Huch, neun Folgen schon? Diesmal stelle ich Euch in meiner Serie „Pimp My Stock!“ die Fotos des in Deutschland lebenden Brasilianers Gustavo Cabral (nicht verwandt mit dem berühmten Fußballer) vor. Seit Mitte 2009 fotografiert er als Hobby und verdient bisher kein Geld damit. Seine favorisierten Motive sind bisher Natur- und Makrofotos, seine Ausrüstung lasse ich ihn lieber selbst aufzählen:
„Ich habe noch eine entry-level Nikon D40 und ein paar Objektive: Nikkor Af‑S 18–55mm F3,5–5,6, Nikkor Af‑S 18–135mm F3,5–5,6, Sigma 105mm F2,8 EX DG Macro, Nikon 55mm F2.8 micro, Nikon 50mm F1,8 series E, Nikon 100mm F2.8 series E. Habe 2 Sigma TTL Blitzgeräte und kann die Blitze wireless auslösen (mit Radio-Auslöser und Photozelle). Als Stativ habe ich eine Manfrotto 055 XPROB mit Giottos Kugelkopf.“
Er hat mich nach Tipps gefragt und hier kommen sie:
Das Foto dieses Flaschendeckels mit Wasser hat theoretisch viele Elemente, die ein taugliches Stockfoto ausmachen. Aber andere wiederrum passen nicht. Gut ist die eingefrorene Bewegung und – grob gesehen – auch die Bildaufteilung. Schlecht ist der frontale Blitz, der vor allem den Schraubverschluss häßlich aussehen läßt und die Wasserfarbe. In der Regel verkaufen sich aus mehreren Gründen bläuliche Wasserfotos besser als gelbliche. Der grundlegendste Fehler jedoch: Was ist die Aussage dieses Fotos? Geht es um die Flasche? Den Tropfen? Ist es Wasser? Ein Getränk? Ohne erkennbare Thema fällt es fast nicht mehr ins Gewicht, dass die Flasche nicht gerade steht und die Zahlen auf dem Verschluß stören.
Silhouetten eignen sich gut, um die Persönlichkeit einer Person nach hinten zu rücken und die Handlung dieser Person stärker zu betonen. Gut für Stockfotos. Kombiniert mit einem Sonnenungergang erzeugt das oft eine romantisch Stimmung, die jedoch ins zu Kitschige abrutschen kann (auch wenn das bei Stockfotos manchmal schwer ist). Hier jedoch ist leider weder eine Handlung noch eine gute Silhouette zu erkennen. Beispiele, wie erfolgreiche Silhouetten mit Sonne aussehen können, findet ihr hier und hier. Übrigens ist links oben deutlich ein Sensor-Fleck zu erkennen. Ein No-Go bei Bildagenturen.
Kinder verkaufen sich generell gut und auch das Motiv hier hat Chancen, wenn beim nächsten mal einige Details berücksichtigt werden. ich gehe davon aus, dass ein Model Release für das Kind vorhanden ist. Dann gibt es noch den Aufdruck auf dem Shirt zu beachten, der rechtlich problematisch werden könnte. Außerdem ist die Bildaufteilung nicht ideal. Die Kamera hätte deutlich nach links gedreht werden müssen. Ein Aufhellblitz von vorne hätte auch die Konturen im Gesicht des Jungen besser zeigen können.
Für das laufende Mädchen gilt fast das Gleiche wie für den Jungen. generell ist das Motiv verkäuflich, sogar noch mehr als beim Jungen, da die glückliche Emotion besser sichtbar ist. Aber: Die Minnie Mouse auf dem Rock ist bei jeder Bildagentur ein Ausschlußkriterium. Außerdem liegt das Gesicht wieder im Schatten (Aufhellblitz nutzen) und auf dem Shirt ist ein großer Fleck zu sehen (Photoshop). Idealerweise hätten auch die Blätter entweder vor der Aufnahme oder digital vom Rasen entfernt werden können. Die Komposition hingegen ist hier sehr passend und die Bewegung im richtigen Moment festgehalten.
