Schlagwort-Archive: Buchbesprechung

Rezension: „Wie man ein großartiger Fotograf wird“ von Dr. Martina Mettner

Das Buch ist pro­vo­kant. Das fängt beim Titel „Wie man ein groß­ar­ti­ger Fotograf wird“* an, geht beim gewöh­nungs­be­dürf­ti­gen pink­far­be­nen Cover wei­ter und hört innen nicht auf. Die Kundenrezensionen bei Amazon.de sind zwei­ge­teilt und lan­ge war ich des­halb geneigt, die Finger vom Buch zu lassen.

Aber Ralf vom Blog schwarzbuntes.de hat mir dann ange­bo­ten, es gegen ein ande­res Buch ein­zu­tau­schen und so lan­de­te das Buch doch auf mei­nem Schreibtisch.

Jetzt ver­ste­he ich auch, war­um das Buch manch­mal so nega­ti­ve Kritiken pro­vo­ziert und war­um ich die­se nicht tei­len muss. Mir gefällt das Buch. Ich habe beim Lesen oft schmun­zeln müs­sen, weil Frau Mettner kon­se­quent eine foto­gra­fi­sche Mission pre­digt – und vor allem Hobby-​Fotografen, wel­che ohne nach­zu­den­ken drauf los knip­sen, ger­ne voll­mun­dig abwatscht.

Typische Sätze sind zum Beispiel:

Langweilige Fotos wie die­se macht man, wenn man spa­zie­ren geht und ziel­los foto­gra­fiert, was einem halb­wegs attrak­tiv erscheint“ (S. 33).

Besonders apart ist es, wenn sich Amateure in ver­schie­de­nen Disziplinen bewei­sen müs­sen, also die Akt- wie die Architekturfotografie beherr­schen, die Makrofotografie mit der glei­chen Emphase betrei­ben wie das Porträt, und natür­lich alle tech­ni­schen Finessen wie Blitzen, Langzeit- und Doppelbelichtungen drauf haben. Das ist der foto­gra­fi­sche Zehnkampf!“ (S. 28)

Eine sich hart­nä­ckig hal­ten­de Unart ist, Menschen unbe­merkt oder aus der Rede her­aus zu foto­gra­fie­ren. So lan­ge sie kei­nen vol­len Mund haben, geht es, aber schön ist es sel­ten. Es gibt wahr­schein­lich immer noch Magazine, die auf die­se Weise Interviewstrecken illus­trie­ren, aber wenn sie kein Interview bebil­dern müs­sen, gibt es kei­nen Grund für sol­che Überraschungsangriffe. Das wirkt wie pseudo-​rasender Reporter.“ (S. 69)

Kurz: Ihre Sprache ist harsch, aber ihre Kritik trifft. Genau das schmerzt wahr­schein­lich die Angesprochenen, wel­che dann belei­digt klin­gen­de Kritiken schrei­ben. Vor allem das sieb­te Kapitel „Welche Richtungen das Fotohobby neh­men kann“ teilt so vie­le Seitenhiebe in alle Richtungen aus, dass es für Hobbyfotografen schwer fällt, sich ehr­lich in eine der Kategorien ein­zu­ord­nen, die Kritik anzu­er­ken­nen und sich dann zu ver­bes­sern. Dabei lohnt es sich, denn die Tipps und Hinweise von Dr. Martina Mettner haben Hand und Fuß.

Im Grunde lässt sich das Buch so zusam­men­fas­sen: Wenn Du ein groß­ar­ti­ger Fotograf wer­den willst, musst Du in Serien und Projekten den­ken. Professionelle Fotografen wis­sen das meist und des­halb ist das Buch vor allem für Amateurfotografen zu emp­feh­len, wel­che jetzt zwar schon die Technik beherr­schen, aber noch nicht wis­sen, was sie foto­gra­fie­ren sollen.

