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Stockfotografie-​Interview mit Jonathan Ross (Fotograf) Teil 1

Wieder habe ich kei­ne Mühen gescheut, um Euch ein infor­ma­ti­ves Interview bie­ten zu kön­nen. Ich leh­ne mich sicher nicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaup­te, dass dies hier das ers­te deutsch­spra­chi­ge Interview mit Jonathan Ross ist. Nein, ich mei­ne nicht den bri­ti­schen Moderator oder den aus­tra­li­schen Football-​Spieler, son­dern den Stockfotografen aus Seattle und Gründer der Bildagentur Blend Images. Zusammen mit sei­ner Frau Amy betreibt er die Fotoproduktionsfirma „Andersen Ross“.

Jonathan Ross

Ich freue mich wirk­lich sehr, dass Jonathan sich die Zeit genom­men hat, auf mei­ne Fragen aus­führ­lich zu ant­wor­ten, da er zum einen sehr offen spricht und auch Praxiserfahrungen in den Marktbereichen RM, RF und Microstock hat. Das Interview ist so lang gewor­den, dass ich es in zwei Teilen veröffentliche.

Was hast Du vor Deiner Fotografen-​Karriere gemacht?

Ich war Lagerarbeiter, ein Telefonmastenkletterer für das Kabelfernsehen und eine Aushilfe für einen Elektriker. Ich war ent­schlos­sen, ein „Arbeiterklasse-​Amerikaner“ zu sein, obwohl ich hin­ter den Kulissen von Theatern auf­ge­zo­gen wur­de, da mein Vater Regisseur war. Du kannst Deine Wurzeln nicht ver­leug­nen, des­halb beleg­te ich mei­nen ers­ten Fotokurs im College 1981. Aber erst 1987 ent­schied ich, die Fotografie ernst zu neh­men und schrieb mich in ein Programm für pro­fes­sio­nel­le Fotografie ein. Ich traf mei­ne Ehefrau in der Fotoschule und inner­halb eines Jahres nach unse­rem Abschluss öff­ne­ten wir unser ers­tes klei­nes Studio. Es war eine bes­se­re Garage, die pas­send „Luftschutzbunker“ genannt wur­de, da es ein Betonblock ohne Fenster war. Dort hat­te ich mein ers­tes Shooting mit einer ein­zi­gen Lichtquelle, gefil­tert durch ein Bettlaken, das von zwei Pfosten gehal­ten wur­de, die in Farbeimern zemen­tiert waren. Wir müs­sen alle irgend­wo anfan­gen… 🙂 Wir hat­ten 10.000 US-​Dollar gespart, um durch har­te Zeiten zu kom­men und mei­ne Frau begann sogar wie­der in einem Modeladen zu arbei­ten, damir wir ein Auskommen hat­ten, bis unse­rer Kundenstamm groß genug war.

Wie begann Dein Interesse an der Fotografie?

In mei­ner ers­ten Fotoklasse 1981 hat­te ich einen groß­ar­ti­gen Lehrer, Chris Simons, der ein super Motivator war. Er unter­rich­tet dort immer noch neue Schüler. Ich war 28, als ich am College wie­der mit der Fotografie anfing und muss­te etwas wäh­len und dabei blei­ben. Ich lieb­te Fotografie, also sag­te ich mir, als ich die Ausbildung begann, „das ist es und ich blei­be dabei“. Da ich unter Schauspielern auf­ge­wach­sen war, erkann­te ich, dass nur die Erfolg hat­ten, die ein­fach bestän­dig dabei blie­ben. Einige waren in weni­gen Jahren berühmt, ande­re brauch­ten zwan­zig, aber jeder, der dabei blieb, schaff­te es irgend­wann. Hartnäckigkeit und Arbeitsethik. In der Fotoschule geriet ich wie­der an einen Meister des Unterrichtens, Barton Atterberry, und er nahm mich unter sei­ne Fittiche. Wir blie­ben gute Freunde bis er letz­tes Jahr ver­starb. Er war ein Art Center-​Graduierter vor lan­ger Zeit. Meine Frau und ich haben ein Stipendium-​Programm die­ses Jahr unter sei­nem Namen gestar­tet für auf­stre­ben­de Fotografie-Talente.

