Vor ca. zwei Jahren hatte ich mal in einer Apotheke fotografiert. Die Fotos liefen gut, hatten aber zwei „Haken“. Zum einen war die Apotheke knallorange, was einige Kunden anscheinend zu würdigen wussten, weil es sich farblich von den üblichen „hellen, weißen“ Apothekenfotos unterschied. Außerdem war ich nur mit einem Model vor Ort, was den Nachteil hatte, dass ich nur eine Apothekerin oder Kundin allein zeigen konnte, aber nicht die Interaktion zwischen Kollegen oder die Beratung eines Kunden durch Apotheker.
Bei einem weiteren Apotheken-Shooting wollte ich das ändern.
Mit einer befreundeten Inhaberin von zwei Apotheken machte ich einen Deal: Sie bekam schöne Portrait- und einige Gruppenfotos ihrer Mitarbeiterinnen für die geplante neue Webseite und ich durfte im Gegenzug am Wochenende in einer der Apotheken mit Models fotografieren. Es stand eine niegelnagelneu gebaute Apotheke zur Auswahl in glänzenden Brauntönen, die mir jedoch zu dunkel wirkte. Die andere Apotheke war aber perfekt: Ein strahlendes Grün und viel Platz.
Schwieriger als gedacht gestaltete sich die Model-Suche. Das lag zum einen daran, dass die Apotheke tief in Brandenburg versteckt lag und ich nur zwei Models mit dem Auto von Berlin mitnehmen konnte, zum anderen aber auch am Alter. Ich bekam auf meine Job-Ausschreibung haufenweise Bewerbungen von vielen jungen Mädchen (16–25 Jahre) und einigen jungen Männern (18–25 Jahre). Aber die Ausbildung zur PTA (Pharmazeutisch-technischer Assistentin) oder gar zur Apothekerin dauert lange und die Eröffnung einer Apotheke ist mit einem finanziellen Risiko verbunden, weshalb zu junge Menschen auf den Fotos unpassend wirken würden.
Ich entschied mich deshalb für die drei oben gezeigten Frauen, die Ende 20 bis Mitte 30 waren. Außerdem gab es einen guten Mix an Haarfarben (blond, brünett, schwarz) und anhand der Sedcards war klar, dass die Models etwas Erfahrung hatten. Mir fehlte jedoch noch ein Mann, weil ich keine reine Frauengruppe fotografieren wollte und eine ältere Person als „Chef“ gut ins Bild passen würde. Die Bewerber waren jedoch vom Typ her alle unpassend, entweder zu jung, mit megalanger Rockermähne oder voll tätowiert. So suchte ich mir selbst einige Sedcards raus und schrieb den oben gezeigten Frank Kobuhs direkt an. Er hatte zwar wenig Model-Erfahrung und ist eher als Hobby-Fotograf aktiv, passte aber vom Typ, vom Alter und war einverstanden. Außerdem machte er paar Making-Of-Fotos, die ich unten noch zeige.
Wie immer bei Apotheken ist die größte Herausforderung, die Unmengen an Markennamen und geschützten Logos zu vermeiden. Ich versuchte das zu lösen, indem ich stark mit offener Blende (von 1.8 bis 2.8) fotografierte, was aber die Wahrscheinlichkeit von Unschärfen im Bild erhöhte, vor allem, wenn bei Gruppenaufnahmen nicht alle Personen auf gleicher Höhe stehen. Eine weitere Schwierigkeit war, dass die Verkaufstheke im Boden verschraubt war und wir sie deshalb nicht nach vorne schieben konnten, um den Abstand zum Regal im Hintergrund zu erhöhen. Wir hätten natürlich die ganzen Pillenpackungen wegräumen können, aber dann wäre es nur eine grüne Wand und das Foto nicht mehr als Apothekenfoto zu erkennen gewesen.
