Frag den Fotograf: Lieber ein großes oder mehrere kleine Portfolios bei Bildagenturen?

Letzte Woche hat­te ich eine Email im Postfach von Ulrich aus Finnland. Er stell­te mir eine Frage, die ich selbst regel­mä­ßig mit Kollegen dis­ku­tie­re und auf die ich noch kei­ne Antwort gefun­den habe. Heute wer­de ich ver­su­chen, eine zu fin­den. Ulrich schreibt:

Hallo Robert,
ich ver­fol­ge seid eini­ger Zeit dei­nen Blog und fin­de es sehr hilf­reich und kom­pe­tent. Danke dafür. Auch des­halb möch­te ich gera­de Dich fra­gen, was mir Du in mei­ner Situation emp­feh­len würdest.

Ich habe bis jetzt in Microstock vor allem Florals ange­bo­ten. Habe ver­sucht dort ein Portfolio auf­zu­bau­en, wo fast nur ver­schie­de­ne iso­lier­te Blüten ver­tre­ten wür­den. Meine Konto ist sehr klein, weil ich nicht viel Zeit inves­tie­re. Aber da ich mein Geld als Freelance-​Fotograf zum gros­sen Teil mit Florals ver­die­ne, sind die Ausgaben für Blumen etc. gedeckt und ein lang­sa­mes Aufbauen von einem sol­chen Konto ziem­lich sinnvoll.

Nebenbei: So einem auf Blumenbilder spe­zia­li­sier­ten Konto ste­hen am meis­ten die Typen aus dem Selektionsteam im Wege. Ziemlich unver­ständ­lich neh­men sie mei­ner Erfahrung nach unin­ter­es­san­te Bilder an und leh­nen gut ver­kauf­ba­re ab. Als ein Beispiel für alle: eine Kollektion von Aster-​Blumen (Foto sie­he unten) wur­de abge­lehnt (auf mei­ne Proteste mit auto­ma­ti­schen Antworten reagiert), spä­ter habe ich sie noch­mals ganz unver­än­dert hoch­ge­la­den und jetzt hat sie inner­halb von einer rela­tiv kur­zer Zeit (der ers­ter Klick hat fast 1 Monat gebraucht) 60 Downloads (jeder 3. Klick ist 1 Download). Durchschnittpreis per Download is dabei etwas über 1 €.

Nun aber möch­te ich noch Portraits mit Model Release hoch­la­den: Habe dazu Fotolia gefragt, ob es ok wäre, ein zwei­tes Konto zu haben, und die Antwort war „no pro­blem“. Meine Frage ist: was wird dem Gesamtumsatz mei­ner Bilder bes­ser die­nen: Ein Konto mit ganz ver­schie­de­nen Themen oder zwei Konten, die jeweils kla­rer the­ma­tisch abge­grenzt sind? Wie wür­dest Du die Sache angehen?

Für Deine Zeit – dan­ke im Voraus,
Ulrich“


Die Frage in Kurzfassung: Lieber ein Portfolio für alle Bilder oder meh­re­re Portfolios für ver­schie­de­ne Motive? Was spricht dafür und was dagegen?

Die meis­ten Microstock-​Bildagenturen haben ver­schie­de­ne Anreiz-​Mechanismen, um Fotografen zu beloh­nen. Shutterstock bei­spiels­wei­se zahlt Fotografen umso mehr, je mehr Gesamtumsatz zu erzielt haben. Fotolia erhöht eben­falls das Fotografenhonorar, je mehr Bilder ein Fotograf ver­kauft hat, bei istock­pho­to ist es ähn­lich, mit der Einschränkung, dass die Honorarerhöhung nur auf dem Umsatz des letz­ten Jahres basiert. Etwas aus der Reihe tanzt Dreamstime, bei der ein­zel­ne Bilder umso teu­rer wer­den, je öfter sie ver­kauft wur­den. Die klei­ne­ren Microstock-​Agenturen haben nur manch­mal sol­che Belohnungssysteme. Darüber hin­aus beloh­nen die Suchalgorithmen der Bildagenturen meist auch grö­ße­re Portfolios und regel­mä­ßi­ges Hochladen.

Mathematisch ist die Sache daher ein­fach: Für Fotografen lohnt es sich mehr, alle Bilder zusam­men in ein Portfolio zu schmei­ßen, weil dann die höhe­ren Honorare schnel­ler erreich­bar sind und unter dem Strich so schnel­ler mehr Geld ver­dient wer­den kann.

Finanziell sinn­voll wäre ein getrenn­tes Portfolio nur dann, wenn die Agentur die­se Ranking-​Systeme nicht hat. Bei Dreamstime wäre es eben­falls kein Problem, da es nicht um Gesamtumsätze geht, son­dern um nur um das ein­zel­ne Bild.

