Langsam bekomme ich Routine. Schon die 63. Folge von „Pimp My Stock“ gibt es heute, diesmal mit vielen Reisefotos von Christian. Er schreibt mir:
„Lieber Robert,
Ich lese Deinen Blog schon seit einer geraumen Weile und habe die konsequente Weiterentwicklung erlebt und immer wieder Interessantes erfahren oder dazugelernt. Die Rubrik Pimp my Stock finde ich auch immer wieder interessant und spannend, auch die Bandbreite an Qualität die sich dort präsentiert. Ich bin schon seit 2009 im Stockbereich tätig, allerdings liegt mein Hauptaugenmerk auf Video. Dank meiner beruflichen Reisen und aufgrund der Tatsache, dass meine Videokameras auch Fotos machen können (eigentlich ist es ja umgekehrt 😉 ), haben sich einige Fotos angesammelt, die ich in den letzten Jahren auch zunehmend auf den einschlägigen Seiten hochgeladen habe. Mit den Verkaufszahlen bin ich allerdings nicht sonderlich zufrieden und ich frage mich woran es liegt. Sind meine Bilder zu speziell? Zu bunt? Überkorrigiert? Oder ist der Markt an Reisebildern so gesättigt? Ein Tipp von Dir oder Deinen Followern wäre da sicher interessant. Eigenartigerweise ist das Bild aus Jerusalem mein Verkaufsschlager. Es hat sich eine lange Zeit fast täglich verkauft und dürfte bei einer Agentur schon an die 500 mal verkauft worden sein. Alle anderen Bilder haben bestenfalls fünf Verkäufe und das im Cent Bereich (wobei die Venedig-Bilder noch ganz frisch sind und natürlich mit langgedienten Bestsellern konkurrieren). Ist es das Motiv, die Qualität oder letztlich eine Glücksfrage, wer in der Suche oben ankommt und immer wieder gekauft wird? Die letzten Jahre war Shutterstock mein bevorzugter Verkäufer für Fotos, nach deren neuer unsäglichen Preisstruktur ist jetzt Adobe statt dessen an erste Stelle gerückt. Die besten Preise bekomme ich bei Alamy, aber dort verkaufen sich im Jahr aber auch nur um die 30 Bilder.
Mein Equipment hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Von der Nikon D90 über die Canon 5D II über die 1D C und GH5 Lumix jetzt zur Canon R5.
Würde mich freuen, wenn Du Zeit finden solltest ein paar meiner Fotos unter Deine strenge Lupe zu nehmen.
Herzliche Grüße,
Ich habe mir Christians Bilder schon angeschaut und bevor ich auf jedes einzelne Bild eingehe, will ich zwei generelle Bemerkungen vorweg schicken, weil diese auf fast jedes seiner Motive zutreffen.
Christian“
Erstens sind auf vielen Motiven Gebäude, Sehenswürdigkeiten, Fahrzeuge oder andere markante Dinge im Bild erkennbar, die ggf. je nach Land oder Laune der Agentur einen Property Release erfordern könnten. Das kann ich im Einzelfall auf die Schnelle nicht prüfen, das kann aber ggf. zu Ablehnungen führen.
Damit zusammen hängt der zweite Punkt: Falls einige der Bilder durchgehen, werden sie nur als „redaktioneller Content“ akzeptiert werden, entweder wegen oben genannter Einschränkungen beim Property Release oder bei den Fotos mit erkennbaren Menschen im Bild auch wegen fehlender Model Releases. Beide Punkte sorgen natürlich für eine geringere Verkäuflichkeit, da sie die Vermarktbarkeit der Bilder erschweren.
Auf die beiden obigen Punkte werde ich bei meiner Bildbesprechung nur kurz eingehen, weil sich die Hinweise sonst stark wiederholen würden.
Beim ersten Foto sehen wir laut Bildunterschrift eine Marktszene in Äthiopien. Aus Microstock-Sicht fallen mir sofort das Logo auf der Nähmaschine sowie der Tüte und dem Eimer als Hocker auf. Die müssten retuschiert werden. Falls das Bild wegen fehlender Model Releases nur als redaktioneller Content angeboten werden sollte, finde ich die Sättigung hier in der Tat zu stark. Eine noch geringere Tiefenschärfe hätte auch besser dafür gesorgt, dass sich der Näher besser von dem schon sehr belebten Markt-Hintergrund abheben würde.
Ebenfalls in Äthiopien ist die „Church of Saint George“. Als UNESCO-Weltkulturerbe gibt es hier sicher einige Reiseführer als Käufer, wobei Äthiopien selbst sicher nicht zu den verkaufstärksten Ländern in der Reiseführer-Bücherbranche gelten dürfte. Die Komposition vom Bild finde ich passend, aber Sättigung und HDR-Effekt ebenfalls stark an der Grenze des Erträglichen.