Ich gebe zu, dass mir die Ästhetik der meis­ten abge­bil­de­ten Fotos nicht zusagt. Trotzdem weiß ich, dass die Bilder, als Teil einer über­ge­ord­ne­ten Serie, mehr Chancen haben, in einer Ausstellung gezeigt zu wer­den als mei­ne Hochglanz-​Werbefotos. Wer ähn­li­che Chancen haben will, der lese das Buch.


* Affiliate-​Link (Ich erhal­te eine klei­ne Provision beim Kauf, ihr zahlt nicht mehr)

Rezension: „Porträtfotografie“ von Glenn Rand und Tim Meyer

Wenn es um Fotografie geht, bin ich eher der Praxis-​Typ. Ausprobieren und gucken, so habe ich foto­gra­fie­ren gelernt.

Manchmal ist es mit dem Fotografieren jedoch wie mit dem Gitarre spie­len. Wer sich – wie ich – selbst das Gitarrenspiel ohne fach­kun­di­ge Anleitung bei­bringt, begeht – wie ich – manch­mal den Fehler, bestimm­te Griffe so zu grei­fen, dass der Wechsel zu ande­ren Akkorden viel schwie­ri­ger ist. Solche Gewohnheiten müs­sen dann spä­ter umständ­lich abtrai­niert werden.

Auch bei der Fotografie ist es sinn­voll, manch­mal einen Schritt zurück­zu­ge­hen und sich etwas Theorie anzu­le­sen, um die Praxis bes­ser ver­ste­hen und beherr­schen zu kön­nen. Das Buch „Porträtfotografie“* von Glenn Rand und Tim Meyer (ISBN 978–3898646659) mit dem Untertitel „Professionelle Porträts durch gekonn­te Lichtführung und Inszenierung“ bot sich dafür an, da ich fast aus­schließ­lich Personen im Studio fotografiere.


Theorie anle­sen“ trifft es auch am bes­ten, was Leser von die­sem Buch erwar­ten kön­nen. Die ers­te Hälfte der 14 Kapitel beschäf­tigt sich mit wich­ti­gen Beleuchtungsgrundlagen wie Lichtdynamik, Lichtquellen, Lichtmodifikation, Belichtungsmessung, Kontrastverhältnis und Lichtmustern im Gesicht. Klingt span­nend? Genauso auf­re­gend wie die­se Aufzählung lesen sich die Kapitel selbst.

Ein exem­pla­ri­scher Absatz aus dem Buch zum Thema „Beleuchtungsmethoden“:

Beginnt man damit, die Beleuchtung eines Porträts zu beschrei­ben, wird sehr bald deut­lich, dass der Beleuchtung der Gesichtsflächen meh­re­re Aspekte zugrun­de lie­gen, die in Wechselbeziehung zuein­an­der ste­hen. Die Art des Lichts wird durch das Verhältnis zwi­schen Gesichtsachse und der Achse des Hauptlichts defi­niert. Gleichzeitig wird die grund­le­gen­de Beleuchtungsmethode durch die Beleuchtung des Teils des Gesichts bestimmt, das sich in gerings­tem Abstand zur Kamera befin­det. Daher beschrei­ben wir die Beleuchtung, indem wir sowohl die Art des Lichts als auch die Beleuchtungsmethode nen­nen.“ (S. 94)

Das Buch liest sich in gro­ßen Teilen wie ein tro­cke­nes Schulbuch. Der Vergleich drängt sich viel­leicht auf, weil bei­de Autoren auch Dozenten an der US-​Fotoschule Brooks Institute sind. Merkmal des Buches sind vie­le umständ­li­che Textformulierungen, wo oft ein Bildbeispiel mit kur­zer Erklärung schnel­ler den Stoff ver­mit­telt hät­te.  Und Stoff wird viel ver­mit­telt. Das Buch legt wirk­lich die Grundlagen, auf wel­che Lichtaspekte bei Porträts zu ach­ten sind.

