Heute fasse ich mich mal kurz und lasse die Anfrage für sich sprechen:
„Lieber Robert,
ich hätte da was für die Serie „Frag‚ den Anwalt“.
Anbei zwei Aufnahmen, die ich von der Qualitätskontrolle einer deutschen Stock-Agentur zur Überarbeitung zurück bekommen habe.
Strittig ist die Frage, ob die Aufkleber auf der Gitarrenbox, auf dem Laden-Türrahmen, dem Schaufenster und dem Abfallbehälter retuschepflichtig sind. Ebenso die gelbe Vintage-Verpackung aus den 50ern im Schaufenster.
Das von dem Geschäft „Hot Dogs“ ein Property vorliegt ist selbstverständlich.
Nach meiner Rechtsauffassung ist kein Logo wirklich erkennbar und ähnlich wie bei Graffiti tauchen die Sticker quasi ungefragt im öffentlichen Raum auf. Schwer vorstellbar, dass nach Veröffentlichung einer solchen Aufnahme jemand auf Copyright-Verstoß klagt, zumal die Sticker von der Größe her nicht im Fokus der Aufnahmen stehen. Aufkleber mit eindeutigen Logos hätte ich natürlich weg retuschiert.Viele Grüße,
Roger“
Eigentlich war diese Frage für den Anwalt gedacht gewesen, aber da ich das Thema schon mehrmals gegenüber Agenturen hatte, kenne ich die ungefähre Antwort darauf.
ich möchte jedoch meine Ausführungen mit einer Gegenfrage beginnen:
Wenn ihr eine dieser Grafiken alleine für Werbezwecke sehen würdet, denkt ihr, dass der Grafiker der betreffenden Illustration dazu seine Einwilligung geben müsste?
Und wenn ich das Foto rechts kommerziell nutzen würde, bräuchte ich die Einwilligung des Fotografen und der abgebildeten Personen?
Die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch, dass ihr „ja“ antwortet, wenn ihr etwas bewandert im Urheberrecht seid. Nun habe ich die gezeigten Bilder alle aus den Originalfotos extrahiert, die mir der Fotograf Roger Richter freundlicherweise für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat.
Erahnt ihr schon das Problem?
Wenn diese Fotos über Bildagenturen angeboten werden, darf der Kunde diese Bilder in der Regel beschneiden und verändern. Genau das habe ich auch gemacht und daraus urheberrechtlich problematische Fallbeispiele gewonnen. Natürlich ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein Kunde diese briefmarkengroßen Illustrationen kommerziell einsetzt. Es ist aber nicht ausgeschlossen und deshalb gehen einige Bildagenturen lieber auf Nummer Sicher als hinterher vor Gericht um ihr Recht kämpfen zu müssen.
Dazu kommen noch andere Faktoren: Die von mir extrahierten Grafiken sind nur einige der vielen Aufkleber und Street-Designs im Bild, wer weiß also schon genau, welche rechtlichen Stolperfallen in den anderen Motiven liegen.
Einige Aufkleber haben Text wie „Geile Scheiße“ oder „Elvis was just a fat pig“. Auch darüber würde nicht jeder Kunde erfreut sein.
Die Datumsangaben auf einigen Aufklebern und Postern grenzen das Aufnahmedatum ganz gut ein und limitieren somit die Nutzung über einen längeren Zeitraum hinweg, wenn das Bild eine aktuelle Situation illustrieren soll.
Das alles ist sehr kleinlich und pendantisch und ich gebe zu, dass ich mich schon selbst öfter über solche Pingeligkeiten seitens der Bildagenturen geärgert habe. Nichtsdestotrotz sitzen die Agenturen hier am längeren Hebel und wenn sie den Weg des geringsten Widerstands gehen wollen, müssen die Fotografen leider oft mitgehen.
Es ist leider generell schwer, juristisch gegen Ablehnungen (oder Überarbeitungswünsche) von Bildagenturen argumentieren zu wollen, weil Rechtssicherheit nur einer der Aspekte ist, den Agenturen berücksichtigen. Wenn eine Agentur ein Bild nicht annehmen will, könnte sie immer noch andere Ablehnungsgründe wie Komposition, technische Qualität, kommerzielle Verwertbarkeit und so weiter anbringen oder vorschieben.
Wie seht ihr die Sache?
P. S.: Coole Fotos übrigens.