Seit wann arbei­test Du als pro­fes­sio­nel­ler Fotograf?

Wir fin­gen wir fast zwan­zig Jahren an, als wir den „Luftschutzbunker“ 1990 eröffneten. 🙂

Was ließ euch ent­schei­den, Stockfotografie pro­fes­sio­nell zu betreiben?

Wir began­nen mit Werbefotografie und hat­ten das pure Glück, dass sich das Zentrum der Stockfotografie in unse­rer Heimatstadt Seattle ansie­del­te. Wir fin­gen mit Photodisc an, weil ein ande­rer Fotograf, den wir kann­ten, sag­te, dass da gutes Geld zu machen wäre. Dann zog Getty Images dazu und Corbis war auch in der Nachbarschaft. Wir began­nen eini­ge Nachforschungen und Entwicklungen in Sachen Stockfotografie, da wir nicht unse­ren gesam­ten Kundenstamm ver­lie­ren woll­ten, denn wir uns in zehn Jahren auf­ge­baut hat­ten. Nach sechs Monaten, in denen wir gute Zahlen mit Stockfotografie erziel­ten, erkann­ten wir, dass es eine groß­ar­ti­ge Möglichkeit war. Innerhalb eines Jahres lie­ßen wir alle unse­re Kunden lie­gen und foto­gra­fier­ten aus­schließ­lich Stockfotografie und haben seit­dem nie mehr zurück­ge­se­hen. Die Entscheidung wur­de auch durch unse­re Kinder beein­flusst, für die ich mehr Zeit haben woll­te. Studioarbeit wird von den Kunden bestimmt, Stockarbeit von mir.

Foto von Jonathan Ross

Mit was für einer Ausrüstung arbei­test Du?

Mit allem unter der Sonne, ein­schließ­lich der Sonne :-). Ich habe vie­le ver­schie­de­ne Lichtmöglichkeiten für diver­se Anlässe und Orte.

Was ist Dein liebs­tes Werkzeug?

Ich den­ke, das wären dann mein Computer und Photoshop. Ohne die wäre mein Arbeitsablauf viel zeit­auf­wän­di­ger. Das Internet gehört auch dazu, aber das zäh­le ich mit zum Computer. Das ist mei­ne Verbindung zur Außenwelt.

Auf wel­che Themen und Motive hast Du Dich spezialisiert?

Ich habe als Still Life-​Fotograf für kom­mer­zi­el­le Kunden begon­nen. Viele Kleidungsfotos und Katalogarbeiten und ab und zu Unternehmensberichte. Die letz­ten zehn Jahre habe ich aber aus­schließ­lich Lifestyle foto­gra­fiert, jedes Thema, was von den Kunden und Kollektionen ver­langt wird, die wir beliefern.

Wie wür­dest Du dei­nen foto­gra­fi­schen Stil beschreiben?

Das ist lus­tig, ich hät­te nie gedacht, dass ich einen Stil habe und mir mehr als Generalist gese­hen. Aber vie­le Leute sagen mir, dass sie ein Anderson Ross-​Foto [Name sei­ner Fotoproduktion; Anm. R.K.] leicht erken­nen kön­nen, also muss es da etwas geben. Ich wür­de sagen, ich fan­ge Momente und Gefühle im ech­ten Leben on loca­ti­on ein, unter­stützt durch Beleuchtung, die das natür­li­che Licht akzentuiert.

Foto von Jonathan Ross

Wie vie­le Fotos pro­du­zierst Du durch­schnitt­lich pro Monat?

