Der Vorteil dieses Buches ist gleichzeitig sein Nachteil. Der Fotograf Dirk Wächter hat es geschafft, ein leicht verständliches, flüssig zu lesendes, anschaulich und anspruchsvoll bebildertes und inspirierendes Buch zu schreiben, welches die Nutzung des Blitzsystems E‑TTL von Canon erklärt.
Als Einstieg wählt Wächter einen Überblick über theoretische Grundlagen der Fotografie, wie Farbtemperatur, Weißabgleich, Blitzleitzahl oder Belichtungszeiten. Die ganz grundlegenden Informationen zu Brennweite oder Schärfe hätten jedoch als vorausgesetzt übersprungen werden können. Ähnliches gilt für die Kapitel Zwei und Vier, in denen die Bedienung einer Canon-EOS-Kamera erklärt wird und ausschweifend das Canon-Zubehör zum Blitzen aufgezählt wird – auch die Teile, die längst nicht mehr erhältlich sind. Da nahm der Dank des Autors für die Unterstützung von Canon wohl überhand.
Dieser lange Einstieg führt dazu, dass der gelunge Teil des Buches leider zu kurz geraten ist. In Kapitel Fünf werden die verschiedenen Blitzmöglichkeiten bei Vollautomatik, Programmautomatik ℗, Blendenvorwahl (Av), Zeitvorwahl (Tv) und dem manuellen Modus (M) erklärt. Diesen Abschnitt hatte ich schon früher gelesen und ich gebe zu, dass er der Auslöser war, mich wieder an das Blitzen mit dem Systemblitz zu wagen, nachdem ich die Bedienungsanleitung von Canon auch nach mehrmaligem Lesen nie richtig verdaut hatte. Hier wird der Nachteil des Buches deutlich: Dieses Kapitel hätte als Anleitung der Canon-Blitze mitgeliefert werden müssen und nicht Jahre später in einem eigenen Buch.
Im sechsten Kapitel wird Dirk Wächter endlich kreativ. Er verrät einige Tricks, wie mit dem kleinen Blitzgerät hoffnungslos scheinende Lichtsituationen gerettet oder überraschende Effekte erzeugt werden können. Wie bekommt man den Himmel bei Personenaufnahmen mit dem Blitz so satt dunkelblau wie in der Werbung? Psychedelische Lichteffekte? Mischlicht meistern? Alles kein Problem. Auch dieses Kapitel hätte weit ausführlicher behandelt werden dürfen. Zu oft verliert er sich in Details wie Anekdoten über Köche und Erbsen, statt zu mehr Bildern detaillierte Making-Ofs zu wie auf Seite 144 bringen. Immerhin liefert Wächter am Ende des Buches zu vielen Bildern die Aufnahmedaten wie Zeit/Blende, Objektiv, ISO-Wert und die grobe Blitzmethode.
Stiefmütterlich behandelt wird auch alles, was an Beleuchtung über den reinen Systemblitz hinausgeht. Damit meine ich nicht die großen Studioblitze, die absichtlich nicht Teil des Buches sind, sondern die Lichtformer, Reflektoren, Aufhelle, Funkauslöser und sonstige Gimmicks, die manchmal einem Foto den entscheidenen Kick geben. Auch das entfesselte Blitzen wird nur sehr kurz angeschnitten. Immerhin gibt er einmal Praxistipps für Farbfilterfolien, aber das riesige Sortiment an Lichtformern etc. von Firmen wie California Sunbounce, LumiQuest oder LastoLite wird nur kurz vorgestellt, die Einsatzmöglichkeiten und Wirkungsweisen zusammen mit den Canon-Blitzen aber ausgespart.
Trotz dieser Lücken ist das Buch „Heute schon geblitzt“ (ISBN 978–3000242779) empfehlenswert, weil es so inspirierend geschrieben ist. Wer sowieso paar Kilo Kamera und Objektive schleppt, packt dann die paar hundert Gramm Blitz ebenfalls mit ein, denn Dirk Wächter zeigt, wie hilfreich diese mobile Lichtquelle sein kann. Wer seinen Aufsteckblitz früher als notwendiges Übel sah, wird nach dem Lesen seinen Blitz mit anderen Augen sehen und sich wünschen, ihn bald einsetzen zu können.
Bisherige Rezensionen:
„Backstage“ von Effi Berger
„Andreas Feiningers große Fotolehre“ von Andreas Feininger
“Rezension: “Porträts gekonnt retuschieren mit Photoshop” von Matthias Matthai
“Food Styling For Photographers” von Linda Bellingham und Jean Ann Bybee
“Microstock Photography. How To Make Money From Your Digital Images” von Douglas Freer
“Wie sie mit eigenen Fotos Geld verdienen” von Helma Spona
“Fotos sehen, verstehen, gestalten” von Martin Schuster
“Mit eigenen Fotos Geld verdienen” von Lee Frost