Am 8. September 2010 trat eine Meldung von istockphoto unangekündigt die Tür der Microstock-Community ein und ballerte wild mit dem Maschinengewehr herum.
Es ging unter anderem darum, die Fotografenhonorare bis auf ein historisches Industrietief von 15% zu senken.
Nachdem alle Fotografen in Deckung gegangen sind, legte sich der Lärm und einzelne Fotografen hoben langsam die Köpfe. Zack, schlug istockphoto mit einer kompromisslosen zweiten und dritten Nachricht hinterher.
Hier einige Sätze aus diesen Meldungen, die vielleicht in die Geschichte der größten PR-Pannen eingehen werden:
„For non-exclusive contributors the royalties will range from 15 to 20% for content sold on iStock.“
„Since roughly 2005 we’ve been aware of a basic problem with how our business works. As the company grows, the overall percentage we pay out to contributing artists increases. In the most basic terms that means that iStock becomes less profitable with increased success. As a business model, it’s simply unsustainable: businesses should get more profitable as they grow. This is a long-term problem that needs to be addressed.“
„We expected – and wanted – to pay more and more money out to contributors. But what we quickly realized was that it’s one thing for the payout amount to increase over time, it’s another thing for that percentage of our total cost to always increase over time.“
„But money isn’t going to be what makes you all happy.“
Auf gut deutsch lässt sich das – sehr frei – so übersetzen: Je erfolgreicher wir werden, desto weniger sehen wir ein, warum wir das Geld mit unseren Fotografen teilen sollten. Matt Antonino übersetzt die dritte istock-Meldung ganz humorvoll (wenn es nicht so ernst wäre) vom „Corporate Speak“ in „Plain English“.
Es wäre etwas anderes, wenn eine Firma sagt, mit 50% kann ich nicht leben. Aber mit 80% Prozent nicht profitabel sein zu können ist aus mehreren Gründen komplett unglaubwürdig. Zum einen gelingt das anderen Bildagenturen seit mehreren Jahrzehnten, auch mit 50–60% gut über die Runden zu kommen. Die Bildagentur Zoonar zahlt sogar bis zu 80% an die Fotografen aus und wächst immer noch. Dazu kommt, dass die Pressemeldungen von istockphoto in den letzten Jahren vor Erfolg-Superlativen nur so wimmelten.
Es könnte natürlich sein, dass istockphoto recht hat. Wenn eine Bildagentur mit 80% Agenturanteil (ohne Retusche und Verschlagwortung zu übernehmen) nicht konkurrenzfähig ist, hieße das entweder, dass Fotografen sich wirklich mit weniger zufrieden geben müssten, oder dass die Preise wieder so weit angehoben werden müssen, dass es keine Microstock-Preise mehr gibt. Dann wäre alles wieder wie früher, rosa-flauschig und kuschelig.
Wer jetzt einwirft, dass es ja nicht nur um den 80/20-Split gehe, sondern auch darum, dass die exklusiven Künstler im Laufe der Jahre immer mehr Prozente bekämen, spricht einen weiteren Punkt an, den ich unsinnig finde. Natürlich bekommen diese Fotografen im Laufe der Zeit mehr. Aber das ist fair. Denn die Honorarerhöhung ist dann eine Belohnung für mehr Verkäufe, die wiederum istockphoto IMMER mehr einbringen als dem Fotografen. Selbst bei der höchstmöglichen Stufe würde ein Fotograf 40% und istockphoto 60% bekommen. Halten wir fest: Die höchstmögliche Stufe ist die prozentuale Verteilung, die traditionelle Bildagenturen seit Jahrzeiten gezahlt haben, oft auch 50/50 oder 60/40. Ohne immer Exklusivität zu verlangen. Das funktionierte auch. Übrigens hat sich ein Fotograf hier im istockforum die Mühe gemacht, auszurechnen, welche Auswirkungen die Preisänderungen für exklusive istock-Fotografen haben. Sieht ebenfalls nicht sehr erbaulich aus.
