Wow, schon sechzig Folgen meiner seit über neun Jahren beliebten Serie „Pimp My Stock!“ Falls jemand trotzdem noch nicht wissen sollte, worum es in dieser Serie geht: Bei „Pimp My Stock!“ können mir Leserinnen und Leser ihre Fotos schicken, welche ich dann auf ihre Verkäuflichkeit hin bespreche. Es geht also nicht (nur) um Schönheit, sondern um die ehrliche Antwort auf die Frage, wie gut sich diese Motive bei Bildagenturen verkaufen würden.
In dieser Folge bat mich Petra, einen Blick auf ihre Bilder zu werfen:
„Hallo Herr Kneschke, ich hatte Sie im Oktober angeschrieben zu PIMP MY STOCK. Hier nun eine Auswahl meiner Fotos zur Durchsicht für Sie. Mir ist völlig klar, Sie können nicht zu jedem etwas sagen. Suchen Sie sich etwas aus. Ich bin für jeden Input dankbar. Ich freu mich, ich könnte solche Fotos an eine Stockagentur geben, um nebenbei etwas Taschengeld zu generieren. Vielen Dank für Ihre Hilfe, Petra aus HH“
Hier sind die zehn Fotos, die Petra geschickt hat:

Das erste Bild zeigen vermutlich Blüten (?) an einem Baum. Rein vom Motiv her wird sich das garantiert nicht verkaufen, weil diese Bilder abseits ganz spezieller Botanik-Bücher sich kaum eignen, weiter gefasste Konzepte zu illustrieren. Bei der Komposition hätte ich darauf geachtet, dass oben links und in den beiden unteren Ecken keine störenden Elemente zu sehen sind, das kann man aber notfalls auch nachträglich per Bildbearbeitung entfernen.

Solche Wolkenbilder bieten sich schon eher zum Verkauf an: Neben den allgemeinen Themen Wetter und Natur kann man mit ihnen auch „Freiheit, saubere Luft, Unendlichkeit, Religion“ und vieles weitere assoziieren.
Störend ist meiner Ansicht nach leider der Strand als dunkler Streifen im unteren Bildrand. Ich hätte mich hier bei der Aufnahme mehr auf den Himmel konzentriert, also das Bild knapp oberhalb des Strands abgeschnitten oder das Bild nachträglich dort beschnitten. Letzteres hätte zusätzlich den Vorteil, dass ich zudem ein breiteres Format erhalte, dazu jedoch später mehr.

Ich vermute, dieses Foto zeigt die Spiegelung einer Treppe im Glasgeländer derselben. Langjährige Leser dieser Serie wissen, dass ich gebetsmühlenartig darauf hinweise, dass es in der Regel ein schlechtes Zeichen ist, wenn ich den Bildinhalt erraten muss.
So auch hier: Solche abstrakten Motiven werden sich leider kaum bei Bildagenturen verkaufen, weil sie wieder konkret noch konzeptionell genug Bedeutungsebenen enthalten.

Ich mag diesen Blickwinkel sehr: Bäume im Wald von unten nach oben fotografiert. Abseits meiner persönlichen Vorliebe ist es auch ein gutes Stockfotografie-Motiv, weil es hier zum einen die Bäume und den Wald als Thema hat und als Konzeptbild für Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Wachstum und so weiter stehen kann.
Ich hätte sicher auch noch an der hellsten Stelle im Bild ein künstliches „Lens Flare“ eingefügt, um die Sonne stärker zu betonen.
Die schon bestehende Konkurrenz bei diesen leicht nachzuahmenden Motiven ist jedoch sehr groß, sodaß für dieses Bild die Verkaufschancen trotzdem gering sind.

Hier sehen wir abgeplatzte blaue Farbe. Wenn wir dieses Motiv stellvertretend für Grunge-Texturen allgemein nehmen, sage ich, dass es sich ganz gut verkaufen kann.
Im Detail müsste dafür jedoch einiges optimiert werden. Der linke Teil ist leider unpassend. Er hätte so ausgerichtet werden müssen, dass er mindestens parallel zum Bildrand verläuft oder noch besser gar nicht zu sehen ist, die abgeplatzte Farbe also formatfüllend ist. Außerdem wäre etwas mehr Weitwinkel sinnvoll gewesen, um mehr Motiv zu haben, aus dem sich Designer im Zweifelsfall selbst den passenden Ausschnitt wählen können.