Gestern – nach der Lektüre des Buches – hat­te ich ein Porträt bear­bei­tet und muss­te unwei­ger­lich den­ken: „Oh, da habe ich eine ‚Open Loop‘-Beleuchtung ver­wen­det“. Oder anders for­mu­liert: Ich hät­te das Foto nicht anders gemacht, aber ich kann die Beleuchtungselemente, den Schattenwurf, den Kontrast, die Lichtkante etc. bes­ser in ihren Kontext ein­ord­nen. Diese Kategorien erlau­ben es, ein­fa­cher Portraits nach gewünsch­ten Prinzipien zu ord­nen, zu ver­glei­chen und eben auch zu machen.

Im zwei­ten Teil des Buches geht es um den Aufbau des Lichts, Hintergründe für Porträts, Umgang mit Mischlicht, Model-​Posen, Grundlagen der Bildkomposition, Gesichtsanalyse und der Umgang mit dem Model. Das klingt nach einem stär­ke­ren Praxisbezug, im Buch jedoch wer­den auch die­se Bereiche vor allem theo­re­tisch beschrie­ben. Welche Varianten gibt es, wel­che wer­den häu­fig ange­wen­det und so wei­ter. Hilfreich fand ich vor allem die Analyse der Gesichtsformen (run­des, schma­les, ecki­ges Gesicht usw.) und wie die­se jeweils am bes­ten auf Fotos wirken.

Trotzdem ist das Buch kein Praxisbuch. Wer „How To“-Anleitungen oder Skizzen zum Lichtaufbau der gezeig­ten Beispielfotos sucht, wird hier nicht fün­dig wer­den. Das Buch rich­tet sie an Fotografen, wel­che ernst­haft die Grundlagen der Porträt-​Beleuchtung ler­nen wol­len. In aller Tiefe, dafür mit so kom­pli­zier­ten theo­re­ti­schen Abhandlungen, dass ich als Dummy Stellen mehr­mals lesen muss­te, um mir bild­lich vor­stel­len zu kön­nen, was mir die Autoren sagen wollen.

Eindeutig kein Urlaubsschmöker, son­dern schwer ver­dau­li­che Kost, die dafür lan­ge nahr­haft bleibt.

* Affiliate-​Link

Rezension: „Besser fotografieren“ von George Barr

Das Auge eines Fotografen liest mit.

Wenn ich durch ein Fotobuch blät­te­re, auch wenn es ein Sachbuch ist, erwar­te ich krea­ti­ve Bilder als Beispiele. Auch das Buch „Besser foto­gra­fie­ren“* (ISBN 978–3898646932) von George Barr ist reich bebil­dert mit Fotos des Autoren.

Besser fotografieren - George Barr

Diese zei­gen jedoch haupt­säch­lich Nahaufnahmen von Steinstrukturen, Schwarz-​Weiß-​Aufnahmen von Industrie-​Details und mini­ma­lis­ti­sche Landschaften. Alles Bereiche, die mich völ­lig kalt las­sen und schon beim Durchblättern nicht dazu ver­lei­ten, irgend­wo hän­gen zu blei­ben. Selbst mei­ne Freundin, die jedes mei­ner Fotobücher neu­gie­rig in die Hände nimmt, um schnell zwi­schen­durch eini­ge beein­dru­cken­de Fotos zu sehen, leg­te das Buch schnell wie­der hin.

Wer sich für S/​W‑Detailfotos inter­es­siert, dem bringt das Buch viel­leicht etwas, aber ansons­ten? Barr redet kein Wort von Technik, die wird vorausgesetzt.

Stattdessen gibt es im Buch sechs Bereiche.
1. Sehen: Hier geht es um Bildbetrachtung und wor­an man gute Bilder erkennt
2. Motivsuche: Wie eine Szene erar­bei­tet wird
3. Komponieren: Über Beschnitt und Bildkanten
4. Bildbeurteilung: Wie Fotos nach der Aufnahme aus­ge­wählt werden
5. Gedankenspiele: Überlegungen zu Ausrüstung, Misserfolgen und so weiter
6. Ein Schritt vor­wärts: Wie Fotografen selbst ihre tech­ni­schen und ästhe­ti­schen Fähigkeiten fest­stel­len können

Immer geht es um Inspiration, Ideenfindung, Bildaufbau und ver­wand­te Themen. Klingt inter­es­sant, aber: Es geht um die Inspirationen und Ideen des Autors. Ausführlich erklärt er das Zustandekommen sei­ner Motive. Verallgemeinern las­sen sich die­se Erkenntnisse nur schwer. Wer sich nicht für sei­ne Art der Fotografie begeis­tern kann, lernt kaum etwas. Nur der sechs­te Buchbereich ist ganz hilf­reich, da Fotografen hier nüch­tern schau­en kön­nen, auf wel­cher Entwicklungsstufe sie gera­de stehen.

