Heute gibt es wieder eine Folge von „Pimp My Stock!“, wo Leute mir ihre Stockfotos schicken, damit ich sie einer fundierten Kritik unterziehen kann. Diesmal ist Eike an der Reihe. Er schreibt:
„Hallo Robert,
ich bin 24 Jahre alt, komme aus Bayern und habe im Februar diesen Jahres erst richtig mit der Fotografie angefangen und bin seitdem Feuer und Flamme. Meine Ausrüstung setzt sich aus der Sony Alpha 6000, 16–50mm Kit-Objektiv, 18–105mm Sony-Objektiv und dem 12mm Super-Weitwinkel-Objektiv von Samyang zusammen.Relativ schnell bin ich dann auf die Stockfotografie gekommen, habe mir dein Buch gekauft und mich auf dieses Thema gestürzt.
Besonders deine Kategorie „Pimp my Stock“ hat es mir angetan und mir schon viel weitergeholfen. Ich betreibe die Stockfotografie als Hobby neben meinem Beruf, investiere aber momentan jeden Tag mehrere Stunden in die Fotografie und Bearbeitung.Am Anfang habe ich angefangen, möglichst viel aus meinem häuslichen Umfeld zu fotografieren und hochzuladen, was ich mittlerweile als Fehler einschätze. Ich habe des Öfteren den Tipp gelesen, möglichst schnell ein großes Portfolio aufzubauen und habe daher auch mittelmäßige Bilder hochgeladen. Jetzt spiele ich mit dem Gedanken diese älteren Fotos wieder zu löschen.
Nun habe ich mich mehr mit der Stockfotografie beschäftigt und würde ich gerne wissen, ob ich mich auf dem Holzweg befinde oder meine Bilder gut verkäuflich sind. Seitdem ich Anfang März angefangen habe, habe ich innerhalb von 40 Tagen ca. 50 Bilder verkauft und 19 Dollar verdient. Mein Portfolio umfasst mittlerweile etwa 300 Bilder.
Ich lade über die Software „StockSubmitter“ gleichzeitig bei etwa 10 Stockseiten meine Bilder hoch. 75% der Einnahmen werden jedoch von Shutterstock generiert (35 Bilder von 50). Ist das ein guter Start in die Stockfotografie? Ich bin damit eigentlich relativ zufrieden, habe aber keinerlei Vergleichswerte, was am Anfang zu erwarten ist.
Stutzig macht mich nur, dass der Großteil meiner Bilder keinen einzigen „view“ hat und diese anscheinend ganz am Ende der Suchlisten auftauchen. Ich hoffe, das bessert sich noch in Zukunft?
Momentan teste ich eine Vielzahl unterschiedlicher Themen aus, um meine „Richtung“ in der Stockfotografie zu finden. Isolierte Bilder, Stilleben – mit und ohne Copyspace – , Landschaftsaufnahmen und Architektur, aber auch Photoshop-Composing findet sich in meinem Portfolio. Würdest du die breite Aufstellung eher als Vorteil oder Nachteil sehen?
Besonders reizt mich an der Stockfotografie die Kreativität, einen bestimmten Gedanken fotografisch umzusetzen.
Mittlerweile lade ich keine Schnappschüsse mehr hoch, sondern nur speziell für die Stockfotografie erstellte Bilder.
Richtig Freude bereitet es mir dann, wenn sich die Arbeit und die Gedanken ausgezahlt haben und das Bild tatsächlich gekauft wird, das Geld ist für mich eher zweitrangig.
Leider werden oft die extra für die Stockfotografie produzierten Fotos trotzdem nicht gekauft, was mich wiederum verunsichert.Lange Rede kurzer Sinn, ich würde mich sehr über eine Fotokritik von dir freuen und finde es besonders toll, dass du dein Wissen über die Stockfotografie mit uns teilst!
Meine Bilder: https://www.shutterstock.com/g/Likee68Eine Frage hätte ich noch bezüglich property-releases. In meiner Nähe befindet sich ein bekanntes Gebäude, das ich gerne fotografieren und verkaufen würde. Dabei werden diese Fotos oft mit der Bemerkung abgelehnt, dass der property-release fehlt. Deshalb habe bei der Verwaltung des Gebäudes angerufen. Diese versicherten mir, dass Bilder von dem Haus ohne Einschränkungen verkauft werden dürfen. Die Verwaltung selbst will aber keine property-releases ausstellen, da ihn dies zu aufwendig ist. Wie gehst du damit um? Muss ich weiterhin mit einer hohen Ablehnungsquote rechnen?