Der Chiemsee in Bayern wartet hier mit weniger satten Farben auf, leider auch mit einem etwas bewölkteren Himmel, was für die Postkarten- und Kalender-Branche sehr unpassend ist. Hier würde sich die „Himmel austauschen“-Funktion in Photoshop ideal anbieten, um einen etwas blaueren Himmel mit leichten Schäfchenwolken einzusetzen.
Das Foto vom Schloss Vaux-le-Vicomte in Frankreich kann mit einem perfekten Abendhimmel aufwarten. Dafür fehlt hier leider die Symmetrie, die mit einigen Schritten nach links vermutlich leicht zu erzielen gewesen wäre.
Zumindest als zweite Variante wären einige Schritte nach vorne empfehlenswert gewesen (falls Christian das nicht eh schon gemacht hat), um eine Bildvariante ohne die Lampen im Vordergrund zu haben. So hätten Bildkäufer wahlweise mehr Textfreiraum ums Schloss gehabt.

Dieses Foto einer Sternwarte auf den Kanarischen Inseln gefällt mir sehr gut. Von eventuellen PR-Problemen abgesehen ist die Sättigung hier passend, der Wolkenhintergrund betont die Kuppel der Sternwarte und die Sonne scheint genau von oben links ins Bild. Thematisch ist das Motiv aber schon etwas spezieller und wird wohl weniger potentielle Käufer erreichen als „klassische“ Urlaubsmotive, dafür kommen vielleicht einige Käufer aus dem Wissenschaftsbereich hinzu.
Das nächste Bild zeigt den Felsendom in Jerusalem. Das Bild könnte unten etwas enger beschnitten sein, ansonsten habe ich daran nichts auszusetzen. Das Bauwerk gehört jedoch zu den meistfotografierten in der Stadt, weshalb die Konkurrenz groß ist. Wenn ich mir die anderen Aufnahmen dazu bei Adobe Stock so ansehe, kann dieses Foto aber locker mitspielen.
Ich weiß nicht, zu welchem Kunstwerk oder zu welcher Sehenswürdigkeit diese Metallrohre gehören sollen. Ohne diese Information ist das Bild jedoch kaum brauchbar als Stockfoto, da ansonsten weder ein stimmiges Konzept oder eine Aussage erkennbar ist. Da hilft es auch nicht, wenn es korrekt belichtet und vor einem blauen Himmel fotografiert worden ist.
Dieses Bild einer Fotosafari in Burma berührt mich sehr, weil es den „Exoten- oder Elendstourismus“ vieler Foto-Ausflüge gut darstellt. Problematisch wird es hier ironischerweise bestimmt mit den Persönlichkeitsrechten, aber als redaktionelles Bild ist es sehr gut auf den Punkt gebracht. Nur der Hund hätte gerne paar Schritte aus dem Bild gehen können. Also auf jeden Fall ein sehr taugliches Stockfoto, jedoch nicht für Microstock, sondern eher für spezialisierte Agenturen.
Dieses Foto von Gondeln in Venedig gibt die Stimmung in der Stadt gelungen wieder. Insgesamt finde ich es jedoch im unteren Bereich etwas zu dunkel, das könnte man in der Bildbearbeitung sicher noch etwas aufhellen. Auch einige der schwarzen Punkte/Flecken im Himmel hätte ich retuschiert. Davon abgesehen ein gelungenes Reise-Stockfoto.
Das letzte Bild zeigt Grabsteine auf dem Nationalfriedhof Arlington in den USA. Auffällig ist, dass hier zwei Merkmale fehlen, die sonst typischerweise auf Stockfotos von diesem Friedhof vorhanden sind: Die Ausarbeitung der geometrischen Aufstellung der Grabsteine sowie die kleinen USA-Flaggen an jedem Grabstein zu besonderen Anlässen. Dafür ist hier der kleine Baum prominent ins Zentrum gerückt worden, was ähnlich nur auf wenigen anderen Fotos zu sehen ist. Insofern eine gelungene neue Variante von einem häufig fotografierten Motiv. Es bleiben aber Grabsteine, weshalb gilt: Tod und andere negative Themen sind generell als Stockfotos weniger verkäuflich wie positive Themen.
Insgesamt gelungene Motive, die sich auch auf dem gesättigten Markt der Reisefotos behaupten können. Eventuell sollte Christian zusätzlich versuchen, auf seinen Reisen etwas mehr generische und Konzept-Themen einzufangen, die sich abseits der touristischen Sehenswürdigkeiten vielleicht entdecken lassen.
Falls ihr ebenfalls wissen wollt, wie sich eure Fotos schlagen, könnt ihr gerne ebenfalls kostenlos in einer „Pimp My Stock“-Folge mitmachen. Alle Details findet ihr hier.