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EU-​Kommission schlägt Maßnahmen zur Reduzierung der Bilderflut vor

Manchmal hat es doch etwas Gutes, dass ich Politikwissenschaft stu­diert habe. Meist brau­che ich das Studium für mei­ne Arbeit als Fotoproduzent nicht, aber scha­den kann es nie. Gestern hat mich ein ehe­ma­li­ger Kommollitone, der jetzt für die Europäische Kommission in Brüssel arbei­tet, auf etwas hin­ge­wie­sen, was für pro­fes­sio­nel­le Fotografen sehr inter­es­sant sein dürf­te. Kurz: Die EU arbei­tet an Maßnahmen, um die Arbeit von Fotografen zukünf­tig etwas zu erleich­tern und die Bilderflut ein­zu­däm­men.

Ganz im Wikileaks-​Stil ver­öf­fent­li­che ich des­halb heu­te die für Montag geplan­te Presse-​Mitteilung vorab.

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Reference:  IP/​11/​396    Date:  04/​04/​2011

IP/​11/​396

Brüssel, 04. April 2011

Kommission schlägt Stilllegungsprämie für Fotogeräte zur Reduzierung der Foto-​Überproduktion vor

Die Europäische Kommission plant, einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments ein­zu­rei­chen, der die nega­ti­ven Folgen der momen­ta­nen Foto-​Überproduktion auf dem euro­päi­schen Binnenmarkt mil­dern soll. Kernpunkt des Vorschlags ist eine Stilllegungsprämie für Kameras und Objektive von Foto-​Amateuren sowie eine stär­ke­re Besteuerung der Kamera-​Komponenten in foto­gra­fie­frem­den Geräten wie Mobiltelefonen und Laptops. Geplant ist fer­ner ein EU-​Subventionsfond, mit dem über­schüs­si­ges Bildmaterial auf­ge­kauft und somit aus dem Lizenzierungsmarkt ent­fernt wer­den kann.

Der für Binnenmarktfragen zustän­di­ge Kommisar Fritz Bolkestein erklärt die Motivation der Europäischen Kommission: „Seit Beginn des Jahres 2011 ist allein das Volumen der gro­ßen inter­na­tio­na­len Bildagenturen wie Getty Images oder istock­pho­to von 16 Millionen um über 34% auf über 21 Millionen Bildern gewach­sen. Das führt zu einem signi­fi­kan­ten Auftragsrückgang der tra­di­tio­nel­len Fotografen-​Betriebe inner­halb der Europäischen Union sowie einer Verdrängung der euro­päi­schen inha­ber­ge­führ­ten Bildagenturen. Nicht berück­sich­tigt wur­den die pri­va­ten Bildbestände, wel­che über Bildplattformen wie Flickr oder Picasa täg­lich hoch­ge­la­den und ver­teilt wer­den. Allein bei Flickr wächst der Bildbestand um über fünf Millionen Bilder täglich.“

Bolkestein erklärt die Relevanz die­ser schlicht erdrü­cken­den Bildmengen: „Durch die stän­di­ge Verfügbarkeit von Kameras in Mobiltelefonen, Laptops oder als trans­por­ta­ble, bil­li­ge Digital-​Kompaktkamera ent­steht ein Bildersog, der die Menschen visu­ell abstump­fen lässt und den Wert eines bezahl­ten, von einem gelehr­ten Fotografen-​Meister erstell­ten Portraits der nächs­ten Generation von Konsumenten unbe­greif­lich wer­den lässt.“

Stilllegungsprämie für Fotokameras

Basierend auf dem vor­läu­fi­gen Bereich der deut­schen Enquete-​Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nach­hal­ti­gem Wirtschaften und gesell­schaft­li­chem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ unter Vorsitz von Daniela Kolbe (SPD) hat das Kommissariat Maßnahmen erson­nen, um bei­de Probleme anzu­ge­hen. Kernpunkt des Vorschlags ist eine Stilllegungsprämie für Fotokameras und Fotoobjektive – ana­log zu den erfolg­rei­chen Verschrottungsprämien für PKW in den EU-​Mitgliedsländern Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Luxemburg. Für jede Kamera mit mehr als zwei Megapixeln soll ein­ma­lig der Kaufpreis plus 20% des Listenpreises des Herstellers erstat­tet wer­den, wenn sich der Benutzer ver­pflich­tet, inner­halb der nächs­ten zwei Jahre kei­ne neue Digitalkamera oder ein Gerät mit einer Kamera, wel­che den genann­ten Spezifikationen ent­spricht oder höher­wer­tig ist, zu kaufen.

