Heute lasse ich mal wieder andere reden. In meiner Interview-Reihe frage ich Leute aus der Stockfotografie-Branche. Diesmal ist Dr. Martina Mettner an der Reihe. Sie ist „Photoconsultant“ und berät Fotografen, die mehr Erfolg haben wollen. Wer nach dem Lesen gleich einige Tipps von ihr haben möchte, findet auf ihrer Webseite ein ausführliches, lesenswertes Karriere-Tutorial für Fotografen. Außerdem schreibt sie den Blog „Fotofeinkost“. Los geht’s mit den Fragen.

Sie nennen sich Photoconsultant. Was ist das eigentlich und wie kamen Sie darauf, Fotografen zu beraten?
Hierzulande kennt man sonst nur Art Consultants, die beispielsweise beim Aufbau einer Kunstsammlung beraten. Ich bin studierte Soziologin, und habe mich während des Studiums intensiv theoretisch mit Fotografie befasst, unter anderem in Form einer Diplom- und einer Doktorarbeit. Während des Studiums habe ich nicht nur in Büros, sondern vor allem an und für Fotozeitschriften gearbeitet, in der ersten Fotogalerie in Frankfurt mitgewirkt und auch Fotografie unterrichtet. Nach dem Abschluss konnte ich deshalb direkt die Position einer Chefredakteurin zunächst von einer, dann später von zwei Fotozeitschriften übernehmen. In dieser Funktion habe ich ja laufend mit Fotografen gearbeitet und ihnen ihr Bildmaterial neu sortiert. Im Umschau Verlag entwickelte ich auch das Magazin „Schwarzweiss“, das inhaltlich etwas anders ausgerichtet war als heute. Immerhin existiert es noch. Nach mehr als zehn Jahren im Verlag wechselte ich in die Unternehmenskommunikation, erst angestellt, später frei. Ich schrieb Romane und vermisste die Fotografie. Die Idee, mein Wissen, die Erfahrung und vor allem meine analytischen Fähigkeiten zum Nutzen von Fotografen anzubieten, hatte ich in den USA als ich dort die Ausstellung „In Their Mothers’ Eyes“ kuratierte. Dort gibt es den Beruf ja schon länger, wobei sie sehr viel stärker auf kommerziell arbeitende Fotografen fokussiert sind als ich.
Es gehört viel Vertrauen dazu, eine Beratung zu buchen. Sich helfen zu lassen fällt doch gerade Fotografen nicht leicht, oder?
Auf jeden Fall, und ich weiß es sehr zu schätzen, dass Fotografen oftmals von weit her (Holland, Österreich, Schweiz, Italien, sogar aus Shanghai und demnächst einer aus Russland) kommen, um mit mir zu sprechen. Aber ich arbeite auch daran, indem ich über meine Internetpräsenzen viele Tipps und Artikel veröffentliche, die meine Haltung transparent machen. Wer kommt, weiß in der Regel, dass es ans Eingemachte geht. Das Gute aus meiner Sicht ist, dass es den Fotografinnen und Fotografen immer viel mehr bringt, als sie erwartet haben. Manche kommen wirklich verzweifelt, weil sich seit Jahren die Gedanken im Kreis drehen und keine Lösung in Sicht scheint. Manche wollen „nur“ wissen, wo sie stehen und wie sie sich verbessern können. Gerade bei Seiteneinsteigern ist so ein professionelles Feedback immens wichtig. Eine Analyse, die die eigene Biografie, den Stand der Fotokenntnisse ebenso umfasst wie die zukünftigen Entwicklungen, die sich in der Branche abzeichnen, hilft letztlich jedem Fotografen, die eigenen gedanklichen Grenzen zu überwinden und ein klares Ziel zu sehen. Je klarer das Ziel, desto leichter ist es, sich mit Élan an dessen Erreichung zu machen.
Was sind die Bereiche, in denen die meisten Fotografen bei Ihnen Rat suchen?
Da die Beratungen individuell sind und jeder mit seiner besonderen Geschichte, seinen Wünschen und Problemen kommt, fällt es mir schwer, pauschal zu antworten. Man kann wohl drei Gruppen benennen: kommerziell arbeitende Fotografen, die merken, dass Ihnen die klassischen Auftragsbereiche wegbrechen und die klug genug sind, zwecks Neuorientierung zu kommen; Amateure und Seiteneinsteiger, die glauben, die Fotografie sei die Erlösung aus ihrem Büro- oder IT-ler oder BWL-ler-Dasein. Und Fotografinnen. Es ist sicher eigenartig, sie gesondert zu nennen, aber es gibt tatsächlich geschlechtsspezifische Unterschiede. Frauen mangelt es oftmals an Selbstbewusstsein, erst recht, wenn sie nach einer Erziehungspause wieder einsteigen wollen. Die ganze Branche hat sich inzwischen verändert, was es für sie nicht leichter macht.
Raten Sie Fotografen zur Stockfotografie?
