Gestern hat die größte Bildagentur der Welt, Getty Images, die Plattform Unsplash zu einem nicht näher benannten Betrag gekauft.
Unsplash ist eine Webseite, welche ca. 2,7 Mio kostenlose Bilder zum Download anbietet und damit über 100 Mio. Gratis-Downloads im Monat generiert.
Laut dem offiziellen FAQ und dem Blogpost zur Übernahme soll sich sowohl für Bildnutzer als auch für Fotografen erst mal nichts ändern:
„This is not one of those tech acquisitions where the company is bought to be shut down. Unsplash will continue to operate as a standalone brand and division of Getty Images. The entire Unsplash team will be staying and building Unsplash in the direction we have been. The main difference now is we have access to the resources and experience of Getty Images to help accelerate our plans to create the world’s most useful visual asset library.“
Mit anderen Worten: Getty Images soll Unsplash helfen, mehr Gratis-Bilder zu verteilen? Wer’s glaubt, wird selig. Aber halten wir uns an bekannte Fakten.
Zu welchem Zeitpunkt kam die Übernahme?
Wie in diesem Artikel vorgerechnet verbrennt Unsplash seit Jahren regelmäßig Geld und wird hauptsächlich durch Finanzinvestoren am Leben gehalten. Diese sind nach der Übernahme vermutlich mit Gewinn aus der Sache rausgekommen.
Während bisher die monatlichen Downloads bei Unsplash stiegen und stiegen, haben diese seit ca. einem halben Jahr ein Plateau erreicht und sinken wieder: Von ca. 113 Mio. Gratis-Downloads im November 2020 auf ca. 105 Mio. Downloads im März 2021. Das sind immer noch wahnsinnig hohe Zahlen, verglichen zum Beispiel mit den ca. 15 Mio. monatlichen bezahlten Downloads von Shutterstock im Jahr 2020.
Trotzdem hat Unsplash einen Rückgang der Downloads um ca. 7% vorzuweisen, und damit eine negative Kennzahl, die Finanzinvestoren gar nicht mögen.
Positionierung von Getty Images durch die Unsplash-Übernahme
Die beiden größten Konkurrenten von Getty Images, Adobe Stock und Shutterstock, haben einige Vorteile, welche Getty bisher nicht gut ausgleichen konnte.
Bei Adobe Stock wäre das eine professionelle Kollektion von Gratis-Bildern, Shutterstock hat eine gut funktionierende und finanziell lukrative API (Datenbankanbindung an das Portfolio).
Mit der Unsplash-Übernahme hat Getty Images nun plötzlich ein deutlich größeres Angebot an Gratis-Bildern, mit denen Getty nun versuchen kann, durch Upselling neue Käuferschichten zu erschließen. Die Motivvielfalt ist zwar deutlich geringer als bei der kostenlosen Adobe Stock Kollektion, dafür muss Getty die Fotografen im Gegensatz zu Adobe auch nicht bezahlen. (Ironischerweise wurde sogar das ImageGrid Layout von Getty Images mit Unsplash-Bildern getestet.)
So ist es wohl auch kein Zufall, dass nur zwei Wochen vor der Übernahme durch Getty Images keine Unsplash-Fotos mehr via API in der Adobe App „Spark Post“ genutzt werden können.
Die API ist ja auch der deutlich spannendere Teil des Einkaufs: Mit einem Schlag hat Getty Images Zugriff auf über 11.000 API-Apps mit über 8,5 Milliarden (!) API-Zugriffen pro Monat.
Unter den Unsplash API-Nutzern sind so bekannte und finanzstarke Firmen wie Dropbox, BuzzFeed, Wix, WeTransfer, Zoom, Mailchimp und viele andere. Diese könnten sich durchaus auch einen bezahlten API-Zugriff leisten.
Dazu ein spannendes Rechenbeispiel: Würde Getty Images die API-Zugriffe monetarisieren und dabei 1) die Hälfte der API-Zugriffe verlieren (bleiben ca. 4,35 Mrd. Zugriffe) und nur ein Zehntel des günstigsten Shutterstock-Preises pro API-Abruf (0,182 USD statt 1,82 USD) verlangen, blieben pro Monat immer noch ca. 791 Mio. USD Umsatz.
Selbst wenn wir anders rechnen würden, und Getty für jeden API-Zugriff nur 1 US-Cent berechnen würde, wären das auch noch über 8,7 Mio. USD Umsatz pro Monat. Zum Vergleich: Shutterstock erzielt knapp 24 Mio. USD Umsatz pro Monat.