Der Vorschlag für die Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die für die Umsetzung in natio­na­les Recht erfor­der­li­chen Maßnahmen bis 1. Januar 2012 tref­fen müs­sen. Auf Antrag ein­zel­ner Mitgliedstaaten kann die­se First um wei­te­re zwei Jahre ver­län­gert wer­den, wenn inner­halb der gesetz­ten Frist kein natio­na­les Folgerecht eta­bliert wer­den kann. Hierfür ist ein Konsultations- bzw. Transparenzmechanismus vor­ge­se­hen, an dem die Kommission mit­wir­ken soll.

Subventionsfond für Bildmaterial

Ferner soll von der Europäischen Union ein Subventionsfond ein­ge­rich­tet wer­den, mit dem die Bildrechte an über­schüs­si­gem Bildmaterial von Bildagenturen auf einer Exklusivbasis erwor­ben und somit eine Überhitzung des euro­päi­schen Bildermarktes ver­hin­dert wer­den soll. Die Höhe des Fonds steht noch nicht fest, soll aber min­des­tens 400 Millionen Euro betra­gen, um effek­tiv wir­ken zu kön­nen. Angedacht ist eine Konzentration auf us-​amerikanische und asia­ti­sche Bildmotive, um der immer grö­ßer wer­den­den Subdominanz der euro­päi­schen Bildsprache auf dem welt­wei­ten Markt ent­ge­gen­steu­ern zu kön­nen. Der Fond soll antei­lig durch eine Einführung einer Kopierabgabe auf Fotogeräte und durch eine Gewinn-​Umlage von Fotografen-​Betrieben mit­ge­tra­gen wer­den, wel­che von der Stilllegung pro­fi­tie­ren wür­den. Geplant ist eine Betreuung des Fonds durch eine Dachgesellschaft bestehend aus der Verwertungsgesellschaft BILD-​KUNST in Deutschland, der Société des auteurs des arts visuels et de l’i­mage fixe in Frankreich und dem Europäischen Bildagentur-​Verband CEPIC.

Mehr Details zu den Maßnahmen für Urheberrechte und ver­wand­te Schutzrechte im EU-​Binnenmarkt und Ansprechpartner für Presse-​Fragen fin­den sie auf den Urheberrecht-​Webseiten der Europäischen Kommission.

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Was sagt ihr zu den Vorschlägen? Zu radi­kal? Utopisch? Nicht weit­rei­chend genug?

Nationale Vorlieben von Bildkäufern

Viele wis­sen, dass bei der Microstock-​Bildagentur Fotolia die best­ver­kauf­tes­ten 50 Bilder ange­zeigt wer­den kön­nen, sor­tiert nach den Zeiträumen „heu­te, Woche, Monat, seit Beginn“. Deutlich sicht­bar wird so, dass zum einen Gruppen oder Familien sehr beliebt sind, wie die­se bei­den Fotos:

© pressmaster - Fotolia.com
© press­mas­ter – Fotolia.com
© Monkey Business - Fotolia.com
© Monkey Business – Fotolia.com

Aber auch 3D-​Grafiken mit Konzeptmotiven ver­kau­fen sich wie geschnit­ten Brot. Bestes Beispiel ist Ioannes Kounadeas, des­sen anony­me Männchen bestimmt jeder schon mal gese­hen hat:

© ioannis kounadeas - Fotolia.com
© ioan­nis kouna­de­as – Fotolia.com

Weniger bekannt ist, dass die­se Bestseller auch nach den elf län­der­spe­zi­fi­schen Seiten der Agentur (plus die EU) sor­tiert wer­den kön­nen. Das ermög­licht, zu erken­nen, wel­che Bildvorlieben die Käufer in ver­schie­de­nen Ländern haben.

