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Der typische Umsatz-​Zyklus eines Microstock-Bildes

Zahlen sind eine wich­ti­ge Sache. Die meis­ten Stockfotografen, die ich ken­ne, foto­gra­fie­ren nicht für Bildagenturen, weil sie sich da künst­le­risch beson­ders gut aus­drü­cken kön­nen, son­dern weil sie mit ihren Fotos Geld ver­die­nen wol­len. Umso wich­ti­ger ist es, eini­ge Kennzahlen zu ken­nen, mit denen der eige­ne Umsatz bes­ser ana­ly­siert und damit auch pro­gnos­ti­ziert wer­den kann.

Ein sehr hilf­rei­ches Tool in die­ser Hinsicht ist Stock Performer, ein Analysedienst, der mitt­ler­wei­le die Verkäufe, Umsätze und ande­re wich­ti­ge Kennzahlen eines Fotografen für fünf Microstock-​Agenturen (Shutterstock, Fotolia, iStockphoto, Dreamstime und 123rf) aus­wer­tet und den ich hier aus­führ­lich getes­tet habe.

Luis Alvarez, einer der bei­den Köpfe hin­ter Stock Performer, hat vor weni­gen Wochen anhand sei­nes eige­nen Portfolios den typi­schen Lebenszyklus eines Microstock-​Bildes vor­ge­stellt. Jedes Portfolio ist aber anders und da Luis zum Beispiel exklu­siv bei iStockphoto ist, wäh­rend ich die­se Agentur nicht mehr belie­fe­re, sehen mei­ne Zahlen viel­leicht ganz anders aus. Luis war so freund­lich, basie­rend auf den rea­len Verkäufen und mei­nen bis­he­ri­gen Umsätzen den typi­schen Umsatzzyklus mei­ner Microstock-​Bilder zu berech­nen. Das Ergebnis sieht gra­fisch so aus:

In der Grafik sehr ihr, wie viel ich im Durchschnitt mit einem Microstock-​Bild bei den vier Agenturen pro Monat ver­die­ne, gerech­net vom Zeitpunkt des Hochladens. Nach einem star­ken Einstieg im zwei­ten Monat errei­chen mei­ne Bilder ihre finan­zi­el­le Hochzeit vom 9. bis zum 16. Monat. Danach geht es kon­ti­nu­ier­lich berg­ab und das Bild pen­delt sich bei ca. einem hal­ben Euro pro Monat ein. Grundsätzlich ist die Kurve ver­gleich­bar mit der von Luis, auch wenn sei­ne höher ansteigt, aber auch schnel­ler abfällt. Im Grunde wer­den aber die meis­ten Microstock-​Fotografen eine ähn­li­che Kurve bei ihren Bildern vor­fin­den, je nach Motiv höchs­tens unter­schied­lich hoch.

Der Lebenszyklus in Zahlen

Wer die Werte oben zusam­men­zählt, soll­te auf ins­ge­samt 61 US-​Dollar kom­men, die ein Bild pro Jahr bei den vier genann­ten Agenturen zusam­men bringt. Im Schnitt macht das pro Bild und Monat 1,65 US-​Dollar. Interessant ist auch das Absacken im drit­ten Jahr. Während der RPI (Revenue per Image/​Umsatz pro Bild) pro Monat für die vier Agenturen bei ca. 2 US-​Dollar liegt, hal­biert er sich im drit­ten Jahr auf einen US-​Dollar. Die bran­chen­üb­lich ange­nom­me­ne Halbwertszeit von zwei Jahren für ein Microstock-​Bild bestä­tigt sich hier.

Der durch­schnitt­li­che RPI von 1,65 USD ist bei mir jedoch sehr ungleich ver­teilt. Fast ein Dollar ent­fällt auf Fotolia, gefolgt von einem hal­ben Dollar von Shutterstock, elf US-​Cent von Dreamstime und sechs Cent von 123rf. Ich habe iStockphoto nicht in mei­ne Analyse auf­ge­nom­men, weil ich dort ers­tens nur höchs­tens ein Fünftel mei­nes gesam­ten Portfolios habe und zwei­tens nichts mehr dort hoch­la­de. Hätte ich iStockphoto mit in den Grafiken drin gehabt, wäre der Gesamt-​RPI um 10 Dollar höher und der Durchschnitt-​RPI um 0,28 USD.

Warum haben Bilder einen Zyklus?

Aufstieg, Höhepunkt und Verfall: Warum durch­le­ben alle Stockfotos eine sol­che Kurve? Einerseits liegt es an den Motiven selbst. Die gezeig­te Technik wie Fernseher, Telefone oder Computer ver­än­dern sich, wer­den klei­ner, dün­ner, run­der, schi­cker oder glän­zen­der. Bei Fotos von Menschen ändern sich die Vorlieben beim Schnitt der Kleidung, den Farben und den Frisuren. Bei Reise- und Architekturfotos ändern sich die Gebäude, die Skyline, das Design der Autos und so wei­ter. Andererseits tra­gen auch die Algorithmen der Bildagenturen eben­so zum Abstieg der Fotokarriere bei. Neue Bilder wer­den in den Suchergebnissen bevor­zugt, weil sie die oben genann­ten aktu­el­len Trends inne­ha­ben, aber auch die Bestandskunden (vor allem im Abo-​Bereich) immer fri­sches Material sehen wol­len. Als drit­ter Punkt kom­men die kon­kur­rie­ren­den Fotografen hin­zu, die eben­falls nicht ruhen und bestän­dig neue Bilder pro­du­zie­ren, die mit den eige­nen alten Fotos um Käufer konkurrieren.

