Der Titel ist kryptisch. Genau wie beim Buch „Die chinesische Sonne scheint immer von unten“ des gleichen Autors, welches ich hier im Blog in den höchsten Tönen gelobt habe. Deshalb lag es nahe, zu schauen, ob auch das aktuelle Buch „Eins zu hundert“* des Filmemachers Achim Dunker auf dem gleichen Niveau liegt.
Der Untertitel erklärt wieder genauer, worum es geht: „Die Möglichkeiten der Kameragestaltung“. Damit knüpft das Buch nahtlos an „die chinesische Sonne“ an, welche die Gestaltung mit Licht und Schatten im Film erklärt.

Im Detail werden verschiedene Einstellungsgrößen (Totale, Halbnah, Großaufnahme, etc.), Bildformate, Seitenverhältnisse und ihre Wirkungen erläutert, die Unterschiede zwischen Kamerafahrt und Zoom und – ganz spannend – doch noch etwas Lichttheorie. Wie lässt sich das Licht in der Malerei von Rembrandt, Vermeer oder Caravaggio oder simples Kerzenlicht am besten filmen umsetzen?
Das Ganze ist in einer klaren, verständlichen Sprache geschrieben, deren Erklärungen jedoch merklich immer in der Praxis verankert sind. Abgerundet wird das Buch durch viele Interviews mit Kameramännern oder Beleuchtern, die zum Beispiel für Produktionen wie „Harry Potter 5“ oder „Slumdog Millionaire“ verantwortlich waren.
Warum lese ich als Fotograf jetzt wieder ein Buch über das Filmen? Wiederholt hieß es hier und an anderen Stellen, dass Videos immer mehr Fotos verdrängen werden und Fotografen sich darauf einstellen müssen. Es gibt zwar viele Bücher, die sich speziell mit den Filmfunktionen der DSLR-Kameras beschäftigen, oft sind diese jedoch von Fotografen im Stile einer ausführlicheren Bedienungsanleitung geschrieben: Auf die technischen Aspekte beschränkt und ohne die Erfahrungen, die man nur durch jahrelange Arbeit mit Filmteams gewinnen kann.
Genau diese Aspekte beherrschen die Bücher von Dunker. Es gibt wenig Erklärungen über Kameratypen, Objektive, Tasten und Schalter, sondern viele Hinweise, wie die vorhandene Technik kreativ eingesetzt werden kann. Zum Beispiel banal klingende Dinge, die mir noch nicht so bewusst waren: Wie die Tipps zum Schnitt, dass sich verschiedene Großaufnahmen sehr leicht hintereinander montieren lassen, das bei mehreren Totalen hintereinander jedoch schwierig ist. Oder dass bei Personenaufnahmen beim Wechsel von einer weitwinkligen Ansicht in eine Großaufnahme die Kamera ca. 10–15 Grad seitlich verschoben werden sollte, weil das Bild für den Zuschauer dann plastischer wirkt.
Auch einige interessante Anekdoten finden Platz: Während Stockfotografen dem Sprichwort „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ eher zustimmen würden, liefert Duncker die gegenteilige These, weil der Tonfilm den Stummfilm komplett aussterben ließ. Oder wusstet ihr, dass das Genie Leonardo da Vinci auch schon die Kante zwischen Licht und Schatten (in der Fotografie auch als Lichtdynamik-Kante bezeichnet) beschrieben hat?
Mir wurde übrigens schon vorgeworfen, ich hätte die Lektionen seines ersten Buches in meinen aktuellen Fotos nicht beherzigt. Genau genommen ist das kein Wunder, denn allein die vielen als Beispiele erwähnten Filme, die Duncker in seinen Büchern nennt (und von denen die meisten wirklich Klassiker sind, die man mit analytischem Auge gesehen haben sollte), würden Wochen im heimischen Sessel in Anspruch nehmen.
Für Leute, die mit ihrer Kamera (egal ob DSLR, Camcorder oder Handy) mehr als nur Schnappschüsse filmen wollen, kann ich auch das Buch „eins zu hundert“ bedingungslos empfehlen.

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