Ich habe mal eini­ge Auffälligkeiten zusammengetragen.

USA:

Hier über­wie­gen zum einen die Business- und Konzeptmotive. Dazu zäh­len wie­der die Männchen von Kounadeas (sie­he oben) und auch sol­che Motive:

© Robert Mizerek - Fotolia.com
© Robert Mizerek – Fotolia.com

Das Foto ist ein gutes Beispiel, wie loka­le Besonderheiten die Verkäuflichkeit eines Motivs bestim­men kön­nen. Da die Straßenschilder ein­deu­tig erkenn­bar den US-​Standards nach­emp­fun­den sind, ist das Foto dort der Renner, auf allen ande­ren Länderseiten von Fotolia zählt das Foto jedoch nicht zu den best­ver­kauf­tes­ten. In dem Fall ist es dem Produzenten bei trotz­dem über 700 Downloads sicher egal, aber es zeigt, was eine Rolle spie­len kann.

UK:

Generell ähneln die Bestseller in der UK denen in den USA. Viel Business, noch mehr von Kounadeas‘ Männchen. Aber auch hier gibt es das eine regio­na­le Top-​Foto, was in ande­ren Ländern weni­ger gut läuft:

© Joe Gough - Fotolia.com
© Joe Gough – Fotolia.com

Der Grund liegt wie­der in den typi­schen Eigenheiten des Landes. Diese Art der Bebauung ist dort am ver­brei­tets­ten, das Foto ent­stand auch in Großbritannien und dort wird es dann benutzt. Für Reiseführer ist es nicht span­nend genug, aber für Broschüren von Immobilienmaklern oder zur Illustration von Artikeln über die Immobilienkrise ist das Foto ideal.

Deutschland:

Deutschland wird alt. Bei kei­nem der ande­ren Länder sind Seniorenfotos in den Top 50. Auf der deut­schen Seite jedoch gibt es gleich drei Fotos von alten Menschen, zum Beispiel die­se beiden:

© absolut - Fotolia.com
© abso­lut – Fotolia.com

Auch sti­li­sier­te Öko-​Fotos von total unbe­rühr­ter Natur sind hier häu­fi­ger zu fin­den. Das Foto wur­de über 1200 mal run­ter­ge­la­den, aber vor allem in Deutschland:

© Hubert Körner - Fotolia.com
© Hubert Körner – Fotolia.com

Spanien:

Was für eine Überraschung: Das Land im Süden Europas ist das ein­zi­ge, wel­ches eine Südfrucht als Topseller prä­sen­tiert. Diese Orange fin­det sich bei den ande­ren Ländern nicht in der Liste:

© volff - Fotolia.com
© volff – Fotolia.com

Woran das liegt? Wahrscheinlich benut­zen vie­le Orangen-​Anbauer so ein Foto für ihre Werbebroschüren und Webseiten, mit denen sie ihre Früchte an Großhändler oder Endkunden verkaufen.

Frankreich:

Das inof­fi­zi­el­le Motto des Landes „Laissez Faire“ (Machen las­sen) spie­gel sich in der Beliebtheit der Bilder wie­der. Gefragt sind in Frankreich sehr ruhi­ge, grü­ne Fotos, aber auch medi­ta­ti­ve, ja zen-​artige Fotos wie dieses:

© Maceo - Fotolia.com
© Maceo – Fotolia.com

Italien:

Achtung, Klischees! Woran denkst Du beim Wort „Italien“? Richtig! Gutes Essen. Darum sind auch die­se bei­den Fotos in Italien so beliebt, die auf kei­ner der ande­ren Länder-​Top-​Listen erscheinen:

© wilderness - Fotolia.com
© wil­der­ness – Fotolia.com
© Tomo Jesenicnik - Fotolia.com
© Tomo Jesenicnik – Fotolia.com

Viele ver­schie­de­ne Lebensmittel, lie­be­voll arran­giert, üppig und appe­tit­lich foto­gra­fiert. Ich fra­ge mich, wie vie­le Restaurants dort mit die­sen Fotos werben?