Was nützen mir diese Zahlen?

Es gibt meh­re­re Möglichkeiten, die genann­ten Zahlen für sich nutz­bar zu machen. Eine Möglichkeit ist, sie als Vergleichsbasis zu neh­men, um ande­re Portfolios zu bewer­ten. Die zwei­te Möglichkeit ist, Umsatzprognosen zu erstel­len. Wie viel wür­de ich ver­die­nen, wenn ich jeden Monat 10, 100 oder 500 Bilder hoch­la­de? Bei 100 Bildern wür­de mei­ne Kurve so aussehen:

Zwei Jahre lang wür­den die Umsatz rela­tiv sta­bil anstei­gen, dann wür­de die Kurve aber fla­cher wer­den und ein Umsatzzuwachs lässt sich nur noch schwer erzie­len. Oder was wür­de pas­sie­ren, wenn ich nur ein Jahr lang jeden Monat 300 Bilder hoch­la­de und danach kei­ne neu­en Bilder mehr liefere?

Im ers­ten Jahr wür­de die Kurve logi­scher­wei­se gleich­mä­ßig und stark anstei­gen, dann aber ca. ein Jahr lang sta­gnie­ren, ein Jahr lang flach abfal­len und sich dann lang­sam auf dem Niveau das zwei­ten Monats einpendeln.

Am liebs­ten nut­ze ich die Zahlen aber, um Entscheidungen für neue Shootings zu tref­fen. Mit Stock Performer kann ich mit sowohl den monat­li­chen als auch den Gesamt-​RPI für jedes mei­ner Shootings ein­zeln anzei­gen und sor­tie­ren las­sen. So habe ich bei­spiels­wei­se 90 Shootings bei Shutterstock in der Liste, davon lie­gen „nur“ 36 Fotosessions über dem durch­schnitt­li­chen monat­li­chen RPI von 52 Cent, das bes­te Shooting liegt mehr als fünf Mal dar­über. Nun kann ich schau­en, ob die­se über­durch­schnitt­lich abschnei­den­den Shootings etwas gemein­sam haben und wei­te­re Shootings in die­ser Richtung pla­nen. Oder wenn mich ein Model fragt, ob ich noch mal mit ihr shoo­ten möch­te, schaue ich mir an, wie das letz­te Shooting im Vergleich zum Durchschnitt liegt und kann so basie­rend auf Fakten eine Zusage oder Absage machen.

Der Vergleich mit Macrostock-Zahlen

Nachdem Luis sei­nen Artikel im Blog der Microstockgroup ver­öf­fent­licht hat­te, ver­öf­fent­lich­te Gerald Staufer, Chef der Macrostock-​Agentur Westend61, im Macrostock-​Blog einen Artikel über den Lebenszyklus von Macrostock-​Bildern. Den emp­feh­le ich sehr als Ergänzung zu Luis‘ und mei­nem Artikel und auch die Kommentare zu den Artikeln lie­fern noch vie­le span­nen­de Informationen. Aber mal grob gerech­net. Gerald zeigt die Umsätze von fünf guten People-​Fotografen und Fotografen mit ande­ren Themenschwerpunkten.

Ich kon­zen­trie­re mich jetzt auf die People-​Zahlen, weil sich die­se eher mit mei­nem People-​Portfolio ver­glei­chen las­sen. Diese fünf Fotografen haben der Agentur in vier Jahren ca. einen Umsatz von ca. 138.000 Euro. Bei einem Fotografenanteil von 50% wären das ca. 69.000 Euro. Die fünf Fotografen haben zusam­men 1011 Bilder im Portfolio. Das macht einen Gesamt-​RPI von 68 Euro. Verglichen mit mei­nem Gesamt-​RPI von 45 Euro (bzw. 52 Euro inklu­si­ve iStock) lie­ge ich ziem­lich genau 50% drunter.

Zwei wich­ti­ge Faktoren müs­sen jedoch eben­falls berück­sich­tigt wer­den. Die Annahmekriterien sind bei Macrostockagenturen meist stren­ger, sodass man in der Regel von ver­gleich­ba­ren Shootings weni­ger Bilder in die Agentur bekommt. Das zei­gen auch die rela­tiv nied­ri­gen Portfolio-​Größen der aus­ge­wähl­ten Fotografen, die im Durchschnitt nur 202 Bilder bei der Agentur online haben. Wenn ich dort 50% weni­ger Bilder eines Shootings frei­ge­schal­tet bekom­me als bei den Microstock-​Agenturen, wür­de das den RPI auf den glei­chen Wert heben. Auf der ande­ren Seite der Waage ist die Lebenszeit bei den Macrostock-​Bildern län­ger, sodass sich nach den vier Jahren bestimmt noch eini­ge Umsätze ein­stel­len werden.

Welche Kennzahlen für euer Portfolio wer­tet ihr aus? Wie macht ihr das und was habt ihr davon?