Manchmal, wie bei diesem Foto am linken Rand, musste ich dann digital mehr Unschärfe hinzufügen, um die Markenprobleme zu umgehen. Das lachende Model hat mich übrigens so überzeugt, dass ich sie einige Wochen später gleich für ein anderes Shooting gebucht habe. Die Kittel waren übrigens eine weitere Aufgabe, die ich schnell meistern musste. In meinem Requisitenfundus habe ich zwar einige weiße Schlupfkasacks, aber in Apotheken werden fast nur lange weiße Kittel getragen. Von einem Freund der Freundin eines Freundes (ihr seht, gute Kontakte sind wichtig), der in einem Krankenhaus arbeitet, konnte ich mir zwei weiße Kittel leihen. Drei weitere Kittel kaufte ich schnell bei Ebay. Leider gab es nicht das gleiche Modell in verschiedenen Größen, aber dafür waren die Kittel deutlich günstiger. Eins der Models brachte auch einen eigenen Kittel mit. So hatte ich vor Ort genügend Auswahl, um die Kittel entsprechend der Kleidergrößen verteilen zu können.
Ihr seht auf den Bildern, dass nicht alle Models immer im Vordergrund sein müssen. Oft reicht es aus, einige der anderen Models im Hintergrund agieren zu lassen, um den Eindruck einer belebten, gut besuchten Apotheke mit vielen Mitarbeitern zu erwecken.
Das obige Foto gehört mit zu meinen Favoriten der Serie durch die ungewöhnlichere Perspektive. Fast unnötig zu sagen, dass sich das Foto der lachenden Apothekerin mit verschränkten Armen deutlich besser verkauft. Wo wir beim Thema wären: Alle Fotos dieser Serie sind hier exklusiv bei Fotolia* erhältlich. Das gezeigte Foto illustriert noch einen anderen Punkt sehr gut. Die Beleuchtung. Wie angekündigt gibt es paar Making-Of-Fotos von Frank und eins davon zeigt, wie das „Rezept-Foto“ entstand.
Ihr seht: Viel Tageslicht (pralle Mittagssonne) rechts vom Fenster her, über die Decke reflektiertes Licht einer transportablen Lastolite Ezybox* und ebenfalls gegen die Decke gerichtet etwas „normales“ Blitzlicht auf der Kameraachse. Nicht im Bild sichtbar ist der California Sunbounce Mini*, der links vom Model steht, um auch die Schattenseite besser aufhellen zu können. Ausgelöst habe ich mit den neuen PocketWizard MiniTT1-Funkauslösern*, um die TTL-Funktionen der Canon Speedlites nutzen zu können.
Auf dem zweiten Making-Of-Bild sind noch zwei weitere Details zu erkennen. Ich habe aus den Fehlern des Bibliothek-Shootings gelernt und wieder mein Manfrotto Monopod* mitgenommen, um auch bei Belichtungszeiten von 1/30 oder 1/50 die Bilder nicht zu verwackeln. Außerdem ist erkennbar, wie viel Helligkeit der Sunbounce-Reflektor ausmachen kann, der das Licht vom Fenster auf die Schattenseite der Models reflektiert. Der Blitz schaut übrigens in die falsche Richtung, weil ich Sekunden zuvor noch ein vertikales Foto gemacht und dafür gegen die Decke geblitzt hatte.
Eine Schwierigkeit, die ich bei diesem Shooting noch nicht zufriedenstellend gelöst habe, ist der Farbtemperatur-Unterschied zwischen dem Tageslicht, Blitzlicht und der Innenbeleuchtung. Tageslicht und Blitzlicht hatten ca. eine Farbtemperatur von 5500–600 Kelvin. Die Innenbeleuchtung bestand jedoch aus vielen winzigen Halogenstrahlern, die mit ihren ca. 3500°C (wie bei meinem Grinse-Portrait zu sehen) für ein Gelbstich sorgen. Ich hätte entweder Farbfolien vor den Blitz machen können, aber dann hätte ich ohne das helle Tageslicht auskommen müssen (soviel Folie, damit es für die gesamte Fensterfront gereicht hätte, hatte ich nicht mit). Die zweite Möglichkeit wäre gewesen, jeden einzelnen der Halogenstrahler mit einer Blaufolie zu bekleben, aber das wäre sehr aufwändig gewesen, da es viele Strahler waren, die ohne Leiter nicht erreichbar und teilweise auch hinter Wandverblendungen verbaut waren.
