Puristen sagen: „Nach dem Druck auf den Auslöser ist das Foto fertig“. Puristen werden kaum Stockfotos verkaufen. Eine Nachbearbeitung, die nicht unbedingt sichtbar ist, aber das Bild trotzdem schöner macht, ist bei den meisten Fotos unabdingbar. Vor allem im Bereich der werblichen Stockfotografie, in der glückliche, schöne Menschen gefragt sind, muss manchmal nachgeholfen werden, um Pickel zu entfernen, Augenringe abzuschwächen, Zähne zu weißen oder die Augen strahlender zu machen.
Wer will, kann sich im Internet zu jedem Thema einzelne Tutorials suchen, die mehr oder weniger Erfolg bringen. Oder man kann sich das Buch „Porträts gekonnt retuschieren mit Photoshop“ (dpunkt.Verlag, ISBN 978–3‑89864–499‑0) durchlesen. Dort beschreibt der Dozent des Photo- und Medienforum Kiel Matthias Matthai, wie diese makellosen Schönheiten zustande kommen, die wir aus den Hochglanzzeitschriften kennen.
Das Buch ist logisch aufgebaut und führt nacheinander durch die einzelnen Schritte. Zuerst werden die Grundlagen gelegt, indem die wichtigsten Photoshop-Funktionen wie Ebenenmasken, Einstellungsebenen, Schnittmasken, Smart-Objekte und Kanäle vorgestellt werden. Danach folgt ein kurzer Exkurs in die Attraktivitätsforschung, um Kriterien kennenzulernen, die Menschen „schön“ wirken lassen.
Nach einem kurzen Überblick über den Arbeitsablauf einer typischen Retusche werden die einzelnen Schritte wie das Verformen des Körpers, das Glätten der Haut, Zupfen der Augenbrauen, Verbessern der Lippen und so weiter detailliert dargestellt. Oft werden für bestimmte Ergebnisse mehrere Methoden vorgestellt und die Ergebnisse miteinander verglichen.
Die Beispielfotos im Buch erfüllen gut ihren Zweck, auch wenn ich bei einigen Vergleichen mit bestem Willen keine Unterschiede erkennen konnte (z.B. Abbildung 5–14). Die geballten Informationen im Buch können auf Amateure, die ihr erstes Beauty-Foto bearbeiten wollen, sicher abschrecken. Durch die logische Kapitelaufteilung ist es aber möglich und sicher für den Lernerfolg hilfreicher, nur ein Kapitel am Stück zu lesen und gleich danach auszuprobieren.
Auch ich, der seit Jahren fast täglich Gesichter retuschiert, habe noch einige Tricks und Kniffe lernen können, zum Beispiel wie wichtig es ist, einzelne Haare zu entfernen, dass der Winkelwert nach dem Messen mit dem Lineal-Werkzeug durch die Funktion „Arbeitsfläche drehen“ übernommen wird, um Fotos gerade auszurichten oder wie die Augenfarbe effektiv geändert werden kann. Außerdem hat mir das Buch geholfen, viele Photoshop-Funktionen, die ich bisher nur intuitiv genutzt habe, besser in ihrer Arbeitsweise zu verstehen.
Insgesamt richtet sich das Buch jedoch eher an Beauty-Fotografen, die auch die Zeit haben, umfangreiche und aufwändige Retuschearbeiten umzusetzen oder sich dafür einfach bezahlen lassen. Für Stockfotografen sind eher die Kapitel hilfreich, welche sich mit Retuschen im Gesicht auseinandersetzen. Ganze Körperkorrekturen (größere Brüste, schmalere Hüften, knackigerer Po) sind selten notwendig. Aber wenn, weiß ich nun, wo die Tipps dafür stehen.
Bisherige Rezensionen:
“Food Styling For Photographers” von Linda Bellingham und Jean Ann Bybee
“Microstock Photography. How To Make Money From Your Digital Images” von Douglas Freer
“Wie sie mit eigenen Fotos Geld verdienen” von Helma Spona
“Fotos sehen, verstehen, gestalten” von Martin Schuster
“Mit eigenen Fotos Geld verdienen” von Lee Frost