In den letzten Tagen sind zwei YouTube-Videos der öffentlich-rechtlichen Kanäle WALULIS sowie STRG_F erschienen, die sich mit dem Thema Stockfotografie auseinandersetzen.
Leider ist die Berichterstattung sehr einseitig.
In diesem WALULIS-Video geht es erst darum, was passiert, wenn Stockmodels zu Memes werden und dann um die Verlierer und Gewinner des Stockfotografie-Geschäfts.
Als erster Verlierer werden die Models genannt, welche keinerlei Kontrolle mehr hätten, wo ihre Bilder erscheinen würden, dazu unten mehr, weil ein Beispiel aus dem zweiten Video verwendet wird.
Als zweiter Verlierer sind die Fotografen genannt, welche sehr wenig Geld mit der Bildlizenzierung verdienen würden. Das ist zwar korrekt, aber heuchlerisch, wenn man bedenkt, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerne auf das Angebot der Bildagenturen zurückgreift und sich dabei nicht über zu geringe Preise beschwert.
Als großer Gewinner werden die Bildagenturen selbst dargestellt, welche den Löwenanteil des Umsatzes einstreichen und dabei rechtliche Verantwortung in den Nutzungsbedingungen von sich weisen.
Als Beispiel wird bei Minute 7:14 eine AfD-Werbung gezeigt, die aus zwei Stockfotos zusammenmontiert wurde. Dagegen lässt sich jedoch einfach rechtlich vorgehen, was ich selbst mehrmals erfolgreich gegen die AfD und andere Parteien gemacht habe, weil es eben nicht erlaubt ist. In mehreren Fällen standen mir dabei auch die Mitarbeiter von Shutterstock und Adobe Stock hilfreich zur Seite. Im Video wird es jedoch so dargestellt, als sei Machtlosigkeit gegenüber unmoralischen Nutzungen ein üblicher Teil der Stockfotografie.
Das ist so, als würde jemand behaupten, Autos seien schlimm, weil sie als Mordwaffe verwendet werden können. Natürlich kann man Autos und auch die Stockfotografie in vielen Punkten kritisieren, sollte dabei aber die rechtlichen Ausgangsbedingungen berücksichtigen.
In diesem Video von STRG_F wird näher recherchiert und selbst ausprobiert, was Stockmodels passieren kann, deren Bilder zum Verkauf stehen:
Der Redakteur lässt ein Foto von sich machen und lädt es auf der kostenlosen Bildplattform Pixabay hoch (mehr zu Pixabay hier). Bei Minute 6:00 heißt es „Was man damit machen darf? Fast alles!“ und wundert sich später, dass das Bild mit falschen Namen versehen wird, auf Socken zu finden ist oder er sogar als „charmanter Pädophiler“ dargestellt wird.

Eins wird hingegen nicht erwähnt: In den Pixabay-Nutzungsbedingungen, die im Screenshot bei Minute 6 sogar in vereinfachter Form lesbar sind, werden ausdrücklich Verbote formuliert, unter anderem:
„Die Pixabay-Lizenz gestattet nicht:
[…]
3. die Darstellung von identifizierbaren Personen auf beleidigende, pornografische, obszöne, unmoralische, diffamierende oder verleumderische Weise; oder
4. die Suggestion, dass abgebildete Personen, Marken, Organisationen, etc. bestimmte Produkte oder Dienstleistungen befürworten oder billigen, es sei denn es wurde eine Genehmigung dazu erteilt.Beachte bitte, dass alle Inhalte auf Pixabay zwar für kommerzielle und nicht-kommerzielle Zwecke frei verwendbar sind, gezeigte Elemente in den Bildern und Videos, wie identifizierbare Personen, Logos und Marken, jedoch zusätzlichen Urheberrechten, Eigentumsrechten, Personenrechten, Markenrechten usw. unterliegen können. Die Zustimmung eines Dritten oder die Lizenz dieser Rechte können insbesondere für kommerzielle Anwendungen erforderlich sein. Pixabay garantiert nicht, dass solche Zustimmungen oder Lizenzen eingeholt wurden, und lehnt ausdrücklich jegliche Haftung in dieser Hinsicht ab.“
Auch alle anderen großen Bildagenturen haben solche Verbote in den Nutzungsbedingungen verankert, mehr dazu siehe hier.
Das heißt, viele der Beispiele, die in beiden Videos gezeigt werden, illustrieren Verstöße gegen die Lizenzbedingungen der Bilddatenbanken und zeigen eben NICHT das normale Geschäftsmodell dieser Agenturen.
Im April 2019 hatte mich einer der beteiligten Redakteure des STRG_F-Videos angefragt zur Mitarbeit an diesem Video, was ich aber dankend abgelehnt habe, weil explizit nur danach gefragt wurde, ob ich Models nennen könne, welche „Opfer“ der Stockfotografie geworden seien. Die Zielrichtung des Videos stand also im Vorherein fest, mein telefonischer Hinweis auf einschränkende Klauseln der Bildagentur fand dann im fertigen Bericht keine Berücksichtigung.
Im Video wird auch die Nutzung von Stockmaterial im Rahmen von Wahlwerbung gezeigt, ohne wieder zu erwähnen, dass es möglich ist, dagegen erfolgreich vorzugehen, wie von mir ebenfalls schon durchgezogen (siehe Bericht hier).
Danach kommt zwar sogar ein Anwalt zu Wort, der gegen die Verwendung eines Personenfotos durch die AfD vorgehen will, aber unwidersprochen wird der Bundesverband der AfD zitiert, dass „wenn für ein Stockfoto die vollumfänglichen Rechte erworben worden sind, dann dürfe es auch verwendet werden“. Das ist aber schlicht sachlich falsch und insofern wundert es schon, dass an dieser Stelle im ansonsten sehr kritischen Beitrag mal kein Widerspruch kommt.
Dabei heißt es in den Landespressegesetzen zur Sorgfaltspflicht:
„Die Presse hat alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft zu prüfen.“
Es wäre schön gewesen, wenn sich sowohl WALULIS als auch STRG_F als öffentlich-rechtliche Formate in ihren Youtube-Videos mehr daran orientiert hätten.