Willkommen bei einer weiteren Folge von „Pimp My Stock!“, wo ich Bilder meiner Leser*innen auf Verkäuflichkeit hin beurteile.
Diesmal schrieb mir Christine:
„Lieber Robert,
ich hatte dein Blog letztes Jahr per Zufall entdeckt, ich meine aber dich schon mal irgendwo auf Facebook zum Thema „Print on Demand“ in einer Gruppe gesehen zu haben. Jedenfalls ist Print on Demand mein persönliches Hauptthema und Stockfotos sind irgendwann zum Nebenprodukt geworden.
Mein/Unser Künstlername ist Christine aka stine1 und zu 99% bin das ich (Christine) und die Fotos an sich kommen fast ausschließlich von meinem Mann. Er ist der stille Teil dieses Hobbies, er fotografiert sehr gerne (wir sind Amateure, keine Profis) und hat mit der Vermarktung wenig bis nichts am Hut. Er freut sich über die großen Einnahmen von Zazzle und Co. und versteht meine Freude über mickrige Centbeträge bei einem Fotoverkauf über EyeEm oder Getty Images nicht.
Ich habe dir 8 mittelmäßige Fotos angehängt, die sich alle aber schon mindestens ein mal verkauft haben. Ehrlichgesagt überraschen mich die meisten Verkäufe gerade auch bei diesen Beispielfotos sehr, da ich selbst die Qualität bis auf Foto 8 nicht berauschend finde. Aber bei EyeEm geht der Upload schnell und einfach und bei mir macht es dann eher die Masse statt Klasse.
Hier noch ein paar Erklärungen, um was es sich bei den Fotos handelt, soweit nicht unbedingt ersichtlich:
Foto 3 ist ein altes Foto der Wuppertaler Schwebebahn aus den 1950er Jahren aus dem Nachlass meines Schwiegeropas.
Foto 7 zeigt die Innenstadt von Angers in Frankreich.
Foto 8 zeigt einen Teil des Hafens von Kralendijk auf der Karibikinsel Bonaire.
Ich würde mich freuen, wenn ich irgendwann mal Gegenstand einer ehrlichen (und vermutlich vernichtenden) Kritik deinerseits werde. Du darfst gerne auf mein EyeEm Portfolio https://www.eyeem.com/u/stine1online
oder mein Blog Zizzling Zazzle https://stine1.info verlinken.Liebe Grüße,
Christine“
Dann werfen wir mal einen Blick auf ihre Bilder. Es war natürlich ein unfairer Trick von Christine, mir nur Bilder zu schicken, die sich schon verkauft haben, weil ich dann wie ein Depp dastehe, wenn ich der Meinung bin, dass sich bestimmte Bilder eigentlich nicht verkaufen würden, aber wir versuchen es mal… 🙂
Langjährige Leser*innen des Blogs ahnen, welcher Kommentar bei dieser roten Blume kommt: Wichtig ist hier auf jeden Fall der lateinische Name und die korrekte Bezeichnung der Pflanze, damit überhaupt eine Verkaufschance besteht. Unabhängig davon sehe ich hier aber nur sehr geringe Verkaufschancen, weil Blumen nun mal der Bereich sind, in dem sich Hobbyfotografen am liebsten austoben.
Über diese fliegende Möwe als Silhouette bin ich fast geneigt, das Gleiche wie bei der Blume zu schreiben, aber es gibt einige Unterschiede, die zu mehr Verkäufen führen könnten. Erstens ist das Bild symbolischer stärker aufgeladen und kann besser konzeptionell genutzt werden und zweitens ist viel Textfreiraum vorhanden. Drittens lassen sich mit einigen Photoshop-Tricks noch Verbesserungen erzielen, indem z.B. der Vogel vor einen anderen Himmel gesetzt wird („Himmel austauschen“-Funktion in PS) oder die Möwe geklont und anders und/oder mehrmals angeordnet wird. Ach ja, der Staubfleck auf dem Sensor rechts am Rand muss natürlich weg.
