steht und genau die­se Fotos für sei­ne Arbeit braucht und kauft. Deswegen muss ich bei fast jeder Seite sei­nes Buches schmun­zeln, weil fast alle Fotos im Buch bei Bildagenturen gekauft wur­den und die „Positiv/Negativ“-Beispiele dadurch für Stockfotografen dop­pelt hilf­reich sind. Außerdem beto­ne ich immer wie­der, dass es wich­tig ist, sich als Stockfotograf in sei­ne Kunden hin­ein­den­ken zu kön­nen. Wer lernt, wor­auf Grafikdesigner ach­ten müs­sen, macht fast auto­ma­tisch Fotos, wel­che für die Kunden nütz­li­cher sind.

Während das Bild-​Kapitel für Stockfotografen eher eine Auffrischung sein wird, sind die ande­ren Kapitel das, was das Buch auch für Stockfotografen wert­voll macht. Die klas­si­schen Gestaltungsregeln in Bildern und die ver­schie­de­nen (Wechsel-)Wirkungen von Farben gel­ten ja nicht nur für Zeichnungen oder Grafiken, son­dern eben auch für Fotos, wer­den in die­sem Buch aber in einer Klarheit bebil­dert, wie ich sie in Fotobüchern kaum ange­trof­fen habe.

Der Schriftteil ist nicht ganz so span­nend für Fotografen, aber spä­tes­tens, wenn ein Stockfotograf Foto- und Textelemente in einem Bild kom­bi­nie­ren will, wie ich es hier* oder hier* gemacht habe, wird etwas Wissen über Typographie sehr nütz­lich, weil das dann den Unterschied macht, ob sich das Bild ver­kauft oder nicht. Wer nicht weiß, was „Serifen“ sind und wozu die­se nütz­lich sind, wird schon Schwierigkeiten haben, sich für die pas­sen­de Schriftart zu ent­schei­den. Aber auch wer die Wirkungen von Laufweiten oder Zeilenabstand nicht kennt, kann ein Bild dadurch kaputt­ma­chen. Das glei­che gilt auch für Illustratoren, wel­che mit Text arbei­ten oder für 3D-​Artists, wel­che in ihre Stockfotos wie hier* Schriften ein­bau­en. Auch ganz prak­ti­sche Anwendungsprobleme, wie die Frage, ob und wie man ver­schie­de­ne Schriften mischen kann, wer­den beantwortet.

Und wer sich als Fotograf denkt, er sei krea­tiv genug, um auch sei­ne Visitenkarten, Werbeflyer und Briefköpfe selbst gestal­ten zu kön­nen, lernt im „Corporate Design“-Kapitel, dass mehr dazu­ge­hört, als ein Auge oder eine Kamera als Logo neben sei­nem Namen zu plat­zie­ren, um ein ange­nehm ein­heit­li­ches Erscheinungsbild zu kreieren.

Kurz: Ein emp­feh­lens­wer­tes Buch für Stockfotografen, weil es eben etwas fach­frem­der ist, aber durch die anschau­li­chen Beispielbilder, die kla­re Strukturierung und die leicht humor­vol­len Texte trotz­dem auch für Nicht-​Grafikdesigner ver­ständ­lich und lehr­reich ist. Das Buch „Grafik und Gestaltung“* ist bei Galileo Design erschie­nen und kos­tet 39.90 Euro im Hardcover-Einband.

* Affiliate-​Link

Rezension: „Erfolg als Fotograf“ von Dr. Martina Mettner

Soviel Kontroverse ist sel­ten: Das ers­te Buch „Wie man ein groß­ar­ti­ger Fotograf wird“ pro­vo­zier­te sowohl Lobeshymnen als auch nie­der­schmet­tern­de Verrisse. Dort beschrieb sie, wie Fotos inhalt­lich und gedank­lich struk­tu­riert sein soll­ten, um als guter Fotograf aner­kannt zu werden.

Das zwei­te Buch der Fotografie-​Beraterin beschäf­tigt sich mit dem gan­zen Kram, der nach dem Fotografieren kommt, aber in der Regel sogar mehr Zeit frisst als das Bedienen der Kamera. Warum das so wich­tig ist, erklärt sie gleich am Anfang des Buches: „Ob man als Fotograf erfolg­reich wird oder ist, hängt nicht pri­mär davon ab, wie gut man im Moment ist. Es hängt davon ab, wie geschickt man sei­ne Fähigkeiten ein­setzt, wie klug man sich prä­sen­tiert und wie man sein Talent aus­baut.


