In Kürze muss die Bundesregierung die europäischen Richtlinien zur Urheberrechtsreform in nationales Recht umsetzen. Dabei werden unter anderem so sinnvolle Dinge wie eine Plattformabgabe formuliert, damit Seitenbetreiber wie Facebook, YouTube oder Pinterest endlich Urhebern die ihr zustehenden Tantiemen zahlen müssen.
Aus irgendeinem Grund musste die Bundesregierung jedoch wieder eine Extrawurst braten und hat sich gedacht: „Was wäre eine Regelung ohne Ausnahmen?“ Also plant die Regierung nun, einige Ausnahmen in die Urheberrechtsreform einzubringen, über welche sich alle, die sich mit dem Thema auskennen, die Haare raufen. Zu Recht.
Als Ausnahmen sind unter anderem geplant:
Audio-Aufnahmen (Musik, etc.) bis 15 Sekunden, Texte bis 160 Zeichen oder Fotos bzw. Grafiken bis 125 Kilobyte sollen bei nichtkommerzieller Nutzung auf Online-Plattformen entgeltfrei sein.
Kilobyte? Da frage ich mich doch: Warum nicht auch gleich die Audio-Aufnahmen oder Texte in Kilobyte messen? Wäre digital ja kein Problem. Wäre zwar beides bescheuert, aber dann immerhin konsistent. Oder noch besser: Bilder einfach in Pixeln messen.
Denn seit wann sind überhaupt Kilobyte ein relevante Maßeinheit für Bilder? Eine Beschränkung der Pixelgröße wäre hier deutlich sinnvoller gewesen, denn je nach Stärke der Bildkompression können 125 Kilobyte schon ziemlich große Bilder sein. Das 800x450 Pixel große Artikelbild ist wie hier abgebildet komprimiert zum Beispiel nur 103 KB groß.
Auch der Passus der „nicht-kommerziellen“ Nutzung ist problematisch. Vor allem Influencer oder Meme-Webseiten sind geübt und findig daran, sich als nicht-kommerzielle Seite zu präsentieren, diese dann aber durch gezielte Links, mehr oder weniger unauffällige Produktplatzierungen, durch Workshops oder andere Produkte doch zu monetarisieren.
Auch die Plattformabgabe selbst ist problematisch und zu fragen bleibt, wie viel Geld davon wirklich bei welchen Künstlern ankommen wird. Wer zum Beispiel schon mal Formulare der VG Bild-Kunst ausfüllen musste, weiß, wie komplex und manchmal nahezu unerfüllbar deren Vorgaben sind.
In diesem YouTube-Video wird die Methode noch mal visuell verdeutlicht:
Wer mehr Bildbeispiele sehen will, findet hier den Bildanhang mit den Ausgangsbildern und den Ergebnissen.
Die genaue Formel, mit der die Wissenschaftler die Wasserzeichen aus den Bildern bekannter Bildagenturen wie Adobe Stock oder 123rf entfernt haben, lautet:
Für allen wie mir, denen die Formeln nichts sagen, als umgangsprachliche Erklärung:
Im Grunde werden viele Bilder übereinander gelegt und es wird geschaut, welche Bereiche identisch bleiben. Als Ergebnis erhält man das „reine“ Wasserzeichen, welches dadurch durch Umkehrung entfernt werden kann.
Dieser Prozess wird vollkommen automatisiert von der künstlichen Intelligenz (AI) übernommen, Nutzereingaben sind nicht erforderlich.
Der Beitrag der Google-Forscher lässt leider offen, warum Wasserzeichen, die dem Schutz des geistigen Eigentums dienen, entfernt werden sollten.
Ich befürchte, die Antwort lautet einfach: Weil sie es können.
Wer optimistischer denkt, kann sagen, dass dieser Nachweis einer Angreifbarkeit zu sichereren Wasserzeichen führen wird, weil durch die Veröffentlichung nun Gegenmaßnahmen ergriffen werden können.
So wurde zum Beispiel die Bildagentur Shutterstock von Google vor der Veröffentlichung des Aufsatzes informiert und Shutterstock hat schnell reagiert. Das neue Wasserzeichen von Shutterstock enthält zufällige Elemente an unterschiedlichen Stellen, sodass die AI nicht genug Gemeinsamkeiten erkennen kann.
Was ändert sich nun in der Praxis?
Für Fotografen, die ihre Bilder auf der eigenen Webseite mit Wasserzeichen versehen, wird die beschriebene Angriffsmethode deutlich weniger effektiv sein, weil eine gewisse Menge an Ausgangsbildern vorhanden sein muss, um das Wasserzeichen zuverlässig identifizieren zu können. Im oben verlinkten Beispiel waren es mindestens 285 Bilder bei Fotolia und im Video wirkte es so, als wäre das System erst ab ca. 70–80 Bildern genau genug.
Vor Jahren hatte ich hier einige Argumente für und gegen Wasserzeichen aufgeführt, von denen die meisten immer noch gültig sind.
Für Stockfotografen ändert sich faktisch wenig. Bilderdiebe haben bisher selten direkt auf den Agenturwebseiten geklaut, sondern ihre Bilder über die Google Bildersuche gefunden. Dort sind unsere Bilder auch jetzt schon ohne Wasserzeichen auf den Webseiten der zahlenden Kunden zu sehen.
Außerdem neigen immer mehr Bildagenturen dazu, individuelle Informationen wie Fotografenname und Bildnummer ins Wasserzeichen zu integrieren. Der Marktführer Getty Images hat solche Wasserzeichen schon vor über fünf Jahren eingeführt, was vermutlich auch der Grund ist, dass diese Agentur in der Studie nicht berücksichtigt wurde (oder die Bilder waren zu teuer, weil alle Testbilder lizenziert wurden):
Für die Bildnutzer an dieser Stelle ist nun vielleicht ein Hinweis angebracht:
Auch Bilder ohne sichtbare Wasserzeichen können urheberrechtlich geschützt sein und dürfen nicht ohne Rechteklärung eingesetzt werden!
Ich bin mir nicht sicher, wie die juristische Sachlage ist, aber ich könnte mir auch vorstellen, dass das unerlaubte Entfernen von sichtbaren Wasserzeichen im Bild schon jetzt verboten ist. Zumindest im deutschen Urheberrechtsgesetz steht in §12 Veröffentlichungsrecht:
„Der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist.“
Zusätzlich wäre es jetzt vielleicht für Bildagenturen empfehlenswert, die unerlaubte Entfernung von Wasserzeichen explizit in den Nutzungsbedingungen der Webseiten zu untersagen.
Bisher habe ich übrigens vor allem unberechtigte Bildnutzungen von mir mit Wasserzeichen im Bild abmahnen lassen, weil dort die Wahrscheinlichkeit einer illegalen Nutzung deutlich höher war. Durch den Tipp eines Kollegen habe ich jedoch einfach mal stichprobenartig drei Firmen angeschrieben, welches eins meiner Bestseller-Bilder ohne Wasserzeichen verwendet haben und zu meinem Erstaunen scheint bei zwei der drei Firmen keine oder die falsche Lizenz vorhanden zu sein.