Ich habe mir mal erlaubt, paar Minuten mit dem Bild rumzuspielen:
Bei der Gelegenheit kann ich auch noch mal auf meine kostenlose Sammlung von 25 Himmelsbildern verweisen, welche weiterhin hier gratis zum Download bereit steht.
Das dritte Bild zeigt die Wuppertaler Schwebebahn, nach Aussage von Christine aus den 1950er Jahren. Ist hier vermutlich die Rechteklärung der schwierigste Part, ansonsten ist das Bild redaktionell sicher für einige Kunden spannend, weil diese Ansicht eben auch nicht neu fotografiert werden kann. Wobei gehässige Zungen sagen, dass es heute dort nicht viel anders aussieht. Gefühlt würde ich noch sagen, dass das Bild minimal nach rechts gekippt werden könnte.
Hm. Hirsch im Wildgehege? Prinzipiell würde ich sagen, dass das Foto wenig Verkaufschancen hat, da Tiere in freier Wildbahn generell besser verkäuflich sind und natürlich mehr Fotografen auf die Tiere im Gehege Zugriff haben. Mir fehlt jedoch das fachliche Wissen, um einschätzen zu können, ob die weiße Färbung vom Hirsch selten ist. Wenn ja, würde das logischerweise einige Pluspunkte auf der Verkaufsskala bringen.
Hier sehen wir zwei Pferde im Stall. Das halte ich für gut verkäuflich, weil das vordere Pferd wirklich sehr archetypisch ist und gut getroffen ist. Falls die Möglichkeit besteht, noch mal an den Ort zu kommen, würde ich noch vorschlagen, die Spinnenwegen in der Ecke hinten zu entfernen vor einem erneuten Foto. Bei der RAW-Entwicklung würde ich auch zu einem wärmeren Weißabgleich tendieren, ansonsten ein gutes Stockfoto.
Außerdem bieten sich noch einige Bearbeitungsmöglichkeiten an, wenn das Pferd richtig freigestellt wird. Ich habe das (siehe oben) mal halbautomatisch in paar Sekunden mit dem „Motiv freistellen“-Befehl in Photoshop gemacht, eine neue Farbebene drunter gelegt und das Format geändert. Zack, noch mal verkäuflicher.
Grüner Rasen von oben? Andere würden die Nase ob des simplen Motivs rümpfen, erfahrene Stockfotografen wissen jedoch: Sowas geht! Grafiker brauchen alle möglichen Texturen und Hintergründe. Dass auf dieser Wise noch Klee und andere Wildkräuter wachsen, kann sowohl Vor- als auch Nachteil sein. Als „Fußballrasen“ kann das Bild nicht verkauft werden, aber andere Designer brauchen vielleicht genau diese „Wild“-Elemente im Rasen für ihr Projekt.
Bei diesem Bild von der Innenstadt in Angers, Frankreich, ist der dünne schwarze Rand beim Bild besonders erkennbar. Ich weiß nicht, ob der versehentlich durch einen Bearbeitungsschritt entstanden ist und in der Version für die Bildagenturen ebenfalls enthalten ist. Wenn ja, sollte dieser dringend entfernt werden. Das Bild selbst „kippt“ etwas nach hinten wegen der perspektivischen Verzerrung, welche aber mit Photoshop schnell geradegerückt werden kann. Insgesamt ist es vermutlich aber keine besonders repräsentative Ecke von Angers, da hat die Stadt mit ihren Burganlagen, Brücken und Altbauten schönere Ecken zu bieten. Insofern ist das Motiv als Stockfoto leider eher ungeeignet.
Das letzte Bild zeigt den Hafen von Kralendijk auf der Karibikinsel Bonaire. Auf den ersten Blick ist es ein eher unscheinbares Foto, was jedoch eindeutig universeller nutzbar ist als das von vorherige. Ich würde hier bei der Bearbeitung zu mehr Kontrast und Sättigung greifen und ggf. auch hier den Himmel noch optimieren oder ganz ersetzen. Dann ist es eine schöne Freizeitszene mit Textfreiraum, die für allgemeine Urlaubs- und Reisethemen Anwendung finden kann.