Portugal:

Bei Portugal gibt es drei Motive, die sich sehr gut ver­kau­fen: Gesunde Lebensmittel, das heißt, sol­che Fotos wie bei Italien, nur mit Obst und Gemüse, gro­ße Menschengruppen und Wellness/​Strand-​Motive. Letzteres hängt sicher mit der ört­li­chen Tourismus-​Industrie zusam­men. Ihr wißt schon: Den gan­zen Tag am Strand lie­gen und sich danach mas­sie­ren lassen.

© Dash - Fotolia.com
© Dash – Fotolia.com

Polen:

Noch mehr als die Portugiesen lie­ben die Polen gro­ße Menschenansammlungen. Keine Ahnung, warum:

© Kurhan - Fotolia.com
© Kurhan – Fotolia.com

Ebenfalls beliebt sind eher kon­ser­va­ti­ve Vektoren-​Ornamente.

Brasilien:

In Brasilien sind strah­len­de Zahnreihen in lachen­den Mündern und Gesichter von brü­net­ten Frauen der Renner. Gleich fünf Fotos davon fin­den sich hier in den Top 50. Fast alle davon tau­chen auf den ande­ren Länderseiten nicht auf:

© T.Tulic - Fotolia.com
© T.Tulic – Fotolia.com

Ob das was mit dem Karneval in Rio zu tun hat? Noch eine Kuriosität am Rande: Auch ein Brötchen- und Bambusfoto lau­fen hier bes­ser als anderswo.

Japan:

Nun gut, es ist kei­ne Überraschung, dass in Japan eher japa­nisch aus­se­hen­de Frauen ver­kauft wer­den. Die vie­len Blumenbilder sind jedoch nicht ganz so naheliegend.

© chinatiger - Fotolia.com
© chi­na­ti­ger – Fotolia.com

Ganz befremd­lich hin­ge­gen fin­de ich die flie­gen­de Kuh, die in Japan der Hit ist. Hat da jemand eine Erklärung? Gibt es einen popu­lä­ren Manga damit?

China:

Wer nach Japan denkt, er wüss­te, was nun kommt, hat sich getäuscht. Fotos von Chinesen fin­den sich nicht in der chi­ne­si­schen Top-​Verkaufsliste. Dafür ein Foto von Menschen beim Oktoberfest. Außerdem Geschenke, Schleifen, Schoko-​Täfelchen. Und Schuhe. Viele Schuhe:

© Anna Golubeva - Fotolia.com
© Anna Golubeva – Fotolia.com

Außerdem ist der Öko-​Gedanke stark aus­ge­prägt. Es gibt vie­le Fotos von Weltkugeln und grü­nen Konzepten in der Liste. Oder eine Kombination aus beidem:

© lapie - Fotolia.com
© lapie – Fotolia.com

EU:

Yep, Europa wächst zusam­men und her­aus kommt ein büro­kra­ti­sches Ungetüm. Fotolia hat im Zuge des Erstarkens des Europäischen Parlaments eine eige­ne „Landing-​Page“ für die Europäer erstellt. Und was kau­fen die? Fast nur Kounadeas‘ Männchen:

© ioannis kounadeas - Fotolia.com
© ioan­nis kouna­de­as – Fotolia.com

Oder not­falls ande­re Business-​Konzepte. Diese anony­men 3D-​Figuren haben den gro­ßen Vorteil, dass sich kei­ne euro­päi­sche Nation benach­tei­ligt füh­len kann, wie es bei zu hel­len oder zu dunk­len Hautfarben der Fall wäre. So gese­hen schon clever.

Was für regio­na­le Unterschiede habt ihr fest­stel­len können?