Insgesamt war es wieder eines meiner logistisch aufwändigeren Shootings, was sich – wenn ich mir die Verkaufszahlen anschaue – jedoch gelohnt hat.
Wie löst ihr das Problem unterschiedlicher Farbtemperaturen? Was sagt ihr zu den Fotos?
* Affiliate-Link
Wieder mal ein sehr schöner Artikel. Der Blick hinter die Kulissen ist immer sehr interessant auch um mal zu sehen wie andere Fotografen bestimmte Situationen meistern. Weiter so!
Einmal mehr DANKE, dass du uns an deiner Arbeit teilhaben lässt
lg Uwe
Ich habe mir zunächst die Bilder angeschaut und dann den Text gelesen. Beim Betrachten der Bilder habe ich angenommen, dass du echte Apothekenmitarbeiter fotografiertest. Für mich ist das wie das Verhältnis zeigt ein 3:1 oder 4:1 Frauenjob.
Mir war die Unschärfe auch gleich klar, dass hier keine Produktwerbung stattfinden darf. Ich mag die Bilder sehr und kann mir vorstellen, dass das Thema gut angenommen wird.
Der Text ist natürlich wieder interessant. Danke.
Ein wieder super interessanter Bericht der gerade mir klarmacht warum ich zumindest zurzeit noch immer auf Objekt- und Landschaftsfotografie spezialisiert bin (definitiv zu wenig Kontakte und Ausrüstung etc.).
Zu den Lichttemperaturen: Mein „Studio“ ist in einer Art Wintergarten plaziert, so dass ich viel mit Tageslicht arbeite (oder ggf. auf die Nacht warten muss). Um Schatten oder gemischte Farbtemperaturen (die übrigens in Kelvin und nicht in „Grad Celsius“ angegeben werden 😉 ) zu verhindern hilft bei mir eigentlich nur „übermäßig viel Licht“. In meinem Fall mit zwei Studiolampen die allerdings nur mit 5600 K – Lampen betrieben werden und die Nutzung von Blitzlicht obwohl es „eigentlich auch ohne ginge“. Vorneweg dann noch der manuelle Weißabgleich und dann schnell sein .… oder eben neuer Weißabgleich.
Bin sehr gespannt auf die folgenden Artikel!
@Tina: Danke für den Hinweis mit den Grad Celsius. Das sollte ich wissen, ist aber beim Schreiben durchgerutscht. Habe ich nun korrigiert.
Danke fürs zeigen, wie immer ein sehr informativer Bericht.
Mich würde mal interessieren wie zufrieden du mit der Stabilität/Robustheit der kleinen PocketWizzards bist?
Gruß Frank
Tolle Arbeit. Ich mag ja auch diese „making of“ sehr.
Das einzige, was mich stört, ist das intensive rot auf Bild zwei und drei (von oben). Das zieht den Blick des Betrachters zunächst auf diese leuchtenden Farben und lenkt vom Motiv ab.
@Frank: Stabil und robust sind die neuen PocketWizards, vermutlich stabiler als die alten, weil erstens diese Antenne nicht mehr dran ist und zweitens das Gewicht nicht mehr so hoch gelagert ist, was die Bruchgefahr verringert. Mich stören an den neuen Versionen eher paar andere Dinge, die ich hier beschrieben habe: http://www.alltageinesfotoproduzenten.de/2010/03/10/erste-erfahrungen-mit-funkausloesern-flextt5-und-minitt1-von-pocketwizard/
Da wir viel Video machen, achten wir auf exakte Farbtemperatur. Wenn wir mit Kunstlicht drehen (müssen) dann kleben wir auch schon mal die Scheiben komplett mit schwarzem Karton ab (Hintergrundrolle schwarz) um keinen Farbstich auf den Bildern zu haben. Idealerweise verwenden wir HMI Scheinwerfer, im Studio haben wir Kaltlichtlampen mit Tageslicht. Bei so einem Dreh hätten wir vermutlich die Deckenlampen mit Folie überklebt. Kostet etwas mehr Zeit, aber das Ergebnis ist deutlich besser (bei Video fällt es mehr auf). Zusammengefasst: wir arbeiten innen ausschließlich mit kontrolliertem Licht.
