Ich kann es kaum glauben: Schon vierzig Folgen hat meine „Pimp My Stock!“-Serie jetzt erreicht. Hier gebe ich Feedback über Stockfotos, welches über „schön“ und „gefällt mir“ hinaus gehen soll und berücksichtige besonders stark, ob sich eins der Fotos gut verkaufen könnte und warum.
Das Interesse scheint groß zu sein, die Warteschlange ist entsprechend lang und ich versuche mein Bestes, diese zügig abzuarbeiten. Deswegen geht es gleich weiter, diesmal mit Stephan, der mir schrieb:
„Hi Robert!
Mein Name ist Stephan, ich bin 32 und fotografiere seit einigen Jahren. Seit ca. 3 Jahren fotografiere ich „ernsthafter“, zunächst habe ich mir mit der Lumix G2 die Grundlagen der Digitalfotografie beigebracht und nun fotografiere ich seit einem Jahr mit der Nikon D7000. Ich denke, ich habe meine eigene Bildsprache gefunden, auch wenn ich noch an vielen Stellen einiges zu lernen habe.
Mittlerweile habe ich mich nebengewerblich als Fotograf selbstständig gemacht und möchte einfach mal probieren, ob ich mit meinem Hobby auch ein paar Taler verdienen kann.
Auf der Suche nach Fachwissen durchforste ich nebst diversen Büchern auch regelmässig das Netz und bin so auf Deinen Blog gestoßen, den ich begeistert verfolge. Dein Buch über die Stockfotografie hat mich ebenfalls sehr begeistert, so dass ich es mir umgehend bestellt habe. Ich betreibe seit 3 Jahren einen Stockaccount bei DeviantArt, zugegebenermaßen sind dort aber viele Fotos, die ich aus heutiger Sicht nie irgendwo einreichen würde… trotzdem läuft dieser Account recht erfolgreich, so dass mir die Idee kam, besonders nachdem ich Deinen Blog und Dein Buch entdeckte, es doch auch mal auf professionellerer Ebene mit der Stockfotografie zu versuchen. Tja. Da beginnt das Problem. ich habe etliche Stunden investiert, um mittlerweile 111 Absagen und eine(!) Annahme vorweisen zu können. Das angenommene Bild empfinde ich selbst als stinklangweilig, diverse andere hingegen als ganz gut.
Gerne würde ich die Bilder im Anhang mal vom Fachmann analysieren lassen. Es ist völlig ok, wenn diese eben qualitativ oder hinsichtlich der Verkäuflichkeit nicht genügen, nur bringen mir vorgefertigte Ablehnungsmail nichts – wo genau sind die Fehlerquellen, was muss ich besser machen?
Zu meinen Erwartungen:
Ich bin in Vollzeit an anderer Stelle tätig und werde das auch nicht ändern. Wenn ich im Monat ein paar Euro dazu verdienen könnte, um mir alle paar Monate mal ein neues Objektiv bzw. Ausrüstung zuzulegen, wäre ich völlig zufrieden.Ein paar Beispiele meiner sonstigen Bilder findest Du hier.
Ich würde mich über eine Rückmeldung sehr freuen und danke Dir für deinen Blog und dass Du Dein Wissen so vielfältig an andere weitergibst – Hut ab!
Viele Grüße,
Stephan“
Dann schauen wir uns mal an, woran es liegen könnte:
Fangen wir mit diesem Foto einer Tasse Cappuccino an. Ich hoffe, ihr seht selbst, dass das Muster auf dem Schaum mittlerweile alles andere als appetitlich aussieht. Wer ein Foto von einer Tasse Kaffee kauft, will damit vermutlich seinen eigenen Kaffee besser verkaufen, was mit diesem Foto hier leider nicht klappen würde. Wenn Food-Fotografen sich Mühe geben, sieht der Schaum so aus*. Deutlich anders, gell? Außerdem ist mir der Hintergrund zu dunkel, unten rechts vermutlich sogar abgesoffen.
