Heute gibt es wieder eine „Pimp My Stock!“-Folge mit Fotos, die erkennen lassen, dass es der Fotograf zu was bringen wird, wenn er mit Ehrgeiz und Disziplin bei der Sache bleibt.
Für alle, die erst kürzlich reingeschaltet haben: Was ist „Pimp My Stock!“ überhaupt? In dieser Serien können mehr Leserinnen und Leser ihre Fotos schicken, welche sie als Stockfotos anbieten wollen. Ich beurteile diese dann mit Blick auf die mögliche Verkäuflichkeit und gebe Verbesserungsvorschläge. Es geht also nicht darum, ob ein Foto „schön“ ist, sondern wie gut es sich verkaufen könnte.
Wer ebenfalls mitmachen kostenlos will, findet hier alle notwendigen Informationen.
Diesmal bekam ich eine Mail von Stephan:
„Hallo Herr Kneschke,
ich beschäftige mich mittlerweile seit ca. 5 Jahren mit der Fotografie. Die ersten Jahre habe ich mich mit der Technik der Kamera auseinandergesetzt, zuletzt mit den Grundlagen der Studiofotografie. Vor etwa einem halben Jahr habe ich mich dazu entschieden, den Schritt in die Stockfotografie zu wagen und habe mich bei Fotolia angemeldet.
Ich habe mir vorgenommen, monatlich etwa 20 Fotos speziell für die Stockfotografie zu produzieren plus die ein oder anderen Fotos, die ich sonst so knipse.
Meine Annahmequote liegt etwa bei 50%, was ja gar nicht schlecht ist.
Leider sind meine ersten Erfahrungen sonst eher ernüchternd. Die Fotos werden kaum angeklickt.
Es wäre schön eine Feedback zu meinen Bilder zu erhalten. Vielleicht hast du auch den ein oder anderen Tipp, was ich besser machen könnte
Vielen Dank und liebe Grüße,
StephanPS: Hier mein Profil bei Fotolia.“
Stephan hat mir insgesamt 13 Fotos geschickt, von denen ich mir diese zehn rausgesucht habe:
Erstes Foto: Ein Wasserglas mit Zitrone. Was relativ simpel aussieht, ist in der Praxis gar nicht so einfach: Glas ist mit seinen Spiegelungen eins der herausfordernden Motive. Stephan hat es aber gemeistert. Ich finde das Bild gut und halte es verkäuflich: Die Verwirbelungen im Wasser und das schräge Glas sorgen für Dynamik im Bild. Ich würde es eventuell noch mit einem bläulichen Hintergrund verkaufen, weil das die Farbe ist, die automatisch mit Wasser assoziiert wird. Da ich ja das Portfolio bei Fotolia sehen kann: Im Titel des Bildes sind gleich zwei Tippfehler, auch da sollte sauberer gearbeitet werden.
Ein Stillleben mit Lebensmitteln von oben. Das Licht passt, vielleicht einen Tick zu hart, die Komposition aus ausgewogen, gefällt mir und kann auch Käufer finden. Aber: Solche Bilder verkaufen sich besser, wenn sie eine konkretere Aussage haben. Das heißt zum Beispiel, nur Zutaten der italienischen Küche zu verwenden, nur Kräuter, nur vegane Lebensmittel, nur Obst und Gemüse, nur Milchprodukte und so weiter. Im Detail könnte auch etwas sorgfältiger ausgewählt oder retuschiert werden. Die rote Paprika sieht nicht mehr ganz frisch aus, an einer Cashewnuss ist ein dunkler Fleck, die eine Tomate liegt auf den anderen und so weiter.
Drei Flaschen Bier: Wieder gut ausgeleuchtet, minimalistisch, aber wirkungsvoll komponiert, da kann ich mir viele Verwendungsmöglichkeiten vorstellen. Um die Verkäufe zu steigern, hätte ich hier gleich eine Serie mit verschiedenen Farben im Hintergrund erstellt (klappt vielleicht sogar noch in der Bildbearbeitung).