Das hat sich im Laufe der Jahre geän­dert. Wir machen momen­tan viel Recherche, des­halb ist unse­re Produktion die­ses Jahr stark gesun­ken. Wir inves­tie­ren viel Zeit, neue Qualität zu kre­ieren und zu beleuch­ten, die über dem liegt, was wir letz­tes Jahr pro­du­ziert haben. Letztes Jahr haben wir 10.000 Bilder pro­du­ziert, die­ses Jahr wer­den es eher 2.000–3.000 Fotos sein. Mehr Qualität, weni­ger Quantität. Auch das Dazukommen von Bewegtbildern hat die Produktion von Fotos reduziert.

Wie vie­le Bilder habt ihr bis­her produziert?

Wir haben momen­tan über 15.000 Bilder online, aber wir haben einen Rückstau von ca. 2.000 Bildern, die noch hoch­ge­la­den wer­den müs­sen und ca. 100 Video-Clips.

Wie ver­teilt sich das auf Macro RM, Macro RF und Microstock?

Wir haben ca. 1.000 RM-​Bilder und die­ser Bereich wird auch das kom­men­de Jahr wei­ter wach­sen. Im Bereich Macro-​RF haben wir ca. 10.000 Fotos.  Microstock-​Fotos haben wir ca. 3.500, aber zur Zeit sind nur 2.000 online, den Rest laden wir in den nächs­ten Monaten hoch. Wir pla­nen, ca. 2.000 wei­te­re Bilder die­ses Jahr zu foto­gra­fie­ren, aber ich zäh­le das fast gar nicht mit, da wir so vie­le Microstock-​Bilder an einem Tag pro­du­zie­ren kön­nen. Bisher hat­te ich nur zehn Shootingtage für Microstock-​Bilder. Aber die­ser Business-​Bereich ändert sich fast wöchent­lich, also sieht mei­ne Antwort in drei Monaten viel­leicht ganz anders aus.

Wie ent­schei­dest Du, wel­che Bilder Du als Macro-​RM, Macro-​RF oder als Microstock anbietest?

RM-​Fotos sind meist ein­zig­ar­ti­ge Bilder mit einem star­ken Konzept und von unse­ren bes­ten Leuten pro­du­ziert. So ein Bild hat viel­leicht kei­ne Massenwirkung, aber der rich­ti­ge Käufer wird bereit sein, viel Geld für die­se Qualität zu bezahlen.

Macro-​RF-​Bilder sind unse­re mehr gene­ra­li­sier­ten Arbeiten im Studio oder „on loca­ti­on“, die brei­te­re Käuferschichten anspricht als unse­re RM-​Bilder. Der Schwerpunkt wird da auf Beleuchtung und Auswahl der Orte gelegt. Manchmal ist es schwer, sich zu ent­schei­den, wel­ches Bild wohin soll­te, aber unse­re Editoren hel­fen bei der Auswahl.

Microstock-​Bilder sind unse­re Fotos mit der größt­mög­li­chen Reichweite. Wir ver­su­chen, da Bilder zu pro­du­zie­ren, die eine gro­ße Vielzahl von Käufern anspricht, um sicher­zu­stel­len, dass es genug Verkäufe gibt, um die Investitionen so pro­fi­ta­bel wie in ande­ren Märkten zu machen. Außerdem pro­du­zie­ren wir bei Microstock-​Shootings viel mehr Bilder am Tag als für Macro-​Agenturen. Der Unterschied liegt bei ca. 50–60 Macro-​RF-​Fotos am Tag zu 200–250 Microstock-​Fotos pro Tag.

Kannst Du noch zäh­len, wie vie­le Bilder zu bis­her ver­kauft hast?