Erfolg als Fotograf“* trägt den Untertitel „Wie man sein Können opti­mal prä­sen­tiert“ und erklärt genau das: Wozu brau­che ich einen Business-​Plan? Was soll­te in mei­ne Portfolio-​Mappe? Wie schär­fe ich mein foto­gra­fi­sches Profil? Wie sieht eine gute Webseite von Fotografen aus? Wie soll­ten mei­ne Werbe-​Materialien aus­se­hen? Diese und viel mehr Fragen beant­wor­tet Frau Dr. Mettner sehr aus­führ­lich und kon­kret im Buch.

Dabei scheut sie sich auch nicht, unan­ge­neh­me Wahrheiten poin­tiert aus­zu­spre­chen, die eini­gen Lesern bes­ten­falls ein „Mist, erwischt!“ ent­lo­cken wer­den, schlimms­ten­falls aber wie eine har­te Faust in der Magengrube wir­ken kön­nen. Das sind Sätze wie:

Fotografen, die mei­nen, das Abbilden unver­stell­ter Realität rei­che heu­te noch aus, um damit den eige­nen Lebensunterhalt zu ver­die­nen, haben aller­dings ein Problem. Schon bei der gerings­ten kom­mer­zi­el­len Anforderung erle­ben sie ihr Waterloo. Die Zeiten des Flaneurs mit der Kamera sind lan­ge vor­bei.“ (S. 26)

Oder eine mei­ner Lieblingsstellen über die Auswahl der Fotos für die eige­ne Mappe:

In die Mappe gehö­ren nur Fotos, an denen nichts aus­zu­set­zen ist. Prüfen sie das, indem sie die Fotos jeman­dem zei­gen, den sie für kri­tisch hal­ten. Wie reagie­ren sie, wenn die­ser Jemand län­ger auf ein Foto guckt, ohne etwas zu sagen? Falls sie dann den Impuls ver­spü­ren oder ihm sogar nach­ge­ben und sagen:
‚Ja, das Licht, da woll­te ich mal was ande­res aus­pro­bie­ren…‘ oder:
‚Das Model hat­te lei­der kei­ne pas­sen­den Schuhe“ oder:
‚Also die Farben sind Absicht‘ oder:
‚Gut, da hat­te ich nicht die pas­sen­de Brennweite dabei, das ist hier etwas zu sehr ange­schnit­ten‘ oder:
‚Bei dem Foto hat­te ich noch kei­ne Zeit, die end­gül­ti­ge Bildbearbeitung zu machen‘.
Alles raus! Nichts, wobei sie irgend­was recht­fer­ti­gen oder erklä­ren müss­ten, gehört in die Mappe. Machen sie’s neu. Das ist ihr Beruf!“

Sehr gelun­gen und wirk­lich prak­tisch hilf­reich fin­de ich die Beispiele, wie Fotrografen ihr Webseiten-​Profil schär­fen kön­nen, indem sie von 6, 8 oder mehr foto­gra­fi­schen Kategorien wie People, Landschaft, Makro, Event, Editorial, Stills usw. kon­re­quent die weg­strei­chen, die sie nicht bedie­nen können.

Dr. Mettner wählt oft har­te, aber ehr­li­che Worte und das ist genau das, was auch Foto-​Profis brau­chen, um sich wei­ter ent­wi­ckeln zu kön­nen. Es hilft nicht, die Schuld für feh­len­de Aufträge bei ande­ren zu suchen, sei­en es Hobby-​Fotografen, böse Art Buyer, preis­gei­le Kunden oder aggres­si­ve Mitbewerber. Wer sich mal rich­tig den Kopf waschen las­sen will und neben­bei vie­le prak­ti­sche Tipps bekom­men will, wie er sich als Fotograf bes­ser prä­sen­tie­ren kann, dem emp­feh­le ich aus­drück­lich die­ses Buch. Und das sage ich nicht nur, weil sie mich auf Seite 144 lobend (und in einem Atemzug mit Yuri Arcurs) erwähnt… 🙂

Wer sich noch unsi­cher ist, fin­det hier eine Leseprobe und das Inhaltsverzeichnis.

Welche Bücher lest ihr, um euch foto­gra­fisch weiterzuentwickeln?


* Affiliate-​Link

Rezension: „Modelfotograf werden“ von Jamari Lior

Oft bekom­me ich Anfragen von jun­gen Fotografen: „Wie machst du das mit den Models?“, „Woher bekommst du dei­ne Models“, „Wie gehst du mit denen um?“ Mich irrie­ren die­se Fragen oft, weil es mitt­ler­wei­le so selbst­ver­ständ­lich gewor­den ist, Menschen zu foto­gra­fie­ren, dass ich es, glau­be ich, schwie­ri­ger fän­de, ein Auto gut abzu­lich­ten als eine Familie mit drei Kindern und einem Hund.