Außerdem ist es unlogisch, wenn die istock-Argumentation stimmen sollte, dass sie am Rande des Existensminimuns rumkrebsen und nicht mehr Geld zahlen können, dass sie dann nach der neuen Regelung das höchstmöglich zu erreichende Honorar auf 45% anheben. Es sei denn, das ist nur Augenwischerei, um auf dem Papier bessere Optionen zu haben.
Aber ich glaube nicht daran. Für mich ist die Honorarsenkung schlicht ein dreister Versuch, ohne zusätzlichen Aufwand mehr Geld zu verdienen. Auf dem Rücken der Fotografen. Punkt.
Reaktionen anderer Bildagenturen
Der Zorn der Fotografen auf istockphoto lässt die konkurrierenden Bildagenturen entweder heimlich oder auch laut frohlocken.
- So sprach die Agentur 123rf frustrierte istocker via Twitter an, doch zu ihnen zu kommen.
- Auch Alamy tröstete die Fotografen über Twitter und warb zeitgleich für ihren 60%-Fotografenanteil.
- Die relativ neue Microstock-Agentur Stockfresh lässt es sich ebenfalls nicht nehmen, einige Seitenhiebe zu verteilen.
- Dreamstime preschte am weitesten vor und bietet bis zum 15. November allen Fotografen, die vorher exklusiv bei einer Bildagentur waren, für jeden akzeptierten Upload $0,20. Eindeutig ein Wink in Richtung der verärgerten istock-Exklusivfotografen.
Meine Reaktion
Im Gegensatz zu anderen Fotografen lebe ich ausschließlich von meinen Einnahmen der Stockfotografie. Jede Entscheidung will wohlüberlegt sein. Im letzten Jahr habe ich ca. 150 Euro pro Monat bei istockphoto verdient, in den letzten Monaten eher zwischen 150–200 Euro. Von den gesamten Einnahmen pendelt istockphoto im Vergleich zu meinen anderen Bildagenturen glücklicherweise nur an 7–9. Stelle. Mein RPD (Revenue per Download) lag bei ca. 1,10–1,20 Euro. Mein RPI (Return per Image) lag in den letzten Monaten bei ca. 0,19 Euro, Tendenz fallend. Zum Vergleich: Vor einem Jahr lag er bei istock noch doppelt so hoch.
Anders gerechnet heißt das: Wenn ich jetzt bei 20% im Monat 200 Euro bei istock verdiene, erhält istock 800 Euro. Wenn ich bei 15% ab dem nächsten Jahr 150 Euro verdiene, würde istockphoto damit 850 Euro verdienen. Das sehe ich nicht ein. Okay, ich würde mit meinen Verkäufen auf 16% kommen, aber mittelfristig nie auf 17%. Dazu kommt, dass neben der Honorarkürzung in der istockphoto-Meldung auch stand, dass viel mehr Bilder aus andere Kanälen über istock verkauft werden sollen. Das heißt, dass die Sichtbarkeit meiner nicht-exklusiven Bilder weiter abnehmen wird, was wiederum weniger Verkäufe bedeutet. Die ersten Motive aus der „Agency Collection“ deuten das bereits an.
In einem Kommentar zu meinem ersten Artikel über die Honorarkürzung hier im Blog hat Andreas gesagt:
„Natürlich probieren IS und Co. aus wie weit sie gehen können. Bieten doch genug Fotografen Ihre Bilder für 20% Anteil an, also warum dann nicht auch für 15. Versteht mich nicht falsch, aber wenn nicht langsam mal signalisiert wird, dass die Fotografen nicht nur die Lakaien der BAs sind, wird dieser Trend sich fortsetzen.Ich war nicht bereit bei 20% Verkaufsanteil meine Bilder hochzuladen und ich verstehe auch nicht, warum die meisten nicht sofort Abstand nehmen.“
Dem kann ich nur zustimmen. Ich habe lange überlegt, ob ich die Klappe halten soll und einfach weiterhin meine 150 Euro im Monat einstreiche. Aber wenn andere Agenturen merken, dass den Fotografen scheißegal ist, für wie wenig Anteil sie ihre Fotos einstellen, würden sie vielleicht nachziehen und dann habe ich wahrscheinlich deutlich mehr Verluste. Es gibt weitere Punkte, die gegen istockphoto sprechen: Es ist bei mir die Agentur, welche bei der Bildauswahl am pingeligsten ist, das Hochladen der Fotos dauert im Vergleich zu anderen Agenturen deutlich länger und das Upload-Limit verhindert, dass ich alle meine Fotos hochladen kann.