Ich hab kei­ne Ahnung. Ich kann Dir sagen, wie viel Umsatz jedes ein­zel­ne Foto in sei­nem Leben gemacht und mit etwas Recherche wür­de ich auch die Gesamtverkäufe her­aus­fin­den. Aber wir kon­zen­trie­ren uns mehr auf den mone­tä­ren Aspekt bei der Verkaufsanalyse. Wir ver­fol­gen alle Verkäufe unse­rer Bilder mit­tels einer Software, die spe­zi­ell für Stockfoto-​Verkäufe ent­wi­ckelt wur­de. Das hilft uns, zu erken­nen, was sich ver­kauft und was nicht, Saison-​Trends zu sehen und wann man dafür Bilder hoch­la­den sollte.

Welches Foto hat Dir bis­her den meis­ten Umsatz gebracht? Und wor­an könn­te das liegen?

Das ist ein Foto von einem Jungen, der an einem son­ni­gen Tag in einem Reifen schau­kelt. Im Bild liegt ein Gefühl von Freiheit und Glück, das glaub­haft ist, aber auch vage genug, damit es für vie­le Käufer attrak­tiv wird. Es ist aber auch eins unse­rer ältes­ten Bilder, des­halb hat­te es am meis­ten Zeit, Umsätze zu erzie­len. Ich glau­be, bis­her waren es ca. $15.000 und es ist ein Macro-​RF-​Foto, was immer noch über Getty Images ver­kauft wird.

Foto von Jonathan Ross

Welcher Teil des Fotografie-​Geschäfts macht Dir am meis­ten Spaß?

Es ist ein Unentschieden zwi­schen dem Shooting selbst und der ers­ten Auswahl. Ich lie­be es zu moti­vie­ren und am Set kann ich das gut machen. Die Interaktion mit den Models macht einen gro­ßen Unterschied aus, wie gut sich die Bilder ver­kau­fen wer­den. Ich mag auch die ers­te Auswahl, wenn ich die Ergebnisse mei­ner Arbeit am Computer sehen kann. Ich erwi­sche mich dabei, dass ich anfan­ge zu grin­sen, wenn ich ein beson­ders gelun­ge­nes Bild fin­de. Es ist eine Chance, sich an den Tag zu erin­nern und auch zu ler­nen, was nicht so gut lief, damit ich es beim nächs­ten Mal bes­ser machen kann.

Wie sieht Dein Arbeitsablauf aus?

Mein Produzent sucht die Locations, an denen wir foto­gra­fie­ren wol­len. Sobald wir die Erlaubnis für eine Location bekom­men, schau­en wir in den Bildagenturen nach Löchern in den Bildkollektionen, die unse­rer Meinung nach nicht gut genug abge­deckt sind und fan­gen von da an. Danach schau­en wir uns noch mal die Location an, ren­nen mit unse­ren Kameras her­um, um das vor­han­de­ne Licht zu tes­ten, sowohl von der Stärke als auch der Farbtemperatur und suchen nach span­nen­den Winkeln. Dann cas­ten wir die pas­sen­den Models für die Location. Wenn es ein Klassenraum ist, suchen wir Lehrer- und Schülertypen. Bei Krankenhäusern nach star­ken, ver­trau­ens­vol­len Gesichtern, die ein Gefühl von Sicherheit aus­strah­len und so wei­ter. Danach schaue ich mir die Location-​Fotos an und die Konzepte, wie wie als Lücken bei den Bildagenturen iden­ti­fi­ziert haben und ent­schei­den, wel­che Models am bes­ten für wel­che Rollen und und schrei­ben eine Shooting-Liste.

Das Vorbereiten der Shootingliste dau­ert lan­ge, dann wir wol­len nur die Models am Set haben, die wir dann auch benö­ti­gen. Ich has­se es, Models nur für das Rumstehen zu bezah­len. Außerdem wol­len wir den Lichtaufbau so nut­zen, dass wir unser Licht so wenig wie mög­lich umräu­men müs­sen. Diese Dinge ver­schwen­den Zeit und Geld. Je bes­ser wir vor­be­rei­tet sind, des­to weni­ger geht schief und wir stei­gern unse­re Produktivität. Auf der Shootingliste ist auch die Zeit ver­merkt, die für jeden Bereich zur Verfügung steht und wel­che Kleidung und Requisiten für die­se Szenen benö­tigt wer­den. Das befreit mich von dem gan­zen tech­ni­schen Ballast und ich kann mich auf Ideen und die Models konzentrieren.