Deswegen ist es ganz gut, dass jetzt das Buch „Modelfotograf wer­den“* von Jamari Lior erschie­nen ist. Jamari war selbst jah­re­lang Model, bevor sie die Seiten gewech­selt hat und jetzt knall­bun­te, oft mär­chen­haf­te, bezau­bern­de Fotos erstellt. Genau mein Geschmack. Einen lesens­wer­ten Blog hat sie übri­gens auch.

Das Buch hat nur sechs Kapitel, die sich ins­ge­samt jedoch über 220 Seiten erstre­cken. In den ers­ten bei­den Kapiteln wird der Einstieg abge­han­delt. Was für Arten von Modelfotografie (Beauty, Lifestyle, Akt, etc.) gibt es, was soll­te ein Modelfotograf schon kön­nen und wel­che Vor- und Nachteile hat die­se Art der Fotografie. Welchen Künsternamen und was für ein Logo soll­te ich mir suchen? Sehr aus­führ­lich wird auch das ers­te Shooting durch­ge­gan­gen, was beson­ders für Anfänger inter­es­sant ist. Gut beschreibt sie auch die Verantwortung, wel­che auf einem Fotografen lastet:

Sie als Fotograf haben in man­cher Hinsicht eine undank­ba­re Rolle beim Shooting. Wenn ein Bild gut wird, erhält in den Communites oft das Model das größ­te Lob. Dann heißt es ‚Wow, was bist du für ein schö­nes Modell!‘ Wenn Ihnen jedoch ein Bild nicht so gelingt, ern­ten Sie die größ­te Kritik.“

Im drit­ten Kapitel geht Jamari Lior auf die Vor- und Nachteile ver­schie­de­ner Requisiten und Accessoires ein, beschreibt mög­li­che Shooting-Locations und ihre Merkmale und erklärt im fol­gen­den Kapitel, wie bei­des für wel­che Themenbereiche opti­mal genutzt wer­den kann und was für Posen oder Anweisungen an Models hilf­reich sind oder nicht.

Die letz­ten bei­den Kapitel behan­deln eher die Business-Seite. Wie gehe ich mit Absagen um? Wie viel zah­le ich einem Model? Was muss ich recht­lich beach­ten? Sie gibt Tipps für die Geschäftsausstattung und wie Fotografen mit Kritik oder Kundenwünschen umge­hen sollten.

Wie die meis­ten Bücher rich­tet es sich an Anfänger, die noch nie ein Model foto­gra­fiert haben oder bis­her nur paar Mal ihre Freundin oder Freunde abge­lich­tet haben. Diese Fotografen wer­den sehr vie­le Informationen aus dem Buch zie­hen kön­nen und für die ist es auf jeden Fall eine Empfehlung!

Jedoch darf ein Leser nicht erwar­ten, dass er nach dem Buch sofort in der Lage ist, die­se wun­der­hüb­schen Beispielbilder aus dem Buch nach­ma­chen zu kön­nen. Da gehört auch viel Zeit und Photoshopping dazu, was im Buch nur kurz auf ca. fünf Seiten behan­delt wird. Außerdem zei­gen sowohl die Beispielfotos als auch die Erklärungen im Buch, dass Jamari Lior häu­fig Subkulturen wie Gothics, Lolitas oder Cosplayer foto­gra­fiert und sehr fan­ta­sie­be­ton­te Bilder macht. In die­sen Bereichen kann sie des­halb aus­führ­li­che Tipps geben.

Klassische Lifestyle-​Themen, wie sie vor allem in der Stockfotografie bevor­zugt wer­den, kom­men im Buch etwas kür­zer weg und auch eini­ge ihrer Business-​Tipps las­sen mich eher schmun­zeln. Zum Beispiel glau­be ich nicht, dass einem ein Friseur, denn man beim Klau der eige­nen Bilder erwischt hat, in Zukunft kos­ten­los die Haare der Models sty­len wird, wie auf Seite 57 vor­ge­schla­gen. Auch die für Fotoaufnahmen erfor­der­li­chen Eigentumsfreigaben bei Locations in Privatbesitz wie Friedhöfen oder Lagerhallen wer­den eher als optio­nal denn als obli­ga­to­risch verstanden.

Von die­sen Details abge­se­hen ist das Buch aber ein guter Einstieg in die People-Fotografie.


* Affiliate-​Link (Ich erhal­te eine klei­ne Provision beim Kauf, ihr habt kei­ne Nachteile dadurch)

Rezension: „Eins zu hundert“ von Achim Dunker

Der Titel ist kryp­tisch. Genau wie beim Buch „Die chi­ne­si­sche Sonne scheint immer von unten“ des glei­chen Autors, wel­ches ich hier im Blog in den höchs­ten Tönen gelobt habe. Deshalb lag es nahe, zu schau­en, ob auch das aktu­el­le Buch „Eins zu hun­dert“* des Filmemachers Achim Dunker auf dem glei­chen Niveau liegt.