Ich bin mir nicht sicher, was auf dem Foto zu sehen ist: Verschiedene Drinks oder Saucen auf dem Büffet? Dem Käufer wird es ähnlich gehen und er wird sich im Zweifel für ein Bild mit einer klareren Aussage entscheiden. Auf den ersten Blick sieht der Colorkey-Effekt auch hübsch aus, aber beim zweiten Blick wird sichtbar, dass vor allem an den hinteren Rändern der Gläser unsauber gearbeitet wurde. Zusätzlich ist auch hier wieder die Ecke rechts unten sehr dunkel und fast ohne Zeichnung. Warum sollte der Käufer ein Viertel „schwarzes Bild“ kaufen (vor allem, wenn sich der Preis nach Bildgröße berechnet), wenn der Fotograf das Motiv auch besser hätte komponieren können?
Ein Büffet mit indischen Gerichten? Schon etwas besser als die ersten beiden Bilder, aber leider immer noch zu dokumentarisch. Zuerst stört mich, dass der Tisch links angeschnitten ist. Die Alu-Behälter rechts im Bild hätte ich für das Foto kurz entfernt und der Dampf oben lässt erahnen, dass der Hintergrund nachträglich schwarz gefärbt wurde. Das passt hier halbwegs, damit der Käufer oben Textfreiraum hat, aber ich habe die Bearbeitung eben erkannt, weil sie unsauber ausgeführt wurde.
Stellt euch vor, ihr wollt Urlaub am Meer verkaufen: Würdet ihr dafür ein Foto verwenden, wo der Tag bald zu Ende ist (und damit eine kühlere Stimmung aufkommt), die Strandkörbe alle abgeschlossen und vom Betrachter weggewandt sind? Oder würdet ihr lieber so ein sonniges Foto* mit einem offenen, hellen Strandkorb und Schäfchenwolken wählen oder dieses mit vielen Strandkörben*? Nuff said!
Dieses Foto vom welken Herbstlaub finde persönlich ganz ansprechend, aber ich bezweifle, das viele Kunden das ähnlich sehen. Zum einen gibt es viel buntere, optimistischere Bilder, um das Thema „Herbst“ zu illustrieren und gerade weil diese Jahreszeit so regelmäßig wiederkommt und uns fotogene Motive beschert, ist die Konkurrenz auf diesem Gebiet zu groß, um mit so einem Bild viel Geld verdienen zu können. Auch wieder dabei: Die dunkle, unnötige Ecke, diesmal rechts oben.
Bei dieser trauernden Dame als Statue sehe ich mehrere Probleme. Zum einen ist da das Problem, dass die Agenturen eventuell einen Property Release verlangen würden, um auf der sicheren Seite zu sein. Ganz rechts und unten hätte ich das Bild dichter beschnitten, um die unnötigen schwarzen Linien zu vermeiden. Und auch hier ist das Bild wieder zu dunkel, vor allem über dem Kopf und im Bereich des Gesichts. Das mag künstlerisch okay und gewollt sein, Bildagenturen sehen sowas jedoch nicht gerne.
Nach den sechs Fotos zeichnen sich zwei Grundprobleme von Stephan ab: Zum einen sind die Bilder insgesamt zu dunkel, auch an Stellen und bei Motiven, wo es unnötig ist. Die Bildkäufer hingegen stehen auf helle, fröhliche Bilder. Auch die Motive oder die Bildwirkung selbst sind mir zu düster, zu depressiv, zu traurig und melancholisch. Das kann in der Emo- und Grunge-Ecke funktionieren, aber die Microstock-Welt ist das genaue Gegenteil davon.
Wie wirken die Bilder auf euch?
* Affiliate
Mein erster Gedanke, noch bevor ich den Artikel zu Ende gelesen habe, war auch – viel zu dunkel, viel zu depressiv. Stock steht für Postkartenmotive, so banal und klischeehaft sie sein mögen. Auch wenn im Internet viel Spott unterwegs ist über diese hellen, dauerlachenden, dauer-appetitlichen Motive – gekauft und gedruckt werden sie dennoch 😉
Food ist ein sehr schwieriges Genre. Ich bin seit Jahren recht erfolgreich mit Stockfotografie, doch an Food traue ich mich nicht ran. Es ist soviel Detailkram nötig um es appetitlich aussehen zu lassen und es gibt so gute Konkurrenten, das ist verlorene Liebesmüh. Ich würde Stephan auch empfehlen, sich erstmal ein Genre zu suchen, das weniger fortgeschrittene Kenntnisse benötigt.
