Heute lehne ich mich etwas aus dem Fenster.
Ich bekomme oft Mails von anderen Fotografen oder Hobby-Fotografen, die den Sprung in die Profiliga schaffen wollen. Fast jeder von Ihnen hat eine aufwändig gestaltete Webseite mit eigenen Fotos, welche Kunden, Bildedakteure und Models überzeugen sollen.
Dabei sehe ich oft die gleichen Fehler bei der Bildauswahl für das Portfolio. Egal, ob sich das Portfolio als Galerie auf einer Webseite oder gedruckt in einer Mappe befindet.
Hier kommt auch der Punkt, wo ich mich aus dem Fenster lehne: Da ich sehr selten Bildkäufer bin und auch keine Aufträge an Fotografen vergebe, steht es jedem frei, meine Tipps für die Verbesserung des eigenen Portfolios anzunehmen oder in den Wind zu schießen. Doch ich hoffe, dass meine Begründungen für sich sprechen.
Zuviele Themen im Portfolio
Häufig begehen Hobby-Fotografen diesen Fehler. Auf ihrer Webseite haben sie Galerie-Ordner zu den Themen „Natur, Autos, Portraits, Hochzeit, Tiere, Akt, Blumen, …“ Die Fotografen denken, mit vielen Themenbereichen können sie zeigen, wie vielseitig und talentiert sie sind.
Das Gegenteil ist leider der Fall: Zuviele Themen im Portfolio erzeugen ungefähr den gleichen Effekt wie die Antwort „Eigentlich alles“ auf die Frage, welche Musik man möge: Sie zeigt, dass man keine Ahnung hat. Wie auch? Für jeden Themenbereich gibt es spezielle Anforderungen und kein Art Director erwartet von einem Fotografen, alle zu beherrschen. Der Kunde möchte einen Fotografen für eine bestimmte Arbeit buchen. In der Regel wird dann jemand bevorzugt, der sich auf solche Motive spezialisiert hat. Einen „Allround-Fotografen“ sucht kaum jemand.
Dabei wäre es nur halb so schlimm, wenn der Allround-Fotograf zu jedem Thema gleich viele Bilder ähnlicher Qualität zeigen könnte, um zu beweisen, dass er wirklich alles kann. In der Praxis befinden befinden sich in jedem Ordner jedoch nur 3–4 ähnliche Bilder, nur in 1–2 der Ordner sind der Mehrzahl der Bilder zu sehen.
Deshalb: Mut zur Lücke. Erkenne Deine Stärke und konzentriere Dich darauf.
Zu ähnliche Fotos
Google hat bewiesen, dass Schlichtheit zu Erfolg führt. Das kann auch auf Portfolios übertragen werden. Da Anfänger anfangs erst wenige Fotos haben, zeigen sie paradoxerweise so viel wie möglich, um zu beweisen, dass sie ja doch schon lange fotografieren und sehr erfahren sind.
Das führt dazu, dass die Bilder sich sehr ähnlich sehen. 3x die gleiche Blume aus drei verschiedenen Blickwinkeln, 3x die gleiche Landschaft, 1x in Farbe, 1x in Sepia, 1x in Schwarzweiß. Das ist ein No-Go: Zeige niemals identische Bilder auf Deiner Webseite! Was soll ein Kunde davon haben, das gleiche Foto in Farbe und S/W zu sehen? Soll er denken: Oh, der kann aber gut Bilder in Photoshop umwandeln? Oder soll sich der Kunde selbst entscheiden, welche Variante besser passt? Das ist die Aufgabe des Fotografen. Wer sich dieses Urteilsvermögen nicht zutraut, dem werden auch Kunden nicht vertrauen. Denn Bildkompetenz ist doch der Grund, warum sie einen Fotografen bezahlen wollen, anstatt selbst die Bilder zu machen.
Sonderfall People: Zu oft die gleichen Models
Im Grunde ist dieser Tipp eine Variante des vorigen. Im Portrait-Bereich des Portfolios haben Anfänger oft nur ein oder zwei Personen, von denen sie dann zehn oder mehr Fotos zeigen. Auf den Betrachter wirkt das aber ermüdend und unbewußt leuchtet in dessen Gehirn die Frage auf: „Warum sind das so wenig Models? Ist der Fotograf zu schüchtern, um Models anzusprechen? Vergrault er die Models mit perversen Sprüchen? Hat er noch nicht oft mit Models gearbeitet?“ In allen Fällen wäre so ein Fotograf nicht der richtige für den Job, den Auftrag, die große Kampagne.
Aber was tun? Woher mehr Models zaubern? Im Grunde ist es einfach: Weitermachen! (Wem diese Antwort nicht reicht, der sei damit getröstet, dass ich gerade einen weiteren Artikel über die Arbeit mit Models schreibe.) Mit der Zeit kommen mehr Bilder, mehr Models, mehr Übung, mehr Erfahrung. Trotzdem sollten auch am Anfang 2–3 Fotos des gleichen Models im Portfolio reichen.
Auch Profis zeigen aus einem Shooting höchstens 1–3 Fotos in ihren Portfolio. Einzige Ausnahme sind thematische Fotostrecken, die eine Geschichte erzählen oder eine Serien erkennen lassen sollen und dokumentarische Arbeiten.
Zuviel Style, zuwenig Komfort
Manchmal haben Hobby-Fotografen eine schickere Web-Galerie als Profis. Nur: Oft wird vor lauter Stil der Nutzen ganz vergessen: Wenn jemand 40 Sekunden der Flash-Webseite beim Laden zusehen muss, klickt der Kunde weiter, bevor er ein Bild gesehen hat. Wenn die Navigation durch die Bilder zu umständlich oder unkomfortabel ist, erreicht der Betrachter nur selten das Ende der Galerie.
Deswegen: Immer den alten Design-Spruch „Form follows Function“ beherzigen.
Keine Kontaktdaten
Für mich unbegreiflich, aber Realität: Auf der ganzen Webseite steht nur ein offensichtlicher „Künstlername“ und eine Freemail-Adresse(z.B. superknipser85@yahoo.de), aber keine weiteren Angaben zur Person. Egal, ob es wegen der Angst vor dem Finanzamt, der eifersüchtigen Freundin oder hämischen Arbeitskollegen ist: So wird Euch keiner buchen. Kunden wollen Transparenz, sie wollen sehen, mit wem sie es zu tun haben, wo die Person wohnt und sie auch telefonisch erreichen können.
Bonus
Wer nun auf den Geschmack gekommen ist und seine Fotografen-Webseite überarbeiten will, dem empfehle ich auch die „5 Tipps für Webseiten von Fotografen“, die ich als Gastartikel für Fotografr geschrieben habe.
Welche Tipps habt ihr für die Verbesserung von Fotografen-Portfolios? Oder andersrum: Was stört Euch am meisten, wenn ihr Portfolios durchschaut?