Der Schreibstil ist sehr eigen­wil­lig. Ich-​bezogen, abschwei­fend, mäan­dernd, oft wie­der­ho­lend und immer schnell ins Philosophische abschwei­fend. Es klingt hart, aber mich at das Buch so gelang­weilt, dass ich die gan­ze Zeit ver­sucht war, eini­ge Seiten vor zu blät­tern, in der Hoffnung, Barr kommt mal zur Sache.

Auf der Rückseite des Buches steht, das Buch rich­te sich sowohl an ambi­tio­nier­te Amateure als auch an Fotografen. Hobby-​Fotografen – sofern sie sich für die genann­ten Motive inter­es­sie­ren – kann die­ses Buch wirk­lich wei­ter brin­gen, aber Berufsfotografen soll­ten die Gedanken längst abge­schlos­sen haben, zu denen der Autor anregt.


* = Affiliate-​Link (Ihr zahlt nicht mehr, ich erhal­te eine klei­ne Provision beim Kauf)

Rezension: „200 Best Ad Photographers Worldwide 2010/​11“ von Lürzer’s Archive Special

Ich schaue mir ger­ne Fotobücher guter Fotografen an, um zu ler­nen und mich inspi­rie­ren zu las­sen. Die meis­ten Fotobücher gibt es jedoch von „künst­le­risch“ arbei­ten­den Fotografen. Damit mei­ne ich, dass die­se eine künst­le­ri­sche Vision haben und die meis­ten Fotos nur der Kunst, aber nicht einem Kunden oder dem Bildermarkt ver­pflich­tet sind. Das hat den Vorteil, dass auch abs­trak­te Motive, Nischenthemen und wirt­schaft­lich völ­lig unin­ter­es­san­te Sujets behan­delt werden.

Gleichzeitig emp­fin­de ich das aber oft als Nachteil, da mei­ne Art der beruf­li­chen Fotografie – die Stockfotografie - genau das Gegenteil ist. Hier geht es um Verkäuflichkeit, um eine direk­te, auf­merk­sam­keits­hei­schen­de Bildsprache, wel­che die Betrachter sofort „anspringt“. Zum Beispiel kann ich mir für die schön gra­fi­schen Pflanzendetails in Schwarz-​Weiß des Fotografen Karl Blossfeldt* kaum Verwendungen in der Werbung vor­stel­len. Gleiches gilt für die beweg­ten Aufnahmen aus einem New Yorker Taxi* oder die Typologien indus­tri­el­ler Bauten* von Bernd und Hilla Becher.

Verstehen wir uns nicht falsch: Ich weiß die­se Art Fotobücher zu schät­zen und schaue sie mir auch ger­ne an. Aus purer Lust an der Ästhetik. Beruflich hel­fen mir jedoch mehr Fotobücher, wel­che Werbefotos versammeln.

200 best ad photographers wordwide 2010

Eines der bes­ten ist das alle zwei Jahre erschei­nen­de Buch „200 Best Ad Photographers Worldwide“* aus dem Verlag Lürzer’s Archive. Dort wird auch die gleich­na­mi­ge Zeitschrift her­aus­ge­ben, in der regel­mä­ßig die bes­ten Print- und TV-​Werbekampagnen vor­ge­stellt wer­den. Im Buch wer­den auf über 400 durch­gän­gig far­bi­gen Seiten die bes­ten Fotos der letz­ten Zeit gesam­melt und ohne Werbetexte oder Produktabbildungen gezeigt, die von den Fotos ablen­ken würden.