Hm. Schönes Foto. Aber was soll es darstellen? Einen Raupenkokon? Ein seltenes Blatt? Wie auch immer. Technisch ist das Bild einwandfrei und wer eine auf Naturfotos spezialisierte Agentur findet und in der Lage ist, das abgebildete Motiv wissenschaftlich korrekt zu benennen, wird das Foto sicher in die Agentur einstellen können. Die Nachfrage nach solchen Motiven hingegen ist begrenzt.
Das ist schon besser. Wir nähern und gut verkäuflichen Fotos. Eine glückliche junge Frau springt vor einer Berglandschaft. Die Komposition passt, enthält sogar etwas Textfreiraum und durch das leichte Schrägstellen gewinnt das Foto einen zusätzlichen Bewegungseffekt. Trotzdem kann es verbessert werden: Auf den Schuhen ist das Logo von Nike zu erkennen, das muss retuschiert werden. Der rote Fleck in der Bildmitte ist schwer zu erkennen. Soll das ein Luftballon sein? Wenn ja, dann ist er zu klein. Viel zu klein. Auch wirkt die Farbe der Berge im Vergleich zur Frau etwas flau und viele Kunden würden sich einen wolkenlosen Himmel wünschen.
Als Portrait ist dieses Männerfoto gut. Als Stockfoto jedoch nur bedingt. Zum einen wollen die meisten Bildagenturen keine Schwarz/Weiß-Fotos, weil das Kunde das gegebenenfalls selbst umwandeln kann. Zum anderen machen die die Rucksack-Träger und der filigrane Schal das Bild unruhiger als es hätte sein können. Der Hut sollte auch noch genug Zeichnung enthalten, das kann ich in der kleinen Version nicht erkennen.
Ein Marienkäfer auf einer Hand. Ein schönes Symbolfoto zum Thema Tierliebe, Umweltschutz und so weiter. Durch die roten Flügel des Käfer wird der Blick sofort zum Wesentlichen gelenkt. Verbessert werden könnte höchstens das Bildrauschen, was im unscharfen Hintergrund am besten zu erkennen ist. Was auch selten ist: Wer sich bei den Bildagenturen (sie es Micro- oder Macrostock) nach vergleichbaren Motiven umschaut, wird feststellen, dass dieses Foto hier sehr gut mit der bestehenden Konkurrenz mithalten kann. In Zeiten übersättigter Märkte ein deutlicher Pluspunkt.
Von den gezeigten Fotos in dieser Serie spreche ich diesem Motiv die meisten Verkaufschancen zu. Die berührenden Hände sind ein sehr vielseitig einsetzbares Thema, von dem es zwar schon viele Variationen gibt, die aber auch oft gekauft werden. Das sehr warme Licht erzeugt die Illusion von Kerzenschein. Nur zwei kleine Details trüben den positiven Eindruck des Fotos. Der glänzende Ring lenkt ab und lässt das Foto für einige Themen ausscheiden und die langen Fingernägel an beiden Händen lassen zu schnell auf Frauenhände schließen. Etwas kürzere Fingernägel hätten auch Verwendungen erlaubt, bei der eine Hand männlich sein muss. In der Großansicht wirkte es auch nicht ganz scharf, dass müsste der Fotograf selbst überprüfen.
Was sagt ihr? Liege ich richtig? Oder würdet ihr einige Fotos anders beurteilen?
Wer von mir auch kostenlose Tipps haben will, ob seine Fotos “stocktauglich” sind, kann gerne ebenfalls mitmachen.
Und so läuft’s:
– Schickt mir eine kurze Mail, in der ihr Euch vorstellt, z. B. wie lange ihr Fotos macht, mit welcher Ausrüstung, ob und wo ihr schon Fotos verkauft und was ihr in Zukunft in der Stockfotografie-Branche vorhabt.
– Wenn ich ausreichend Zeit habe für Bildbesprechungen, bitte ich Euch, mir 5–10 (!) Bilder in kleiner Auflösung (ca. 600x800 Pixel) zu schicken.
– Diese werde ich dann in einem Blogbeitrag wie diesem veröffentlichen (auf Wunsch auch anonym) und meine Kommentare abgeben aus Business-Sicht. Also eher nicht, ob eine Blume schön ist oder nicht, sondern wie verkäuflich das Foto sein könnte oder wie es verkäuflicher gemacht werden könnte.
Kritisch, ehrlich, subjektiv.