Der Untertitel erklärt wie­der genau­er, wor­um es geht: „Die Möglichkeiten der Kameragestaltung“. Damit knüpft das Buch naht­los an „die chi­ne­si­sche Sonne“ an, wel­che die Gestaltung mit Licht und Schatten im Film erklärt.

Im Detail wer­den ver­schie­de­ne Einstellungsgrößen (Totale, Halbnah, Großaufnahme, etc.), Bildformate, Seitenverhältnisse und ihre Wirkungen erläu­tert, die Unterschiede zwi­schen Kamerafahrt und Zoom und – ganz span­nend – doch noch etwas Lichttheorie. Wie lässt sich das Licht in der Malerei von Rembrandt, Vermeer oder Caravaggio oder simp­les Kerzenlicht am bes­ten fil­men umsetzen?

Das Ganze ist in einer kla­ren, ver­ständ­li­chen Sprache geschrie­ben, deren Erklärungen jedoch merk­lich immer in der Praxis ver­an­kert sind. Abgerundet wird das Buch durch vie­le Interviews mit Kameramännern oder Beleuchtern, die zum Beispiel für Produktionen wie „Harry Potter 5“ oder „Slumdog Millionaire“ ver­ant­wort­lich waren.

Warum lese ich als Fotograf jetzt wie­der ein Buch über das Filmen? Wiederholt hieß es hier und an ande­ren Stellen, dass Videos immer mehr Fotos ver­drän­gen wer­den und Fotografen sich dar­auf ein­stel­len müs­sen. Es gibt zwar vie­le Bücher, die sich spe­zi­ell mit den Filmfunktionen der DSLR-​Kameras beschäf­ti­gen, oft sind die­se jedoch von Fotografen im Stile einer aus­führ­li­che­ren Bedienungsanleitung geschrie­ben: Auf die tech­ni­schen Aspekte beschränkt und ohne die Erfahrungen, die man nur durch jah­re­lan­ge Arbeit mit Filmteams gewin­nen kann.

Genau die­se Aspekte beherr­schen die Bücher von Dunker. Es gibt wenig Erklärungen über Kameratypen, Objektive, Tasten und Schalter, son­dern vie­le Hinweise, wie die vor­han­de­ne Technik krea­tiv ein­ge­setzt wer­den kann. Zum Beispiel banal klin­gen­de Dinge, die mir noch nicht so bewusst waren: Wie die Tipps zum Schnitt, dass sich ver­schie­de­ne Großaufnahmen sehr leicht hin­ter­ein­an­der mon­tie­ren las­sen, das bei meh­re­ren Totalen hin­ter­ein­an­der jedoch schwie­rig ist. Oder dass bei Personenaufnahmen beim Wechsel von einer weit­wink­li­gen Ansicht in eine Großaufnahme die Kamera ca. 10–15 Grad seit­lich ver­scho­ben wer­den soll­te, weil das Bild für den Zuschauer dann plas­ti­scher wirkt.

Auch eini­ge inter­es­san­te Anekdoten fin­den Platz: Während Stockfotografen dem Sprichwort „Ein Bild sagt mehr als tau­send Worte“ eher zustim­men wür­den, lie­fert Duncker die gegen­tei­li­ge These, weil der Tonfilm den Stummfilm kom­plett aus­ster­ben ließ. Oder wuss­tet ihr, dass das Genie Leonardo da Vinci auch schon die Kante zwi­schen Licht und Schatten (in der Fotografie auch als Lichtdynamik-​Kante bezeich­net) beschrie­ben hat?

Mir wur­de übri­gens schon vor­ge­wor­fen, ich hät­te die Lektionen sei­nes ers­ten Buches in mei­nen aktu­el­len Fotos nicht beher­zigt. Genau genom­men ist das kein Wunder, denn allein die vie­len als Beispiele erwähn­ten Filme, die Duncker in sei­nen Büchern nennt (und von denen die meis­ten wirk­lich Klassiker sind, die man mit ana­ly­ti­schem Auge gese­hen haben soll­te), wür­den Wochen im hei­mi­schen Sessel in Anspruch nehmen.

Für Leute, die mit ihrer Kamera (egal ob DSLR, Camcorder oder Handy) mehr als nur Schnappschüsse fil­men wol­len, kann ich auch das Buch „eins zu hun­dert“ bedin­gungs­los empfehlen.


* Affiliate-​Link