Vielen Dank!“
In seiner Mail sind einige Fragen enthalten, die ich nach der Bildbesprechung beantworten will. Schauen wir uns erst mal seine Bilder an. Zu jedem Bild gibt es erst einen Kommentar von Eike, bevor ich antworte:
„1. – Noch nicht verkauft – Liegt es am zu kleinen Copyspace oder der fehlenden Nachfrage? Schlagworte gehen in Richtung Champion, Sieger etc.“
Das Problem bei diesen Spielfiguren-Konzept-Bildern ist, dass sie sehr einfach, schnell und günstig nachzumachen sind und deshalb auch seit Jahren von vielen Fotografen umgesetzt werden. Selbst in den kostenlosen Bilddatenbanken gibt es da haufenweise Konkurrenz. Trotzdem lassen sich hier natürlich die Verkaufschancen steigern. Ich würde das Bild spiegeln, damit der Textfreiraum rechts ist, weil das mehr der europäischen Leserichtung entspricht und rechts den Hintergrund auch noch etwas erweitern. Mit dem „inhaltsbasierten Füllen“ (konkreter hier „inhaltsbasiertes Freistellen“) von Photoshop geht das sehr einfach.
„2. – Noch nicht verkauft – Ist das Bild zu simpel? Ich habe auch beschriftete Varianten erstellt, rechne aber nicht damit, dass jemand genau diese Beschriftung haben möchte und tendiere zum leeren Copyspace.“
Das Bild ist grundsätzlich gut gelungen und mir gefällt vor allem die Kombination von grafischen Elementen und der menschlichen Hand. Aber wie beim ersten Bild verkümmert hier der Textfreiraum links, während Kunden diesen lieber rechts platzieren, vor allem, da sich hier links der gerade Rand des Pfeils als Abschluss geradezu anbietet. Außerdem ist die Vignettierung der Ränder recht deutlich zu erkennen und sollte in Photoshop entfernt werden.
„3. – Noch nicht verkauft – Wurde teilweise abgelehnt mit der Begründung „Belichtungsproblem“. Dabei wollte ich genau diese nächtliche Einbruchsstimmung transportieren.“
Thematisch ist das Bild von einem Einbruch super als Stockfoto geeignet. Der Blitz ist natürlich sehr hart und hätte etwas (nicht viel) weicher gestaltet werden können. Manchmal hilft es auch, gegenüber der Bildagentur zu argumentieren, dass die abgesoffenen schwarzen Stellen zum Bildkonzept gehören. Ich meine jedoch auch einen grünlichen Farbstich wahrzunehmen. Dieser sollte vorher noch korrigiert werden und wenn wir schon dabei sind, würde ich auch den Punkt-Lichtreflex auf dem gelben Griff entfernen, weil er zuviel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Noch besser wäre es auch, wenn eine Stelle gewählt worden wäre, wo die Wand nicht nach Rohbau aussieht.
„4. – 2 Mal verkauft – Vermutlich ist das Bild zu dunkel, um erfolgreicher zu sein? Ist die Nische zu klein?“
Das Bild von der Schnittverletzung ist in der Tat etwas dunkel, aber insgesamt ist es ein gut durchdachtes Stockfoto, was langfristig sicher seine Kosten wieder einspielen wird. Auffällig ist oben links das Astloch im Holzmuster, was ich reflexartig entfernt hätte.
„5. – Noch nicht verkauft – Ist der Business-Markt zu übersättigt? Ich habe in dieses Foto einen Gegenlicht-Effekt eingebracht, wirkt er passend?“
Das Foto ist ebenfalls wieder thematisch super. Klar ist der klassischen Business-Handshake oder wie hier die Visitenkarten-Übergabe sehr gesättigt, verkauft sich aber immer noch. Den Gegenlicht-Effekt finde ich passend und wertig. Störend ist eher der Lichtreflex genau auf der Visitenkarte. So wird das Bild optisch in zwei Seiten geteilt, obwohl ja genau das Gegenteil, das Miteinander und Zueinanderfinden, ausgedrückt werden soll.
„6. – in anderen Versionen schon 5 Mal verkauft – Wirkt das Composing auf dich professionell oder eher laienhaft? Die Bilder zum Thema „Cybersecurity“ gehören zu meinen erfolgreicheren.“
Auch hier ist die Idee gut und die Umsetzung brauchbar, lässt sich aber verbessern. Die Schriftart beim Wort „Scanning…“ rechts passt nicht ganz zum maschinellen Charakter des Scanvorgangs, da in Automaten meist andere Schriftarten verwendet werden. Das Bild könnte auch noch mit einigen SciFi-Flares (zum Beispiel hier bei RAWexchange*) aufgemotzt werden.
