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Interview mit einem Stockfotografie-Aussteiger

Viele Leute ver­su­chen ihr „Glück“ mit der Stockfotografie. Es wird von den Bildagenturen ja auch manch­mal etwas zu leicht dar­ge­stellt: „Verdiene ein­fach Geld mit dei­nen Urlaubsfotos“ oder „Hochladen und Kasse machen“.

Nicht jeder hat dabei Erfolg und etli­che hören wie­der auf. Über die Gründe dafür spre­che ich heu­te mit dem Fotografen Axel Lauer. Einige Schimpfwörter habe ich euch erspart, denkt euch da euren Teil.

Axel Lauer
Axel Lauer

Robert Kneschke: Wie bist du zur Fotografie und dann zur Stockfotografie gekommen? 

Axel Lauer: Zur Fotografie bereits wäh­rend mei­ner Schulzeit Ende der 1970er Jahre für unse­re Schülerzeitung. Dann habe ich fast zwei Jahrzehnte pau­siert, um 1997 wie­der damit zu beginnen.

1999 bin ich zu einer ein­jäh­ri­gen Reise nach Asien auf­ge­bro­chen, die für mich eine Art selbst­ge­wähl­te Gesellenprüfung war. Ich hat­te mir vor­ge­nom­men, Fotografie beruf­lich zu betrei­ben, sofern es mir gelän­ge, von der Reise genug taug­li­che Aufnahmen mitzubringen.
Zur Stockfotografie kam ich erst eini­ge Zeit spä­ter. Ich den­ke das wird so 2008/​2009 gewe­sen sein.

Wie wür­dest Du Deinen Stil beschreiben? 

Oh, das ist schwer und gern wür­de ich das ande­ren über­las­sen. Da ich mich in recht unter­schied­li­chen Genres umtue, müs­sen auch die Stilmittel recht unter­schied­lich ausfallen.
Ich kann Dir was zu mei­nem foto­gra­fi­schen Grundsatz sagen:
1: Jeder Mensch hat das Recht auf eine posi­ti­ve Darstellung sei­ner selbst.
2: Fuck Photoshop. Get it right in camera!

Two young beautyful women with luxurios fantasy headdress wich contains horns of a ram and venetian art-work in a vintage style with lensflare and beautyful bokeh in front of blue lit smoke.
Two young beau­tyful women with luxu­ri­os fan­ta­sy head­dress which con­ta­ins horns of a ram and vene­ti­an art­work in a vin­ta­ge style with lens­fla­re and beau­tyful bokeh in front of blue lit smoke.

Grundsätzlich bin ich ger­ne „nah dran“, was aber meist die emo­tio­na­le Nähe zum Subjekt meint und nicht unbe­dingt den Betrachtungsabstand. Ausserdem hal­te ich nichts von Pixelschubsereien. Obwohl ich digi­tal foto­gra­fie­re, den­ke und hand­le ich ana­log. Ansätze wie „Das kann man doch mit Photoshop machen /​ repa­rie­ren“ (die ich lei­der immer wie­der bei mei­nen Auszubildenden in der Anfangszeit ihrer Ausbildung erle­be), sind mir ein Graus.

Welche Agenturen hast Du beliefert? 

Früher hat­te ich alle Großen belie­fert. Shutterstock, iStock, Pond5, Envato, 123rf, Dreamstime und vie­le ande­re mehr. Am Ende belie­fer­te ich nur noch eine Agentur, die sich unter all den mora­lisch höchst frag­wür­di­gen Ausbeutern als die „Einäugige“ unter den „Blinden“ her­vor­ge­tan hat­te. Das war Revostock, die aber nun auch Ende 2015 das Zeitliche geseg­net hat.

Beschreibe bit­te dei­ne Motivation, bei Bildagenturen hoch­zu­la­den und wel­che Ziele Du Dir dabei gesetzt hast.

Ruhm und Ehre? Broterwerb natür­lich! Aber nach­dem man sich inzwi­schen soweit bücken muss, dass einem die Sonne auch zur Mittagszeit im August dort­hin scheint, wo sie übli­cher­wei­se nicht hin­kommt, habe ich einer „Agentur“ nach der ande­ren den Laufpass gege­ben. Ich wei­ge­re mich den „Stockfoto-[Schimpfwort]“ zu geben. Wer unbe­dingt auf deren Baumwollfeldern ackern und den Ast, auf dem er sitzt, absä­gen will, darf das ger­ne tun. Ich hin­ter­trei­be nur ungern mei­ne eige­ne beruf­li­che Existenz. Dafür bin ich zu intelligent.