Was ist Dein Lieblings-Lichtaufbau?

Ich arbei­te mit allen Arten von Licht, aber ich arbei­te am schnells­ten mit Blitzen. Ich habe über 35 Lichtquellen in mei­ner Sammlung, des­halb ist es eine Frage der Location, was ich davon mit­neh­me. Ich lie­be mei­nen 2m-​Profoto-​Schirm, der eine wun­der­ba­re Lichtqualität hat, aber ich mag das Licht von so vie­len Geräten, dass es schwer zu sagen ist. Ich mag auch die Kino-​Leuchten wegen ihres wei­chen Lichts und weil ich sie mit den Augen statt mit der Kamera kon­trol­lie­ren kann.

So, mor­gen geht es an die­ser Stelle wei­ter. Dann kom­men die span­nen­den Fragen zu Bildagenturen, Microstock, der Arbeit mit Models und der Zukunft des Bildermarkts.

Stockfotografie-​News 2009-07-24

Na, habt ihr sie ver­misst? Letzte Woche war ich in Berlin arbei­ten und fei­ern, des­we­gen fie­len die News mal aus. Dafür heu­te wie­der frisch aus ver­schie­de­nen Quellen für Euch zusammengezapft.

  • Nach der Aufregung um Steuerzahlungen bei der Microstock-​Bildagentur Shutterstock lich­tet die Firma die Verwirrung etwas, indem sie ein Online-​Tax Center ein­ge­rich­tet hat.  Morgen wer­de ich einen aus­führ­li­che­ren Artikel schrei­ben, wie die erfor­der­li­chen Anträge am bes­ten aus­ge­füllt werden.
  • Die Food-​Bildagentur Stockfood bie­tet jetzt auch Videos an. Zu Anfang sind ca. 1200 Clips ver­füg­bar mit Preisen von 39 Euro (Online) bis 299 Euro (HD).
  • Zu einem ähn­li­chen Thema: Interview mit dem Shutterstock-​CEO Adam Riggs über Stockvideos.
  • Die alt­ein­ge­ses­se­ne fran­zö­si­sche Bildagentur Gamma (Eyedea) wird zum 28.7.2009 geschlos­sen.

Wenn ihr noch News habt, hin­ter­lasst sie ein­fach in den Kommentaren.

Stockfotografie-​Interview: Dr. Martina Mettner (Fotografen-​Coach)

Heute las­se ich mal wie­der ande­re reden. In mei­ner Interview-​Reihe fra­ge ich Leute aus der Stockfotografie-​Branche. Diesmal ist Dr. Martina Mettner an der Reihe. Sie ist „Photoconsultant“ und berät Fotografen, die mehr Erfolg haben wol­len. Wer nach dem Lesen gleich eini­ge Tipps von ihr haben möch­te, fin­det auf ihrer Webseite ein aus­führ­li­ches, lesens­wer­tes Karriere-​Tutorial für Fotografen. Außerdem schreibt sie den Blog „Fotofeinkost“. Los geht’s mit den Fragen.

Dr. Martina Mettner

Sie nen­nen sich Photoconsultant. Was ist das eigent­lich und wie kamen Sie dar­auf, Fotografen zu beraten?