„7. – Noch nicht verkauft – Ich dachte bei diesen Fotos an einen Arzt, der seine Hände desinfiziert und wäscht. In diese Richtung habe ich es auch verschlagwortet.“
Ein Foto vom Waschbecken und der Hebel vom Wasserhahn ist abgeschnitten? Das geht gar nicht. Außerdem ist auch hier wieder die Vignettierung zu erkennen. Um das Thema Sauberkeit noch zu unterstreichen und das Bilder an die üblichen weißen Arztbilder anzupassen, würde ich es auch hier aufhellen, so weit es geht.
„8. – Noch nicht verkauft – Ich wollte einen Postkarten-Look kreieren. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob ich auch solche Text-Varianten erstellen soll oder den Copyspace nur leer lassen soll. Vielleicht dient der Text dem Kunden als Inspiration und greift dann zum leeren Exemplar?“
Das Kaffee-Bild ist ziemlich eng beschnitten und ein Kunde hätte keinerlei Möglichkeit, das Bild irgendwie zu beschneiden, ohne es unbrauchbar zu machen. Die Fülltextur im Text ist auch, ich sage mal, „speziell“, doch zum Text gleich mehr beim nächsten Bild.
Leinwand.jpg
„9. – Noch nicht verkauft – Ein etwas simpleres Composing. Ist das Bild zu einfach, um erfolgreich zu sein?“
Sorry, das Bild wirkt wie ein 90er-Jahre-Clipart und das meine ich nicht positiv. Welchen Sinn soll der gelbe „Heiligenschein“ haben? Vor allem jedoch passt die Schriftart nicht zum „To Do“-Konzept. Diese ans „Art Deco“-angelehnte Schrift passt vielleicht in einen Kunstbildband, aber nicht hierher. Schau mal allein das „o“ und die Punkte an: Der Buchstabe ist komplett rund, die Doppelpunkte sind jedoch oval. Das passt nicht zusammen und sieht scheiße aus.
Ähnlich beim vorherigen Kaffee-Bild: Hier ist die Schrift unproportional gestreckt, was jedem Typografie-Kenner die Fußnägel hochrollen lässt. Das erzeugt auch einen „gedrungenen“ Eindruck, der nicht zur „Entspannungsaussage“ des Textinhalts passt.
„10. – Noch nicht verkauft – Ein arrangiertes Bild mit Copyspace auf dem Blatt. Vermutlich ist der Markt mit professionelleren Varianten gesättigt?“
Die Selbsteinschätzung ist hier vollkommen richtig. Von diesen „Tabletop“-Fotos gibt es viele deutlich professionellere Aufnahmen. Um nur mal einige Punkte herauszugreifen: Ist das Foto für Linkshänder konzipiert? Sonst würde ich das Bild spiegeln. Auch die Verwendung des gelben Platzes schränkt die Verwendung ein, genauso wie der rote Buntstift, der im Business- und auch im Kreativbereich jetzt keine so große Rolle spielt.
Insgesamt haben fünf der zehn Bilder eine sehr klare, nützliche Bildaussage mit einer guten Umsetzung. Da sehe ich gute Chancen für die Zukunft und kann Eike nur bestärken, so weiterzumachen. Lernen sollte er noch etwas über grafische Gestaltung, speziell über Typografie, hier kann ich sehr das Buch „Grafik und Gestaltung“ von Markus Wäger empfehlen.
Zu den anderen Fragen:
Um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wie man als Anfänger im Vergleich zu anderen steht, helfen vielleicht diese Zahlen von anderen Microstock-Fotografen.
Löschen würde ich keine Bilder im Portfolio, solange es keine rechtlichen Probleme gibt oder Dir Deine Anfangswerke irgendwann unerträglich peinlich werden. Ich verkaufe immer noch manchmal Bilder, die ich vor über zehn Jahren gemacht habe.
Zum Property Release: Die Agenturen werden hier immer strenger und mit den diesbezüglichen Ablehnungen musst Du Dich leider abfinden, da es keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme in eine Bildagentur gibt.
Und ja, anfangs kannst Du ruhig experimentieren, welche fotografischen Bereiche Dir am meisten zusagen und wo Du die besten Verkäufe erzielst, aber nach einer Weile solltest Du Dich auf einen Bereich spezialisieren, um gezielt in dieser Nische besser als viele andere zu werden.
* Affiliate
Das Bild mit der Grafik und der Hand kann proportional nicht Stimmen. Sieht so aus, als sei die Hand einmontiert.
Als Grafiker würde ich immer eigene Grafiken verwenden, die im Illustrator gemacht werden und mir bei Bedarf eine passende Hand suchen.
Die Kästchen gehen garnicht weil damit jeglicher Bewegungsspielraum verloren geht.