Die Statue würde nicht angenommen werden, erstens – wie Robert schon sagt – wegen copyright, zweitens ist das Gesicht im Schatten, drittens verkauft sich schwarz weiß eh sehr schlecht.
Das Herbstbild müsste, um verkäuflich zu sein, noch durch einige Bildbearbeitung gezogen werden, denn so, wie es jetzt ist, ist es grau. Blattstiele sind auch so ein Problem, sie sehen dürr und tot aus, man will aber doch etwas buntes, Lebendiges kaufen.
Trotzdem – viel Spaß weiterhin beim fotografieren und viel Glück im Stockgeschäft 🙂
Hallo,
auch ich fotografiere neben einem Fulltime-Job für Stockagenturen.
Auch ich musste zu Beginn feststellen, daß meist die Bilder angenommen wurden, welche mir am wenigsten gefielen.
Stockfotografie ist Werbefotografie.
Das muß man erst einmal verstehen.
Man muß sich in die Lage der Bildkäufer versetzen können um erfolgreich Stockfotos verkaufen zu können.
Man sollte sich auf ein Fotothema konzentrieren.
Wer sich spezialisert wird durch regelmässiges Fotografieren automatisch besser werden. Übung macht auch hier den Meister.
Einige Fotos finde ich im Ansatz Ok.
Die technische Umsetzung lässt meiner Meinung noch Luft nach oben.
Heller oder wenigstens mehr Zeichnung in den dunklen Bildbereichen ist nur ein Punkt.
Was wollen die Kaufkunden?
Schau dir Werbeprospekte und Fachzeitschriften an. Dann weißt du was für Fotos gefragt sind.
LG
Bernd
Ein Blick auf die verlinkten Seiten enthüllt die „dunkle“ Herkunft des Fotografen und die düstere Bildsprache ;-).
Das Problem bei der Statue ist nicht unbedingt das Copyright des Künstlers der Statue (der könnte durchaus schon mehr als 70 Jahre tot sein) als vielmehr, dass die Aufnahme offenbar auf einem Friedhof aufgenommen wurde. Friedhöfe sind – auch wenn sie in der Regel frei zugänglich sind – kein allegemein öffentlicher Raum, der der Panoramafreiheit unterliegt (§ 59 UrhG). Für Friedhöfe braucht man IMMER eine Fotografiererlaubnis (Property Release).
Microstock-Agenturen bieten ihre Bilder eigentlich immer als RF (Royalty Free) an, das heißt, dass Bildkäufer die Fotos für alles Mögliche verwenden dürfen (außer Pornografie etc.), vor allem auch für Werbung. Ich glaube kaum, dass irgend ein Friedhof damit einverstanden wäre, wenn z.B. ein Versicherungsunternehmen mit einem Friedhofs-Foto für eine Lebensversicherung werben würde…
Möglicherweise betrifft die Sache mit dem Property Release auch die Food-Fotos. Wenn diese in einem Restaurant aufgenommen wurden, bräuchte man auch dafür im Prinzip die Erlaubnis des jeweiligen Besitzers.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig Gedanken sich gerade Einsteiger über die rechtlichen Fragestellungen informieren, bevor sie ihre Bilder bei Agenturen anbieten. Fotografisches Wissen allein reicht da leider nicht aus. Vielleicht machen es sich die Agenturen aber auch zu leicht? In deren AGB steht zwar immer sehr viel drin zur „Freiheit von Rechten Dritter“ der angebotenen Bilder, aber letzendlich lassen sie die Anbieter mit konkreten Fragestellungen doch oft ziemlich allein. Da hilft leider nicht viel, als sich bei jedem Foto selbst kritisch die Frage zu stellen, ob das Bild wirklich frei von Rechten Dritter ist und vor allem, was das eigentlich bedeutet?