Hierzulande kennt man sonst nur Art Consultants, die bei­spiels­wei­se beim Aufbau einer Kunstsammlung bera­ten. Ich bin stu­dier­te Soziologin, und habe mich wäh­rend des Studiums inten­siv theo­re­tisch mit Fotografie befasst, unter ande­rem in Form einer Diplom- und einer Doktorarbeit. Während des Studiums habe ich nicht nur in Büros, son­dern vor allem an und für Fotozeitschriften gear­bei­tet, in der ers­ten Fotogalerie in Frankfurt mit­ge­wirkt und auch Fotografie unter­rich­tet. Nach dem Abschluss konn­te ich des­halb direkt die Position einer Chefredakteurin zunächst von einer, dann spä­ter von zwei Fotozeitschriften über­neh­men. In die­ser Funktion habe ich ja lau­fend mit Fotografen gear­bei­tet und ihnen ihr Bildmaterial neu sor­tiert. Im Umschau Verlag ent­wi­ckel­te ich auch das Magazin „Schwarzweiss“, das inhalt­lich etwas anders aus­ge­rich­tet war als heu­te. Immerhin exis­tiert es noch. Nach mehr als zehn Jahren im Verlag wech­sel­te ich in die Unternehmenskommunikation, erst ange­stellt, spä­ter frei. Ich schrieb Romane und ver­miss­te die Fotografie. Die Idee, mein Wissen, die Erfahrung und vor allem mei­ne ana­ly­ti­schen Fähigkeiten zum Nutzen von Fotografen anzu­bie­ten, hat­te ich in den USA als ich dort die Ausstellung „In Their Mothers’ Eyes“ kura­tier­te. Dort gibt es den Beruf ja schon län­ger, wobei sie sehr viel stär­ker auf kom­mer­zi­ell arbei­ten­de Fotografen fokus­siert sind als ich.

Es gehört viel Vertrauen dazu, eine Beratung zu buchen. Sich hel­fen zu las­sen fällt doch gera­de Fotografen nicht leicht, oder?

Auf jeden Fall, und ich weiß es sehr zu schät­zen, dass Fotografen oft­mals von weit her (Holland, Österreich, Schweiz, Italien, sogar aus Shanghai und dem­nächst einer aus Russland) kom­men, um mit mir zu spre­chen. Aber ich arbei­te auch dar­an, indem ich über mei­ne Internetpräsenzen vie­le Tipps und Artikel ver­öf­fent­li­che, die mei­ne Haltung trans­pa­rent machen. Wer kommt, weiß in der Regel, dass es ans Eingemachte geht. Das Gute aus mei­ner Sicht ist, dass es den Fotografinnen und Fotografen immer viel mehr bringt, als sie erwar­tet haben. Manche kom­men wirk­lich ver­zwei­felt, weil sich seit Jahren die Gedanken im Kreis dre­hen und kei­ne Lösung in Sicht scheint. Manche wol­len „nur“ wis­sen, wo sie ste­hen und wie sie sich ver­bes­sern kön­nen. Gerade bei Seiteneinsteigern ist so ein pro­fes­sio­nel­les Feedback immens wich­tig. Eine Analyse, die die eige­ne Biografie, den Stand der Fotokenntnisse eben­so umfasst wie die zukünf­ti­gen Entwicklungen, die sich in der Branche abzeich­nen, hilft letzt­lich jedem Fotografen, die eige­nen gedank­li­chen Grenzen zu über­win­den und ein kla­res Ziel zu sehen. Je kla­rer das Ziel, des­to leich­ter ist es, sich mit Élan an des­sen Erreichung zu machen.

Was sind die Bereiche, in denen die meis­ten Fotografen bei Ihnen Rat suchen?

Da die Beratungen indi­vi­du­ell sind und jeder mit sei­ner beson­de­ren Geschichte, sei­nen Wünschen und Problemen kommt, fällt es mir schwer, pau­schal zu ant­wor­ten. Man kann wohl drei Gruppen benen­nen: kom­mer­zi­ell arbei­ten­de Fotografen, die mer­ken, dass Ihnen die klas­si­schen Auftragsbereiche weg­bre­chen und die klug genug sind, zwecks Neuorientierung zu kom­men; Amateure und Seiteneinsteiger, die glau­ben, die Fotografie sei die Erlösung aus ihrem Büro- oder IT-​ler oder BWL-​ler-​Dasein. Und Fotografinnen. Es ist sicher eigen­ar­tig, sie geson­dert zu nen­nen, aber es gibt tat­säch­lich geschlechts­spe­zi­fi­sche Unterschiede. Frauen man­gelt es oft­mals an Selbstbewusstsein, erst recht, wenn sie nach einer Erziehungspause wie­der ein­stei­gen wol­len. Die gan­ze Branche hat sich inzwi­schen ver­än­dert, was es für sie nicht leich­ter macht.

