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Frag den Fotograf: Dürfen Models häßlich und dreckig sein?

Diesmal möch­te ich kei­ne Email beant­wor­ten, son­dern eine Frage. Diese wur­de mir auf der Foto-​Webseite fokussiert.com in die­sem Kommentar zu einem Artikel von mir gestellt.

Beim Schminken

Skip schreibt da:

[…] Zum Thema, an das ich mich wie­der erinnerte:
Ich bin über Dein Blog über­haupt mit Stockfotos in Berührung gekom­men. Erst da wur­de mir als (Print-)Medienlaien über­haupt klar: Wo sol­len denn sonst die Fotos in der Apothekenrundschau und „fami­lie & Co.“ herkommen.

Und genau so sehen die Fotos in den Datenbanken auch immer aus: Leicht zu kon­su­mie­ren, kei­ne Ecke, kei­ne Kontraste, kei­ne inhalt­li­che Tiefe, Beiwerk zum Artikel. Dabei tech­nisch natür­lich hoch pro­fes­sio­nell produziert.

Das fällt vor allem bei Deinen Familienfotos auf, wo die Kinder immer sau­ber sind und die Haare ordent­lich gekämmt. Und wenn Dreck, dann ist der sau­ber auf­ge­tra­gen. Jeder Fleck per­fekt. 😉 Da wer­den Menschen im Raum bei einer Tätigkeit abgebildet.

Die Frage ist: Muss das so sein? Verdient man mit „unor­dent­li­che­ren“ Settings und Modellen kein Geld?“

Die Antwort in Kürze lau­tet: Nein, das muss nicht so sein.

Aber die Antwort auf die zwei­te Frage lau­tet: Ja, damit ver­dient man kein, bzw. zu wenig Geld.

Doch jetzt hole ich mal aus: Es steht jedem Fotografen frei, sich „häß­li­che Models“ zu suchen, die­se zu foto­gra­fie­ren und den Bildagenturen anzu­bie­ten. Je nach Bildagentur wer­den die­se ent­we­der schon von der Bildredaktion abge­lehnt oder aber auch ange­nom­men. Abgelehnt wer­den sie meist des­halb, weil die Bildagenturen wis­sen, dass deren Kunden die Bilder aller Wahrscheinlichkeit nach kaum kau­fen wür­den. Warum soll­ten sie auch? So lan­ge genug Fotos von schö­nen Menschen ange­bo­ten wer­den, wird die Werbung oder der Artikel lie­ber damit illustriert.

Mittlerweile ist dank der Attraktivitätsforschung erwie­sen, dass es Kriterien gibt, die alle Menschen oder min­des­tens Menschen aus dem glei­chen Kulturkreis als „schön“ anse­hen. Ich gebe ehr­lich zu, dass ich mir lie­ber schö­ne Menschen als häß­li­che Menschen anschaue. Außerdem gehe ich davon aus, dass es den meis­ten eben­so geht. Deswegen wird lie­ber ein Foto mit einem schö­nen statt mit einem häß­li­chen Menschen gekauft.

Das Ganze lässt sich auch spie­le­risch bewei­sen. Die Bildagentur Dreamstime hat vor kur­zem ein Rate-​Spiel names „Stock Rank“ ver­öf­fent­licht, wo dem Spieler immer zwei ver­schie­de­ne Fotos gezeigt wer­den. Er muss dann raten, wel­ches sich schon ver­kauft hat und wel­ches nicht. Sind auf bei­den Bildern Menschen zu sehen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich eher das mit den schö­ne­ren Menschen schon ver­kauft hat.

Dass sich schö­ne Menschen gut ver­kau­fen, sehe ich an mei­nen Umsatzzahlen. Mit über 100 Models habe ich bis­her zusam­men­ge­ar­bei­tet, ca. zur Hälfte männ­lich und weib­lich. Bei den weib­li­chen Models ver­kau­fen sich die­se bes­ser, die ich auch als „schö­ner“ emp­fin­den wür­de. Bei den männ­li­chen Models fällt mir so ein Urteil schwe­rer, da Männer per se für mich weni­ger attrak­tiv sind. Hier grei­fe ich des­halb ger­ne auf die Meinungen weib­li­cher Freunde zurück, um Männermodels auszusuchen.

