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Das Bundesarchiv und Wikimedia: Erfolge und Probleme einer Zusammenarbeit

Vor paar Wochen hielt ich einen Vortrag auf der Frühjahrstagung “Mediale Werte” des Vereins für Medieninformation und Mediendokumentation (vfm) in Dresden. Mit dabei war auch Dr. Oliver Sander, der als Leiter des Bundesarchivs über die Zusammenarbeit sei­nes Archivs mit Wikimedia Deutschland berichtete.

Kernpunkt die­ser Kooperation war fol­gen­der „Deal“, den ich selbst nicht so kna­ckig zusam­men­fas­sen könn­te wie es in der Tagungsbeschreibung stand:

Im Dezember 2008 hat das Bundesarchiv – als ers­tes Staatsarchiv welt­weit – eine Kooperation mit Wikimedia bekannt gege­ben. Knapp 90 000 Fotos wur­den für Wikimedia Commons unter der Lizenz CC-​BY-​SA kos­ten­frei bereit gestellt. Im Gegenzug haben vie­le „Wikipedianer“ mit Hilfe eines eben­falls von Wikipedia-​Mitarbeitern ent­wi­ckel­ten Werkzeugs die Personenliste des Bundesarchivs mit der so genann­ten  Personennamendatei (PND) verknüpft.“

ADN-​ZB/​ Archiv Berlin, Juni 1924: Vorbereitung zur Eröffnung der Großen Berliner Kunstausstellung. (Foto: Bundesarchiv, Bild 183-​S29554 /​ CC-​BY-​SA)

Diese Fotos kön­nen bei­spiels­wei­se hier ein­ge­se­hen wer­den. Warum berich­te ich an die­ser Stelle über das Bundesarchiv und Wikimedia? Was hat das mit kom­mer­zi­el­ler Fotografie zu tun?

Im Vortrag kamen eini­ge Punkte zur Sprache, die für Fotografen sehr inter­es­sant sind.

Vor einer Weile hat­te ich im Blog einen Artikel namens „Acht Gründe, war­um Fotografen kos­ten­lo­se Fotos anbie­ten“ geschrie­ben. Einer die­ser Gründe war, dass man auch mit kos­ten­lo­sen Fotos Geld ver­die­nen kön­ne. Das Bundesarchiv hat ähn­li­che Erfahrungen gemacht.

Durch die Bereitstellung der knapp 90.000 kos­ten­lo­sen Fotos gab es:

  • 2–5 neue Nutzer am Tag
  • 9 Bestellungen am Tag, davon 81,45% kostenfrei
  • eine Verdoppelung der Besucherzahlen (49.000 Visits pro Monat)
  • 230%ige Zunahme von schrift­li­chen Anfragen
  • 193%ige Zunahme der Einnahmen

Auf die Einnahmen und Kritik an der Höhe der ver­lang­ten Nutzungsgebühren ging Dr. Sander in der schrift­li­chen Fassung sei­nes Vortrags genau­er ein:

Infolge der erhöh­ten Zugriffe und Bestellungen wur­den erstaun­li­cher­wei­se auch die Einnahmen um 193% gestei­gert. Und das obwohl 81% der Bild-​Downloads kos­ten­frei sind, da für amt­li­che Zwecke, Ausstellungen, bestimm­te Veröffentlichungen unter 500 Exemplare und „LowRes“-Bildern für pri­va­te Zwecke kei­ne Gebühren erho­ben wer­den und die Nutzung von Bundesarchiv-​Bildern via Wikimedia Commons prin­zi­pi­ell kos­ten­frei ist. Während gera­de nach der Onlinestellung des Digitalen Bildarchivs von vie­len Internetusern Kritik an den angeb­lich unan­ge­mes­sen hohen Gebühren geübt wur­de, kri­ti­sier­te der Bundesverband der Pressebild-​Agenturen und Bildarchive (BVPA) hin­ge­gen die „nied­ri­gen Beträge“ als „erheb­lich wett­be­werbs­ver­zer­rend“. Allerdings war, ist und wird das Bundesarchiv kei­ne Bildagentur und ist zual­ler­erst dem Bundesarchivgesetz und des­sen Zielen ver­pflich­tet und nicht der Steigerung von Einnahmen!“

Ebenfalls inter­es­sant, aber eher bedenk­lich fand ich eine wei­te­re Zahl, die wäh­rend des Vortrags fiel. Es gab viel Bildmissbrauch, das heißt zahl­rei­che uner­laub­te Verkäufe von Fotos bei Ebay, Probleme für das Bundesarchivs mit Fotografen oder ande­ren Rechteinhabern wegen feh­len­der Urheberrechtsnachweise und zahl­rei­che Verstöße gegen die Creative Commons-​BY-​SA-​Lizenz. Bei fast 95% der Nutzungen wur­den die Lizenzvereinbarungen nicht kor­rekt eingehalten:

Bei Nutzungen von Bundesarchiv-​Fotos via Wikimedia Commons hal­ten schät­zungs­wei­se 5% der Nutzer die Bedingungen der Lizenz CC-​BY-​SA inklu­si­ve Nennung des Urhebers ein oder anders for­mu­liert: bei ca. 95% der Nutzungen sind Verstöße gegen die Lizenz und das Urheberrechtsgesetz fest­zu­stel­len! Zwar hat das Bundesarchiv alle Fotos mit einem wei­ßen „Quellenstreifen“ ver­se­hen, in dem die Quelle Bundesarchiv, die Bildsignatur und der Urheber genannt sind, doch ermög­licht es die Lizenz CC-​BY-​SA die­sen Quellennachweis zu ent­fer­nen. Bei den Fotos auf Wikimedia Commons ist das inso­fern unpro­ble­ma­tisch, weil hier alle not­wen­di­gen Angaben vor­han­den sind. Sobald ein Foto aber (mit rech­ter Maustaste) her­un­ter gela­den wird, sind die­se Angaben jedoch nicht mehr vor­han­den und wer­den von Wikimedia-​Nutzern – wie oben dar­ge­stellt – so gut wie nie angegeben.

Dementsprechend sieht sich das Bundesarchiv mitt­ler­wei­le außer­stan­de wei­te­re Bilder auf Wikimedia Commons frei­zu­ge­ben, da dies bedeu­te­ten wür­de, dass das Bundesarchiv wis­sent­lich Lizenz- und Rechtsbrüchen Vorschub leis­ten würde.“

95%! Das heißt, nur eine ver­schwin­dend gerin­ge Anzahl von Leuten hat die kos­ten­frei­en Fotos wirk­lich legal genutzt. Das war einer von meh­ren Gründen, war­um sich das Bundesarchiv schwe­ren Herzens ent­schie­den hat, die Kooperation nicht fort­zu­füh­ren. Die bis­he­ri­gen Bilder blei­ben jedoch im Bestand von Wikimedia.

Frei aus dem Gedächtnis zitiert mein­te Dr. Sander: „Es gab eini­ge Probleme mit der Kooperation, aber unser Schatzmeister war nach anfäng­li­chen Vorbehalten spä­ter der­je­ni­ge, der als Erster unein­ge­schränkt für eine Fortsetzung der Kooperation war“.

Die Präsentation sei­nes Vortrags stel­le ich mit der freund­li­chen Erlaubnis von Dr. Oliver Sander hier zum Nachlesen zur Verfügung.

Sagt sagt ihr zu den Zahlen und Erfahrungen?