Raten Sie Fotografen zur Stockfotografie?

Prinzipiell hal­te ich die Stockfotografie für eine Option, den Lebensunterhalt zu ver­die­nen oder zu ihm hin­zu­zu­ver­die­nen. Aber es sind weni­ge Fotografen von ihrer Veranlagung her zur Stockfotografie geeig­net. Nicht jeder ist so akri­bisch wie Sie! Und das soll­te man sein. Ich hal­te die­se Sparte der Fotografie für die schwie­rigs­te über­haupt, weil sie eine extre­me hand­werk­li­che Perfektion ver­langt und zugleich die Fähigkeit, abs­trak­te Begriffe zu visua­li­sie­ren, vom gan­zen Handlingaufwand nicht zu reden. Ich per­sön­lich fin­de die Stock-​Fotografie aber auch ste­ril. Überwiegend im Studio vor wei­ßem Hintergrund zu foto­gra­fie­ren und dann stun­den­lang zu ver­schlag­wor­ten – das muss man wirk­lich wollen.

Welche Voraussetzungen soll­te Ihrer Meinung nach ein guter Stockfotograf mitbringen?

Er soll­te per­fek­tio­nis­tisch sein und extrem auf dem Laufenden, was in der Gesellschaft pas­siert, denn er oder sie muss ja im Idealfall das Bildmaterial jetzt pro­du­zie­ren, für das es erst in der nahen Zukunft einen Bedarf geben wird. Das ist schon ein gro­ßer Unterschied zur Auftragsfotografie, wo der Fotograf auf eine klar for­mu­lier­te Anforderung hin produziert.

Was hal­ten Sie von Microstocks?

Das ist nicht ein­mal die Zukunft, son­dern die Gegenwart. Das hat sich von lan­ger Hand abge­zeich­net. Die Fotografie ist in einem dra­ma­ti­schen Umbruch, der nichts mit digi­ta­ler oder ana­lo­ger Aufzeichnung zu tun hat, son­dern mit einer kom­plet­ten Umstrukturierung der Arbeitsfelder und neu­en Werten foto­gra­fi­schen Handelns. Im Übrigen bin ich neu­er­dings Fan von Yuri Arcurs, weil er ana­ly­tisch an die Technik der Microstock-​Fotografie und die Anforderungen her­an­geht. Der zeigt in einem Workshop-​Video (http://www.fototv.de/microstock_fotografie) wie man das machen muss, um ratio­nell zu arbei­ten. Wenn man einen Bereich ana­ly­tisch durch­drun­gen hat, kann man leicht erklä­ren wie’s funk­tio­niert. Und das Gegenüber kann es leicht nach­voll­zie­hen. Das mache ich genau so. Ich erklä­re, wie die Fotografie funk­tio­niert, und war­um es wich­tig ist, sich jetzt mit den geän­der­ten Bedingungen auseinanderzusetzen.

Fotografieren Sie eigent­lich selbst?