Du hat­test irgend­wann 25.000 Bilder online. Wie lan­ge hast Du dafür gebraucht, was für Motive, Themen etc. waren das? 

Ich habe nie expli­zit für Stockagenturen pro­du­ziert, son­dern Photostock (ins­be­son­de­re Microstock) immer als wei­te­res „Abfallprodukt des Kapitalismus“ gese­hen, das ich en pas­sant mit­ge­nom­men habe. Die 25.000 Bilder waren also Produkte aus ca. 15 Jahren Berufsleben. Die Themen waren sehr unter­schied­lich. Man kann sagen, dass sie aus allem bestan­den, was ich ohne­hin so foto­gra­fie­re und dar­über gibt unse­re Website ganz gut Auskunft.

portrait of a strong punk couple gripping each other by their necks
por­trait of a strong punk cou­ple grip­ping each other by their necks

Welche Bilder haben sich am bes­ten verkauft? 

Schrott & Kap Verde. Klingt komisch, ist aber so.

lonely street at night-time on Cape Verde
lonely street at night-​time on Cape Verde

Bilder von den Kapverden haben sich des­we­gen gut ver­kauft, weil zu der Zeit die gan­zen Reiseveranstalter wie die Heuschrecken über die­se tou­ris­tisch eini­ger­ma­ßen uner­schlos­se­ne Inselgruppe her­fie­len und Bildmaterial brauchten.

Schrott? Jawohl, und damit mei­ne ich kei­ne Bilder von Lost Places und ver­rot­te­ten Industrieanlagen, son­dern Mist, Müll, belang­lo­ser schlecht foto­gra­fier­ter Dreck.

Es gibt hier eine schö­ne Geschichte: Irgendwann haben wir mal aus Spaß 100 Bilder eines unse­rer Azubis zu Shutterstock hoch­ge­la­den, die wir nor­ma­ler­wei­se im Papierkorb ver­senkt hät­ten.  Wir hat­ten auf ein­mal eine sehr hohe Annahmequote und sie­he da… der Kram wur­de sogar verkauft.
Da Azubis ja in ihrer Anfangszeit immer die­sel­ben foto­gra­fi­schen Kinderkrankheiten durch­lau­fen (Graffiti, platt­ge­fah­re­ne Getränkedosen, abge­fuck­te Gebäudefassaden etc.), hat­ten wir genug „Bilder“, mit denen wir Shutterstock & Co ver­sor­gen konn­ten. Von da an haben wir all das, was wir nor­ma­ler­wei­se gelöscht hät­ten, zu Agenturen hoch­ge­la­den. Ich den­ke, die letz­ten 2.000 der 25.000 Bilder bestan­den größ­ten­teils aus „Papierkorbkunst“.
Einer der Bestseller war das hier, da fragt man sich doch, wer so einen Mist kauft und wo das zum Einsatz kommt.

one white egg
one white egg

Bietest Du neben Fotos auch Videos an? Wenn ja, bei wel­chen Agenturen und gibt es da für Dich Unterschiede? 
Ja. Kurz bevor wir auch der letz­ten Agentur Shutterstock (mal abge­se­hen von Dreamstime, die trotz Aufforderung zur Löschung unse­rer Bilder durch unse­ren Anwalt unse­re Bilder immer noch ver­kauft) den Laufpass gaben, hat­ten wir ca. 5.000 Videos online.

Auch hier waren wir bei allen rele­van­ten Agenturen ver­tre­ten, die Videos anbo­ten. Da wir vor ca. zwei Jahren bereits aus­ge­stie­gen sind, kann ich Dir zur aktu­el­len Situation kei­ne Angaben machen. Ich wür­de mich jedoch sehr wun­dern, wenn sich hier irgend­et­was zum Besseren ver­än­dert hätte.

Damals lag für mich der wesent­li­che Unterschied in fol­gen­den Punkten:

  • Qualität & Einfachheit des Upload-Prozesses
  • Redaktion
  • Preisgestaltung

Natürlich ist eine Agentur bes­ser, die es einem Fotografen erlaubt, sei­ne Preise selbst zu defi­nie­ren. Besser noch ist eine Agentur, die Mindestpreise defi­niert, die den Markt schützt und nicht zum Preisverfall beiträgt.

