Seit ca. zehn Monaten schreibe ich schon in diesem Blog über Stockfotografie. Nun wird es Zeit, ab und zu auch mal andere Personen aus der Branche zu Wort kommen zu lassen: Kollegen, Bildagenturen, Firmen, Kunden etc.

Den Anfang macht die Stockfotografin Elisabeth Cölfen aus Duisburg. Sie beweist, dass „typische“ Stockfotografen eben meist keine gelernten Fotografen sind, sondern oft Quereinsteiger. Ihre Bilder sind mir auf meinen Internet-Streifzügen oft ins Auge gefallen, weil sie, hm, irgendwie niedlich sind.
Den Beweis erbringt sie auf ihrer Webseite und in ihrem Blog. Für ihre leckeren Food-Fotos hat sie ein eigenens Portfolio.

Vorhang auf, Kassettenrekorder an und los geht’s:
Seit wann fotografierst Du schon?
Seit 2004.
Warum wolltest Du Fotografin werden?
Oh, da muss ich etwas ausholen. Meist wird ja hier eine Geschichte nach dem Motto „Meine erste Kamera bekam ich im Alter von 8 Jahren von meinem Opa geschenkt, der auf eine Leica umstieg und mir seine Spiegelrefex-Kamera überließ …“ erzählt.
Bei mir ist das ganz anders. Ich habe mich nie für Fotografie interessiert und auch nicht gern fotografiert. Die üblichen Schnappschüsse von meiner Tochter im Zoo etc., aber ich würde nicht sagen, dass es mir viel Spaß gemacht hat.
Auch beruflich hatte ich als studierte Gemanistin/Anglistin keinen Bezug zur Fotografie. Ich bin eher „andersherum“, nämlich über die Bildbearbeitung, an die Fotografie gekommen.
Mitte der 90er entdeckte ich die Software „Bryce“, mit der man am Computer Landschaften generieren kann. Ich kaufte mir ein englischsprachiges Buch dazu, und die Autorin Susan Kitchens gab an, dass man ihr in einem AOL-Channel live Fragen stellen könne. Wegen der Zeitverschiebung setzte ich mich dann nachts um drei an den Rechner und loggte mich bei AOL ein. Die Autorin war nicht da, aber jemand sprach mich auf deutsch an „He, du kommst ja aus meiner alten Ecke“. Und damit hatte ich Kai Krause kennengelernt, den Schöpfer der Programme Kai‘s Power Tools, Soap, Convolver, Goo und vieler anderer. Er war mit 19 Jahren aus Essen in die USA ausgewandert, um dort in vielen Bereichen (z.B. Musikvisualisierung) sehr erfolgreich zu sein. Über ihn lernte ich Bildbearbeitung und Interface-Design kennen und war begeistert von den Möglichkeiten. Zunächst einmal waren Fotos für mich also in erster Linie „Material“ zur Bildbearbeitung.
Später hatte ich auch beruflich mehr mit visuellen Dingen zu tun. Zunächst als Webmaster der Uni Essen (heute Duisburg-Essen), und dann im Rahmen einer Stelle in einem Multimedia-Projekt, wo ich an der Erstellung von Lernsoftware für Studierende der Linguistik mitgearbeitet habe. Da habe ich oft Bilder mit einer kompakten Digitalkamera aufgenommen und bearbeitet. Und mit der Zeit machte mir der Umgang mit Bildern mehr Spaß als mein „eigentlicher“ Beruf.
Dann fiel mir irgendwann das Buch von Lee Frost „Mit eigenen Fotos Geld verdienen“ in die Hände. Und obwohl das Buch zu dem Zeitpunkt schon etwas veraltet war, gab es mir den ersten Anstoß zur beruflichen Neuorientierung. Ich kaufte mir eine analoge Minolta und legte los. Ich war mächtig stolz auf meine ersten Bilder, bei deren Anblick es mich heute gruselt. Die Bilder wollte ich dann einscannen und an die Agenturen schicken, aber die Qualität der Scans gefiel mir nicht. Und erst dieser ganze mühsame Prozess mitsamt Entwicklung etc.! So investierte ich kurze Zeit später in meine erste digitale Spiegelreflexkamera, eine Canon EOS 10D.
Die Bildqualität/Größe der Bilder genügte den Ansprüchen der Agenturen bald nicht mehr, und ich kaufte mir eine Canon 1Ds MarkII, die nun schon in vierten Jahr tadellos funktioniert.
Seit wann fotografierst Du professionell und seit wann bietest Du Stockfotografie an?
Seit 2005.
Gibt es Themen oder Motive, auf die Du Dich spezialisiert hast?
Ich habe mit Food und Stills angefangen. Dann bekam ich immer mehr Anfragen für Shootings und habe dann mehr und mehr People-Fotografie gemacht.
Wie würdest Du Deinen Stil beschreiben?
Ich mag helle Szenen und Motive. Besonders bei Food fotografiere ich gern mit offener Blende und viel Licht – auch gern Tages- und Blitzlicht gemischt.
Im Bereich People mache ich bei jedem Shooting zwar auch ein paar klassische Portraits, die meisten Bilder sollen aber Situationen des täglichen Lebens darstellen – und das möglichst glaubhaft. „Stock photos with a message“ sage ich gern dazu. Wirklich überzeugend gelingt das aber nur, wenn die Atmosphäre zwischen dem Model und mir stimmt. Man sieht auf den Fotos, ob die Models einen schönen Tag mit mir verlebt oder sich etwas unwohl gefühlt haben.
Ich habe außerdem die Erfahrung gemacht, dass sich „erfahrene Modelle“ nicht so gut für solche Aufnahmen eignen, weil sie so viel posieren, dass die Szenen unnatürlich wirken. Auch beim Make Up bin ich für den natürlichen Look.