Für die­se Fotos wur­de – bis auf eini­ge Self-​Promotion-​Werke der betei­lig­ten Fotografen – von Kunden viel Geld bezahlt. Sie hän­gen nicht nur in Galerien, son­dern wur­den gemacht, um etwas zu ver­kau­fen oder Zeitschriften so zu illus­trie­ren, dass sich die Leser das Heft auch wegen der Bilder kau­fen. Unter den Fotos ste­hen die Namen der betei­lig­ten Fotografen – teil­wei­se auch die Werbeagenturen, Art Directoren und Photoshopper – und die Kunden. Die Liste deckt vie­le Automarken, Bankfirmen und gro­ße Konzerne ab, aber auch Auftragsarbeiten für Zeitschriften wie National Geographic, Elle, FHM oder Wired und Organisationen wie Aktion Mensch, Greenpeace, Zoos, Museen und mehr.

Für 29,90 Euro erhal­ten Stockfotografen hier die per­fek­te Quelle, um zu sehen, wel­che Motive gefragt sind, was für Licht, wel­che Stimmung, der Umgang mit Models und vie­les mehr. Genau das unter­schei­det sol­che Fotobücher auch von den Bildkatalogen der Bildagenturen, wel­che frü­her in eben­so dicker, gedruck­ter Form exis­tier­ten und heu­te meist eher online anzu­se­hen sind. Die Agenturkataloge sind für Stockfotografen eine Quelle, um zu sehen, was ange­bo­ten und wel­che Techniken und Motive bei den Fotografen beliebt sind. Die Fotobücher mit Werbefotos zei­gen, was von Kunden auch gekauft wird. Ein fei­ner, aber wich­ti­ger Unterschied.

Wer jetzt denkt, ach, Werbefotos sind doch genau­so lang­wei­lig und unin­spi­riert wie Microstock-​Topseller, der ver­gleicht nor­ma­le TV-​Werbung mit den Beiträgen des Cannes Lions International Advertising Festival. Fast alle Fotos im Buch kön­nen in punk­to Originalität und Schönheit mit den klas­si­schen Coffeetable-​Fotobüchern oder auch Bildbänden berühm­ter Fotografen mit­hal­ten. Nur wol­len sie eben auch etwas verkaufen.

Foto von Alex Telfer

Besonders in Erinnerung sind mir nach mehr­ma­li­gem Durchschauen des Buches die auf alt geschmink­ten Kinderportraits von Alex Telfer (Foto oben) für die Kinderschutzorganisation Enfance et Partage, die bun­ten Flaschen-​Stills von Neil Corder oder das Mädchen mit dem zer­bro­che­nen Puppen-​Gesicht am Küchentisch von Julia Fullerton-​Batten (Foto unten), eben­falls für eine Kinderschutzorganisation.

Foto von Julia Fullerton-Batten

Mal wie­der eine kla­re Buchempfehlung, die ich aus­spre­che, dies­mal nicht zum Lesen, son­dern zum Schmöckern.

* Affiliate-​Link
(Fotos mit freund­li­cher Genehmigung des Verlags)

Rezension: „Die chinesische Sonne scheint immer von unten“ von Achim Dunker

Was, ist das hier jetzt ein Blog für asia­ti­sche Lebensart gewor­den? Mir ging es beim Lesen des Titels „Die chi­ne­si­sche Sonne scheint immer von unten“* genau­so.

Der Autor Achim Dunker schrieb mir über Xing und mein­te, das Buch sei viel­leicht hilf­reich für mich. „Warum soll­te mich so ein eso­te­ri­scher New-​Age-​Titel inter­es­sie­ren?“ dach­te ich mir und starr­te auf das Cover, was mich mit dem Sonnenuntergang an reli­giö­se Broschüren von Freikirchen erin­ner­te. Aber der Untertitel „Licht- und Schattengestaltung im Film“ und der Zusatz „5., über­ar­bei­te­te Auflage“ mach­te mich neu­gie­rig und ich beschloss, das Buch zu lesen.