Für diese Blüten gilt ähnliches wie für das erste Foto: Zu speziell, um damit Geld zu verdienen. Davon abgesehen ist es kopfüber und leider auch ein typisches „Mache ich nebenbei bei einem Spaziergang“-Motiv von Hobby-Fotografen, also schon massenhaft vorhanden.

Auch dieses Bild ist etwas schwer zu erkennen, ich vermute, es ist ein Baum im Regen. Trotzdem transportiert das Bild eine Stimmung, die sich gut zur Illustration einiger Themen eignet. Es wird sicher kein Bestseller, aber mit sorgfältiger konzeptioneller Verschlagwortung könnten einige Verkäufe abfallen.

Diese Seile mit Knoten sind grafisch ganz interessant und auch thematisch sicher ab und zu einsetzbar. Die beiden Dellen oben in der Mitte würde ich noch wegretuschieren und dann ist es ein ganz passables Stockfoto.

Bei dieser imposanten Baumwurzel ist offensichtlich der Weißabgleich ziemlich kühl geraten, da würde ich zu einem deutlich wärmeren Ton raten. Wie schon beim obigen Wald-Bild ist hier die Konkurrenz aber auch sehr groß, weshalb ich wenig Verkäufe erwarten würde.

Zum Schluss sehen wir alte Bahnschienen. Hier hat die Komposition leider weder Hand noch Fuß, weshalb ich das Bild als untauglich erachten würde.
Insgesamt ist auffällig, dass alle Bilder das Format 4:3 haben, wahrscheinlich ist das an der Kompaktkamera voreingestellt gewesen. Dieses Seitenverhältnis ist jedoch sehr ungünstig, weil es quasi standardmäßig „billig“ wirkt, da die teureren Kameras alle im 3:2‑Format aufnehmen. Auch die Bildagenturen benachteiligen solche Formate in der Suchanzeige, siehe mein ausführlicher Artikel hier. Noch beliebter sind aktuell sogar noch weitere Formate wie 16:9 oder Panoramen.
Auch die Motivwahl scheint sehr „Spaziergang“-lastig zu sein. Wenn das Ziel sein soll, mit Stockfotos ein Taschengeld zu verdienen, müssen die Motive für Designer nützlicher und schwerer zugänglich sein. Diese Motive wie oben gibt es leider auf Gratis-Plattformen schon zuhauf.
Wer ebenfalls kostenlos mitmachen und mir seine Bilder zur Besprechung schicken will, findet hier alle notwendigen Informationen.
Kommerziell sicher absolut nicht erfolgreich, aber ein guter, interessanter und persönlicher Blick, der in Weiterentwicklung auch zu sehr guter Fotografie führen kann! Fotografie ist bei weitem mehr und viel befriedigender, als für den kommerziellen Markt zu produzieren.
Der letzte Satz hat bei mir meine vollste Anerkennung gefunden!
3:2 ist das klassische KLEINbildformat,
4:3 das professionellere Mittelformat Höhen-Seitenverhältnis.
Also wenn man wirklich etwas vom Höhen-Seitenverhältnis ableiten wollte, dann wäre es genau umgekehrt wie beschrieben.
Viele Grüße
Roger
Ich denke bei Microstock gibt es nicht so viele Anbieter die mit Mittelformat produzieren. Daher hat das 4:3 Format auch keine so große Bedeutung.
Lieber Max,
es ging um die Frage, ob man vom Höhen-Seitenverhältnis eines Bildes her ein Image wie „hochwertig“ oder „billig“ ableiten kann.
Und falls ja, welches. Ich glaube nein, aber wenn, dann bringt man 4:3 eher mit hochwertiger Mittelformat oder Großbildfotografie in Verbindung – zumindest unter Fotografen. Bei Tante Erna mag das natürlich anders sein.
Liebe Grüße
Roger
@Roger: Spannende Diskussion.
Ich denke, insgesamt ist der Effekt gering, aber wenn, dann würde ich trotzdem eher behaupten, die meisten Leuten verbinden 3:2 mit höherwertigen Kameras als 3:4 und zwar deshalb, weil eben die ganzen Fotohandys seit Jahren standardmäßig 3:4 aufnehmen, während die DSLRs 2:3 aufnehmen. Mittelformatkameras sind dazu im Vergleich ja eher selten. Aber vielleicht ist es auch nur meine persönliche Prägung, genauere Beweise für meine Vermutung habe ich noch nicht gesucht.