Was macht Dir bei der Fotografie am meisten Spaß?
Alles außer der Schlepperei (lacht). Aber dabei habe ich ja zum Glück meist Hilfe. Ich mag, dass ich alles selbst planen, vorbereiten, durchführen und nachbearbeiten kann. Vor dem Shooting sammle ich Ideen in einer MindMap. Dann kaufe ich noch fehlendes Equipment ein. Bei People-Shootings mache ich das Make-Up selbst, bei Food-Shootings das Food-Styling. Und zum Schluß natürlich die Bearbeitung und je nach Agentur leider auch die Verschlagwortung. Die macht mir am wenigsten Spaß, aber auch das gehört dazu.
Wenn ich höre, wie manche (Stock)fotografen arbeiten… Da plant der Editor das Shooting, am Set sind Visagistin und Stylistin und Assistent … Der Fotograf kommt, fotografiert und überlässt die Bearbeitung auch seinen Assistenten. Daran hätte ich keine Freude.
Wie unterscheiden sich für Dich Auftragsfotografie und Stockfotografie?
Ich mache keine Auftragsfotografie. Oder nur sehr selten. Weil ich eben gern alles selbst mache und weil sich die Stockfotografie so nahtlos in den Alltag integrieren lässt. Ich kann tun, was ich will und wann ich es will.
Wie viele Bildagenturen belieferst Du regelmäßig?
Exklusiv im Moment Masterfile, Stockfood, Imagesource und agefotostock. Dann ein ganze Reihe auf nicht exklusiver Basis.
Wieviel Prozent Deines Einkommens macht die Stockfotografie ungefähr aus?
100 Prozent im Moment.
Was macht für Dich eine gute Bildagentur aus?
Ich unterscheide zwischen „Vermarktern“, bei denen man die Bilder hochlädt und diese dann geprüft oder ungeprüft in den Verkauf gehen (wie z.B. Alamy oder auch dem Imagebroker) und Agenturen. Von einer Agentur, die ich exklusiv beliefere, erwarte ich, dass ich als Partner fair behandelt werde. Ich erwarte auch, dass die Agentur gute und originelle Werbekampagnen macht.
Eine gute Übersicht über die Bilderlöse gehört auch dazu. Und ich erwarte, dass auch Similars genommen werden. Wenn von einem Shooting nur zwei Motive ausgewählt werden, rechnet sich das für mich nicht.
Wie hat sich aus Deiner Sicht der Stockfotografie-Markt in den letzten Jahren entwickelt?
Alles ist technisch viel einfacher geworden. Man kann digitale Daten verschicken – und zwar per Internet und nicht mit der Post.
Der Zugang zur Stockfotografie ist auf allen Ebenen einfacher geworden. Durch die günstigeren Preise für Hardware und Studioausstattung kann heute jeder Stockfotograf werden.
Dadurch ist natürlich auch die Konkurrenz größer geworden und die Menge an Stockbildern insgesamt. Es wird z.T. weniger für das einzelne Stockbild bezahlt (Microstock), dafür wird weniger für Auftragsfotografie und insgesamt mehr für Stock ausgegeben.
Wie glaubst Du, wird sich der Stockfotografie-Markt entwickeln?
Ich habe keine Ahnung. Ganz ehrlich: Das ist das einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann. Auch ich bin sehr verunsichert durch die aktuelle Lage. Aber ich bin ziemlich sicher, dass es nicht irgendwann nur noch eine einzige Bildagentur geben wird.
Und ich denke auch, dass es für gute und originelle Bilder immer einen Käufer geben wird.
Welches war Dein größter fotografischer Fehler?
Da gab es viele. Am Anfang habe ich Bilder mit nicht kalibriertem Monitor bearbeitet und eingereicht. Bei einem Shooting in der Wohnung eines Models funktionierte der Elinchrom-Blitzauslöser nicht. Ich war vollkommen verzweifelt, und das Model hatte sich und die Wohnung vorbereitet. Ich war mit einem Auto voller Equipment angereist, und das Shooting nun abzusagen hätte eine mittlere Katastrophe bedeutet. Dabei hatte der Auslöser immer tadellos funktioniert. Nach einer Ewigkeit kam ich endlich darauf, dass das Gerät nicht von der Kamera, sondern von einer kleinen Batterie mit Strom gespeist wurde. Zum Glück hatte der nahegelegene Saturn-Markt eine Batterie vorrätig…
Irgendwelche Tipps für angehende Stockfotografen?
Oh ja. Ich würde keinesfalls alle meine Bilder zu einer Agentur geben oder mich auf ein Lizenzmodell festlegen. In einer so unsicheren Zeit halte ich es für sehr wichtig, viele Eisen im Feuer zu haben.
Und dann würde ich direkt gutes Equipment kaufen und dafür lieber weniger. Besonders im Bereich Studiolicht habe ich so manche vermeintlich „günstige“ Anschaffung bereut.
Vielen Dank für das Interview!
Okay, wer mir Vorschläge für weitere Interview-Partner machen will, kann mir gerne eine Mail schreiben. Wer Elisabeth noch etwas fragen möchte, kann die Frage gerne als Kommentar stellen. Sie liest diesen Blog ebenfalls und wer weiß, vielleicht antwortet sie ja.