Deswegen: Seit Bekanntgabe der Honorarkürzungen lade ich keine neuen Bilder mehr hoch. Das werde ich unter den aktuellen Bedingungen auch weiterhin nicht tun. Es lohnt sich einfach nicht. Ich spare Upload-Zeit, die Umsätze werden erst langsam abnehmen, da die alten Bilder drin bleiben werden und mit der Zeit hoffe ich, den Verlust durch die anderen Bildagenturen, welche alle meine neuen Fotos vertreiben, aufzufangen. Es versteht sich von selbst, dass ich Bildkäufer, die mich fragen, wo sie meine Fotos kaufen können, nicht mehr an istock verweise, sondern an die anderen Bildagenturen.
Reaktionen anderer Fotografen
Seit Bekanntmachung der Honorarsenkung habe ich mit vielen Fotografen gesprochen. Dabei ist mir etwas aufgefallen: Das Hochladen und Verschlagworten der Bilder zu istockphoto ist extrem umständlich und langwierig. Viele exklusive istock-Fotografen, die überlegen, zu anderen Bildagenturen zu wechseln, befürchten deswegen, dass sich dieser hohe Aufwand dann multipliziert, wenn sie mehrere andere Agenturen beliefern. Ich kann sie jedoch beruhigen: Alle Bildagenturen die ich kenne, erfordern weniger Aufwand beim Hochladen der Bilder (vorausgesetzt, die Bildtitel, Beschreibung und Suchbegriffe werden mittels IPTC den Foto-Metadaten angehangen).
Reaktionen im Netz
Auch die bloggenden Fotografen und Online-Journalisten ließen sich die Meldung nicht nehmen und lieferten viele verschiedene Meinungen und Hintergrund-Analysen. Von „Ich hab’s doch immer gesagt“ bis zu „Unverschämtheit!“. Hier eine Auswahl der relevantesten Beiträge:
- Cnet berichtet darüber, wie das Crowdsourcing-Modell von istockphoto nach hinten losgehen kann.
- Paul Melcher bettet die istock-Entscheidung in größere Getty-Zusammenhänge ein.
- Photo Business News ist einer derjenigen, die es schon immer gewußt haben wollen.
- Auch Jeremy Nicholl hat den Ärger vorhergesehen.
- Einen Bericht über die langfristigen Folgen der istock-Entscheidung für Microstock gibt es bei Lighting Essentials.
- Eher istock-freundlich ist die Berichterstattung bei DPTnT.
- Mehr aus der Käufer-Sicht schreibt der istock-Fotograf Sean Locke.
- Doug Armand vergleicht das Vorgehen von istock mit früheren Tricks von Getty Images.
- Matt Antonino hat einen wütendenden, aber trotzdem inhaltlich gut argumentierenden Artikel gepostet.
- Jen Grantham ist ebenfalls frustriert und listet ihre Einwände auf.
- Rob Davis stellt Alternativen für frustrierte istocker vor.
- Eine der Fotografinnen, die entschieden hat, ihre Bilder bei istock zu entfernen.
- Eine noch ausführlichere Liste zu Berichten über die istock Honoraränderung gibt es bei mystockphoto.
Was für Konsequenzen habt ihr aus der Ankündigung von istockphoto gezogen? Beißt ihr in den sauren Apfel oder ändert ihr Euer Upload- bzw. Kauf-Verhalten?