Wir müs­sen jedoch den psy­cho­lo­gi­schen Aspekt berück­sich­ti­gen: Für getrenn­te Portfolios spricht die Bequemlichkeit der Bildkäufer. Das Ziel eines Stockfotografen soll­te immer auch sein, dass mög­lichst vie­le Bildkäufer das eige­ne Portfolio als Lesezeichen im Browser spei­chern oder den Fotografen zu den Favoriten hin­zu­fü­gen, damit der Bildkäufer bei den nächs­ten Suchen direkt beim Fotografen nach­schaut. Das ist für den Bildkäufer gut, weil er weiß, was ihn the­ma­tisch und qua­li­ta­tiv erwar­ten wird und für den Fotografen ist es gut, weil sei­ne neu­en Bilder betrach­tet wer­den, ohne der Konkurrenz von zehn- oder hun­dert­tau­sen­den ande­ren neu­en Bildern aus­ge­setzt zu sein.

Die erkenn­ba­re Thematik eine Portfolios ist ein wich­ti­ger Grund, war­um Bildkäufer ein Portfolio spei­chern. Wer nur iso­lier­te Blumenblüten anbie­tet, kann sich sehr sicher sein, dass Bildkäufer sofort erken­nen, wo der Schwerpunkt des Fotografen liegt und ihn schnel­ler ins Herz schlie­ßen. Bei einem gemisch­ten Portfolio denkt der Bildkäufer eher, dass die gefun­de­nen Blumen „Zufallstreffer“ waren.

Trotzdem wür­de ich aus meh­re­ren Gründen zu einem gebün­del­ten Portfolio tendieren:

  1. ist die finan­zi­el­le Komponente nicht zu unter­schät­zen. Sprich: Ein grö­ße­res Portfolio bringt mehr Gewinn.
  2. gibt es wie oben erwähnt vie­le Kleinigkeiten, die grö­ße­re Portfolios bevor­zu­gen, vor allem die Reihenfolge in den Suchergebnissen ist da für den Fotografen wichtig.
  3. sind mei­ner Meinung nach zwei klar defi­nier­te Themen (Blumen, People) noch über­sicht­lich und für Bildkäufer erkenn­bar. Wenn noch Natur, Sport und Technik hin­zu­kä­me, sähe das viel­leicht anders aus. Wenn der Fotograf dar­auf ach­tet, dass die bei­den Themen ab und zu ver­schmel­zen, zum Beispiel, indem öfters Menschen mit Blumensträußen oder Frauen mit Blüten im Haar abge­bil­det wer­den, bekom­men die Themen auch eine über­ge­ord­ne­te Klammer, wel­che sie stär­ker zusammenhält.
  4. ist es mehr Aufwand, zwei Portfolios zu pfle­gen statt nur eins.

Ein Punkt, der bei der erwähn­ten hohen Ablehnungsquote jedoch wei­ter­hin für getrenn­te Portfolios spricht, ist, dass die Ablehnungsquoten bei People-​Portfolios gerin­ger sind und das wie­der­um bei neu­en Uploads die Bildredakteure gnä­di­ger stimmt. Im Vergleich zu den vier genann­ten Vorteilen kann das jedoch ver­nach­läs­sigt werden.

Die genann­ten Punkte sind jedoch nur für Microstock-​Agenturen zutref­fend. Bei Macrostock-​Agenturen kann es öfter sinn­voll sein, sei­ne Portfolios zu tren­nen, da hier die Agentur die Portfolios dann bes­ser gezielt ver­mark­ten kann und die Vorteile eines gebün­del­ten Portfolios nicht greifen.

Oder was meint ihr? Welche Vor- und Nachteile haben the­ma­tisch getrenn­te Portfolios?

4 Gedanken zu „Frag den Fotograf: Lieber ein großes oder mehrere kleine Portfolios bei Bildagenturen?“

  1. Hallo,

    ich wür­de bei Fotolia auch kein 2. Portfolio auf­ma­chen. Ich bin erst vor kur­zem im Ranking auf Silber auf­ge­stie­gen. Und seit­dem habe ich 100% annah­me Quote. Keine Ahnung ob die Ablehnungen auch was mit dem Ranking zu tun haben, oder ob es zufall ist. Jedenfalls kommt es mir so vor.

  2. Ja, bin ganz dei­ner Meinung, Robert. Bis auf eine Kleinigkeit: Ich den­ke, dass es abso­lu­ten Seltenheitswert hat, wenn der Käufer ein Portfolio favo­ri­siert. Ich arbei­te haupt­be­ruf­lich als Designer inkl. Artbuying und neben­be­ruf­lich als Bildanbieter. Ich habe noch kei­nen Artbuyer ken­nen­ge­lernt, der ein Lieblingsportfolio hat. Suchanfragen sind in der Regel der­art spe­zi­fisch und indi­vi­du­ell, dass sich kein Bildsuchender an Bildagenturen oder gar Portfolios bin­det. Zumindest laut mei­ner Erfahrung im Bereich Werbung.

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