Es nützt nichts, wenn ein Fotograf sei­ne Preise selbst bestim­men kann, wenn nicht gleich­zei­tig ver­hin­dert wird, dass irgend­wel­che [Schimpfwort] „Kollegen“ Dumping betreiben.

Wie waren Deine Umsätze bei den Agenturen, wel­che Agenturen lie­fen bes­ser, wel­che schlechter? 
Wie bereits gesagt: Stock war nie mein Business. Die gan­ze Verwaltung wur­de von einem Angestellten erle­digt mit einem Aufwand von ca. 20 Stunden /​ Monat. Eingenommen haben wir ca. 1200€ /​ Monat.

Die Verteilung der Einnahmen ent­sprach so ziem­lich dem Schlüssel, der hier zu sehen ist.

Wie unter­schei­den sich für Dich Auftragsfotografie und Stockfotografie?

Sorry, aber die Frage kann ich Dir nicht beant­wor­ten da, ich nie „Stockfotografie“ betrie­ben habe.cIch scou­te kei­ne Trends, foto­gra­fie­re nicht nach den Bedürfnissen des Marktes, son­dern das, was mich interessiert.

Large floating blue icebergs in the glacier lagoon Jokulsarlon in Austurland in Eastern Iceland reflected in the calm water
Large floa­ting blue ice­bergs in the gla­cier lagoon Jokulsarlon in Austurland in Eastern Iceland reflec­ted in the calm water

Was macht für Dich eine gute Bildagentur aus?

  1. Sie schützt den Markt, sei­ne Preise und damit auch ihre eige­ne Existenz.
  2. Sie ver­tritt die Interessen ihrer Fotografen, denn ohne Fotografen wäre sie nur eine lee­re Website.
  3. Sie erlaubt einem Fotografen, sei­ne Preise selbst zu definieren.
  4. Sie sorgt für ein­fa­che Upload & Tagging-Möglichkeiten.
  5. Sie sorgt für kom­pe­ten­te Reviewer.
  6. Sie sorgt für Verkäufe (z.B. auch durch eine gut durch­dach­te Website nach Usability-Prinzipien).

Wie hat sich aus Deiner Sicht der Stockfotografie-​Markt in den letz­ten Jahren entwickelt? 

Dass selbst Adobe, selbst­er­nann­ter Freund aller Fotografen, Fotolia gekauft hat und damit nun selbst im „Lasst uns ein paar Fotografen aus­beu­ten Business“ mit­spielt, sagt doch alles. Immer höhe­re Ansprüche an Fotografen bei gleich­zei­tig immer mie­se­rer Bezahlung. Als Fotograf wirst Du behan­delt wie ein recht­lo­ser Bittsteller, der froh sein kann, wenn er bei „Agenturen“ auf Gnade stößt und dort sei­ne Bilder „ver­kau­fen“ darf.

Wie glaubst Du, wird sich der Stockfotografie-​Markt entwickeln?

Professionelle Fotografen wer­den sich aus dem Bereich zurück­zie­hen (wenn es dort über­haupt noch wel­che gibt). Die Bilderflut wird immer grö­ßer. Der Stockmarkt wird vor allem von unpo­li­ti­schen und unso­zi­al han­deln­den Handybesitzern & Amateuren belie­fert, die auch bereit sind für „expo­sure“ und einen feuch­ten Händedruck zu produzieren.

Gab es rück­bli­ckend Fehler, die Du im Stockbereich gemacht hast?

Na sicher.

  1. Überhaupt damit begon­nen zu haben (wohl der Größte).
  2. Zu Beginn haben wir zu weit gestreut.

Was waren die aus­schlag­ge­ben­den Gründe, die zu Deinem Ausstieg aus der Stockfotografie führten? 

Abgesehen von mie­ser Bezahlung, Ablehnungsgründen aus „Absurdistan“, Nervereien, immer grö­ße­rem Aufwand wegen irgend­wel­cher abstru­ser neu­er Forderungen, schmut­zi­ge & heim­li­che Deals wie der zwi­schen Depositphotos & Shotshop, der „friss oder stirb“-Mentalität aller (!) Agenturen, dem Abwälzen immer grö­ße­rer Verantwortlichkeiten auf den Fotografen bei gleich­zei­tig immer wei­ter ein­ge­schränk­ten Rechten? Das reicht doch, oder?
Letzten Endes war es jedoch Shutterstock, die mich dazu gebracht haben, der gan­zen Bande den Mittelfinger zu zeigen.