Beim Bild „Händewaschen“ hat Robert ja schon geschrieben, dass der Wasserhan angeschnitten ist. Der Fotograf sollte den Motiven immer genug Freiraum geben den oft ändert sich der Text und das Bild muss neu beschnittten werden oder das Format ändert sich. Wenn hier zu wenig Möglichkeiten bestehen ist das Bild nicht brauchbar.
Kaffee mit Text: Hier ist der Text so nah am Rand dass es schwierig wird eine Datei mit Anschnitt, beim Druck wird immer ein Teil der Seite abgeschnitten, zu erstellen. Das Endformat einer Postkarte ist z.B. 105 x 148 mm. Das Datenformat ist aber jeweils 2–3 mm an allen Seiten grösser. Randabfallende Motive müssen also auch grösser als das Endformat sein. Bei Büchern können es auch mal 2 cm sein.
Vielen Dank, Robert!
Mir hat dein Feedback wirklich geholfen, da mir manche Aspekte gar nicht bewusst waren. Mittlerweile läuft es auch richtig gut mit den Verkäufen 🙂
Liebe Grüße!
Danke Andreas für deine Tipps! Das mit dem Beschnitt werde ich mir zu Herzen nehmen!
Ich dachte vorher immer, dass ich unwichtige Bildbereiche besser entferne, damit die Bildbotschaft bereits im kleinen Vorschaubild schon erkennbar ist.
Das Bild mit der Hand ist tatsächlich so fotografiert worden. Ich habe ein großes Flipchart bemalt und meine eigene Hand ins Bild gebracht und mit einer Softbox geblitzt.
Gruß Eike
Ein Tipp zum Bild mit dem Waschbecken: Da deutet nichts ins Richtung Krankenhaus hin. Handschuhe sehen aus wie Putzhandschuhe und nicht wie sterile Einmalhandschuhe. Gebraucht landen die sofort im Abfall und nicht auf dem Waschbecken, um dort Keime zu verbreiten. Fürs Anziehen liegen sie auf einem Tisch in der geöffneten, sterilen Packung bereit oder werden von einer sterilen Person angereicht.
Auch das Waschbecken ist eindeutig ein privates. Im Waschraum eines OPs müssen die Waschbeckenhebel mit dem Ellbogen bedient werden können., damit man die gewaschenen Hände nicht wieder kontaminiert, wenn man das Wasser abdreht.
Also lieber nur Situationen darstellen, die man gut kennt!
Situationen die man gut kennt fotografieren – stimmt schon.
Nur sind Stockfotos oft auch Symbolfotos. Selten ist ein Symbolfoto auch wirklich authentisch.
Als Tip würde ich vorschlagen weniger zu fotografieren.
Das Waschbecken ist zu dominierend und die vielen Fluchtlinien durch die kurze Brennweite machen das Bild unruhig. Das ist vielleicht bei einer Bildreportage gut. Wenn man ein Symbolfoto möglichst schnell erfassen sollte ist weniger mehr. Bei den Handschuhen würden neue unbenutzte für Sauberkeit symbolisch besser passen. Fürs erste wäre ein Ausschnitt mit längerer Brennweite und offener Blende besser. Also die Hände sollen das Bild dominieren. Der Rest unscharf angedeutet. Da muss gar nicht die ganze Armatur rauf. Und so fotografieren das es sauber wirkt – das Bild kommt irgendwie schmuddelig rüber.
Das Problem ist wirklich, dass von den dargestellten Motiven sehr, sehr gute Varianten auf dem Markt sind. Hell, schön „sauber“, ansprechend, modern, oft gerendert… das ist einfach das, was die Amis lieben und die sind der größte Markt. Mir gefällt die Idee mit dem Einbruch und der Schnittverletzung. Das ist nicht so häufig und ist auch nicht das Lieblingthema der großen „Stocker“. Vll solltest du bei so kleinen Themen erstmal bleiben.
Zum Waschbecken – da hätte die Verschlagwortung in Richtung „putzen“ vll mehr gebracht, denn, wie schon geschrieben, ein Krankenhausbecken sieht anders aus.
Hi,
die Bildideen finde ich alle sehr gut!
Die Umsetzungen sind zum Teil gelungen und könnten bei einigen noch verbessert werden. Von Robert gab es dazu ja bereits zahlreiche konstruktive Hinweise.
Auch die Empfehlung sich irgendwann auf ein Thema / Genre zu spezialisieren finde ich richtig und wichtig. Nur so kann man seine Bilder gegenüber vielen anderen stark verbessern. Jedes Fotothema verlangt oft andere Herangehensweisen und Lösungen. Je öfter man ein bestimmtes Thema ablichtet, desto mehr Übung und Können erarbeitet man sich darin.
Das erhöht automatisch die Verkaufschancen.
LG
Bernd