Wie seht ihr das? Habt ihr ggf. andere Hinweise für Christine?
Wer ebenfalls an einer kostenlosen Rezension seiner Bilder interessiert ist, findet hier alle Informationen zur Teilnahme.
Hm, beim Bild der Innenstadt in Angers in Frankreich gehen mir vor allem Rechtsfragen durch den Kopf. Frankreich hat ja leider keine Panoramafreiheit. Darum gibt es da ja recht viel Hickhack mit Architekten, die Fotografen oft abmahnen, als wäre das Gebäude vom Ablichten quasi geraubt worden.
Bei so einer Aufnahme sehe ich persönlich keine Alternative dazu, zu ermitteln welches Gebäude wirklich alt genug ist, damit auch die 75 Jahre-Frist erfüllt wird. Zuzüglich Sonder-Sperenzchen wie etwa die Beleuchtung beim Eiffelturm – die vom Lichtdesigner schon wieder zu Einschränkungen von eigenen Bildwerken führt und ein eigenes Urheber-Rechtsleben zu haben scheint, wenn es an ist. Da mag ja z.B. eine Fassade schon wieder so renoviert worden sein, dass hier wieder eine Sonderregel greift, mit der ich mit einer Panoramafreiheit zuhause nicht rechne – die aber dort jeder Schraubenzieher kennt.
… oder nur redaktionelle Nutzung natürlich. Unterm Strich traue ich mich de facto nicht, solches Material aus Frankreich, Italien, Rumänen, USA und rechtlich ähnlich gelagerten Ländern ohne Recherchen einzureichen. Alterantiv fahre ich dann tatsächlich ein Stück weiter nach Spanien oder Portugal, um solche Sachen zu machen.
Vielleicht bin ich da allzu übervorsichtig, aber eine Abmahnung kostet mich in meinem Falle mehr als das Ganze über lange Zeit einbringt. Zumal wir ja hier weder unter den Deckel privater Abmahnungen fallen noch unter die Schutz-Beschränkungen deutschen Rechts.
Ich habe da den Fall in Erinnerung, bei dem jemand für ein paar selbst aufgenommene Handy-Fotos des europäischen Parlaments, die nur bei Facebook gezeigt wurden (nicht mal zum Lizensieren angeboten o.ä.), von dem Archtitekturbüro auf irgendwas um 12.000,– Euro herum abgemahnt wurde. Für echte schiefe Schnappschüsse in SVGA-Auflösung!
Das sind meine Erinnerungen dazu – wenn jemand neue entspannendere Angaben oder Rechtsänderungen dazu hätte, freue ich mich über Hinweise.
Hallo Robert,
Danke für den Beitrag, der immer wieder interessant ist. Bei dem Pferd ist die Umsetzung mit der Farbebene blau natürlich ideal und perfekt. Man kann das aber auch in der Form freistellen, wenn man mit einem 70–200 mm und offener Blende 2,8 fotografiert. Zudem hat man noch ein schönes Bokeh.
Christine könnte das ja mal versuchen.
Viele Grüße
Hermann
Ich wuerde das Hafenfoto auch als 16:9 Format anbieten.
Wie ist das fotorechtlich eigentlich mit Tieren im Wildgehege? Das würde mich selbst interessieren, weil ich Lust hätte mal Tiere im Wildgehege zu fotografieren. Generell würde ich die Tiere immer so fotografieren (und das wäre auch mein Tipp für Christine) dass man keinen Zaun oder ähnliches sieht, sondern, dass es so aussieht, als wäre es tatsächlich in der Natur. Dennoch frage ich mich ob man das ohne Erlaubnis/Propertyrelease darf? Ich dachte zumindest, dass man Bilder aus Zoos nicht verkaufen darf und auch für Haustiere ein Propertyrelease braucht? Was sagt das Fotorecht, hat da jemand Erfahrungen damit?