Einige kritische Aufnahmen werden aus diesem Grund zwar von den Agenturen schon im Vorfeld abgelehnt (z.B. Eiffelturm bei Nacht), bei anderen wissen sie manchmal aber scheinbar selber nicht so genau, ob nun eine Freigabe erforderlich ist oder nicht. Da schiebt man die Verantwortung lieber auf die Fotografen ab.
Vieles biete ich inzwischen auch nur noch RM (Rights Managed) bei entsprechenden Agenturen an, die dies ermöglichen (z.B. Zoonar). Dort kann man dann auch noch Angaben zum Property- bzw. Model-Release machen, sodass bei Nicht-Vorliegen die Bilder nur noch redaktionell genutzt werden können und somit etwas andere rechtliche Regelungen gelten (Stichwort: Pressfreiheit). Außerdem hat RM noch den großen Vorteil, dass im Einzelfall geprüft werden kann, ob für einen bestimmten Verwendungszweck weitere Rechte erforderlich sind und eingeholt werden müssen und können. Sowohl für Bildkäufer als auch für Anbieter bedeutet dies mehr Rechtssicherheit und weniger Risiko. Aber das ist wohl ein anderes Thema…
Olaf
🙂 Da ist ein „e“ verwschwunden… Das Stichwort heißt natürlich „Pressefreiheit“ und nicht „Pressfreiheit“. Wer das „e“ gefunden hat: bitte an der richtigen Stelle einfügen… Danke!
Pressfreiheit, nee wirklich… was soll das denn sein?
Ja, die dunklen Bilder passen nicht für die meisten MS-Agenturen. Ich habe mir die Website von Stephan angesehen, da finde ich viele gute Sachen, mir gefallen seine düsteren „Untergangswelten“. Evtl. kann er Prints oder Leinwanddrucke davon verkaufen. Meiner Meinung nach könnte das der bessere Weg sein als die Microstockschiene (und auch mehr Spaß als Hobby bringen). Trotzdem noch ein bissel an der Technik feilen … viel Glück!!!
Na es gibt ja auch noch andere Bilderagenturen, neben den (üblichen) Microstocks, die auch eine ganz andere Bildsprache bevorzugen. (Nur dass die Bilder halt dann auch sehr, sehr gut sein müssen.)
Von daher sehe ich bei diesen Bildern das Problem nicht so sehr in der prinzipiellen Bildsprache. Allerdings sind die Bilder halt auch davon abgesehen nicht so wirklich richtig gut. 😉 Aber das kann man Lernen…
Ich bin selbst MS anfängerin und frage Ich mich oft: was wollen die MS-Agenturen? oder eher was will der Kunde kaufen?. Ein weg sich hilfe zu schaffen ist ein Blick in der Agentur Blog zu werfen. Ich glaube wenn ein Agentur über ein Kunstler/Fotograf schreibt ist weil die Bilder dieser Person uns die Richtung zeigt. Zum Beispiel, für Foodfotografie, fand ich diese Artikel hilfreich: 7 Fotografinnen beweisen ein Händchen für Kulinarisches. Hier ist der link
http://www.shutterstock.com/de/blog/food-fotografie‑2
Der Bildstil von Stephan passt meiner Meinung nach gar nicht zu MS. Die Frage ist hier: Will Stephan seine Fotografie weiterbringen oder eigentlich etwas (mit hohem Aufwand) produzieren, das mit ihm gar nichts zu tun hat, nur um nach 1–3 Jahren 100 Euro pro Jahr zu generieren. Aufwand / Ertrag dürfte hier nicht stimmen.
Danke an alle für die konstruktiven Kommentare.
Mittlerweile sind mir die Fehler sehr bewusst, es hat sich auch einiges bei mir getan.
Die Frage ist aber wirklich, ob ich in die Schiene passe. Wie Michael schon sagte, ggf. macht es mehr Sinn, meine „UntergangsWelten“ voran zu bringen, ich merke einfach immer, so sehr ich mich auch bemühe, meine Bildsprache ist und bleibt düster 😉 Ausname ist nur, wenn ich Bilder von meinen Kindern mache, aber die verkaufe ich ja nicht. Danke an Robert für die ehrliche Kritik und für all Eure Meinungen hier.