die-chinesische-sonne-scheint-immer-von-unten

Ich bereue es nicht und möch­te es emp­feh­len. Das Buch ist eine Art Standardwerk für die Filmbeleuchtung. Wer als (Stock)Fotograf mit dem Gedanken spielt, auch Videoaufnahmen zu machen und nicht weiß, wo er licht­tech­nisch anfan­gen soll zu ler­nen, wird mit die­sem Buch rich­tig lie­gen. Das Buch beginnt mit einem Theorieteil, dar­über, wie unse­re Augen Licht wahr­neh­men, wie Licht und Schatten für Stimmung und Konturen im Bild sor­gen und so wei­ter. Für Fotografen span­nend, aber für vie­le nichts Neues.

Dann jedoch geht es Schlag auf Schlag. Im Kapitel „Die Scheinwerfer“ wer­den 19 ver­schie­de­ne Lampenarten vor­ge­stellt, die im Film zur Beleuchtung genutzt wer­den, mit­samt ihren Vor- und Nachteilen und einer Abbildung. Genau das ist einer der Punkte, die ich in vie­len „So machen sie gute Videos“-Büchern ver­misst habe. Und sowas Spaciges wie ein Ballon-​Licht kann­te ich auch noch nicht.

Im Kapitel „Lichtsetzen in der Praxis“ erklärt der Autor die Funktionen ver­schie­de­ner Lichtquellen wie Hauptlicht, Aufhelllicht, Spitzlicht und Hintergrundlicht. Das ist zwar für Fotografen auch nicht neu, aber so nach­voll­zieh­bar beschrie­ben, dass es selbst einem Anfänger gleich gelin­gen soll­te, eine anspre­chen­de Portraitausleuchtung zu erzeugen.

Dem folgt ein Kapitel über Hilfsmittel wie Lichtformer, Farbfolien, Diffusoren und Reflektoren. Viel Bildmaterial wird hier von der Firma California Sunbounce gestellt, ist aber inso­fern nicht ver­wun­der­lich, da die­se sich auf pas­si­ve Beleuchtung spe­zia­li­siert hat, was im Film noch viel hilf­rei­cher als bei der Fotografie ist.

Die fol­gen­den Kapitel beschäf­ti­gen sich mit pro­ble­ma­ti­schen Fällen wie der Farbtemperatur, Mischlicht, Aufnahmen in Innenräumen, Nachtaufnahmen, Außenaufnahmen und so wei­ter. Für mich neu und erkennt­nis­reich war auch die Formel auf Seite 87, mit der berech­net wer­den kann, wie viel Leistung die elek­tri­schen Sicherungen ver­kraf­ten, ohne durch­zu­bren­nen. Ein Punkt, über den ich mir bis­her kaum Gedanken gemacht habe, der aber bei der Arbeit mit meh­re­ren 500-​Watt-​Scheinwerfern schnell rele­vant wird.

Den Abschluss bil­den vier aus­führ­li­che Interviews mit Kameramännern und einem Oberbeleuchter, die sich nicht mit Smalltalk auf­hal­ten, son­dern detail­liert prak­ti­sche Lichtprobleme dis­ku­tie­ren und eben­falls lehr­reich sind.

Ich will nicht ver­heh­len, dass das Buch sich pri­mär an Leute rich­tet, die rich­ti­ge, lan­ge Filme dre­hen wol­len. Wer als Stockfotograf kur­ze 30-​Sekunden-​Clips fil­men möch­te, wird oft mit einem Bruchteil der beschrie­be­nen Technik aus­kom­men. Aber es scha­det nicht, zu wis­sen, wie das Ganze grö­ßer auf­ge­zo­gen wer­den könn­te. Und allein für die Wahl der rich­ti­gen Lampe und Lichtsetzung auch bei einer Lichtquelle ist das Buch hilf­rei­cher als alle ande­ren gewe­sen, die ich gele­sen habe.

Hier hat­te ich am Ende echt das Gefühl: „Wow, ich habe viel gelernt!

* Affiliate-​Link