Location und Models: gut gelöst. Die Fotos haben die bekannte Qualität. Das Lichtproblem? So ein Mischlicht ist immer scheußlich. Wenn ich denke, daß es stört, versuche ich, das vorhandene Licht möglichst vollständig auszuschalten. Man kann auch mit künstlichem Licht den Eindruck erzeugen, der aus der typischen Mischung „Innen Halogenstrahler, von draußen Sonne durchs Fenster“ entsteht. Wenn es sich so schalten lässt, lässt man einige wenige Strahler an, damit man ein paar dezente Lichtpunkte hat, die suggerieren: in der Apotheke war natürlich die Beleuchtung an, wie üblich.
Wie man damit letztlich umgeht, hängt immer vom Einzelfall ab. Hauptsache, die Personen bekommen gut reguliertes gestelltes Licht.
Die Markennamen… jaja… Unsere Microstock-Agenturen mit ihrer Markenphobie. Das Absurde dabei ist, daß das Bild einer Apotheke im Kopf des Betrachters klar von der Vielzahl von Marken geprägt ist. Das fällt auf dem ersten Foto sehr schön auf – ich kann Dir auch so sagen, daß das Bayer-Pillen-Schachteln sind. Diese „Corporate Identity“ funktioniert sogar noch in der Unschärfe.
Irgendwo habe ich mal kleine Blitzlampen gesehen, die mit einem E27-Gewinde ausgestattet waren und dann als Slaveblitze funktionieren. Waren sogar regelbar und man kann so vielleicht die Probleme mit der Farbtemperatur reduzieren.
Gruß
Christoph
@Christoph: Das klingt nach einer netten Idee. In der Apotheke hätte das leider nicht viel gebracht, weil die LED-Leuchten eine andere Fassung haben.
Hi Robert! Toller Bericht und tolle Bilder. Sehr interessant.
Vielleicht ein paar Anregungen
Beim 2. Bild haette ich die Personengruppe mehr beleuchtet. Der Hintergund ist sehr dominant vom Licht
Beim 4. Bild ist der Hintergrund etwas dunkel. Evtl. längere Verschlusszeit oder dort hineinblitzen?!
Die Bilder 1, 3, 5 und 6 sind top.
Hast Du am Monopod noch einen Stativkopf zum Hochkant verdrehen? Wenn ja, welcher?
VG Hans
Hi Robert,
mir gefallen die Fotos ziemlich gut.
Ich hatte selbst mal ein Shooting in einem Friseursalon und wollte im Prinzip ähnliche Bilder erzielen, mir ist dabei immer folgendes passiert: Beim anblitzen der Personen mit Softbox ist im hinteren bereich des Salons immer alles sehr dunkel geworden und die Models haben sehr harte Schatten geworfen.
Ich bin da leider noch kein Experte bei Licht Setups 🙂
Wirkst Du dem entgegen, indem Du die Decke schräg anblitzt? Schaut bei den Making Of Bildern so aus…
@Marc: Ja, oft habe ich zwei Lichtquellen benutzt, einmal gegen die Decke, um die Raumhelligkeit zu erhöhen und einmal von vorne, um die Models schattenfrei auszuleuchten. Wenn die Umgebungshelligkeit zu dunkel sein sollte, musst Du wohl oder übel meist die ISO-Werte hochschrauben oder/und Blende/Belichtungswerte korrigieren, damit mehr Umgebungslicht mit aufgenommen wird.