Welche Änderungen werden kommen?
Offiziell soll sich bei Unsplash nichts ändern, aber wer das glaubt, muss schon sehr naiv sein. Immerhin gab es schon mal die Übernahme einer Gratis-Bilderplattform durch Getty Images. 2009 übernahm Getty die HAAP Media Ltd. mit der Bildagentur Stockxpert sowie der Gratis-Plattoform Stock xchng, welche daraufhin schnell zu iStock weitergeleitet wurde. 2014 wurde Stockxchng zu freeimages.com umbenannt und fungiert als spärlich gepflegtes Lockmittel für neue Kunden.
Wer Unsplash bisher als Bildnutzer besucht hat, sollte sich einige wichtige Fragen stellen, welche die Bildbeschaffer hier aufgeführt haben.
Auch unter den Fotografen, welche Unsplash bisher beliefert haben, gibt es nicht nur Glückwünsche zur Übernahme, sondern auch kritische Stimmen, die mit ihren kostenlosen Fotos keine Firma wie Getty subventionieren wollen:
Unsplash selbst betont ständig, dass durch die Übernahme Bereiche wie „Unsplash Hire“, also eine Auftragsvermittlung für Fotografen, gestärkt werden könnten. Übersetzt wird das aber vermutlich nur heißen: Die besten Unsplash-Fotografen dürfen auch für Getty fotografieren.
Ich sehe das Engagement von Getty Images zwiegespalten: Einerseits hat Getty Images keinen gute Erfolgsbilanz, wenn es um die Umsätze von Fotografen geht. Andererseits hatte Unsplash das noch viel weniger, insofern finde ich dieses Zitat eines Getty-Fotografen sehr passend:
„Getty knows how to destroy things. Now they will destroy a bad thing.“
Wie seht ihr das?
Vorab: Weder verkaufe ich bei Getty oder Unsplash, noch kaufe ich dort. Daher fehlt mir die direkte Erfahrung. Aber: Bei Pixabay sind die kostenlosen Bilder ein Lockmittel, um dann letztendlich doch Lizenzen zu verkaufen. Das ist m. E. keine schlechte Herangehensweise. Gerade wenn man nicht den Anspruch hat, ALLE Nutzer zu einer gekauften Lizenz zu bewegen, sondern sich auf die Nutzer konzentriert, die zum KAUF bereit sind.
Bei Adobe verhält es sich etwas anders, da dort die Bilder auch Teil eines Gesamtprodukts sind. Ich glaube, Stock muss sich bei Adobe nicht unbedingt rechnen, sofern es als Kaufanreiz für das Gesamtpaket funktioniert. Oder?
Hi Robert.
Dank Dir für die Zahlen!
Für unsere Kunden ist ja wichtig:
Bislang lief wohl alles noch so grad gut, wenn es um unsplash Bilder in der Werbung ging. Bis auf ein paar Kampagnen mit not-model-released Models… Jetzt ändern sich bestimmt wieder die Spielregeln und wer unsplash Bilder veröffentlicht, sollte später mal – wenn es kritisch werden sollte – beweisen können, dass das Bild von unsplash kam (kann ja jeder behaupten). Zauberwort Lizenz-Dokumentation. Da wird sicher niemand dran denken, nicht nur das Bild runterzuladen, sondern auch zu dokumentieren, woher das Bild kam…
Kostenlos ist nicht einfach. Und Spielwiesen sind keine Ruheräume. So sieht das ein Bildbeschaffer 😉
@Klaus: Ja, das siehst Du grundsätzlich richtig, wobei auch bei Adobe Stock kein Zuschussgeschäft sein sollte (und sehr wahrscheinlich auch nicht ist)
Ich frage mich eher wieviel Unsplash mit der Übernahme verdient hat – denn im gegensatz zu den Fotografen die mit „Luft und Liebe“ bedient weden, dürfte dies sich hier in harten Dollarnoten gelohnt haben.
Die API scheint ja nach deiner Berechnung ein besseres Geschäftsmodel zu sein als die „normale“ Getty / istock Bildagentur.
Wobei ich da etwas skeptisch bin. In unserem Konzern (Technologie Sparte) kommen die Manager auch immer mit Ideen daher wie sie nicht alle möglichen „Gratis Leistungen“ Monetarisieren könnten.
Im Endeffekt funktioniert es meist nicht so toll.