Prinzipiell halte ich die Stockfotografie für eine Option, den Lebensunterhalt zu verdienen oder zu ihm hinzuzuverdienen. Aber es sind wenige Fotografen von ihrer Veranlagung her zur Stockfotografie geeignet. Nicht jeder ist so akribisch wie Sie! Und das sollte man sein. Ich halte diese Sparte der Fotografie für die schwierigste überhaupt, weil sie eine extreme handwerkliche Perfektion verlangt und zugleich die Fähigkeit, abstrakte Begriffe zu visualisieren, vom ganzen Handlingaufwand nicht zu reden. Ich persönlich finde die Stock-Fotografie aber auch steril. Überwiegend im Studio vor weißem Hintergrund zu fotografieren und dann stundenlang zu verschlagworten – das muss man wirklich wollen.
Welche Voraussetzungen sollte Ihrer Meinung nach ein guter Stockfotograf mitbringen?
Er sollte perfektionistisch sein und extrem auf dem Laufenden, was in der Gesellschaft passiert, denn er oder sie muss ja im Idealfall das Bildmaterial jetzt produzieren, für das es erst in der nahen Zukunft einen Bedarf geben wird. Das ist schon ein großer Unterschied zur Auftragsfotografie, wo der Fotograf auf eine klar formulierte Anforderung hin produziert.
Was halten Sie von Microstocks?
Das ist nicht einmal die Zukunft, sondern die Gegenwart. Das hat sich von langer Hand abgezeichnet. Die Fotografie ist in einem dramatischen Umbruch, der nichts mit digitaler oder analoger Aufzeichnung zu tun hat, sondern mit einer kompletten Umstrukturierung der Arbeitsfelder und neuen Werten fotografischen Handelns. Im Übrigen bin ich neuerdings Fan von Yuri Arcurs, weil er analytisch an die Technik der Microstock-Fotografie und die Anforderungen herangeht. Der zeigt in einem Workshop-Video (http://www.fototv.de/microstock_fotografie) wie man das machen muss, um rationell zu arbeiten. Wenn man einen Bereich analytisch durchdrungen hat, kann man leicht erklären wie’s funktioniert. Und das Gegenüber kann es leicht nachvollziehen. Das mache ich genau so. Ich erkläre, wie die Fotografie funktioniert, und warum es wichtig ist, sich jetzt mit den geänderten Bedingungen auseinanderzusetzen.
Fotografieren Sie eigentlich selbst?
Ich liebe die Fotografie! Meinen Sie, auf das Glück, das ernsthaftes Fotografieren bedeutet, wollte ich verzichten? Kommerziell arbeite ich allerdings nicht, zum einen, weil ich das, was mir so am Herzen liegt, nicht Marktgesetzen preisgeben will, zum anderen möchte ich nicht, dass Klienten sich zu mir in einer Konkurrenzsituation sehen. Fotografen sind da sehr sensibel!
Ich bin gerade in den letzten Jahren durch eigene Fotoprojekte verständnisvoller bei der Bildbeurteilung geworden, und gebe, wo es angebracht ist, praktische Tipps zur Bildaufteilung oder Fotobearbeitung. Bei vielen Beratungsgesprächen kann ich aus persönlicher Erfahrung ermutigen, über den eigenen Schatten zu springen, und, beispielsweise, ein freies Projekt zu beginnen.
Wenn Sie selbst nicht kommerziell fotografieren, woher nehmen Sie Ihr ganzes Know-how?
Das ist nun eben der Unterschied zwischen Handwerk und Wissenschaft: Machen oder Analysieren – und Schlussfolgerungen ziehen. Durch die vielen Beratungen bekomme ich die Situation in ganz unterschiedlichen Berufs- und Ausbildungssituationen geschildert und gewinne dadurch einen guten Überblick. Ich denke wirklich viel darüber nach, was im Moment in der Fotografie passiert, gucke mir, wenn gerade kein Fotograf hier ist, Fotoarbeiten im Internet an. Momentan schreibe ich an einem Fotolehrbuch, das hoffentlich noch in diesem Jahr erscheinen wird, was zusätzlich zwingt, klare Aussagen zu machen. Zudem kommt mir meine berufliche Erfahrung natürlich ebenso zugute wie mein fotografisches Wissen. Womit ich jedoch die Fotografen am meisten verblüffe, ist, dass ich Fehler, Schwächen, aber auch Vorzüge einzelner Fotografien spontan in Worte fassen kann. Das geht nur dank lebenslangem Training.
Sie sagen ja, die Fotografen sollten in ein, zwei Sätzen ihr berufliches Profil erläutern können. Sagen Sie in zwei Sätzen, was die Fotografen bei Ihnen erwartet.
Alle, die zu mir kommen, werden, egal auf welchem Stand sie sind, wirklich ernst genommen und gehen nicht ohne frische Perspektive und neue Ideen. Sie bekommen klar gesagt, woran sie arbeiten müssen, um das gesteckte Ziel zu erreichen, und sie müssen dieses inspirierende, aber auch umwälzende Gespräch nicht mit leerem Magen durchstehen.
Heißt Ihr Blog deshalb Fotofeinkost?
Ganz genau. In meinem Online-Magazin gibt es Denkanstöße zur Fotografie, jedoch keine Rezepte.
Vielen Dank für das Interview!
Falls nach Fragen offen sind, könnt ihr sie gerne in den Kommentaren stellen. Vielleicht kann Frau Dr. Mettner sie euch dann beantworten oder eine ausführliche Beratung empfehlen.