Shutterstock gilt ja als der „Musterknabe“ im Business. Aber auch nur solan­ge man nicht genau­er hin­sieht. In dem Moment, in dem man als Fotograf sei­ne Rechte wahr­nimmt, zeigt Shutterstock sein wah­res Gesicht.

Eins von vie­len Beispielen: Wer als Fotograf eines sei­ner Bilder auf einer Website fin­det, schaut übli­cher­wei­se nach, ob das Bild recht­mä­ßig erwor­ben wur­de. Dazu schaut man als ers­tes in den Bildmetadaten, unter dem Bild oder in Impressum /​ Bildnachweis. Was tut man also, wenn man dort kei­nen Hinweis auf einen recht­mä­ßi­gen Erwerb findet?

Abmahnung? Nein. Man schreibt ein­fach eine höf­li­che Mail an den Betreiber mit der Bitte für das frag­li­che Bild mit­zu­tei­len, woher er es bezo­gen hat. Was pas­siert, wenn Du als Fotograf genau das tust und so Deine Rechte wahr­nimmst? Shutterstock beginnt Dir zu drohen.
Hinweise dar­auf, dass es dein Recht ist zu erfah­ren, woher jemand eines dei­ner Bild bezo­gen hat, wer­den mit wei­te­ren Drohungen beant­wor­tet. Bist du unar­tig, schmei­ßen sie dich raus. Und wer ist schuld dar­an? Shutterstock! Warum? Wenn eine Agentur auf die Angabe eines Urhebervermerks ver­zich­tet (natür­lich nur um noch mehr Kohle abzu­zo­cken)  darf sie sich nicht wun­dern, wenn Fotografen bei ver­meint­li­chen Urheberrechtsverstößen beim Verwerter nach­fra­gen (müs­sen!).

Andererseits lan­den etli­che dei­ner Fotos (Kinderfotos /​ Portraits & alles Mögliche ) auf übels­ten Pornoseiten, die von Shutterstock gezo­gen wur­den (erkenn­bar am Shutterstock-​Wasserzeichen). Informierst du Shutterstock dar­über, wird dir in freund­li­chen Worten ver­spro­chen, dass man etwas dage­gen unter­neh­men wird. Und wird etwas dage­gen getan? Ich bezweif­le es.

Meine Meinung gefragt? Als Fotograf bist Du nichts wei­ter als Melkvieh. Austauschbar, scheiß­egal und recht­los. Ganz beson­ders gilt das für all jene Agenturen, die nichts wei­ter sind als die x‑te Yankee-Heuschrecke.

Du bist der [Schimpfwort] auf den Baumwollfeldern von Fotolia, Shutterstock & Co.! Die Hartgeld[Schimpfwort] mit der Leica.

Was rätst Du Leuten, die aktu­ell in die Stockfotografie ein­stei­gen wollen? 

Es nicht zu tun! Verkauft eure Bilder selbst! (Symbiostock etc.) Handelt solidarisch!

Darüber hin­aus bin ich auch noch Betreiber einer Agentur für SEO & SEM und kau­fe im Auftrag mei­ner Kunden bei den Heuschrecken all das ein, was ich nicht selbst pro­du­zie­ren kann. Ich ken­ne also bei­de Seiten und kann sagen, dass es aus die­ser Warte auch nicht seriö­ser zugeht. Ständig wider­sprüch­li­che Supportaussagen, nur Verweise auf immer nebu­lö­se­re AGB, die ins Feld geführt wer­den, wenn man ver­sucht, eine kon­kre­te Aussage zum Beispiel zur Nutzung auf Facebook & Co. zu erhalten.

Das gan­ze Business ist mora­lisch voll­kom­men ver­rot­tet und man muss schon ent­we­der ziem­lich blö­de, wage­mu­tig oder im Besitz einer vol­len Portokasse sein, wenn man sich heut­zu­ta­ge noch traut, sei­ne Bilder bei Bildagenturen zu bezie­hen. „Kollegen“ wie Benjamin Thorn tra­gen ihren Teil dazu bei.

Vielen Dank für das Interview.