Seit paar Jahren geht ein Gespenst um: Es heißt „Wiederverkauf digitaler Daten“ und erschreckte zuerst große Software-Konzerne wie Microsoft.
Schon 2008 versuchte Microsoft, den Wiederverkauf seiner Software durch andere Händler zu unterbinden und bekam zuerst Recht, weil der Konzerne keine digitalen „Waren“ verkaufte, sondern nur „Lizenzen“. Schon 2012 kippelte diese Notlösung jedoch durch ein EU-Gerichtsurteil.
Auch in den USA treibt das Gespenst sein Unwesen. Am 2. Juni 2014 gab es im US-Repräsentantenhaus vom „Justiz-Unterausschuss für geistiges Eigentum und dem Internet“ eine Anhörung zum Thema „Digitaler Wiederverkauf“, in den USA auch als „First Sale Doktrin“ bekannt.

Die schriftlichen Stellungnahmen verschiedener Interessengruppen können unter dem oben genannten Link selbst nachgelesen werden, darunter finden sich die Software-Firma ReDigi, die New York Public Library, ein Verlagshaus, ein Hollywood-Manager und auch der Grafikdesigner Ed Shems, der im Auftrag der Graphic Artists Guild spricht, welche wiederum Mitglied der Copyright Alliance ist. Seine Stellungnahme ist hier nachlesbar. Ich erwähne das so ausführlich, weil Es Shems derjenige ist, der den Interessen von Stockfotografen und Bildagenturen am nächsten steht.
Die meisten Stellungnahmen vor dem US-Repräsentantenhaus plädierten eher für eine Beibehaltung der bisherigen Regelungen, nur John Jossenmacher von der Firma ReDigi sprach sich für eine Änderung aus, was naheliegend ist, weil seine Firma mit der digitalen Rechteverfolgung ihr Geld verdient und daran der Bedarf bei erlaubten Weiterverkäufen digitaler Medien deutlich steigen würde.
Aber weil die Stockfotografie ein sich sehr schnell wandelnder Markt ist, wollen wir uns anschauen, was in der Praxis passieren könnte, wenn der Weiterverkauf digitaler Daten erlaubt sein würde.
Konkret: Was würde passieren, wenn jemand die Lizenz für eine Stockfoto-Nutzung kauft und diese weiterverkaufen kann, wenn er diese nicht mehr benötigt?
Im Grunde würde das entweder den Microstock-Markt zusammenbrechen lassen oder die Preise würden derart steigen, dass man nicht mehr von „Microstock“ reden könnte, sondern wieder zurück bei den alten „Macrostock“-Preisen und Lizenzmodellen wäre.
Microstock ist nur finanziell lohnend, wenn viele Verkäufe generiert werden können. Wenn jedoch jemand ein Microstock-Foto kaufen könnte und dieses dann weiterverkaufen dürfte, sobald er es nicht mehr braucht, würde das weitere Verkäufe kannibalisieren. Außerdem hätte dann auch der zweite Käufer wiederum das Recht, das Bild einem Dritten zu verkaufen und so weiter. So wäre es problemlos möglich, dass ein Bestseller hundert Mal verkauft wird, der Fotograf aber nur ein Mal entlohnt wird.
Spannend ist auch die Frage, ob es dann erlaubt wäre, mit einem Abo sozusagen als „Wiederverkäufer“ für andere Leute Bilder brauchen, welche sonst diese mit teureren Credits bezahlt hätten. Solche Angebote gibt es sogar schon, sind derzeit aber illegal und werden von den Agenturen aus gutem Grund streng verfolgt, weil diese bei voller Ausnutzung eines Abos jetzt meist schon draufzahlen.
Vielleicht würde dann der Verkauf von Abonnements von den Agenturen eingestellt werden. Vielleicht haben die Agenturen aber auch die Hoffnung, dass die Preise so niedrig sind, dass der logistische Aufwand eines Weiterverkaufs sich nicht lohnen würde. Letzteres glaube ich jedoch leider nicht, weil es vielen Leuten schon immer egal war, ob es sich finanziell lohnt, für einige Cent Ersparnisse eine halbe Stunde länger mit dem Auto zu einem anderen Supermarkt zu fahren und durch den höheren Spritverbrauch im Endeffekt doch mehr zu bezahlen. Dazu kommt, dass Amazon sich schon ein Patent auf einen „Second-Hand-Markt“ für digitale Dateien gesichert hat und Apple sich ebenfalls um ein Patent in dieser Richtung bemüht.
Ein weiterer logistischer Alptraum wäre es, die Gültigkeit einer Nutzungslizenz zu überprüfen. Wenn die Wiederverkaufskette theoretisch endlos sein könnte, würde der Aufwand ins Unermessliche steigen, um zu kontrollieren, ob die Kette wirklich lückenlos ist. In der Praxis hieße es: Es wäre nicht mehr nachvollziehbar, ob ein Stockfoto legal genutzt würde.
Das wiederum könnte zwei Entwicklungen zur Folge haben: Unter diesem Druck könnten erstens vielleicht endlich nutzbare digitale Wasserzeichen oder andere Methoden sich etablieren, welche die Gültigkeit einer Bildlizenz autmatisiert kontrollieren und anzeigen. Zweitens würde sich vielleicht noch weiter das Streaming von Bildern verbreiten, wo ein Weiterverkauf nicht möglich ist oder nicht notwendig, weil die Bildanzeige sowieso kostenlos wäre und zum Beispil über Werbung gegenfinanziert.
Zweitens könnte das ein Ansteigen von Auftragsarbeiten an Fotografen bedeuten, wenn viele Motive als Stockfoto so teuer würden, dass es keinen finanziellen Vorteil gegenüber einer Auftragsproduktion gäbe. Das wäre vielleicht das einzig Positive, wo diese doch seit Jahren über wegbrechende Aufträge wegen Stockfotos jammern.
Wie seht ihr die Entwicklung?