Da es hier auch u.a. um teilweise rechtliche Fragen der Fotografie geht, würde mich folgendes interessieren: Ich habe im Jahr 2011 einen Lost Place (Werkshallen aus DDR-Zeiten) von innen und von außen fotografiert, auch weil ich zu dem Zeitpunkt bei der Firma beschäftigt war und mir mein Chef gesagt hat, das kannst Du natürlich machen. Dies war eine mündliche Absprache, zu der es nichts schriftliches gibt. Im Jahr 2020 wurden die Gebäude abgerissen und teilweise durch eine andere Firma neu bebaut.
Mittlerweile bin ich im Ruhestand. Ich möchte die Fotos der örtlichen Dorfchronik für ihre Website zur Verfügung stellen damit sie der Nachwelt erhalten bleiben. Ich erwarte hier natürlich keine Rechtsberatung. Aber hat jemand hier Erfahrungen gesammelt ? Oder sollte man grundsätzlich von meiner Vorgehensweise die Finger lassen ?
@ Jonathan: kommt immer drauf an. Manche haben Aushänge wo Fotografieren verboten ist. Ansonsten immer nachfragen wenn man es KOMMERZIELL nutzen möchte.
@ Jonathan/werner: in Werners Antwort ist es eigentlich enthalten, ich würde nur kurz einen Grund anfügen.
Bei solchen Gehegen, Zoos etc. hat die zuständige Einheit (Betreiber, Pächter, Förster etc.) üblicherweise eine Form von „Hausrecht“. Zwar haben die Tiere kein Recht am eigenen Bild. Aber ähnlich wie in unseren Wohnzimmern kann jemand Zuständiges eben doch ein Wörtchen mitreden, wenn in dessen „Revier“ solche Bilder, Filme o.ä. erstellt werden.
@ Hermann: ähnlich unglücklich kann das bei dem Lost Place aussehen. Auch hier fällt wohl der Standardgrund weg, warum man etwas nutzen darf: es ist außerhalb der Panoramafreiheit. Und bei solchen Konstellationen stellt sich eben immer die Frage: steht irgendjemandes Recht vor meiner Nutzungsmöglichkeit. Hier könnte auch ein Architekt der Werkshalle, ein Eigentümer, irgendein sonstiger Gestalter von irgendetwas darin möglicherweise Rechte haben – sogar ein unbedarfter Erbe könnte sich heute auf das Hausrecht berufen, wenn ihm das Objekt jetzt gehört.
Das sind alles maximal blöde Konstellationen. Aber für sind das NO GOs wenn mir irgendeine solcher Personen einfällt, der ich nicht überzeugend klarmachen kann, warum ich an deren Sache ein Abbildungsrecht habe. Solche Gründe wären kurz gesagt, Panoramafreiheit, Urheberrecht wg. des Alters definitiv abgelaufen, Design/Musterschutz wg. des Alters abgelaufen, schriftliche Erlaubnis (Release) liegt vor.
Damit Ihr das Einordnen könnte: ich bin kein Jurist, auch kein halber. Das ist aus Vorkommnissen abgeleitet, die mir so beim aufmerksam Einarbeiten über die Jahre begegnet sind. Und ich gehe da sehr defensiv heran („findet nie einer“, „wo kein Kläger …“ sind Kraftsprüche, die ich in meiner Arbeit so gut wie möglich vermeide), weil bei meiner eher Semi-Pro-Stufe eine einzige Abmahnung Einnahmen und Spaß für Jahre zunichte machen würden.
@ Dr. Michael Gellner, vielen Dank für die Informationen.
Viele Grüße
Hermann
„Frankreich hat ja leider keine Panoramafreiheit.“ wow, auch das muss man noch berücksichtigen? ist ja wirklich nicht mehr einfach ohne Abmahnung unterwegs zu sein.