Was ich bei den bunten Lebensmitteln vorgeschlagen habe, hat Stephan hier schon teilweise umgesetzt. Hier dreht sich alles um Soja: Tofu, Sojabohnen und Sojamilch. Ich finde das Bild insgesamt gelungen, nur die Bohnen direkt vor dem dicken Tofustück hätte ich anders platziert, weil sie so im Schatten verschwinden. Möglich wäre noch eine weitere Bildvariante mit mehr Sojaprodukten wie Sojaöl, Sojasauce oder echten Sojasprossen.
Hier gibt es eine schwäbische Suppe mit Maultaschen: Bei solchen Freistellern neige ich fast reflexartig dazu, zu reinweiß zu raten. So auch in diesem Fall, weil es die Designer dann besser in ihre Layouts einpassen können. Professionelle Food-Fotografen hätten die Möhrenstücke sicher mit einer Pinzette besser im Teller verteilt und einige der Kräuter am Rand retuschiert, aber insgesamt ist das Foto gelungen. Die Variante mit einem hellen und dunklen Holztisch als Untergrund findet sich ebenfalls im Portfolio.
Auf diesem Bild sind Rigatoni mit Basilikum zu sehen. Mein Urteil ist wieder: gut, aber. Das Aber bezieht sich in diesem Fall vor allem auf die Verteilung der Sauce, die etwas lieblos auf die Nudeln gekippt wurde. Wie sorgfältig Sauce angeordnet werden kann, ist hier zu sehen*. Außerdem stört mich die dunkle runde Stelle ganz rechts auf dem Basilikum.
Auch hier zeigt sich wieder, dass das oben erwähnte Konzept, Zutaten nach bestimmten Themen zu ordnen, erfolgversprechend sein kann. Hier sehen wir die Zutaten für „Pesto Genovese“ mit Olivenöl, Basilikum, Knoblauch und Pinienkernen. Insgesamt finde ich das Foto gelungen, im Detail habe ich die Pinienkerne zu bemängeln, die sorgfältiger ausgesucht hätten werden können. Zum geschälten Knoblauch hätte ich noch eine Knolle Knoblauch mit Schale gelegt, damit dieser leichter erkennbar ist.
Äh, nee: Diese bunten Nudeln sehen wie hingeworfen aus. Sorgfalt ist auch hier das Zauberwort. Insgesamt sinnvoller wären andere Anordnungen gewesen, zum Beispiel vollständig formatfüllend von oben, aber die Nudeln nur am Rand mit Textfreiraum, damit das Bild als Hintergrund genutzt werden könnte. Aber so? Nein.
Ein märchenhafter, nebliger Wald. Technisch und kompositorisch habe ich nichts zu beanstanden. Ein schönes Waldfoto, was durch einige Filter (Sepia, o.ä.) auch noch zusätzliche Varianten hervorbringen könnte.
Ein vegetarischer Burger mit Bratling. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und genau das sollte ein gutes Foodfoto erreichen. Mission erfüllt. Im Detail stört mich etwas das Glas hinten rechts sowie wieder die mangelnde Sorgfalt. Die Brötchenhälften weisen einige Dellen auf (nicht umsonst schreibt eine Fotostylistin in diesem Buch, dass sie für so ein Foto viele Brötchen kauft). Auch die Salatblätter hatte ich, vor allem links mehr aus dem Brötchen gezogen, damit der Burger „gesünder“ wirkt. Zusätzlich hätte ich eine Variante ohne die Kidneybohnen gemacht, weil diese die Verwendungsmöglichkeiten doch etwas einschränken.
Insgesamt sehe ich in den eingereichten Fotos und seinem gesamten Portfolio viel Potential, erfolgreich zu sein. Seine anscheinend bevorzugte Nische „Foodfotografie“ erfordert jedoch noch etwas mehr Sorgfalt als sie aktuell an den Tag gelegt wird. Zu dem Thema gibt es auch einige Bücher wie dieses*, dieses* oder dieses* hier mit vielen hilfreichen Tipps für den Set-Aufbau und mehr.
Was sagt ihr?
Wie würdet ihr die Fotos von Stephan einschätzen?
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