Ich lie­be die Fotografie! Meinen Sie, auf das Glück, das ernst­haf­tes Fotografieren bedeu­tet, woll­te ich ver­zich­ten? Kommerziell arbei­te ich aller­dings nicht, zum einen, weil ich das, was mir so am Herzen liegt, nicht Marktgesetzen preis­ge­ben will, zum ande­ren möch­te ich nicht, dass Klienten sich zu mir in einer Konkurrenzsituation sehen. Fotografen sind da sehr sensibel!
Ich bin gera­de in den letz­ten Jahren durch eige­ne Fotoprojekte ver­ständ­nis­vol­ler bei der Bildbeurteilung gewor­den, und gebe, wo es ange­bracht ist, prak­ti­sche Tipps zur Bildaufteilung oder Fotobearbeitung. Bei vie­len Beratungsgesprächen kann ich aus per­sön­li­cher Erfahrung ermu­ti­gen, über den eige­nen Schatten zu sprin­gen, und, bei­spiels­wei­se, ein frei­es Projekt zu beginnen.

Wenn Sie selbst nicht kom­mer­zi­ell foto­gra­fie­ren, woher neh­men Sie Ihr gan­zes Know-how?

Das ist nun eben der Unterschied zwi­schen Handwerk und Wissenschaft: Machen oder Analysieren – und Schlussfolgerungen zie­hen. Durch die vie­len Beratungen bekom­me ich die Situation in ganz unter­schied­li­chen Berufs- und Ausbildungssituationen geschil­dert und gewin­ne dadurch einen guten Überblick. Ich den­ke wirk­lich viel dar­über nach, was im Moment in der Fotografie pas­siert, gucke mir, wenn gera­de kein Fotograf hier ist, Fotoarbeiten im Internet an. Momentan schrei­be ich an einem Fotolehrbuch, das hof­fent­lich noch in die­sem Jahr erschei­nen wird, was zusätz­lich zwingt, kla­re Aussagen zu machen. Zudem kommt mir mei­ne beruf­li­che Erfahrung natür­lich eben­so zugu­te wie mein foto­gra­fi­sches Wissen. Womit ich jedoch die Fotografen am meis­ten ver­blüf­fe, ist, dass ich Fehler, Schwächen, aber auch Vorzüge ein­zel­ner Fotografien spon­tan in Worte fas­sen kann. Das geht nur dank lebens­lan­gem Training.

Sie sagen ja, die Fotografen soll­ten in ein, zwei Sätzen ihr beruf­li­ches Profil erläu­tern kön­nen. Sagen Sie in zwei Sätzen, was die Fotografen bei Ihnen erwartet.

Alle, die zu mir kom­men, wer­den, egal auf wel­chem Stand sie sind, wirk­lich ernst genom­men und gehen nicht ohne fri­sche Perspektive und neue Ideen. Sie bekom­men klar gesagt, wor­an sie arbei­ten müs­sen, um das gesteck­te Ziel zu errei­chen, und sie müs­sen die­ses inspi­rie­ren­de, aber auch umwäl­zen­de Gespräch nicht mit lee­rem Magen durchstehen.

Heißt Ihr Blog des­halb Fotofeinkost?

Ganz genau. In mei­nem Online-​Magazin gibt es Denkanstöße zur Fotografie, jedoch kei­ne Rezepte.

Vielen Dank für das Interview!

Falls nach Fragen offen sind, könnt ihr sie ger­ne in den Kommentaren stel­len. Vielleicht kann Frau Dr. Mettner sie euch dann beant­wor­ten oder eine aus­führ­li­che Beratung empfehlen.

Martin interviewt mich zum Thema Stockfotografie

Vorgestern haben Martin Gommel (von kwerfeldein.de) und ich so lan­ge an unse­ren Webcams, Monitoren und Soundkarten gespielt, bis wir via Skype eine coo­le Videokonferenz hin­be­kom­men haben. Martin hat mich dann gleich zum Thema „Stockfotografie“ inter­viewt und das Video ges­tern in sei­nem Blog ver­öf­fent­licht. Das Video könnt ihr in die­sem Beitrag von ihm sehen.

P.S. Nicht wun­dern, wenn ich stän­dig an der Kamera vor­bei­schaue, aber ich habe eher Martin auf mei­nem Monitor angeschaut… 🙂