Zwar heißt es von Bildagenturen immer wie­der: Wir suchen natür­li­che, „ech­te“ Menschen, kei­ne Top-​Models. Das heißt aber nicht, dass häß­li­che Typen will­kom­men wären. Die Models sol­len gut aus­se­hen, aber nicht so per­fekt schön sein, dass sich die Betrachter nicht mehr damit iden­ti­fi­zie­ren kön­nen oder wollen.

Es gibt aber eine Ausnahme: Fotos von sehr dicken Menschen, von Gesichtern mit vie­len, dicken Eiterpickeln, zer­narb­te Körper und so wei­ter wür­den sich bestimmt ver­kau­fen las­sen. Jedoch nur mit den pas­sen­den Suchbegriffen wie „dick“, „häß­lich“ oder „Pickel“. Aber fin­de mal ein Model, dass kei­ne Probleme damit hat, wenn Leute ihr ins Gesicht sagen: „Darf ich zu Deinem Foto schrei­ben, dass es häß­lich aussieht?“

Selbst wenn das Model ein­wil­ligt, bleibt das Problem der gesell­schaft­li­chen Akzeptanz. Wie ich hier in einem lan­gen Artikel gezeigt habe, ver­bie­ten alle Bildagenturen die Nutzungen von Fotos in einem dif­fa­mie­ren­den oder belei­di­gen­den Kontext. Wenn dann das Foto vom Pickelgesicht für eine Akne-​Werbung genutzt wür­de, könn­te das Model vor Gericht gute Chancen auf Schadensersatz wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten haben.

Manchmal sagen mir Leute: „Diese gan­zen Schönheiten auf den Titeln von TV-​Zeitschriften, das ist doch nicht mehr schön, das will ich nicht sehen“. Aber damit mei­nen sie nie, dass sie häß­li­che Models sehen wol­len. Sie erken­nen nur, dass die Retusche so über­trie­ben ist, dass die Schönheit Illusion blei­ben muss, obwohl sie doch lie­ber an ech­te, „natür­li­che“ Schönheit glau­ben wol­len. Deswegen ist die Kunst bei der Retusche auch, die Models schö­ner zu machen, ohne den Betrachter erken­nen zu las­sen, was da ver­än­dert wurde.

Selbst Model-​Agenturen, die sich auf Models „abseits des Mainstream“ spe­zia­li­siert haben, um es mal dezent aus­zu­drü­cken, wie z.B. „Ugly Models“ in London oder „Autseider“ in Berlin, reden nie von häß­li­chen Models, son­dern immer von „inter­es­san­ten Gesichtern“, „Menschen mit Charaktern“ oder „Leuten mit Wiedererkennungswert“.

Wer ech­te Fotos sucht, muss bei den Nachrichten-​Agenturen schau­en. Da wer­den Fotografen ja hoch­kant gefeu­ert, wenn sie auch nur etwas Himmel retu­schie­ren. Autihenzitätist deren höchs­tes Gut, des­we­gen sind deren Bilder unbe­ar­bei­tet und die Menschen und Orte eben mit Kanten und Dreck.

Und was ist mit dem Dreck? Gegen Dreck haben Bildagenturen nichts, vor­aus­ge­setzt, er passt zum Bildkonzept. Ein Bauer oder Bauarbeiter darf auch mal ein dre­cki­ges Hemd tra­gen und Schmutz unter den Fingernägeln haben. Aber dre­cki­ge Kinder unter dem Weihnachtsbaum? Wäre das glaub­wür­dig? Okay, viel­leicht, aber anders gefragt: Hätten sich die Eltern das gewünscht?

Eben habe ich über­legt, ob ich die­sen Blog-​Artikel nicht nut­zen soll­te, um einen Aufruf zu star­ten. Ich könn­te fra­gen, wer meint, rich­tig häß­lich zu sein und für Stockfotos modeln möch­te. Irgendwie befürch­te ich jedoch, dass ich dann Models absa­gen müss­te, wenn sie für den Suchbegriff „häß­lich“ zu „schön“ sind. Was für eine Welt.

Okay, was meint ihr? Verdient man mit „unor­dent­li­chen“ Models kein Geld? Warum kau­fen Designer so sel­ten Fotos von häß­li­chen Models?